Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 29.05.2020
- Deutsche EU-Ratspräsidentschaft
- Lage in Libyen
- Beziehungen zwischen der EU und Russland
- Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zum Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag
- Treffen des Bundesaußenministers mit dem ukrainischen Außenminister
- Rolle des Nahostfriedensprozesses während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
- Weitere Informationen
Deutsche EU-Ratspräsidentschaft
SEIBERT (BReg): Schönen guten Tag, meine Damen und Herren! In fünf Wochen, am 1. Juli, wird Deutschland turnusgemäß die europäische Ratspräsidentschaft übernehmen. Wir übernehmen sie von Kroatien und werden das Programm der deutschen Ratspräsidentschaft, die sich bis Ende des Jahres erstreckt, voraussichtlich Ende Juni, also kurz vor Beginn, veröffentlichen.
Ich darf Ihnen heute schon das Motto und das Logo dieser deutschen Ratspräsidentschaft vorstellen. Das Motto lautet ‑ Sie werden ihm in den nächsten sechs Monaten immer wieder begegnen ‑: Gemeinsam. Europa wieder stark machen. ‑ Das bezieht sich natürlich auf die gewaltigen Herausforderungen, vor die die Coronapandemie uns alle in Europa stellt und auf die wir gemeinsam reagieren wollen und müssen. Das wird vielleicht auch die Hauptaufgabe der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sein: Kompromisse und Lösungen zu finden und zu ihnen beizutragen, damit die europäischen Mitgliedsstaaten diese Pandemie gemeinsam und zukunftsgerichtet bewältigen können. Wir werden als Ratspräsidentschaft unsere ganze Kraft dafür einsetzen, dass Europa wirtschaftliche Stärke und Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnt. Genauso wird es uns um den sozialen Zusammenhalt in Europa gehen. Denn dieser macht auch die Kraft Europas aus.
Unserer Verbundenheit als Europäer, unser gemeinsames Handeln nimmt auch das Logo der deutschen Ratspräsidentschaft auf, das ich Ihnen jetzt zeigen kann. Ich stelle es zwischen Frau Adebahr und mich, auch als Zeichen dafür, dass das Auswärtige Amt und das Kanzleramt gerade bei dieser europäischen Ratspräsidentschaft natürlich noch enger als sonst ohnehin schon zusammenarbeiten.
Was sehen Sie? ‑ Sie sehen die Bildmarke ‑ mancher, der sich mit geometrischen Formen auskennt, mag es erkennen ‑, ein sogenanntes Möbiusband, also eine geometrische Figur, die nach dem deutschen Mathematiker und Astronomen August Ferdinand Möbius benannt ist, der im 19. Jahrhundert vor allem an der Universität Leipzig gewirkt hat. Das Besondere an einem Möbiusband ist, dass es, obwohl es auf den ersten Blick nicht so aussieht, nur eine einzige Seite hat. Egal von welchem Ausgangspunkt man kommt, wird man sich immer auf derselben Seite begegnen. Darin sehen wir ein schönes Symbol dafür, dass Europa mit seinen 27 Mitgliedsstaaten mit sehr vielfältigen Interessen sehr oft von sehr unterschiedlichen Ausgangspunkten in die europäischen Diskussionen geht, aber dass wir uns eben auf dem einen europäischen Weg wiederbegegnen.
Wir halten zusammen. Wir finden gemeinsame Positionen. Wir handeln zusammen. Europa schafft Verbundenheit in Vielfalt. Das ist gerade in diesen Zeiten unsere große Stärke. Auch das ist in diesem Logo ein wenig ausgedrückt.
Zusätzlich zum Logo und zum Motto gibt es noch eine heute freigeschaltete Ratspräsidentschaftswebseite, über die Sie Frau Adebahr informiert.
ADEBAHR (AA): Gern. Wir schalten in diesen Sekunden die offizielle Seite der deutschen Ratspräsidentschaft eu2020.de frei. Das ist ein Soft Launch, wie man heute sagt. Wir betreuen die Seite und stellen ab jetzt immer mehr Inhalte ein. Aber traditionell geht es erst kurz vor dem 1. Juli richtig los. Sie finden im Moment schon Informationen zu dem Motto, zu dem Logo und zu Frequently Asked Questions zur Präsidentschaft.
Sie wird hauptsächlich in drei Sprachen betrieben. Diese sind Englisch, Französisch und Deutsch. Während unserer Präsidentschaft wird sie als zentrale Informationsplattform der Bundesregierung fungieren. Dort werden Sie alles rund um die Präsidentschaft, Themen, Veranstaltungen, Programm, aktuelle Nachrichten und das, was der deutsche Vorsitz so macht, finden. Sie wird maschinell auch in alle anderen EU-Sprachen übersetzbar sein.
FRAGE: Herr Seibert, war für das Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ eine Agentur notwendig, oder hat sich das jemand bei Ihnen in der Regierung ausgedacht?
Was hat die Erstellung des Logos gekostet?
SEIBERT: Das Motto ist tatsächlich aus Unterhaltungen, Gesprächen und Meinungsaustauschen innerhalb der Bundesregierung entstanden.
Das Logo ist, wie es üblich ist, von der für so etwas bei uns zuständigen Rahmenvertragsagentur entwickelt worden und wird im Rahmen dieses Vertrages abgerechnet.
ZUSATZFRAGE: Was kostet das?
SEIBERT: Das kann ich Ihnen heute nicht sagen.
ZUSATZFRAGE: Können Sie es nachreichen?
SEIBERT: Das werden wir sehen.
ZUSATZ: Die Informationen zu den Kosten haben Sie ja auch bei anderen G7- und G20-Gipfeln nachgereicht.
[…]
FRAGE: Bei der Präsentation des Möbiusbandes habe ich mich gefragt, ob es eigentlich so gut ist, wenn man Dinge immer nur von einer Seite zu sehen bekommt.
SEIBERT: Ich will ganz kurz unterbrechen. Dann haben Sie es falsch verstanden. Ich hatte gesagt: Die Eigenart Europas, auch die Kraft Europas, ist die Vielfalt. Natürlich haben 27 europäische Mitgliedstaaten vielfältige Interessen und gehen deswegen in die notwendigen europäischen Diskussionen sehr oft von ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten. Wir kennen das beispielsweise zwischen Deutschland und Frankreich sehr gut. Das Besondere ist ‑ und das ist die Stärke Europas ‑, dass man sich dann auf dem einen europäischen Weg trifft.
Lage in Libyen
FRAGE: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat schon einige der Schwerpunkte der Ratspräsidentschaft skizziert, unter anderem die Libyen-Krise. Wie sieht der Plan aus? Wie versucht man, Libyen zu stabilisieren?
SEIBERT (BReg): Vielleicht will sich auch das Auswärtige Amt noch dazu äußern. Sie wissen, dass wir mit der Berlin-Konferenz zum Thema Libyen zu Anfang des Jahres versucht haben, einen wichtigen Beitrag zu liefern, damit die UN-Initiative für Frieden und eine friedliche Lösung in Libyen gelingen oder vorankommen kann. Wir denken, dass es einen solchen Beitrag tatsächlich gibt.
Trotzdem muss man, wenn man auf die derzeitigen Verhältnisse in Libyen sieht, leider auch sagen, dass sich bei den kämpfenden Seiten noch nicht die Überzeugung durchgesetzt hat, dass die Sache nicht militärisch zu lösen ist. Sie ist aber nur nicht militärisch zu lösen. Sie wird nur dann dauerhaft und nachhaltig zu Frieden führen, wenn es auch politische Lösungen gibt.
Dazu versucht Deutschland auf der Basis dessen, was wir in der Libyen-Konferenz mit den anderen Partnern beschlossen haben, beizutragen. Details dazu kann Ihnen vielleicht noch Frau Adebahr nennen.
ADEBAHR (AA): Ein Teil der Umsetzung der Berliner Beschlüsse ist die Mission „Irini“, die wir als Deutschland mit unterstützen, die eine EU-Operation ist und die jetzt startet.
Wir haben in den letzten Tagen und Wochen die verstärkten Kampfhandlungen natürlich mit großer Sorge gesehen. Vorgestern haben wir gesehen, dass auf dem Weg zu einem nachhaltigen Waffenstillstand nach der Regierung in Tripolis nun auch Herr Haftar seine Änderungsvorschläge zu dem Setup für die sogenannten 5-plus-5-Gespräche, wie sie im Januar in Berlin vereinbart wurden, übermittelt hat. Auf dieser Basis hoffen wir jetzt, dass die 5-plus-5-Gespräche, die den nachhaltigen Waffenstillstand besiegeln sollen, jetzt wieder starten können.
Anfang Juni steht im Sicherheitsrat in New York die Verlängerung der Resolution 2473 zur Durchsetzung des Waffenembargos an. Wir sind mit Hochdruck in der Vorbereitung, damit diese Resolution gut passiert.
Wir freuen uns, dass es jetzt zumindest Bewegung im Rahmen der 5-plus-5-Gespräche gibt, auf denen die VN jetzt aufsetzen können, um das weiter voranzutreiben.
ZUSATZFRAGE: Gibt es irgendwelche Bestrebungen, Sanktionen gegen die Kriegsparteien zu erlassen? Viele von ihnen wie zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten sind ja strategische Partner Europas.
ADEBAHR: Nein. Es gibt bei uns die Bestrebung, gemeinsam mit diesen Partnern daran zu arbeiten, dass in Libyen dauerhafter Frieden herrscht.
ZUSATZ: Aber genau diese Parteien liefern doch weiterhin Waffen und sind auch weiterhin in die Kämpfe involviert.
ADEBAHR: Es geht eben darum, das Waffenembargo gut zu überwachen. Dazu haben wir zum Beispiel mit der Mission „Irini“ ein Tool aufgesetzt ‑ so würde man, denke ich, auf Neudeutsch sagen ‑, mit dem das gut vorangehen kann. Alle Seiten, die dorthin noch Waffen liefern, rufen wir dazu auf, das nicht zu tun, damit das Waffenembargo gegen Libyen eben durchgesetzt wird.
Beziehungen zwischen der EU und Russland
FRAGE: Herr Seibert, die Kanzlerin hat Mittwochabend in der Konrad-Adenauer-Stiftung eine sehr bemerkenswerte Rede zu diesem Thema gehalten. Zum außenpolitischen Schwerpunkt will sie wohl die Beziehungen zu China machen.
Ich bin aber auf die Worte aufmerksam geworden, die die Kanzlerin über Russland gesagt hat. Sie waren sehr, sehr kritisch. Sie hat gesagt, das Ziel sei, die Beziehungen zwischen der EU und Russland auf das Niveau einer friedlichen Koexistenz zu begrenzen.
Sieht die Kanzlerin Russland nicht mehr als einen möglichen Partner an?
SEIBERT (BReg): Da Sie die Rede gehört haben, was mich freut, wissen Sie auch, dass die Kanzlerin sowohl die Probleme, die russisches Handeln aufwirft, als auch die Themen, bei denen wir selbstverständlich Russland brauchen, um international bei Konfliktlösungen voranzukommen, benannt hat. Seit vielen Jahren ist ja der Ansatz der Bundesregierung und auch der Bundeskanzlerin, den Dialogfaden mit Russland nie abreißen zu lassen und gleichwohl ganz klar zu benennen, wo Russland beispielsweise Völkerrecht gebrochen oder destabilisierende Maßnahmen ergriffen hat. Auf dieser Linie hat sich auch diese Rede bewegt.
ZUSATZ: Früher hieß es, dass man eine Partnerschaft mit Russland anstrebt. Jetzt ist es nur eine friedliche Koexistenz, wie es auch im Kalten Krieg zwischen dem Westen und der Sowjetunion war.
SEIBERT: Ich denke, dass es keinen Zweck hat und auch falsch wäre, Parallelen zum Kalten Krieg oder zum Verhältnis des Westens zur untergegangenen Sowjetunion zu ziehen. Wir müssen in der Situation, in der politischen Landschaft arbeiten, in der wir uns derzeit befinden. Es ist augenfällig, dass Russland eine ganze Reihe von Handlungen begangen hat, die eine Missachtung der internationalen Ordnung sind, und dass Russland leider Cyberoperationen zuzurechnen sind, die in westlichen und auch osteuropäischen Staaten als Propagandaoperationen wirksam werden. Es gibt eine ganze Reihe solcher Themen, die wir benennen müssen und die wir benennen.
Gleichwohl ist die Bundeskanzlerin immer jemand gewesen und wird es auch bleiben, der ein konstruktives Verhältnis, ein Verhältnis des Dialogs, der immer ein ehrlicher Dialog sein muss, mit Russland und mit Präsident Putin persönlich sucht.
Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zum Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt und an Herrn Seibert, was den russischen Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag und die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes von gestern angeht. Es wurde gestern gesagt, dass die Bundesregierung den Angriff auf den Bundestag auch vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen im sogenannten Tiergartenmordfall bewertet und sich weitere Maßnahmen ausdrücklich vorbehält. Um welche Maßnahmen geht es?
Zweitens. Plant die Bundesregierung Sanktionen gegenüber Russland?
Drittens. Gibt es Kontakt mit Russland, was das Thema Hackerangriff angeht? Kooperiert Russland oder nicht?
ADEBAHR (AA): Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts im sogenannten Tiergarten-Mordfall sind noch nicht abgeschlossen. Insofern wird man sehen, wie das weitere Verfahren verläuft. Insofern wäre es spekulativ, jetzt über mögliche Maßnahmen dort zu sprechen. Das liegt in den Händen des Generalbundesanwalts, und dort gehört es auch hin.
Zu der Frage, warum das in der Presseerklärung erwähnt wurde: Es ist grundsätzlich so, dass beide Fälle sozusagen eine Klammer haben, nämlich eine Tätigkeit von staatlichen russischen Stellen in Deutschland. Insofern ist alles, was wir da tun, auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Wir behalten uns als Bundesregierung Maßnahmen ausdrücklich vor.
Zu der Frage nach Sanktionen: Wir haben in der gestrigen Pressemitteilung mitgeteilt, dass wir uns für eine Listung von Personen im EU-Cybersanktionsregime einsetzen. Das EU-Cybersanktionsregime existiert seit Mai 2019. Es ist bisher noch nicht zur Anwendung gekommen. Wir beabsichtigen jetzt, Personen dort einzumelden. Dieses Sanktionsregime ermöglicht das Einfrieren von Vermögenswerten; es ermöglicht den Erlass von Einreisebeschränkungen gegen Personen und auch gegen Organisationen. Das ist ein Verfahren, das die Bundesregierung jetzt in Gang setzt.
Die letzte Frage war, ob wir mit Russland reden. Gerade gestern war der russische Botschafter zum Gespräch im Auswärtigen Amt und hat mit unserem Staatssekretär gesprochen.
ZUSATZFRAGE: Kooperiert Russland oder nicht?
ADEBAHR: Es gab gestern ein Gespräch mit dem Staatssekretär. Insofern war das ein vertrauliches Gespräch, über dessen Inhalt ich hier keine Einlassungen mache.
Es ist grundsätzlich so, dass es, was zum Beispiel den Tiergartenmord angeht, aus unserer Sicht bisher noch nicht wirklich substanzielle Beiträge der russischen Seite zur Aufklärung des Mordfalls gegeben hat.
FRAGE: Zu dem Inhalt des Gesprächs wollen Sie nichts sagen. Können Sie mir auf die Sprünge helfen und sagen, wann das letzte Mal ein russischer Botschafter in das Auswärtige Amt einbestellt wurde?
ADEBAHR: Das Wort „Einbestellung“ haben wir in der Pressemitteilung nicht benannt. Im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen ist nicht genau geregelt, was eine Einbestellung ist und was nicht. Der russische Botschafter hat unsere Bitte zum Gespräch verstanden und war bei dem Staatssekretär zum Gespräch.
Eine förmliche Einbestellung eines russischen Botschafters ist zumindest aus den letzten Jahren nicht bekannt.
ZUSATZFRAGE: Das heißt, das war keine Einbestellung?
ADEBAHR: Wir haben das Wort nicht verwandt. Wir haben ihn zum Gespräch gebeten.
Treffen des Bundesaußenministers mit dem ukrainischen Außenminister
ADEBAHR (AA): Ich habe eine Besuchsankündigung zu machen. Ich kündige das deshalb an, weil es seit langer Zeit ein physisches Treffen ist.
In der nächsten Woche wird am Dienstag der ukrainische Außenminister, Herr Kuleba, physisch in Berlin zu Gast sein. Wir werden ihn empfangen. Es wird bei dem Gespräch ‑ das lässt sich denken ‑ besonders um den Konflikt in der Ostukraine gehen und wie wir im Rahmen des Normandie-Formats vorankommen, um die Beschlüsse des Gipfels im letzten Dezember weiter umzusetzen. Daneben gibt es natürlich noch eine ganze Reihe bilateraler Thema, viele unter dem „heading“ Coronakrise.
Ich sage das auch deshalb, weil wir eine Pressebegegnung planen. Man muss sich ja erst einmal wieder logistisch daran gewöhnen. Das ist sozusagen eine „Reneulandisierung“. Wir kündigen den Termin im Laufe des Wochenendes an. Wenn Sie dabei sein mögen, schauen Sie am Wochenende einmal in unsere Ankündigungsticker.
FRAGE: Frau Adebahr, eine Frage zum Treffen des Bundesaußenministers mit dem ukrainischen Außenminister. Wie sieht Herr Maas jetzt die Perspektive eines neuen Treffens im Normandie-Format? Wird das besprochen? Ist Deutschland dafür, dass man so schnell wie möglich oder demnächst so ein Treffen abhält oder belässt man es erst einmal dabei, die Sache über Besuche weiterzuentwickeln?
ADEBAHR: Es gab vor zwei oder drei Wochen eine Schalte der Außenminister im Rahmen des Normandie-Formats. Dort hat man verabredet, in wenigen Wochen erst einmal eine neue Schalte der Außenminister abzuhalten. Beim letzten Treffen wurde vereinbart, dass man bei ganz konkreten Punkten ‑ dauerhafter Waffenstillstand, Weiterarbeit bei der Freilassung der Gefangenen, weitere Schaffung von Übergängen in der Zone, weitere Entflechtungen ‑ vorankommen will. Das sind die konkreten Bausteine, an denen im Rahmen der TKG und unter den Experten weitergearbeitet worden ist. Daran möchte der Außenminister nächsten Dienstag mit dem ukrainischen Außenminister persönlich weiterarbeiten.
Natürlich würden wir uns ein nächstes Gipfeltreffen wünschen. Wir müssen, wie gesagt, an diesen ganz konkreten Punkten weiterkommen, damit man so etwas ins Auge fassen kann.
Rolle des Nahostfriedensprozesses während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
FRAGE: Dann schließt sich die konkrete Frage direkt an: Welche Rolle werden Israel und Palästina, also die Nahostpolitik, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft spielen? Es gibt einen konkreten Anlass. Es gibt mehrere europäische Regierungschefs, die jetzt wohl an Ministerpräsident Netanjahu appelliert haben, keine Annexionen im besetzten Westjordanland vorzunehmen. Können Sie sagen, welchen Fokus die deutsche Ratspräsidentschaft in dieser Hinsicht setzen will?
SEIBERT (BReg): Die Haltung der Bundesrepublik Deutschland, auch der Bundesregierung zu den Fragen des Nahost-Friedensprozesses, der im Moment ja kein sehr aktiver ist, ist bekannt und hier ganz oft dargelegt und diskutiert worden. Wir glauben fest daran, dass nur eine ausgehandelte Zweistaatenlösung der Region ‑ und daran läge uns sehr ‑ wirklich dauerhaften Frieden und Stabilität bringen kann.
Das ist die Haltung, mit der wir auch in alle europäischen Gespräche gehen. Das ist aber auch eine europäische Haltung. Das können Sie in ganz vielen Stellungnahmen, die die Europäische Union insgesamt dazu abgegeben hat, auch widergespiegelt sehen.
ADEBAHR (AA): Zuletzt war das beim Außenministerrat vor 14 Tagen der Fall, wo die Fragen Nahostfriedensprozess und Israel schon Themen waren, wo sich auch der Außenminister geäußert hat und es eine Erklärung des Hohen Repräsentanten im Namen der EU gab.
ZUSATZFRAGE: Die israelische Regierung strebt Annexionen an. Deswegen gibt es ja diesen Brief. Ist das kein zusätzlicher oder extra Schwerpunkt? Schließt sich die Kanzlerin dem Brief an und unterschreibt sie ihn auch? Schreibt sie einen eigenen? Nimmt sie das als Schwerpunkt in die Agenda der Ratspräsidentschaft auf?
SEIBERT: Die Haltung ist, denke ich, nicht nur hier bekannt, sondern sie ist auch unseren israelischen Partnern bekannt ‑ die Haltung zu Siedlungsfragen und die Haltung zur Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung, für die natürlich auch sozusagen „on the ground“ die Bedingungen da sein müssen, das ist ja klar. Es ist den israelischen Gesprächspartnern also überhaupt nicht verborgen, wo wir da stehen, und wir stehen da Seite an Seite mit der Europäischen Union und den anderen Partnern.
FRAGE: Auch noch einmal zu diesem Thema: Herr Seibert, es war diese Woche ja recht öffentlichkeitswirksam, dass der französische Präsident Macron, der spanische Ministerpräsident, der italienische Ministerpräsident und der britische Premierminister sich zur Frage der Annexion mit persönlichen Briefen an den israelischen Ministerpräsidenten gewandt haben. Die einzige, die gefehlt hat, ist Frau Merkel. Warum?
SEIBERT: Ich berichte Ihnen über Briefe, wenn sie öffentlich sind und wenn es welche gibt. Jetzt habe ich Ihnen darüber nichts zu berichten. Gleichwohl ist unseren israelischen Gesprächspartnern die Haltung der deutschen Seite zu diesem ganzen Komplex von Siedlungspolitik und anderen Fragen sehr bekannt.
ZUSATZFRAGE: Sie wissen ja auch, dass die politische Realität so aussieht, dass die dann sagen „Danke, schön, dass Sie die Haltung äußern“, dass aber, solange nicht mit Konsequenzen aufgrund einer völkerrechtswidrigen Annexion zu rechnen ist, wenig passieren wird. Noch einmal anders gefragt ‑ Kollege Jessen hat ja eine ähnliche Frage gestellt, ich will es einmal verfeinern ‑: Wird denn die Verhinderung der geplanten Annexion der Westbank ein außenpolitischer Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft?
SEIBERT: Das, was wir tun können, um zu einem Nahost-Friedensprozess beizutragen, ist immer ein Schwerpunkt unserer deutschen Außenpolitik. Es gibt, was die konkrete Frage der israelischen Ankündigung betrifft, eine sehr lebhafte innerisraelische Debatte; dazu kann man eine sehr lebhafte Diskussion beobachten, in der durchaus auch unterschiedliche Seiten vertreten werden. Wir haben unsere allgemeine Sorge über Annexionen bei früherer Gelegenheit gemeinsam mit unseren europäischen Partnern zum Ausdruck gebracht. Klar ist: Im Einklang mit dem Völkerrecht ist eine Veränderung von Grenzen nur dann, wenn sie im Einvernehmen stattfindet. Dazu braucht es ein verhandeltes Abkommen, und dem müssen beide Seiten zugestimmt haben.
FRAGE: Herr Seibert, sind aus Ihrer Sicht die Bedingungen für eine Zweistaatenlösung „on the ground“ gegeben, wenn Israel das Westjordantal annektieren sollte?
SEIBERT: Eine Annexion würde eine Zweistaatenlösung und damit auch eine politische Lösung des Nahostkonflikts deutlich erschweren.
FRAGE: Frau Adebahr, wann sich Außenminister Maas zuletzt mit der israelischen Seite zur Annexion ausgetauscht? Wann gab es zuletzt Kontakt mit der palästinensischen Seite?
SEIBERT: Kontakt mit der palästinensischen Seite gab es beim Lenkungsausschuss mit dem Premierminister; das war vorletzte Woche oder vor zehn Tagen. Außenminister Maas ‑ ich nehme zu den Inhalten dieses Gesprächs keine Stellung ‑ hat zum Amtsantritt mit dem neuen israelischen Außenminister, Herrn Aschkenasi, telefoniert. Das ist ein paar Tage her.
ZUSATZFRAGE: Wie ist denn die Position des Außenminister Maas zur israelischen Annexion?
ADEBAHR: Wie ich Ihnen schon gesagt habe, hat er zum Beispiel am 15. Mai gesagt:
„Wir befinden uns in einem Dialog mit … Israel. Wir haben immer deutlich gemacht …, dass wir am Ziel der verhandelten Zweistaatenlösung festhalten und dass Annexionen nach unserer Auffassung mit dem Völkerrecht nicht vereinbar sind.“
Das alles ist auch eingegangen in eine Erklärung des Hohen Repräsentanten für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU vom 17. Mai, in der auch noch einmal bekräftigt wurde ‑ und das ist eine gemeinsame EU-Position ‑, dass wir eine Annexion für nicht mit dem Völkerrecht vereinbar halten, so wie Herr Seibert es gerade schon gesagt hat.