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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 20.04.2020
Amoklauf in Kanada
SEIBERT (BReg): Schönen guten Tag, meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst auf die schreckliche Tat in der ostkanadischen Provinz Nova Scotia eingehen. Die Bundesregierung hat mit großer Bestürzung und Erschütterung von diesem Amoklauf in Nova Scotia erfahren, der so viele Menschen das Leben gekostet hat. Die Gedanken der Bundesregierung sind bei den Opfern, bei den Familien und auch Freunden derjenigen, die dort aus dem Leben gerissen wurden. Ihnen gelten unsere Anteilnahme und unser tief empfundenes Mitgefühl. Den Verwundeten wünschen wir, dass sie an Leib und Seele bald genesen mögen. Die Bundeskanzlerin wird gegenüber dem kanadischen Premierminister Trudeau diese Gedanken auch noch in einer schriftlichen Kondolenz ausdrücken.
Covid-19: Behandlung von Menschen aus anderen EU-Staaten in Deutschland
FRAGE: Meine zweite Frage geht an das Gesundheitsministerium, und zwar zum Thema der EU-Bürger, die hier behandelt werden. Können Sie schon sagen, wie viele derjenigen, die hier behandelt worden sind, erfolgreich behandelt wurden und vielleicht schon wieder nach Hause zurückgekehrt sind und ob gegebenenfalls auch EU-Bürger hier in Kliniken gestorben sind?
WACKERS (BMG): Es gibt keine zentrale Vermittlung dieser ausländischen Patienten. Uns liegen keine strukturierten Behandlungsdaten vor. Da das alles ja Notfälle und schwerwiegende Fälle sind, können Sie davon ausgehen, dass das eine längerfristige Behandlungszeit ist. Ich kann gern noch einmal nachfragen, ob uns dazu Daten vorliegen, aber meines Wissens ist das nicht der Fall, weil das alles dezentral von den Ländern bzw. Krankenhäusern gemanagt wird.
BURGER (AA): Ich könnte die aktuellsten Zahlen zur Aufnahme ergänzen. Da unsere Auslandsvertretungen das mit den einzelnen Ländern koordinieren, kann ich Ihnen sagen, dass, soweit wir wissen, bisher insgesamt 229 Patienten aus anderen EU-Mitgliedsstaaten zur Behandlung nach Deutschland überstellt wurden, davon 130 aus Frankreich, 44 aus Italien und 55 aus den Niederlanden.
Forderungen nach der weltweiten Aufhebung von Sanktionen
FRAGE: António Guterres, der UN-Generalsekretär, hat jetzt bereits mehrmals dazu aufgerufen, im Zuge der Coronapandemie die Sanktionen weltweit aufzuheben. Ähnlich hat sich auch die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet geäußert. Mich würde interessieren: Teilt die Bundesregierung diese Forderung und diesen Aufruf zur Aufhebung der Sanktionen?
BURGER (AA): Ich kenne diese Forderung, weltweit Sanktionen aufzuheben, ehrlich gesagt, in erster Linie als Position der russischen Regierung. Aus unserer Sicht werden Sanktionen ja nirgends auf der Welt als Selbstzweck eingesetzt, sondern sie sind immer ein Mittel, das wir dort einsetzen ‑ das der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängt und das manchmal auch die Europäische Union autonom verhängt ‑, wenn es anders nicht möglich ist, bestimmte politische Zielsetzungen zu erreichen, beispielsweise in Situationen, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden oder auch als Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland. Insofern ist unsere Position, dass diese Sanktionen nach der Maßgabe aufrechterhalten, verschärft oder gelockert werden können, nach der sich der Zweck, an den sie gebunden sind und zu dessen Erreichung sie verhängt wurden, eben erfüllt oder nicht erfüllt.
ZUSATZ: In der Chronologie war es so, dass zuerst Herr António Guterres als Generalsekretär diese Forderung in den Raum gestellt hat. Dem haben sich dann später unter anderem Russland und China oder auch Länder wie Venezuela, Kuba, oder Iran, die direkt von den Sanktionen betroffen sind, angeschlossen. Wenn ich Sie aber richtig verstehe, ist dem Auswärtigen Amt nicht bewusst, dass António Guterres in seiner Funktion als UN-Generalsekretär diese Forderung oder, besser gesagt, diesen Aufruf bereits mehrmals formuliert hat.
BURGER: Was ich gerade gesagt habe, ist, dass das eine Position ist, die mir in den Diskussionen, die wir derzeit führen, vor allem als Position der russischen Regierung bekannt ist, nicht mehr und nicht weniger.
Mögliche Tourismusvereinbarung zwischen Deutschland und Österreich / Weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes
FRAGE: Ich wollte einmal wissen ‑ wahrscheinlich richtet sich die Frage an das BMI: Es gab aus Österreich die Idee, eine Art Tourismusvereinbarung mit Deutschland jetzt für die Sommerferien abzuschließen, weil man gesagt hat: Deutschland hat nicht so hohe Fallzahlen, und in Österreich läuft es jetzt auch besser. Deshalb hat man in Österreich überlegt, ob man vielleicht eine bilaterale Vereinbarung ins Auge fassen könnte. Wie wird das von deutscher Seite gesehen?
Im Umkehrschluss frage ich mich, was jetzt eigentlich mit Belgien ist. Man hatte sich ja auch auf Wunsch der Ministerpräsidenten entschieden, zu den Niederlanden und Belgien keine Grenzkontrollen zu machen, was ja auch die Einsetzung einer Quarantäne von Einreisenden erschwert. Nun hat sich die Situation in Belgien sehr stark verschlechtert. Wird das möglicherweise Änderungen nach sich ziehen?
GRÜNEWÄLDER (BMI): Die Situation in Deutschland ist so, dass Einreisen nach Deutschland nur noch mit einem dringenden oder triftigen Grund über die Binnengrenzen hinaus möglich sind. Es wurden an fünf Binnengrenzen zu Deutschland vorläufige Binnengrenzkontrollen eingeführt. An den übrigen Binnengrenzen wird die Einhaltung dieser Regeln dadurch kontrolliert, dass verstärkte Fahndungs- oder Kontrollmaßnahmen im Hinterland stattfinden. Das funktioniert aus unserer Warte gut. Nach den Berichten gerade aus den Bundesländern, die Sie genannt haben, finden dort kaum Grenzübertritte statt; das ist jedenfalls im Rahmen. Wir beobachten aber als Bundesregierung die Maßnahmen ständig und überprüfen unsere Maßnahmen daraufhin, ob sie geändert werden müssen. Insofern kann man für die Zukunft auch nicht ausschließen, dass hier noch Änderungen erfolgen.
Das gilt auch zu Ihrer konkreten Frage zu Österreich. Wir haben im Moment keine Veranlassung, die Situation an der österreichischen Grenze zu ändern.
Zur Situation, was den Tourismus allgemein angeht, kann ich Ihnen als BMI nichts sagen. Dafür ist das Wirtschaftsministerium zuständig.
BURGER (AA): Ich kann vielleicht noch ergänzen, weil es ja auch die Reisewarnung betrifft, die das Auswärtige Amt ausspricht. Sie gilt bis auf Weiteres, zunächst bis Anfang Mai. Außenminister Maas hat am Freitag dazu klargestellt, dass wir zeitnah entscheiden werden, wie wir weiter damit umzugehen haben.
Im Moment hat sich aber an den Gründen für diese weltweite Reisewarnung nichts geändert. Viele Länder haben Ausgangssperren, Einreisebeschränkungen und sogar Einreisestopps verhängt. Auch der internationale Flugverkehr ist mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. Solange sich daran nichts ändert, können wir auch diese Reisewarnung nicht aufheben.
Wir haben die Meldungen aus Österreich vom Wochenende zur Kenntnis genommen, auch die relativ zurückhaltenden Äußerungen aus dem österreichischen Gesundheitsministerium. Wir werden die Lage natürlich weiterhin genau beobachten und die Reisewarnung dann anpassen, wenn die Rahmenbedingungen es tatsächlich zulassen. Derzeit gelten aber überall auf der Welt noch Reisebeschränkungen, Ausgangssperren und Quarantänemaßnahmen, eben auch in Österreich.
Wichtig ist dem Außenminister dabei auch, dass wir keine Alleingänge unternehmen, sondern uns da eng im EU-Kreis abstimmen. Auch das hat der Minister am Freitag gesagt. Ich darf kurz zitieren:
„Eine europäische Abstimmung halte ich für außerordentlich sinnvoll. Letztlich haben wir es alle mit den gleichen Fakten zu tun. Wir müssen beobachten, ob der internationale Flugverkehr wiederaufgenommen wird. Wenn ein Land seine Reisewarnung aufgibt, wird das auch in anderen Ländern zu Fragen führen. Deshalb telefoniere ich zurzeit auch mit meinen Kollegen intensiv dazu, damit wir uns in dieser Frage abstimmen. Ich würde mir wünschen, dass wir innerhalb der Europäischen Union ein koordiniertes Vorgehen hinbekommen.“
Ich kann vielleicht kurz ergänzen, dass der Außenminister mit seinen europäischen Amtskollegen tatsächlich ganz intensiv in Gesprächen steht. Dabei geht es einerseits um die Frage, wie die bestehenden Reisebeschränkungen und die davon geltenden Ausnahmeregeln praktikabel so umgesetzt werden, dass beispielsweise im Grenzverkehr bei den Pendlern etc. die Ausnahmen, die vorgesehen sind, praktikabel umgesetzt werden können. Zum anderen geht es natürlich perspektivisch auch um die Frage, unter welchen Bedingungen irgendwann in Zukunft solche Beschränkungen wieder zurückgefahren werden können, wenn es das Infektionsgeschehen zulässt und die Maßnahmen so weit vorangeschritten sind, dass das auch kontrolliert möglich ist.
Das ist ein Thema in den Gesprächen mit den europäischen Partnern. Aber, wie gesagt: Derzeit gibt es keinen Anlass, an den Maßnahmen etwas zu ändern.
EICHLER (BMWi): Ich kann auch bestätigen, dass es aktuell schwierig ist einzuschätzen, wie sich die Lage entwickelt. Wir können im Moment nur auf Sicht fahren. Natürlich ist uns bewusst, dass die Tourismusbranche unter der aktuellen Situation sehr leidet. Natürlich wünschen wir uns, dass es eine Rückkehr zur Normalität geben wird. Aber im Moment ist das Wichtigste, weiterhin die Ausbreitung des Virus zu stoppen.