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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 22.04.2020

22.04.2020 - Artikel

Operation European Union Naval Force Mediterranean „Irini“

SEIBERT (BReg): […] Dann käme ich jetzt zu den Kabinettsthemen, als Erstes zum Mandat für die Operation „Irini“. „Irini“ ist der Name der EU-geführten Operation European Union Naval Force Mediterranean, abgeleitet vom griechischen Wort „Eirene“, Frieden. Die Bundesregierung hat heute die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dieser Operation bis zum 30. April 2021 beschlossen. Das bedarf natürlich noch der Zustimmung des Deutschen Bundestags.

Die Hauptaufgabe dieser Operation ist es, das Waffenembargo gegen Libyen umzusetzen. Die Operation soll dazu beitragen, die Ergebnisse der Berliner Libyen-Konferenz und die Anstrengungen zur Stabilisierung Libyens insgesamt zu festigen. Außerdem soll die Operation einen Beitrag zur Verhinderung der illegalen Ausfuhr von Erdöl und Erdölprodukten aus Libyen leisten. Ein weiterer Punkt: Sie soll helfen, das sogenannte Geschäftsmodell der Schleusernetzwerke zu bekämpfen. Neben diesen Maßnahmen kommt es der Europäischen Union mit „Irini“ auch darauf an, dass wir die Fähigkeiten der libyschen Küstenwache und Marine weiter ausbauen.

Was die Beteiligung der Bundeswehr betrifft: Die Obergrenze für den deutschen Beitrag ist auf 300 Soldaten und Soldatinnen festgelegt. Das heißt, in der ersten Phase kann sich die Bundeswehr mit einem Seefernaufklärer und mit Personal in den Führungsstäben der Operation beteiligen. Dann ist auch eine Beteiligung mit einer, wie es so schön heißt, seegehenden Einheit angestrebt, spätestens ab August 2020 dieses Jahres, aber natürlich unter Einhaltung der Obergrenze. So viel zu „Irini“.

[…]

FRAGE: Ich habe eine Frage zu „Irini“ und einmal nicht zu Corona. Ist es ein Problem bei dieser Mission, dass so, wie sie angelegt ist, zunächst nur die Seerouten aufgeklärt und wirksam auf Waffenschmuggler abgesucht werden können, nicht aber die Land- und Luftwege, über die ja auch viele Waffen nach Libyen kommen? Gibt es Hoffnung, dass diese Lücke geschlossen wird?

BURGER (AA): Es ist nicht ganz so, dass nur Seewege aufgeklärt werden können. Ein Element dieser Mission ist auch Satellitenaufklärung. Diese ermöglicht es natürlich zumindest teilweise, auch Landrouten aufzuklären.

Aber tatsächlich ist ein Ziel, das auch explizit in den Erwägungsgründen des EU-Mandats ins Auge gefasst worden ist, dass verschiedene Nachschubwege gleichermaßen kontrolliert werden müssen. Im Moment sind nicht alle notwendigen Voraussetzungen dafür erfüllt. Man bräuchte auch völkerrechtliche Voraussetzungen, um beispielsweise vor Ort an Land oder aus der Luft über Land entsprechende Maßnahmen durchführen zu können. Im Moment sind diese völkerrechtlichen Voraussetzungen nur für den Bereich der See durch entsprechende Resolutionen des UN-Sicherheitsrats erfüllt. Es wird aber für die Zukunft angestrebt ‑ das findet sich, wie gesagt, auch in den Erwägungsgründen der Mission wieder ‑, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, auch mit weiteren Maßnahmen entsprechende Nachschubwege über Land aufzuklären.

ZUSATZFRAGE: Habe ich Sie richtig verstanden, dass es einer Resolution des Sicherheitsrates bedürfte, um diese völkerrechtlichen Voraussetzungen für Luft- und Seewege zu schaffen, sodass da tatsächlich eingegriffen werden kann?

BURGER: Es bräuchte dafür völkerrechtliche Voraussetzungen, die im Moment nicht bestehen. Es gibt diese völkerrechtlichen Voraussetzungen für die See in Form von Resolutionen des Sicherheitsrats. Ich kann jetzt nicht definitiv sagen, ob das die einzig mögliche Form ist, in der diese Voraussetzungen hergestellt werden könnten, oder ob das beispielsweise auch durch Einverständnis der libyschen Regierung oder gegebenenfalls anderer beteiligter Parteien geschehen könnte. Tatsache ist: Im Moment sind nicht alle notwendigen unter anderem völkerrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, um solch eine Aufklärung auch an Land durchführen zu können.

FRAGE: Wurde heute im Kabinett auch darüber gesprochen, dass es eine Verzögerung des Beginns der Mission geben kann? Das Mandat ist jetzt verabschiedet, aber ich meine, ihr Minister hat auch selbst darauf hingewiesen, dass es eine Verzögerung geben könne. Ist darüber gesprochen worden, und um wie viele Monate könnte sich der Einsatz der Bundeswehr verzögern?

BURGER: Ich kann Ihnen zum konkreten Zeitplan für den Beginn der Mission heute nichts Definitives sagen. Ich würde Sie bitten, die entsprechenden EU-Stellen, bei denen die Führung der Mission liegt, damit zu befassen. Im Wesentlichen hat das damit zu tun ‑ das hat der Minister gestern auch gesagt ‑, dass unter anderem auch bedingt durch die Coronakrise der Zulauf bestimmter militärischer Fähigkeiten auch aus anderen Ländern noch nicht so weit ist. Aber wir arbeiten daran, und auch unsere Partner arbeiten daran. Insofern besteht die Hoffnung, dass das in den nächsten Wochen tatsächlich beginnen kann.

ZUSATZFRAGE: Verzögert sich also der Zulauf deutscher Fähigkeiten nicht?

BURGER: Was den Zulauf deutscher Fähigkeiten angeht ‑ es geht im Wesentlichen um einen Seefernaufklärer, den die Bundeswehr stellen will ‑, wäre mir das nicht bekannt. Aber ich würde Sie bitten, die genauen Planungen, auch was den konkreten Einsatzbeginn der deutschen Fähigkeiten angeht, beim BMVg zu erfragen, das heute hier leider nicht vertreten ist.

Auch schon zu Beginn soll die Entsendung deutschen Personals auch in die Führungsstäbe der Mission geschehen.

SEIBERT: Ich kann vielleicht noch ein bisschen zur Chronologie beitragen. Die Einigung innerhalb der Europäischen Union auf diese Mission erfolgte am 26. März. Schon am 31. März wurden dann die ersten Gespräche zur Frage der Truppengestaltung geführt. Dieser Prozess dauert an. Deswegen können weitere Details der Mission erst im Anschluss daran beraten werden.

Das, was das Bundeskabinett heute beschlossen hat, braucht, wie ich es gesagt habe, noch den zustimmenden Beschluss des Deutschen Bundestages. Der wird, nachdem alle Vorbereitungen getroffen wurden, auch ziemlich schnell erfolgen können. Die abschließende Beratung und die Beschlussfassung im Bundestag sind für die erste Maiwoche vorgesehen.

Ursprung des Coronavirus

FRAGE: An Herrn Seibert, das Auswärtige Amt und eigentlich auch das Gesundheitsministerium: Wie wichtig ist eigentlich die Aufklärung des Ursprungs des Coronavirus? Das nimmt jetzt ja international die Form einer großen Debatte an. Missouri hat China verklagt. Der australische Ministerpräsident hat mit Regierungschefs ‑ unter anderem der Kanzlerin ‑ telefoniert und möchte eine internationale Aufklärung, ob das Virus aus einem Labor oder von einem Tiermarkt entwichen ist. Wie schätzen Sie das ein, wie politisch brisant ist das? Unterstützt die Bundesregierung diese Aufklärungsbemühungen?

SEIBERT (BReg): Ich kann zunächst einmal bestätigen, dass die Bundeskanzlerin gestern mit dem australischen Premierminister Morrison gesprochen hat und dass es dabei um die Coronapandemie ging ‑ um die bilaterale Zusammenarbeit, aber eben auch um das, was beide Länder in dieser Pandemie erleben und zum Schutz ihrer Bevölkerung unternehmen müssen. Die beiden haben auch vereinbart, in einem engen Austausch zu bleiben.

Zu der Frage, die Sie dann anschließend stellen: Wir haben das hier auch mehrfach gesagt. Wir haben immer gesagt: Es muss zum gegebenen Zeitpunkt eine genaue Analyse geben, was geschehen ist, und zwar in jeder Phase der Pandemie von ihrem Ausbruch oder ihrem Ursprung an. Denn das ist ja die Basis, auf der die Weltgemeinschaft und die Weltgesundheitsorganisation für die Zukunft die Lehren ziehen kann. So wird sich jeder ‑ jeder nationale Akteur, aber eben auch die internationalen Akteure ‑ fragen müssen „Was ist geschehen, welche Wirkungen hatten unsere Handlungen, wie transparent war unsere Informationspolitik untereinander?“, damit wir für eine kommende nächste Pandemie noch besser gerüstet sind.

ZUSATZFRAGE: Wenn keine weiteren Antworten kommen, würde ich noch einmal nachfragen. Es gibt aus den USA ‑ ich hatte die eine Klage angesprochen ‑ auch die politische Forderung, dass man Sanktionen gegen China verhängen sollte. Das ist der eine Punkt. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob die Bundesregierung das unterstützt.

Zweitens gibt es von dem australischen Ministerpräsidenten die Forderung, dass die WHO jetzt diesen Vorfall untersuchen sollte. Herr Seibert, verstehe ich Sie richtig, dass Sie diese Untersuchung gerne bis zum Ende der Coronakrise vertagen würden?

SEIBERT: Zunächst einmal hat Herr Burger schon am letzten Montag für das Auswärtige Amt gesagt, dass die Untersuchung, die Analyse dessen, was passiert ist und welche Lektionen daraus zu lernen sind, ein wichtiger Teil der Aufgabe der Weltgesundheitsorganisation ist und dass wir sie in diesem Mandat natürlich auch unterstützen, wie insgesamt bei ihrer Tätigkeit. Aus unserer Sicht ist es jetzt wichtig, international nach Kräften zusammenzuarbeiten.

ZURUF: Keine Sanktionen?

SEIBERT: Die Bundesregierung hat keine Sanktionspläne. Nein.

Diskussion um Reformen der WHO

FRAGE: Wie steht die Bundesregierung zu den Reformen der WHO? Sehen Sie dort einen Reformbedarf?

Falls ja, was sollte Ihrer Meinung nach der Inhalt dieser Reformen sein? Worauf sollten diese Reformen abzielen?

SEIBERT (BReg): Ich glaube, auch darüber war schon gesprochen worden. Wollen Sie antworten, Herr Burger?

VORS. WOLF: Die Frage richtete sich an Sie, Herr Seibert.

SEIBERT: Keine internationale Organisation wird ja von sich behaupten können, in Perfektion dazustehen. Es ist normal und natürlich, dass jede neue Herausforderung, die man durchläuft, jede neue Krise wieder zu Veränderungen und zu Lektionen führt, die gezogen werden. Die Weltgesundheitsorganisation hat in den vergangenen Jahren einiges reformiert. Wie alle anderen auch wird sie an diesem Punkt natürlich nicht stehenbleiben.

Lockerungen des öffentlichen Lebens in anderen Ländern

FRAGE: Wie viele Länder beteiligen sich an schrittweisen Lockerungen des öffentlichen Lebens?

Steht die Bundesregierung mit diesen Ländern in einem Austausch, was die Maßnahmen in Bezug auf Corona angehen? Pflegt die Bundesregierung speziell zu Russland derzeit einen Kontakt, was Fragen der Coronalockerungen angeht?

BURGER (AA): Dazu kann ich vielleicht etwas beitragen. Der Bundesaußenminister hat gestern eine Videokonferenz mit seinen Amtskollegen aus den deutschsprachigen Ländern gehabt, nämlich Deutschland, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg. Eines der aktuellen Themen war natürlich der jeweilige Informationsabgleich über die in den Ländern getroffenen Maßnahmen und auch die eventuell in den einzelnen Ländern bestehenden Pläne, Maßnahmen wieder perspektivisch zu lockern. Es gibt ja eine ganze Reihe von Maßnahmen, die gerade bei Ländern, mit denen wir Grenzen haben, wo es auch eine ganz eng gelebte nachbarschaftliche Zusammenarbeit gibt, Auswirkungen haben: Quarantäneregelungen, Einreisebeschränkungen, der Grenzverkehr. Da gibt es also einen großen Abstimmungsbedarf. Das findet sehr intensiv auf den verschiedensten Ebenen ‑ auch auf Ebene der Außenminister ‑ statt.

Ich kann Ihnen auch sagen, dass der Außenminister in der vergangenen Woche auch mit seinem russischen Amtskollegen telefoniert hat. Auch da war das Thema des Umgangs mit der Pandemie in den verschiedenen Ländern ein Thema. Es ging unter anderem um die Frage der Rückholung von Staatsangehörigen aus dem jeweils anderen Land und um gegenseitig geleistete Unterstützung dabei.

KAUTZ (BMG): Ich darf das vielleicht noch ergänzen: Auch der Gesundheitsminister ist seit Beginn dieser Epidemie in einem ständigen Austausch mit seinen europäischen und internationalen Amtskollegen und hat auch mit zwei anderen Kollegen einen Sonderrat der EU-Gesundheitsminister in Brüssel veranstaltet. Er ist nach wie vor in einem Austausch, wie es der Kollege des Auswärtigen Amtes auch gesagt hat. Dabei geht es natürlich um gegenseitige Unterstützung, die wir als selbstverständlich begreifen.

Zahlungen an die WHO

FRAGE BAUCHMÜLLER: Ich habe eine Frage an AA, BMG und BMZ in Bezug auf die WHO. Ist nach dem US-Zahlungsstopp eine Erhöhung der Zahlungen an die WHO geplant? Falls ja, in welchem Umfang?

BURGER (AA): Dazu hat sich der Außenminister in den vergangenen Tagen schon öffentlich geäußert, als er danach gefragt worden ist.

Es ist zunächst einmal so, dass wir im Gespräch mit den Vereinigten Staaten und mit anderen Partnern sind, weil wir die Hoffnung haben, dass in dieser Überprüfungsphase auch die USA zu dem Schluss kommen könnten, dass die WHO doch weiterhin wichtig ist und unsere gemeinsame Unterstützung verdient. Insofern wollen wir diesem Überprüfungsprozess nicht dadurch vorgreifen, dass wir proaktiv sagen: Wir gleichen das aus. – Ich glaube, das ist etwas, was man abwägen muss. Wir haben uns aber klar dazu bekannt, dass wir die Arbeit der WHO für sehr wichtig und in der jetzigen Phase für unersetzlich halten und dass wir deswegen auch gemeinsam mit vielen anderen Staaten ‑ der Außenminister hat darüber in der von ihm mitbegründeten Allianz für den Multilateralismus mit vielen Amtskollegen aus verschiedenen Staaten gesprochen ‑ unseren Beitrag leisten wollen, die WHO weiter zu stützen und mit den Mitteln und Ressourcen auszustatten, die sie braucht.

Grenzkontrollen

FRAGE: Eine Frage zu Corona, die sich auf Grenzöffnung, Grenzschließung oder Grenzkontrollen bezieht. Der Außenminister hatte nach dieser Videokonferenz gesagt, dass er sich dafür einsetzt, dass es schnellstmöglich wieder dort Grenzöffnungen oder einen Abbau der Grenzkontrollen gibt, wo das möglich ist. Gleichzeitig wird aber berichtet, dass er sich diesem Gespräch genau wie sein österreichischer Kollege dafür ausgesprochen hat, die Grenzkontrollen erst einmal beizubehalten. Was ist genau der Stand? Wie ist die Position von Herrn Maas dazu?

BURGER (AA): Ich glaube, das ist dieselbe Position, die alle Kolleginnen und Kollegen, mit denen der Außenminister in den letzten Tagen gesprochen hat, vertreten, und auch die gleiche Position, die innerhalb der Bundesregierung kommuniziert wurde. Natürlich wünschen sich alle, dass so schnell wie möglich wieder die Voraussetzungen dafür bestehen, zu dem Zustand zurückzukehren, den wir glücklicherweise durch das Schengener Abkommen in Europa seit Jahrzehnten haben, dass man nämlich innerhalb der Schengenzone ohne Grenzkontrollen reisen kann. Das wird aber nur dann möglich sein, wenn die Ansteckungsgefahr, das Ansteckungsgeschehen soweit zurückgegangen sind und die entsprechenden Eindämmungsmaßnahmen so gut funktionieren und auch auf einander abgestimmt sind, dass das verantwortbar wieder möglich ist.

Insofern gibt es, glaube ich, keinen Widerspruch zwischen der Analyse, dass wir derzeit noch nicht die Voraussetzungen dafür haben, diese Maßnahmen wieder zurückzunehmen, wie der Außenminister das auch in seiner Pressekonferenz gesagt hat, und dem Wunsch, dass wir alle natürlich daran arbeiten, dass das sobald wie möglich verantwortbar wieder möglich ist.

ALTER (BMI): Ich würde gerne ergänzen, Herr Rinke, auch wenn Sie das BMI nicht explizit gefragt haben.

Ich kann nur bekräftigen, dass diese Maßnahmen, einschließlich die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen, eine sehr schwerwiegende Maßnahme ist, deren Wirkung sich alle Beteiligten bewusst sind, auch deren Einschränkungen sich alle Beteiligten bewusst sind. Die erste Anordnung stammt vom 15. März. Wir befinden uns ja jetzt schon in der sechsten Woche. Das heißt also, es ist vollkommen klar, dass es eine schwerwiegende Entscheidung gewesen ist, die wir nicht ohne Grund und nicht ohne Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitsüberlegungen so getroffen haben.

Insofern können Sie davon ausgehen, dass der Bundesinnenminister, der für diese Entscheidung formal zuständig ist, auch im Coronakabinett mit entsprechendem Augenmaß und mit einer entsprechenden fachlichen und sachlichen Begründung vorträgt. Dann wird man gemeinsam entscheiden, wie man dabei vorangeht.

Iranische Berichte über einen angeblichen Start eines Militärsatelliten

FRAGE: Herr Burger, gibt es von der Bundesregierung eine Reaktion auf den Start eines iranischen Militärsatelliten? Gibt es Anlass zu einer stärkeren Sorge um die militärischen Programme des Iran?

BURGER (AA): Die Bundesregierung hat die iranischen Berichte über einen angeblich erfolgreich durchgeführten Start eines Militärsatelliten genau zur Kenntnis genommen. Gemeinsam mit unseren europäischen Partnern haben wir wiederholt unsere Besorgnis über das iranische Raketenprogramm zum Ausdruck gebracht, unter anderem auch in einem Schreiben an den Generalsekretär der Vereinten Nationen.

Das iranische Raketenprogramm wirkt sich aus unserer Sicht destabilisierend auf die Region aus und ist auch aus Sicht unserer europäischen Sicherheitsinteressen inakzeptabel. Auch die UN-Sicherheitsratsresolution 2231 aus dem Jahr 2015 ruft Iran dazu auf, keine Aktivitäten mit ballistischen Raketen durchzuführen, die nukleare Sprengköpfe tragen könnten. Wir rufen den Iran dazu auf, sich an die Resolution voll umfänglich zu halten.

Weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amts

FRAGE: Ich habe zwei Fragen. Meine erste Frage richtet sich an das Auswärtige Amt, die vermutlich viele Urlauber und Menschen interessiert, die nicht wissen, ob sie jetzt buchen können. Die Reisewarnung gilt ja zunächst bis zum 3. Mai. Wann ist diesbezüglich mit einer Aktualisierung zu rechnen?

BURGER (AA): Danach ist der Bundesaußenminister gestern auch in seiner Pressekonferenz gefragt worden. Ich darf noch einmal kurz wiedergeben, was er gesagt hat:

„Das ist ein Thema, was immer drängender wird. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen uns, wie es mit den Reisemöglichkeiten über Pfingsten und auch mit dem Sommerurlaub weitergeht. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt aber nur schwer zu prognostizieren, wie sich die Dinge weiterentwickeln werden. Der internationale Flugverkehr liegt am Boden. Viele Länder haben Einreise- und Ausgangssperren verhängt. Das sind keine Voraussetzungen, unter denen man überhaupt einen erholsamen Urlaub verbringen kann.“

Der Außenminister hat auch gesagt, dass wir uns in den nächsten Tagen ‑ bis Ende April ‑ innerhalb der Bundesregierung und mit den Ministerpräsidenten der Länder weiterhin mit diesen Fragen beschäftigen werden. Wichtig ist natürlich auch, dass die Reisewarnungen und die anderen Maßnahmen, die ergriffen werden – Quarantänebeschränkungen, Einreisebeschränkungen ‑, auch in anderen europäischen Ländern zueinander passen.

Der Außenminister hat auch gesagt:

„Ich wünsche mir, dass wir so schnell wie möglich wieder offene Grenzen in Europa und darüber hinaus haben. Zur Wahrheit gehört aber auch: Eine normale Urlaubssaison mit vollen Strandbars und vollen Berghütten wird es im Sommer nicht geben können. Das wäre nicht zu verantworten.“

ZUSATZFRAGE: Das war mir alles bekannt. Schließe ich daraus, dass es erst sehr kurzfristig vor dem 3. Mai eine Entscheidung geben wird?

BURGER: Ich glaube, Sie können davon ausgehen, dass wir uns die Situation von Tag zu Tag anschauen. Sobald wir den Eindruck haben, dass die dafür erforderlichen Informationen vorhanden sind, werden wir auch entsprechende Anpassungen vornehmen.

Coronavirus: schwedisches Modell

ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, Sie werden es vermutlich auch vernommen haben: In der öffentlichen Diskussion kommt jetzt immer wieder das schwedische Modell auf. Es gibt viele, die sagen, dass das auch so funktioniert. Deswegen fragen sich hier in Deutschland auch viele, ob das nicht ein Modell wäre, das auch in Deutschland funktionieren würde. Oder ist es viel zu früh, das jetzt zu prognostizieren?

Wäre dieses schwedische Modell hier in Deutschland möglicherweise brandgefährlich? Wie bewerten Sie das?

SEIBERT (BReg): Ich möchte als Sprecher der deutschen Bundesregierung jetzt nicht den Weg beurteilen und bewerten, den andere Länder gehen. Schweden geht einen Weg, der in Europa ja nahezu für sich steht. Es geht einen ganz anderen Weg als die allermeisten europäischen Staaten. Ich möchte das hier nicht bewerten.

Unsere Situation ist so, wie die Bundeskanzlerin und auch die Ministerpräsidenten sie nach der Bund-Länder-Besprechung am vergangenen Mittwoch noch einmal ganz klar ausgedrückt haben und wie sie sich auch in den Beschlüssen niederschlägt. Wir haben Indikatoren, die uns täglich vom RKI genannt werden, die vorsichtig Hoffnung machen. Aber man muss wissen, dass, wenn heute eine Zahl X von bestätigten Neuinfektionen genannt wird, das Neuinfektionen sind, die vor geraumer Zeit geschehen sind. Das ist die Widerspiegelung eines Ansteckungsgeschehens von vor 10 oder 12 Tagen. Das heißt, das ist leider kein Hinweis darauf, dass es mit solchen Zahlen automatisch weitergeht.

Deswegen haben sich Bund und Länder geeinigt, in sehr vorsichtigen Schritten vorzugehen, also einige Öffnungs- und Lockerungsschritte zu machen und im etwa vierzehntägigen Rhythmus zu schauen: Wie haben diese sich auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt und welche Schlüsse ziehen wir daraus für mögliche nächste Schritte? Was wir verhindern wollen, ist, dass wir wieder in die exponentielle Ausbreitung des Virus zurückkippen, die wir in der ersten Phase der Pandemie hatten. Was wir verhindern wollen, ist, dass wir Öffnungsmaßnahmen wieder zurücknehmen müssen.

In diesem Geist wird man jetzt in wirklich kleinen Schritten tastend und immer wieder mit dem Blick auf das Infektionsgeschehen und auf die Situation in den Krankenhäusern und an der ‑ ich nenne es einmal so ‑ Gesundheitsfront vorangehen.

Störung einer Onlinegedenkveranstaltung der israelischen Botschaft in Berlin für die Opfer des Holocausts

FRAGE: Meine Frage richtet sich an Herrn Seibert und vielleicht auch an das Auswärtige Amt. Bei der digitalen Holocaustgedenkfeier der israelischen Botschaft gab es einen Zwischenfall, bei dem es zu antisemitischen ‑ wie soll ich sagen? ‑ Störungen gekommen ist. Hat das irgendwelche Konsequenzen, die Sie seitens der Bundesregierung sehen? Wie beurteilen Sie diesen Vorfall?

SEIBERT (BReg): Der Vorfall, den Sie ansprechen, ist eine Schande ‑ da gibt es gar kein anderes Wort ‑ und ein widerlicher Akt. Dass ein Gedenken an den Holocaust, also an Millionen von Ermordeten, mit antisemitischen Parolen und mit Hitlerbildern gestört wird, ist eine Schande. Dass ein Überlebender des Holocausts, ein Mann, der nahezu seine gesamte Familie im Holocaust verloren hat ‑ fast alle wurden von den Nazis ermordet ‑, diese Schande erleben muss, ist für uns zutiefst beschämend.

Die Bundesregierung drückt sowohl der israelischen Botschaft, die Veranstalter dieses Gedenkens war, als auch dem betroffenen Herrn Herschel ihr tiefes Bedauern aus. Wir sind ihm und anderen Betroffenen ja so dankbar dafür ‑ und wir haben das hier auch oft gesagt ‑, dass sie immer wieder berichten, wie es eben nur Zeitzeugen und Überlebende können, dass sie sich diesem Schrecken immer wieder stellen.

Ich hoffe, er weiß, dass die allermeisten Deutschen und die Bundesregierung fest entschlossen sind: Jeder Form von Antisemitismus in unserm Land ‑ altem oder neuem Antisemitismus ‑ stellen wir uns mit aller Kraft entgegen.

BURGER (AA): Der Außenminister hatte sich in diesem Sinne gestern zu dem Vorfall geäußert. Wir waren dazu im Laufe des gestrigen Tages auch mit der israelischen Botschaft in Kontakt, die ja Ausrichterin dieser virtuellen Veranstaltung war. Insofern besteht auch ein enger Austausch mit der israelischen Botschaft darüber, welche Erfahrungen man gegebenenfalls daraus ziehen kann.

ZUSATZFRAGE: Dazu eine kurze Nachfrage an das Innenministerium, weil meine Frage vielleicht falsch adressiert war: Gibt es irgendwelche Konsequenzen oder Ermittlungen aufgrund dieses Vorfalles und möglicherweise auch eine neue Einschätzung, was den Umgang mit der Videoplattform Zoom angeht?

ALTER (BMI): Zunächst einmal werden Sachverhalte, die strafrechtlich relevant sind, von den zuständigen Behörden immer verfolgt, und es wird immer versucht, die Täter der Strafverfolgung zuzuführen. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Zur Einordnung dieses Vorfalls hat Herr Seibert alles gesagt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Inwieweit Schlussfolgerungen im Umgang mit diesen Videoplattformen zu ziehen sind, muss geprüft werden. Dazu habe ich keinen aktuellen Stand. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass sich die zuständigen Stellen sowohl im Bund als auch in den Ländern mit diesen Fragestellungen befassen werden, insbesondere dann, wenn es sich um Sachverhalte von einer solchen Bedeutung handelt.

SEIBERT: Nach meinen Informationen hat das Landeskriminalamt Berlin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Insofern wäre es auch noch ein Adressat für weitere Fragen.

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