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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 03.07.2020

03.07.2020 - Artikel

Chinesisches Sicherheitsgesetz für Hongkong

FRAGE: Ich habe eine Frage zu Hongkong an Herrn Seibert und an Herrn Breul.

Herr Weber, der EVP-Präsident im Europaparlament hat in Bezug auf den Satz von Kennedy „Ich bin ein Berliner“ gesagt: Eigentlich sind im Moment alle Europäer Bürger Hongkongs.

Er hat gefordert, dass die EU insgesamt wie auch die einzelnen nationalen Staaten gegen das neue Sicherheitsgesetz protestieren, das in Hongkong erlassen wurde, und Menschenrechte einklagen. Wie positioniert sich die Bundesregierung?

BREUL (AA): Unsere Position ist, denke ich, sehr klar. Sie war es auch schon vor Dienstag, als das neue Sicherheitsgesetz für Hongkong verkündet wurde und dann unmittelbar in Kraft trat. Wir haben unsere Prinzipien ja wiederholt hier in diesem Raum unterstrichen, aber auch auf EU-Ebene, und haben auch am Mittwoch reagiert. Der Außenminister hat in den letzten Tagen, als er zum Beginn der Ratspräsidentschaft viele Interviews geführt hat, noch einmal unterstrichen, wie wichtig es ihm ist, dass wir als Europäische Union zusammenstehen und wir dann auch eine Chance haben, dass unser Wort gehört wird.

Von daher ist es gut, dass es diese Erklärung gibt. In der Erklärung finden Sie auch Hinweise darauf, dass die Europäische Union bei diesem Thema sehr aufmerksam hinschaut: Wie wird das Gesetz umgesetzt? Wie wird mit Meinungsfreiheit und dem Recht auf Demonstrationen umgegangen? ‑ Diese Themen wird sie natürlich auch gegenüber China weiterhin offen ansprechen.

Jetzt rückt bereits sehr stark ein weiteres Datum in den Fokus. Es besteht die klare Erwartung, dass die Bürger Hongkongs dort ihre demokratischen Rechte und Freiheiten ‑ wie im Gesetz, im Basic Law, vorgesehen ‑ werden ausüben können.

SEIBERT (BReg): Ich habe dem nicht viel hinzuzufügen, weil das die wesentlichen Grundzüge nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Haltung sind. Es ist ja oft, auch gerade von der Bundesregierung, betont worden, wie wichtig es ist, dass Europa in den entscheidenden außenpolitischen Fragen mit einer Stimme spricht. Das tut es nun im Falle der Entwicklungen in Hongkong. Das drückt sich in der Erklärung der Außenminister für alle Mitgliedstaaten aus.

Die Bundeskanzlerin hat gestern in der Pressekonferenz mit Frau von der Leyen ja noch einmal gesagt, wie zufrieden sie ist, dass es gelungen ist, genau diese klare, gemeinsame Äußerung zu machen, in der die EU ihre tiefe Besorgnis über dieses Gesetz ausdrückt, das ohne irgendeine bedeutsame vorherige Konsultation mit dem Legislativrat von Hongkong und der Zivilgesellschaft angenommen wurde.

ZUSATZFRAGE: Steht das, was das Gesetz formuliert ‑ Verdachtsmomente in äußerst vager Form sowie die Möglichkeiten, dass chinesische Festlandspolizeieinheiten direkt in Hongkong aktiv werden können und dass Hongkonger Bürger zu Gerichtsverhandlungen zwangsweise auf das Festland verbracht werden können ‑, nach Auffassung der Bundesregierung in Übereinstimmung mit dem Prinzip „Eine Nation, zwei Systeme“, oder wird das verletzt?

SEIBERT: Ich denke, dass dies nicht der richtige Ort ist, um jetzt in die Detailexegese des Gesetzes zu gehen. Aber die Erklärung der Außenminister und des Hohen Beauftragten geht ja sehr spezifisch auf verschiedene Punkte ein. Genau das ist die Frage, die sich stellt und die die Bundeskanzlerin gestern auch noch einmal aufgeworfen hat, nämlich die Frage, ob der Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ mit diesem Sicherheitsgesetz lebbar ist.

FRAGE: Ich habe zwei Fragen. Die erste richtet sich an das Auswärtige Amt. Rechnet die Bundesregierung wegen des neuen Sicherheitsgesetzes mit einer steigenden Zahl von Asylbewerbern aus Hongkong? Fürchtet man dadurch entstehende diplomatische Unstimmigkeiten?

Die zweite Frage geht an das Innenministerium: Werden die Antragsregeln für Hongkonger Asylantragsteller wegen des chinesischen Sicherheitsgesetzes angepasst?

Wie viele Asylanträge von Hongkongern gab es 2019?

BREUL: Ich weiß nicht genau, ob ich mir hier eine Prognose erlauben darf. Ich glaube, eher nicht. Ob es zur Auswanderung aus Hongkong kommen wird, mag ich wirklich nicht vorhersehen. Es ist ja so ‑ dazu kann der Kollege aus dem Innenministerium sicherlich etwas ergänzen ‑, dass man sich auf das Recht auf Asyl dann berufen kann, wenn man in Deutschland ist. Es ist also keine Frage, die jetzt unmittelbar in Hongkong zu beantworten wäre, wenn Leute dort sagen, sie wollten jetzt auf einmal in Deutschland Asyl beantragen, sondern das wird dann eventuell Menschen aus Hongkong betreffen, die sich in Deutschland befinden. Aber ich traue mir, wie gesagt, jetzt keine Prognose zu, was irgendwelche Steigerungsraten oder sonstige Entwicklungen angeht.

ALTER (BMI): Das Gleiche gilt für das Bundesinnenministerium. Man wird die Entwicklung beobachten müssen. Wir erleben ja regelmäßig, dass, wenn es Veränderungen in der Welt gibt, dies auch Auswirkungen auf das Asylgeschehen in Deutschland hat. Prognosen dazu kann man verlässlich und belastbar im Moment nicht anstellen.

Grundsätzlich gebe ich vielleicht noch einmal den Hinweis: Niemand erhält in Deutschland Asyl, weil er aus einem bestimmten Land kommt, sondern das Asylrecht ist ein individuelles Recht. Das wird in jedem Einzelfall geprüft. Ich sehe vor diesem Hintergrund aus der Perspektive des Ministeriums jetzt auch keine unmittelbare Notwendigkeit dafür, deswegen die Entscheidungsgrundsätze anzupassen. Sie gelten auch jetzt. In jedem Fall, in dem die Kriterien dafür erfüllt werden, dass Schutz gewährt wird, passiert das auch. Dabei wird es nach meiner Kenntnis zunächst auch einmal bleiben.

Die Zahlen für 2019 habe ich jetzt, in diesem Moment, nicht parat. Ich versuche, sie noch während dieser Regierungspressekonferenz nachzureichen.

FRAGE: Herr Seibert, ich habe eine Frage in Bezug auf Herrn Weber, der ja derselben Parteienfamilie angehört wie die Kanzlerin. Fühlt sich die Bundeskanzlerin in dem von Weber angesprochenen Sinne, mit dem er auf Kennedy referiert, als Bürgerin Hongkongs?

In welcher Weise wird das Thema in der deutschen Ratspräsidentschaft eine Rolle spielen?

Wird es auch über das genaue Hinschauen hinaus Aktionen, Unternehmungen oder Gespräche geben, die die Einhaltung von Menschenrechten und die Kritik gesondert formulieren?

SEIBERT: Da ich das genaue Zitat von Herrn Weber nicht kenne, möchte ich gern bei meinem Grundsatz bleiben, Zitate, die mir nicht vorliegen, hier auch nicht genau zu kommentieren.

Die Bundeskanzlerin hat in mehreren Erklärungen vor dem Deutschen Bundestag, vor dem Bundesrat und bei anderen Gelegenheiten über das Thema der Beziehungen zwischen der EU und China als einen wichtigen Aspekt der deutschen Ratspräsidentschaft in den nächsten sechs Monaten gesprochen. Darauf verweise ich Sie. Dabei geht es immer darum, dass China für uns sowohl ein strategischer Partner als auch ein systemischer Wettbewerber ist, dass es gemeinsame Interessen gibt ‑ einen ganz wichtigen Wirtschaftsbereich ‑ und dass es gleichzeitig ganz klare Unterschied im Gesellschaftssystem gibt und deshalb auch immer wieder Meinungsverschiedenheiten, die man am besten miteinander im Dialog und im Gespräch anspricht. Das ist es, was Deutschland tut und was Europa tut.

Sie wissen, dass die Spitzen der Europäischen Union gerade erst ‑ ich meine, es war in der vergangenen Woche ‑ eine sehr ausführliche Videokonferenz mit dem chinesischen Präsidenten und Ministerpräsidenten hatten, bei der auch Themen, in denen es Dissens gibt, zur Sprache kamen. Das wird sicherlich auch weiterhin so sein.

ZUSATZFRAGE: Aber konkrete Aktionen ‑ es fällt dann immer das Stichwort „Boykott“ oder Ähnliches ‑ sind nicht Bestandteil der Überlegungen der Kanzlerin und der deutschen Ratspräsidentschaft, oder?

SEIBERT: Die Vorgabe ist, dass China für uns in Europa ein ganz wichtiger Partner ist und wir gleichzeitig nie vergessen können ‑ die Ereignisse zeigen das ‑, dass China ein ganz anderes Gesellschaftssystem verfolgt und sich immer wieder Bürger- und Menschenrechtsfragen in China auf dringende Weise stellen. Dies muss besprochen werden. Die breite Palette der Beziehungen und Gesprächsformate, die wir zwischen China und Deutschland, aber auch zwischen China und Europa haben, ermöglicht es, diese Themen anzusprechen.

[…]

BUSCHOW (Vorsitz): Es gibt aus dem Innenministerium noch eine Nachlieferung der Zahlen für Hongkong.

ALTER: Wir hatten sowohl im Jahr 2019 als auch bislang im Jahr 2020 jeweils einen Asylbewerber aus Hongkong.

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