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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 06.07.2020

06.07.2020 - Artikel

Vorwürfe des polnischen Präsidenten gegenüber einem deutschen Journalisten hinsichtlich einer angeblich im Auftrag der Bundesregierung erfolgten despektierlichen Berichterstattung

FRAGE: Ich habe eine Frage an die Bundesregierung in Bezug auf Vorwürfe des polnischen Präsidenten Duda an meinen „WELT“-Kollegen Philipp Fritz. Es wurde öffentlich der Name des Journalisten genannt, verbunden mit dem Vorwurf, er würde sich im Auftrag der Bundesregierung an einer despektierlichen Berichterstattung beteiligen. Wie bewerten Sie diese Vorwürfe?

Es gibt, allgemein gefragt, auf europäischer Ebene immer wieder Staaten oder immer mehr Staaten, in denen die Pressefreiheit unter Beschuss gerät. In Malta, in der Slowakei und in Ungarn gab es entsprechende Vorfälle. Wird das auch ein Thema der Ratspräsidentschaft werden müssen?

SEIBERT (BReg): Wir haben diese Berichterstattung zur Kenntnis genommen. Dazu gibt es im Wesentlichen zwei Dinge zu sagen. Das Erste: Die Bundesregierung nimmt selbstverständlich keinen Einfluss auf die Präsidentschaftswahl unseres polnischen Nachbarn. Es sind allein und ausschließlich die polnischen Bürger, die am kommenden Wochenende eine demokratische Entscheidung über ihr Staatsoberhaupt zu treffen haben.

Lassen Sie mich zweitens zum Thema der Journalisten sagen: Die Bundesregierung nimmt hier in Deutschland keinen Einfluss auf Korrespondenten und ihre Arbeit, und genauso wenig nehmen wir Einfluss auf die Arbeit deutscher Auslandskorrespondenten. Die tun ihre Arbeit im Rahmen der Pressefreiheit.

ZUSATZFRAGE: Was ist mit der zweiten Frage bezüglich der Ratspräsidentschaft, also des allgemeinen Themas der Pressefreiheit? Es gibt ja jetzt doch sehr viele Staaten in Europa, in denen die Pressefreiheit unter erheblichen Druck geraten ist.

SEIBERT: Ja. – Wollen Sie?

ADEBAHR (AA): Ja. – Die Frage der Rechtsstaatlichkeit ist natürlich eine, die uns in unserer Ratspräsidentschaft beschäftigen wird, mit der wir uns befassen werden und die natürlich auch Thema der nächsten und anstehenden großen Aufgaben sein wird, die wir angehen. Finanziell haben wir da einiges zu tun, das geklärt werden muss. Insofern ist uns das Thema Rechtsstaatlichkeit auch auf europäischer Ebene wichtig. Das bringen wir dort ein, und das wird ein Thema der Ratspräsidentschaft sein.

FRAGE: Ich habe eine Frage sowohl an Herrn Seibert als auch an Frau Adebahr: Wie besorgt sind Sie eigentlich, dass jetzt ein amtierender Präsident zum einen Journalisten direkt angreift, aber zum anderen ja auch Deutschland ganz direkt vorwirft, sich in den Präsidentschaftswahlkampf einzumischen? Es wird ja jetzt so eine antideutsche Karte im Wahlkampf gespielt. Wie besorgt sind Sie über diese Vorgänge?

Gab es direkte Kontakte mit dem polnischen Kollegen

SEIBERT: Ich kann von solchen Kontakten jetzt nicht berichten und habe zu dem Vorfall und der Berichterstattung das gesagt, was für die Bundesregierung wichtig ist: Selbstverständlich nehmen wir keinen Einfluss, und selbstverständlich arbeiten deutsche Auslandskorrespondenten im Rahmen der Pressefreiheit.

FRAGE: Ich würde gerne noch einmal nach den Kontakten fragen. Frau Adebahr, ist das nicht ein Thema, nach dem man bei der polnischen Seite nachfragen müsste? Haben Sie Kontakt zum polnischen Botschafter gesucht? Wäre das nicht sogar Anlass dafür, bei der polnischen Seite Missfallen über diese Äußerung zu entgegnen?

ADEBAHR: Ich glaube, unsere klare Haltung hat Herr Seibert hier ja deutlich gemacht.

Sofern ich von solchen Kontakten oder Gesprächen berichten könnte, würde ich das tun.

FRAGE: Mich würde auch interessieren, warum das AA keinen direkten Kontakt zur polnischen Seite sucht, sondern das jetzt über die Medien zu spielen versucht.

ADEBAHR: Herr Jung, es wurde eine Frage von einem Journalistenkollegen gestellt. Diese Frage hat die Bundesregierung beantwortet.

Ansonsten habe ich auch nicht gesagt, dass es keine Kontakte gibt. Ich habe gesagt: Wenn ich über solche Kontakte hier in diesem Forum berichten kann, dann werde ich das tun.

Freispruch für Peter Steudtner/Verfahren gegen deutsche Staatsangehörige in der Türkei

FRAGE: An Herrn Seibert und Frau Adebahr: Es gab ja am letzten Freitag den Freispruch für Herrn Steudtner in der Türkei, aber gleichzeitig die Verurteilung von anderen Mitangeklagten.

Zum einen: Wie bewerten Sie das Urteil?

Speziell an Frau Adebahr: Sehen Sie Reisen in die Türkei derzeit weiter als gefährlich an, oder sollten, unabhängig von der Reisewarnung für Urlauber, Deutsche, die in die Türkei reisen, aufgrund dieses Urteils besonders vorsichtig sein?

SEIBERT (BReg): Die Bundesregierung hat dieses Verfahren ja sehr eng beobachtet und begleitet, und sie ist jetzt sehr erleichtert, dass die Vorwürfe gegen Peter Steudtner und auch gegen einen seiner Mitangeklagten fallengelassen wurden. Wir hoffen, dass auch weitere noch laufende Verfahren gegen andere deutsche Staatsangehörige, die in Haft sind oder mit Ausreisesperren belegt sind, rasch einer Lösung zugeführt werden können. Wir erwarten dabei von der Türkei, dass rechtsstaatliche Standards eingehalten werden und dass Verfahren auch zügig abgeschlossen werden.

In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung mit Sorge zur Kenntnis genommen, dass eine große Zahl von Mitangeklagten von Peter Steudtner zu hohen Haftstrafen verurteilt worden sind, darunter zum Beispiel der Ehrenvorsitzende von Amnesty International in der Türkei, Taner Kılıç. Das erfüllt uns mit Sorge.

ADEBAHR (AA): Wir haben eine Reisewarnung für die Türkei vor dem ganzen Hintergrund der Covid-19-Pandemie. Schauen Sie zu anderen Themen in unsere Reise- und Sicherheitshinweise, auch zu der Frage, wie man sich in der Türkei an sich verhalten sollte. Es ist natürlich so ‑ das hat Herr Seibert gerade auch aufgeführt ‑, dass die Menschenrechtslage und auch die Pressefreiheitslage weiterhin ein Thema ist, das wir mit der Türkei besprechen. Ich denke, Sie werden in den Reise- und Sicherheitshinweisen auch Hinweise finden, wie man sich bei einer Türkeireise zum Beispiel auch beim Thema soziale Medien am besten verhält. Beachten Sie das also, wenn Sie in die Türkei reisen ‑ das wäre unser Tipp.

ZUSATZFRAGE: Können Sie uns sagen, wie viele Deutsche bzw. Deutschtürken aktuell in der Türkei in Haft sitzen? Wie viele davon werden konsularisch betreut?

ADEBAHR: Aktuell befinden sich 61 deutsche Staatsangehörige in der Türkei in Haft. Dabei beziehen sich aber die Strafvorwürfe zum ganz größten Teil auf Delikte wie Drogendelikte, Körperverletzungsdelikte und dergleichen Strafdelikte. Uns sind 65 Fälle von Deutschen bekannt, die aufgrund von Ausreisesperren die Türkei nicht verlassen können. Zu wie vielen davon es konsularische Betreuung gibt, muss ich Ihnen nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Und politische Gefangene?

ADEBAHR: Dazu haben wir hier ja in früheren Zeiten lang und immer wieder gesprochen. Wir haben ja gesagt, dass die Fallkonstellationen zum Teil komplex sind und dass es aufgrund der Lage an den türkischen Gerichten und der Verfahren dort zum Teil schwierig ist, genau zu beurteilen, was vorgeworfen wird und mit welcher Begründung es vorgeworfen wird. Insofern geben wir die Gesamtzahl heraus; das sind 61. Die Vorwürfe differieren da natürlich, aber das ist die Gesamtzahl. Das ist eine Statistik, mit der man, glaube ich, arbeiten kann.

FRAGE: Frau Adebahr, heißt das, Sie haben Ihre Praxis jetzt geändert und wollen Zahlen über politisch Gefangene nicht mehr herausgeben? Denn früher hatten Sie diese Zahlen ja herausgegeben.

ADEBAHR: Wir weisen, glaube ich, schon seit eineinhalb Jahren darauf hin, dass es zum Teil wirklich schwierig ist, eine Klassifizierung vorzunehmen. Dass es Fälle gibt, auf die wir mit Besorgnis blicken ‑ zum Beispiel die Fälle, die Herr Seibert genannt hat ‑, ist klar. Aber eine Klassifizierung anhand einer Zahl ist angesichts der Lage, wie wir sie an den Gerichten in der Türkei vorfinden, schwierig. Das ist aber eine Haltung, die wir, glaube ich, bestimmt schon seit eineinhalb Jahren vertreten.

[…]

ADEBAHR :Dann möchte ich noch etwas nachliefern.

Zur Türkei kann ich zum Thema konsularischer Zugang ganz erfreulich mitteilen, dass wir im Moment ‑ Herr Jung und Herr Jordans, Sie hatten danach gefragt ‑ zu allen in der Türkei befindlichen Staatsbürgern, die dies wünschen, konsularischen Zugang haben. Ich kann und darf Ihnen an dieser Stelle nicht darüber Auskunft geben, wer es wünscht und wer es nicht wünscht. Aber zu allen, die es wünschen, haben wir Zugang. Es ist zum Teil so, dass Covid-19 das praktisch erschwert. Aber im Grundsatz ist er uns gewährt, und wir nehmen ihn auch intensiv wahr.

Verfassungsänderung in Russland

FRAGE: Zur Verfassungsänderung in Russland: Mich würde vom Auswärtigen Amt interessieren, wie Sie diese größte Verfassungsänderung der russischen Geschichte bewerten. Konkret würde ich gern wissen: Wie bewerten Sie, dass der russische Präsident nun mehr Machtbefugnisse als zuvor hat und Herr Putin jetzt sechzehn weitere Jahre regieren kann? Herr Seibert, hat die Kanzlerin schon gratuliert?

ADEBAHR (AA): Grundsätzlich sind natürlich Volksbefragungen und Verfassungsänderungen eine innere Angelegenheit eines jeden Staates. Wie bei allen Wahlen weltweit oder bei Abstimmungen finden wir und die Europäische Union es wichtig, dass sie frei und fair verlaufen.

Ich möchte Sie gern auf die Sprechererklärung des Europäischen Auswärtigen Dienstes vom 2. Juli hinweisen, die für alle EU-Mitgliedstaaten abgegeben wurde. Dort können Sie die Haltung noch einmal nachlesen.

Da wird schon kritisiert, dass es im Vorfeld Einschränkungen im Wahlkampf gab. Es wird dazu aufgerufen, dass auch alle Vorwürfe zu Unregelmäßigkeiten bei der Wahl, zur möglichen Einschränkung des Wahlgeheimnisses und zur Ausübung von Polizeigewalt eingehend untersucht werden. Es wird ‑ das tun wir ja auch immer wieder ‑ darauf hingewiesen, dass sich auch Änderungen einer Verfassung nach den Prinzipien und Entscheidungen internationaler Organe wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vollziehen sollten, weil das natürlich auch Prinzipien sind, die Russland unterschrieben hat. Das können Sie, wie gesagt, in der Sprechererklärung des Europäischen Auswärtigen Dienstes vom 2. Juli nachlesen.

ZUSATZFRAGE: Vielen Dank, dass Sie Fragen beantworten, die ich noch gar nicht gestellt habe.

Ich wollte auch zu den freien Wahlen usw. etwas wissen. Aber ich wollte von Ihnen wissen, wie Sie als Bundesregierung, nicht als Europa, diese Verfassungsänderung bewerten und konkret, was Sie jetzt zu Putins Machtbefugnissen und seiner verlängerten Amtszeit sagen.

Herr Seibert, Sie waren auch befragt. Hat Frau Merkel schon gratuliert?

SEIBERT (BReg): Da Sie sofort eingegriffen haben, hatte ich keine Zeit, meine Antwort loszuwerden. Ich möchte das ganz schnell tun; denn das wird schnell gehen.

Ein Glückwunsch zu Verfassungsreferenden ist nicht üblich und hat deswegen auch nicht stattgefunden.

ADEBAHR: Ich verweise Sie noch einmal auf den allerersten Satz meiner Antwort. Vielleicht hören Sie noch einmal herein.

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