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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 08.07.2020

08.07.2020 - Artikel

Lage in Libyen

BURGER (AA): Sechs Monate nach der Berliner Libyen-Konferenz wird sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen heute turnusgemäß unter Leitung von Außenminister Maas mit der Lage in Libyen befassen.

Wir haben unseren Vorsitz im Sicherheitsrat und unsere Gestaltungsmöglichkeiten dafür genutzt, das übliche Format für diese Befassung zu erweitern. Neben den Sicherheitsratsmitgliedern werden deswegen heute auch die anderen Teilnehmer der Berliner Libyen-Konferenz, darunter auch die EU, die Afrikanische Union und die Arabische Liga, sowie weitere Stakeholder aus der Region bei der Sitzung vertreten sein.

Wir freuen uns, dass nach jetzigem Stand 20 Staaten auf Ebene der Außenminister vertreten sind. UN-Generalsekretär Guterres wird die Teilnehmer über die Lage vor Ort in Libyen informieren. Sie können die Sitzung heute ab 17 Uhr deutscher Zeit live über das UN-Web-TV verfolgen.

Auch wenn es momentan weniger Kampfhandlungen gibt, die Lage in Libyen verschlechtert sich weiter. Es droht eine weitere Eskalation, die auch Folgen für die Region haben könnte. Wir wollen deswegen heute den Fokus nicht nur auf die Lage vor Ort, sondern auf die internationalen Bemühungen für eine Stabilisierung Libyens richten. Das ist auch die Zielsetzung des Berliner Prozesses, und das verfolgen wir weiter. Außenminister Maas steht dazu auch mit seinen europäischen Amtskollegen in intensivem Austausch. Auch in den nächsten Tagen wird sich unter anderem der Rat für Auswärtige Angelegenheiten der EU mit den Entwicklungen in Libyen befassen.

Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Syrien

FRAGE: Ich habe eine Frage zu dem gestrigen Fiasko bezüglich der Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Syrien bzw. der Cross-Border-Nothilfelieferung. Hatten deutsche Diplomaten vor der Abstimmung irgendwelche Hinweise, dass Russland und China ihr Veto einlegen würden? Was können Sie mir darüber sagen, welche Auswirkungen diese Entscheidung im Sicherheitsrat für die Flüchtlinge in der Region haben wird?

BURGER (AA): Ich würde kurz zum Hintergrund des ganzen Vorgangs etwas ausholen: In Syrien leben ungefähr 2,8 Millionen Menschen in Gebieten, wo sie auf humanitäre Versorgung angewiesen sind, die über die syrischen Staatsgrenzen hinweg geleistet wird, aus dem Ausland. Das ist eine Diskussion, über die hier seit Jahren nicht mehr täglich gesprochen wird, die uns aber in der Vergangenheit sehr intensiv beschäftigt hat, nämlich dass das syrische Regime in den Gebieten, die unter seiner Kontrolle stehen, aber auch in anderen Gebieten humanitäre Hilfe, die Versorgung von Menschen mit lebensnotwendiger Nahrung, Medizin etc., behindert und deswegen Menschen für ihr Überleben tatsächlich darauf angewiesen sind, dass sie aus dem Ausland über Grenzen hinweg versorgt werden.

Auch dem hat die syrische Regierung in der Vergangenheit nicht zugestimmt. Deswegen wurde es notwendig, dass der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 2165 beschlossen hat, dass die Organisation der Vereinten Nationen auch ohne die Zustimmung der syrischen Regierung diese lebensnotwendige humanitäre Hilfe nach Syrien hinein leisten darf. Wie gesagt, 2,8 Millionen Menschen sind für ihr Überleben auf diese grenzüberschreitende Hilfe angewiesen.

Die Rechtsgrundlage, die ich erwähnt habe, die dafür in der Vergangenheit durch den Sicherheitsrat geschaffen wurde, ist zeitlich befristet und steht jetzt zur Verlängerung an. Diese Frist läuft bis zum 10.07., also bis kommenden Freitag. Insofern werden wir auch diese Zeit, die bis zum Freitag noch bleibt, weiter nutzen, um mit allen Beteiligten im Sicherheitsrat und mit den humanitären Akteuren vor Ort weiter an einer Lösung zu arbeiten.

Die Abstimmung, die gestern in New York stattgefunden hat, kam insofern nicht völlig überraschend, weil wir seit langer Zeit sehr intensive und schwierige Gespräche zu diesem Thema führen, und zwar mit allen Beteiligten im Sicherheitsrat. Es ist auch kein Geheimnis, dass einige Staaten, insbesondere Russland, sich immer wieder kritisch zu dieser Cross-Border-Resolution geäußert haben. Das ändert aber nichts an unserer Entschlossenheit, weiter alles zu tun, um hier Kompromissräume auszuloten und in der verbleibenden Zeit noch zu einer Lösung zu finden, damit die Menschen vor Ort, die darauf angewiesen sind, versorgt werden können.

ZUSATZFRAGE: Befürchten Sie eine erneute Flüchtlingswelle, wenn diese Menschen nicht die notwendige Hilfe von außerhalb Syriens erhalten?

BURGER: Wie gesagt, im Moment ist unsere Arbeit darauf gerichtet, zu ermöglichen, dass diese Menschen weiterhin versorgt werden können. Diese Menschen sind darauf angewiesen. Deswegen arbeiten wir daran.

FRAGE: Das System der Hilfslieferungen von außen kann nur funktionieren, wenn Grenzübergänge dazu geöffnet sind. Offenbar will Russland jetzt nur noch einen Grenzübergang im Nordwesten offen halten, mit der Begründung, dass das syrische Regime selber sozusagen die Macht im Land übernommen habe und das organisieren könne.

Was bedeutet es, wenn nur noch ein Grenzübergang statt wie bisher mehrere für Hilfslieferungen zur Verfügung steht? Sehen Sie eine Strategie, ein alternatives Hilfssystem aufzubauen, wenn Russland bei der Verweigerungshaltung bleibt?

BURGER: Ich kann jetzt nicht zu den Details der Verhandlungen, die in New York noch laufen, und zu einzelnen Verhandlungspositionen Stellung nehmen.

Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, mehrere Grenzübergänge nutzen zu können, weil diese Hilfe bisher über verschiedene Grenzübergänge geleistet wird und sie auch gebraucht werden. Auch regional werden die Menschen von unterschiedlichen Grenzübergängen aus versorgt. Das ist eine Frage der Effizienz und auch der Versorgungssicherheit für diese Menschen. Deswegen ist es aus unserer Sicht sinnvoll, dass die beiden Grenzübergänge, die im Moment genutzt werden können, auch weiterhin zur Verfügung stehen.

ZUSATZFRAGE: Wird die Möglichkeit von Hilfslieferungen innerhalb Syriens durch Kampfhandlungen behindert? Sie haben recht: Wir reden im Moment relativ wenig darüber. Wie ist die Situation in den Regionen, die von der Türkei besetzt sind? Wird da humanitäre Hilfe behindert, oder tut dies allein das syrische Regime? Wie gesagt, wie sieht es mit Kampfhandlungen aus?

BURGER: Kampfhandlungen finden weiter statt. Es finden auch weiterhin ‑ darüber ist gerade wieder berichtet worden ‑ Angriffe vonseiten des syrischen Regimes auf zivile Infrastruktur und medizinische Versorgungseinrichtungen statt.

Insgesamt haben die Menschen in Syrien mit ganz vielen verschiedenen Problemen zu kämpfen. In Gebieten, die unter der Kontrolle des Regimes oder auch nicht unter der Kontrolle des Regimes stehen, gibt es Kampfhandlungen und Gewalt. Das Problem, dass humanitäre Hilfslieferungen auf einer bestimmten völkerrechtlichen Basis systematisch infrage gestellt werden, gilt aber spezifisch für das syrische Regime.

ZUSATZFRAGE: Welche Rolle spielt die Türkei?

BURGER: Die Türkei ‑ das wissen Sie ‑ übt in verschiedenen Formen Kontrolle über verschiedene Gebiete im Norden Syriens aus. Darüber haben wir in der Vergangenheit hier immer wieder gesprochen. Ich kann Ihnen jetzt ad hoc keine detaillierte Einschätzung zur Versorgungssituation in diesen Gebieten präsentieren. Wenn ich dazu etwas nachliefern kann, dann tue ich das gerne.

Sicherheitsgesetz für Hongkong

FRAGE: Wie bewertet die Bundesregierung die Vorgänge in Hongkong, insbesondere mit Blick auf den Passus in dem umstrittenen Sicherheitsgesetz, wonach auch ausländische Unterstützer oder Wirtschaftsvertreter von diesem Gesetz betroffen sein könnten?

FIETZ (BReg): Ich kann nur noch einmal wiederholen, was wir an dieser Stelle bereits öfter gesagt haben: Wir werden die konkrete Ausgestaltung des Sicherheitsgesetzes prüfen und dessen Umsetzung genau beobachten.

Grundsätzlich bleibt es unsere Erwartung, dass die in Hongkong geltende Rechtsstaatlichkeit geachtet und die friedliche Ausübung der Bürgerrechte für alle Hongkonger Bürger im Rahmen ihres Geltungsbereichs nicht infrage gestellt wird. Dies ist auch die Grundlage für Stabilität und Wohlstand in Hongkong.

ZUSATZFRAGE: Um einen Teil der Frage zu präzisieren: Es bezog sich speziell auf ausländische Unterstützer oder Wirtschaftsvertreter im Ausland, auf die dieses Gesetz eben auch Anwendung finden könnte.

BURGER (AA): Ich kann ergänzen. Der Außenminister hat sich gemeinsam mit seinen europäischen Amtskollegen bereits sehr deutlich nach Inkrafttreten des Gesetzes bzw. nach Veröffentlichung des Gesetzes positioniert. Er hat auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, dass Europa China gegenüber geschlossen und mit einer Stimme spricht.

Wir haben gesagt, dass wir, nachdem wir auf die Veröffentlichung des Gesetzes reagiert haben und natürlich nun auch gemeinsam als Europäische Union die Anwendung dieses Gesetzes ansehen, auch darauf eine geschlossene europäische Antwort geben. Natürlich orientieren wir uns dabei an den Prinzipien, die Frau Fietz gerade genannt hat, nämlich an den völkerrechtlichen Verpflichtungen, die China dort hat, an den Auswirkungen auf das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ und an der Menschenrechtssituation.

Wir haben speziell zu möglichen Auswirkungen auf deutsche Staatsangehörige vor Ort auch in unseren Reise- und Sicherheitshinweisen hingewiesen, damit deutsche Reisende auf die nach Einführung des Sicherheitsgesetzes geltende Rechtslage aufmerksam gemacht und dadurch in die Lage versetzt werden, eigenständig zu entscheiden, ob sie dorthin reisen oder nicht.

FRAGE: Großbritannien zählen Sie ja auch noch immer zu den europäischen Partnern. Wie bewertet die Bundesregierung das britische Vorhaben, die Einbürgerung von Menschen in Hongkong in Großbritannien zu erleichtern? Finden Sie das förderlich und gut?

Zweitens. Haben Sie Ähnliches für die EU bzw. für Deutschland vor, dass also Menschen aus Hongkong zum Beispiel in Deutschland bessere Einbürgerungschancen haben?

BURGER: Ich will die britische Politik in dieser Hinsicht nicht kommentieren. Sie wissen ja sicherlich auch, dass Großbritannien natürlich mit Hongkong eine ganz besondere Geschichte verbindet und dass sich das möglicherweise so nicht eins zu eins auf andere Länder übertragen wird. Wir werden uns im Kreis der Europäischen Union intensiv darüber unterhalten, wie unsere Bewertung und eben auch unsere Reaktion auf diese Maßnahmen ausfällt. Die erste Gelegenheit dazu wird der Rat für Außenbeziehungen der Europäischen Union am Montag sein, wo sich die Außenminister wieder zum ersten Mal physisch in Brüssel treffen werden. Das wird, wie gesagt, die nächste Gelegenheit sein, dort über gemeinsame Antworten zu sprechen. Dem kann ich heute noch nicht vorgreifen.

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