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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 05.06.2020

05.06.2020 - Artikel

Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA / Kritik des Transatlantik-Koordinators

FRAGE: Herr Seibert, ich habe eine Frage zur Lage in den USA. Der Transatlantik-Koordinator, Herr Peter Beyer, hat die Reaktion von Präsident Trump auf die Proteste sehr scharf kritisiert und hat gesagt, dass er auf einem „Steinzeitniveau“ agiere. Ist das auch die Position der Bundesregierung?

SEIBERT (BReg): Die Position der Bundesregierung können Sie dem entnehmen, was der Bundesaußenminister Anfang der Woche gesagt hat und was die Bundeskanzlerin in den beiden Interviews gestern ausgedrückt hat.

Die Bundeskanzlerin ist, wie viele Menschen auf der Welt, von diesem Fall erschüttert. Die gestrige Trauerfeier für George Floyd hat noch einmal sehr bewegend die ganze Tragik klargemacht - sowohl die Tragik der Tötung dieses einen Menschen als auch eben des Rassismus, die Schwarze in den USA bis heute erfahren. Die Kanzlerin hat gestern auch hervorgehoben, dass es solchen Rassismus nicht nur in den USA gibt, sondern dass auch wir vom Übel des Rassismus nicht frei sind.

Sie hat großes Verständnis für die vielen Menschen, die friedlich auf die Straßen gehen, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Darin ‑ und in der gesamten Debatte, die jetzt in der Politik und Gesellschaft und in den Medien der USA geführt wird ‑ sieht sie ein Zeichen der starken amerikanischen Demokratie. Sie hofft und vertraut darauf, dass das Land auf dieser Basis wieder zueinanderfindet. Das ist die Haltung der Bundeskanzlerin so, wie sie sie gestern sehr klar ausgedrückt hat.

ZUSATZFRAGE: Noch einmal zurück zu den Äußerungen. Herr Beyer ist ja nicht irgendwer. Er ist Ihr transatlantischer Koordinator. Spricht er im Namen der Bundesregierung, wenn er diese Äußerungen macht?

BURGER (AA): Herr Seibert hat gerade die Wortwahl der Kanzlerin referiert. Ich werde die Äußerungen von Herrn Beyer jetzt hier nicht weiter kommentieren.

FRAGE: Herr Seibert, Sie sprechen heute auch schon von „Tötung“. In den letzten Tagen haben Sie immer wieder von „Tod“ gesprochen. Die Kanzlerin hat gestern vom „Mord“ an George Floyd gesprochen. Gab es in den letzten Tagen neue Erkenntnisse der Bundesregierung?

Sie haben gerade das Kehren vor der eigenen Haustür angesprochen. Sieht sich die Bundesregierung angesichts des Migrationshintergrunds in der deutschen Bevölkerung gut repräsentiert? Ich glaube, es gibt kein einziges Mitglied in der Bundesregierung, das einen Migrationshintergrund hat. Richtig?

Herr Burger, kann das AA uns einmal seine Sicht hinsichtlich der systematischen Benachteiligung von People of Color in den USA, also von Schwarzen, darstellen? Wie ist diesbezüglich die Einschätzung des AA? Haben diese Menschen aus Ihrer Sicht einen Grund, jetzt auf die Straße zu gehen und ihre Benachteiligung anzuprangern?

SEIBERT: Ich weiß jetzt gar nicht, wo ich bei Ihren sechs bis acht Fragen anfangen soll.

ZURUF: Es waren drei!

SEIBERT: Okay. – Meine Äußerungen am Mittwoch habe ich im gleichen Geiste getan, wie das, was die Bundeskanzlerin gestern sehr klar ausgedrückt hat. Eine juristische Bewertung kann es natürlich nur durch amerikanische Gerichte geben. Aber das Wort „Mord“, das die Bundeskanzlerin gestern verwendet hat, drängt sich einem auf, wenn man dieses entsetzliche Video der Tat sieht. Wie gesagt, das ist keine juristische Bewertung, wobei ja, wenn ich mich recht erinnere, die Anklage auf „Second-Degree-Murder“ lautet.

Zu Ihrer Frage bezüglich Rassismus: Die Bundesregierung ist mit einer ganz starken antirassistischen Überzeugung bei der Arbeit. Das prägt unsere Arbeit, unabhängig davon, ob sie am Kabinettstisch Menschen mit Migrationshintergrund sehen oder nicht. Wir sind eine Bundesregierung, die starke antirassistische Überzeugungen hat, die das in ihrer politischen Arbeit auch zugrunde legt, die weiß, dass Deutschland, wie ich es vorhin gesagt habe, nicht frei ist vom Übel des Rassismus und auch nicht frei von Benachteiligungen ist, die Menschen mit Migrationshintergrund hier bei uns erfahren. Das ist für uns ein täglicher Arbeitsauftrag.

BURGER: Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Auslandsvertretung in den Vereinigten Staaten natürlich intensiv die politischen und die gesellschaftspolitischen Diskussionen verfolgen, wie das die Aufgabe einer deutschen Auslandsvertretung in jedem Land der Welt ist. Es ist aber nicht meine Aufgabe, hier im Namen der Bundesregierung soziologische Analysen vorzutragen. Dafür gibt es, glaube ich, berufenere Münder.

ZUSATZFRAGE: Sie möchten nicht über eine systematische Benachteiligung von Schwarzen in den USA in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Arbeit sprechen? Das erkennen Sie nicht?

BURGER: Das wollen Sie mir jetzt in den Mund legen. Ich habe gesagt, dass ich es grundsätzlich nicht als meine Aufgabe als Sprecher des Auswärtigen Amtes sehe, hier gesellschaftliche Entwicklungen in anderen Ländern autoritativ zu analysieren. Dafür gibt es Wissenschaftler; dafür gibt es Thinktanks. Darüber gibt es in den USA selbst natürlich auch eine ganz intensive Diskussion. Sie können sich sicher sein, dass wir natürlich im Rahmen unserer Aufgaben als diplomatischer Dienst die gesellschaftlichen Entwicklungen in anderen Ländern sehr aufmerksam verfolgen.

Es ist, wie gesagt, als Sprecher eines Ministeriums nicht meine Aufgabe, hier dazu die maßgeblichen Analysen vorzutragen.

Dialog zwischen Serbien und Kosovo

FRAGE: Zum Kosovo: Die neue Regierung wurde mit sehr knapper Mehrheit gewählt. Deutschland und Frankreich versuchen derzeit aktiv, den Dialog zwischen Kosovo und Serbien zu unterstützen. Wie beurteilen Sie die Fähigkeit der jetzigen Regierung, Kosovo durch die Verhandlungen mit Serbien zu führen? Gibt es Versuche, die Haltung der EU und der USA bezüglich des Kosovos zu koordinieren?

BURGER (AA): Ja, ich kann Ihnen sagen, dass sich die Bundesregierung sehr auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung im Kosovo freut. Es ist sehr wichtig, dass die ambitionierte Rechtsstaatsagenda der Vorgängerregierung und vor allem der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität konsequent fortgeführt werden; denn das ist ein Schlüsselfaktor für die weitere Heranführung des Landes an die EU und auch für die wirtschaftliche Entwicklung im Kosovo

Der Fragesteller bzw. die Fragestellerin hat richtigerweise gesagt, dass sich Deutschland gemeinsam mit seinen internationalen Partnern dafür einsetzt, dass die Verhandlungen zwischen dem Kosovo und Serbien unter EU-Vermittlung Fortschritte machen. Das Ziel ist ein umfassendes, tragfähiges Abkommen, das die Stabilität in beiden Ländern und in der Region erhöhen soll. Unsere Auffassung ist nämlich, dass nachhaltiger Frieden und Stabilität auf dem westlichen Balkan und die erfolgreiche EU-Annäherung Kosovos und Serbiens nur dann möglich sein werden, wenn es einen dauerhaften Ausgleich zwischen beiden Ländern gibt. Die Bundesregierung unterstützt deshalb nachdrücklich die Bemühungen des Anfang April eingesetzten EU-Sonderbeauftragten Lajčák darum, dass diese Verhandlungen so bald wie möglich wieder aufgenommen werden.

Situation in Libyen

FRAGE: Herr Burger, zur Situation in Libyen: Gestern hat die Regierungstruppe die Hauptstadt zurückerobert. Glauben Sie, dass dieser militärische Sieg jetzt die Wiederaufnahme der Waffenstillstandsverhandlungen erschwert?

BURGER (AA): Ja, die Kämpfe in Libyen gehen weiter. Nach unseren Erkenntnissen ist das Stadtgebiet von Tripolis mittlerweile weitgehend in der Hand der Truppen der Regierung der nationalen Einheit. Nun wird allerdings im Südosten der Stadt weiter gekämpft. Wir sehen das alles mit sehr großer Sorge und kommunizieren das gemeinsam mit unseren Partnern auch gegenüber den Konfliktparteien.

Wie Sie wissen, fordern wir schon seit Langem einen nachhaltigen Waffenstillstand und zu diesem Zweck eine Rückkehr zu den 5+5-Gesprächen zwischen den Vereinten Nationen und den jeweiligen Seiten. Die sind jetzt zunächst einmal per Videokonferenz angelaufen. Das sehen wir als ein positives Zeichen an. Allerdings liegen die Positionen der Konfliktparteien auch noch sehr weit auseinander, und deswegen sind die internationalen Unterstützer beider Seiten nach wie vor in der Pflicht, auf die Konfliktparteien einzuwirken, damit es Fortschritte gibt.

Völkermord an den Herero und den Nama

FRAGE: Der namibische Präsident hat gestern gesagt, dass Deutschland bereit sei, sich für die Massaker an den Herero und den Nama offiziell zu entschuldigen. Kann das Auswärtige Amt dieser Äußerung bestätigen?

BURGER (AA): Ich kann Ihnen dazu keinen neuen Stand mitteilen. Ich kann Ihnen aber wie früher schon noch einmal darstellen, dass die Bundesregierung mit der Regierung von Namibia Gespräche über eine zukunftsgerichtete Aufarbeitung der gemeinsamen Kolonialvergangenheit führt. Diese Gespräche verlaufen im gegenseitigen Vertrauen und konstruktiv.

Beide Seiten haben Vertraulichkeit vereinbart. Daher kann ich den Verlauf und den Inhalt der Gespräche nicht kommentieren. Ich kann Ihnen aber sagen, was wir ja auch schon in der Vergangenheit gesagt haben: Das Ziel der Gespräche oder Teil des Ziels der Gespräche ist, dass am Ende eine Bitte um Entschuldigung steht, dann aber eben auch in einer Form, in der sie von der namibischen Seite als solche gewährt werden kann.

FRAGE: Ein schwieriges Thema in den Verhandlungen war auch immer die Frage von, wie ich es jetzt einmal nenne, Reparationen. Sind Sie da weitergekommen? Gibt es da eine einigungsfähige Lösung?

BURGER: Wie gesagt: Da Vertraulichkeit dieser Verhandlungen vereinbart wurde, kann ich Ihnen hier keinen weiteren Zwischenstand bezüglich der Gespräche nennen. Aus unserer Sicht verlaufen die Gespräche in guter und vertrauensvoller Atmosphäre, und es gibt auch Fortschritte.

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