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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 09.03.2020

09.03.2020 - Artikel

Coronavirus

FRAGE: Ich wüsste gern vom Sprecher des für den Sport zuständigen Bundesinnenministeriums, ob sich Ihr Minister der Haltung des Bundesgesundheitsministers anschließt. Dieser hat empfohlen, Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen. Hält Herr Seehofer es mittlerweile auch für geboten, Spiele der Fußball-Bundesliga abzusagen?

GRÜNEWÄLDER (BMI): Es gibt eine Empfehlung des Krisenstabes zum Umgang mit Großveranstaltungen. Der Krisenstab hat sich darin den Empfehlungen des RKI angeschlossen. Auf diese hat ja auch der Bundesgesundheitsminister noch einmal hingewiesen. Das ist letztlich die Entscheidung der örtlichen Behörden. Dabei sind viele Aspekte mit einzubeziehen, die am besten vor Ort beurteilt werden können. Das gilt auch für Sportveranstaltungen.

ZUSATZ: Meine Frage ist, ob Herr Seehofer das auch so sieht.

GRÜNEWÄLDER: Das habe ich eben zu erklären versucht. Wir haben eine gemeinsame Empfehlung des Krisenstabes, die sich an der Empfehlung des RKI für Großveranstaltungen orientiert.

ZUSATZFRAGE: Herr Seehofer ist also dafür, die Spiele der Fußball-Bundesliga wegen der Gefahr der Verbreitung des Coronavirus abzusagen. Verstehe ich Sie so richtig?

GRÜNEWÄLDER: Nein, dann verstehen Sie mich falsch. Ich habe darauf hingewiesen, dass es eine Empfehlung des Krisenstabes gibt, wie mit Großveranstaltungen umzugehen ist, nämlich entsprechend der Empfehlung des RKI dazu.

FRAGE: An das Gesundheitsministerium: Warum wird die Grenze bei 1000 Menschen angesetzt? Könnten es auch 700 oder 800 sein? Woran orientiert sich das?

Gilt die Absageempfehlung auch ganz explizit für Konzerthallen, Philharmonien usw.? Denn noch mehr als bei Fußballspielen sitzen die Menschen dort ja in geschlossenen Räumen eng zusammen.

BERVE-SCHUCHT (BMG): Danke schön für die Frage. Ich kann Ihnen im Grunde nur noch einmal deutlich machen, was der Minister gerade gesagt hat. Er hat gesagt: Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern. ‑ Er hat empfohlen, zum Schutz der Gesundheit solle man darüber nachdenken, diese Großveranstaltungen bis auf Weiteres abzusagen. Er hat es also als Empfehlung formuliert. Er hat gesagt: Ich ermuntere dazu, diese Veranstaltungen abzusagen.

Zu allen anderen Details will ich darauf hinweisen, dass der Minister um 13.30 Uhr hier in der Bundespressekonferenz für Ihre Fragen zur Verfügung steht und Sie ihn dann vielleicht noch einmal darauf ansprechen können.

FELDHOFF (Vorsitz): Es kommen nicht nur Herr Minister Spahn, sondern auch Herr Drosten von der Charité und Herr Wieler, der Chef des RKI.

FRAGE: Sie sprachen von den örtlichen Behörden. Sind damit die Kommunen gemeint, oder sind es in Einzelfällen auch Landesregierungen, die dazu Entscheidungen treffen?

Wer haftet, wenn eine Behörde die Absage einer Veranstaltung anordnet?

GRÜNEWÄLDER: Auch diese Fragen sind hier ja schon am Freitag hinreichend erörtert worden. Das richtet sich nach dem Infektionsschutzgesetz. Danach sind die Gesundheitsämter dafür zuständig, solche Entscheidungen vorzubereiten. Die örtlichen Behörden sind dann dafür zuständig, das umzusetzen.

Auch Haftungsfragen sind im Infektionsschutzgesetz geregelt. Das ist aber im Prinzip eine Frage an das BMG, weil dort die Verantwortung für das Infektionsschutzgesetz ressortiert.

BERVE-SCHUCHT: Wie gesagt, ist das Freitag schon einmal besprochen worden. Die Länder benennen sozusagen die zuständigen Behörden, die diese Anordnungen aussprechen müssten. Haftungsfragen sind im Infektionsschutzgesetz geregelt.

FRAGE: Es gibt einen Bericht, dass Deutschland wie einige andere EU-Länder seine Vertretung in Nordkorea geschlossen hat. Stimmt das? Können Sie sagen, ob das auch für diplomatische Vertretungen in anderen Ländern gilt?

Aus China wurden Deutsche von der Bundesregierung ausgeflogen. Plant man ähnliche Aktionen für andere besonders betroffene Länder?

BREUL (AA): Vielen Dank für die Frage. Zunächst zu Nordkorea: In der Tat sind heute Morgen die Bediensteten der Botschaft in Pjöngjang über Wladiwostok ausgeflogen worden. Die Botschaft ist temporär geschlossen.

Nordkorea hat zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus seit mehreren Wochen sämtliche Flug- und Zugverbindungen ins Ausland eingestellt und alle Ausländer ‑ das heißt, auch Angehörige diplomatischer Vertretungen und der Vertretungen internationaler Organisationen ‑ in Zwangsquarantäne genommen. Aufgrund dieser für uns unverhältnismäßigen und WÜD-widrigen nordkoreanischen Maßnahmen war ein normaler Dienstbetrieb der Botschaft nicht mehr möglich. Die nordkoreanischen Behörden haben mitgeteilt, dass diese Maßnahmen noch ‑ ich zitiere ‑ mindestens mehrere Monate andauern werden.

Das hat uns zu der Auffassung gebracht, dass ein normaler Dienstbetrieb auf absehbare Zeit nicht möglich ist. Darum haben wir das Personal zurückgeholt. Wir planen, den Dienstbetrieb in der Botschaft Pjöngjang wieder aufzunehmen, sobald sich die Lage wieder normalisiert hat. Es handelt sich also nicht um eine politische oder diplomatische Maßnahme, sondern sie beruht letztlich einfach auf pragmatischen Erwägungen und natürlich auch Fragen des Personalschutzes.

Weitere Rückholungen à la Wuhan, um zu Ihrer zweiten Frage zu kommen, sind aktuell nicht geplant. Unser Krisenstab tagt, wie Sie wissen, nahezu täglich zu den diversen internationalen Lagen auch in Risikogebieten. Entscheidend ist für diese Frage natürlich immer die Möglichkeit alternativer Ausreisemöglichkeiten. Die Rückholung à la Wuhan war ja vor allem auch dadurch bedingt, dass keine andere Art der Ausreise mehr möglich war. Das ist ein ganz entscheidender Faktor. Aber wir beraten das sozusagen jedes Mal situativ. Wir schauen uns an, wie viele Menschen betroffen sind, wie die Ausbreitung vor Ort genau aussieht, und vor allem ‑ ich wiederhole es noch einmal ‑ schauen wir uns die Frage an, ob es alternative Transportmöglichkeiten gibt.

ZUSATZFRAGE: Ich dachte, bei Wuhan wäre es auch darum gegangen, dass man durch die zentrale Rückführung auch eine zentrale Quarantäne anordnen konnte. Spielt diese Überlegung jetzt keine Rolle mehr, wenn Menschen aus besonders betroffenen Gebieten, auch aus Italien, jetzt auf eigene Faust nach Deutschland zurückkehren?

BREUL: Ganz offen gesagt, kommt man dabei natürlich auch sehr schnell an praktische Grenzen. Im Falle von Wuhan gab es mehrere Faktoren. Ein ganz entscheidender Faktor war natürlich, dass das Gebiet komplett abgeriegelt war und es keine Möglichkeit mehr gab, das Gebiet zu verlassen, dann natürlich auch die hohe Verbreitung des Coronavirus. Aber es gibt, wie gesagt, keinen festen Kriterienkatalog. Wir entscheiden im Einzelfall nach Prüfung der Umstände, ob eine Rückholung möglich und auch erforderlich ist.

FRAGE: Herr Seibert, es ist übergeordnete Aufgabe des Staates, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Weil das so ist: Warum überlässt der Staat es den Vereinen, Spiele abzusagen, und ordnet eine solche Spielabsage nicht selbst an?

Frau Berve-Schucht, Sie haben vorhin den Haftungsparagrafen im Infektionsschutzgesetz angesprochen. Wer haftet bei Spielausfällen denn nun für die Einnahmeausfälle?

BERVE-SCHUCHT: Ich kann Ihnen das im Moment nicht im Detail sagen. Vielleicht können wir das nachreichen. Es hängt natürlich immer davon ab, wer absagt. Wenn der Verein selbst absagt, ist es natürlich eine andere Sache, als wenn das Gesundheitsamt das Nichtstattfinden des Spieles anordnet.

ZUSATZ: Reichen Sie das bitte nach.

SEIBERT (BReg): Wenn Sie mit den Worten „der Staat“ zunächst einmal auf die Bundesregierung abzielen, dann will ich Ihnen für die Bundesregierung sagen, dass die Bürger darauf vertrauen können, dass diese Bundesregierung mit aller Kraft alles dafür tut, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und zu verlangsamen und um unser Land in die Lage zu versetzen, mit dieser äußert großen Herausforderung fertigzuwerden. Sie werden ja im Anschluss hier in der Bundespressekonferenz den Gesundheitsminister hören. Sie werden heute noch die Forschungsministerin dazu hören, wie die Lage aus medizinischer Sicht, aus Sicht der Forscher und der Arbeit an Arzneien und einem möglichen Impfstoff ist.

Die Situation, was Großveranstaltungen betrifft, ist so, dass nicht die Bundesregierung für die Absage zuständig ist, auch nicht der Krisenstab, dass aber auf Bundesebene Kriterien entwickelt und Empfehlungen gegeben werden. Für diese Bundesregierung ist es folgerichtig, dass Bundesgesundheitsminister Spahn die Empfehlung so abgegeben hat, wie er sie abgegeben hat, nämlich Veranstaltungen mit über 1000 Besuchern abzusagen.

ZUSATZFRAGE: Warum bleiben Sie auf der Ebene der Empfehlung, wenn die Lage so ernst ist?

SEIBERT: Ich kann Ihnen dazu heute nichts Neues sagen. Wir sind in einer dynamischen Lage, und ich weiß nicht, wie die Lage in ein, zwei, drei Wochen sein wird. In der heutigen Situation geben wir ganz klare Empfehlungen, und Sie sehen ja, dass reihenweise Großveranstaltungen abgesagt werden und dass auch im Sportbereich darüber nachgedacht wird.

FRAGE: Meine Frage geht an das Finanzministerium. Es geht um die Kosten. Die Bundesregierung hat jetzt im Koalitionsausschuss Hilfen bereitgestellt. Nun ist die finanzielle Lage in Deutschland im Vergleich zu einigen anderen Ländern relativ gut. Italien hat in der EU schon nachgefragt, ob man die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht ein bisschen verändern könnte, weil jetzt Ausgaben auf das Land zukommen, die mit normalen Mitteln nicht zu bewältigen sind.

Was ist die Position des Finanzministeriums? Sind wir in so außergewöhnlichen Zeiten, dass die Regeln des Stabilitätspaktes nicht mehr gelten müssen?

KUHN (BMF): Wie Sie wissen, ist die EU-Kommission die Hüterin der Verträge; sie ist deshalb auch für die Haushaltsüberwachung zuständig. Es ist Aufgabe der Kommission, die Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten zu bewerten. Die EU-Mitgliedsstaaten stehen hierzu alle in einem engen und konstruktiven Austausch mit der Kommission. Die Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, den Sie ansprachen, enthalten bekanntlich auch Regelungen für außergewöhnliche Ereignisse, die sich der Kontrolle eines Mitgliedsstaats entziehen. Dazu hat die Kommission ja auch Stellung genommen. Das ist das, was ich dazu sagen kann.

ZUSATZFRAGE: Es gab, seitdem die Kommission sich dazu geäußert hat, in Italien eine noch dramatischere Entwicklung. Sie sehen also auch keine neue Situation, wo die Mitgliedsstaaten noch einmal mit der Kommission zusammenkommen müssten, um gemeinsam zu besprechen, ob die Regeln, die man hat, und diese Flexibilität ausreichen?

KUHN: Wie gesagt, der Stabilitäts- und Wachstumspakt enthält gerade für solche Fälle auch Regelungen. Es ist klar, dass sich die Finanzminister der Eurozone und der Europäischen Union regelmäßig dazu austauschen. Das haben sie letzte Woche am Mittwoch in einer Telefonkonferenz getan. Beim nächsten Finanzministertreffen Anfang nächster Woche in Brüssel werden Corona und die wirtschaftlichen Auswirkungen sicherlich auch noch einmal Thema sein.

FRAGE: Es geht um einen Lkw mit 240 000 Atemschutzmasken, der an der deutsch-schweizerischen Grenze festgehalten wird. Da scheint es schon zu diplomatischen Unstimmigkeiten zwischen der Schweiz und Deutschland gekommen zu sein. Ich weiß nicht genau, an wen ich die Frage richten soll – an das Innenministerium, das Außenministerium? Es wurde auch der deutsche Botschafter in Bern dazu vorgeladen. Was passiert mit diesem Lkw? Gibt es Pläne, dass er weiterfahren darf, oder muss er wieder umdrehen?

BREUL: Ich weiß nicht, ob zum Zoll das BMF etwas sagen kann. Grundsätzlich ist es so: Sie kennen ja die Beschlüsse, die wir gefasst haben, um dafür zu sorgen, dass Schutzmaterial in Deutschland in ausreichender Menge zur Verfügung steht; das betrifft auch den Export. Wir stehen in einem engen Austausch mit unseren europäischen Partnern, eben auch mit der Schweiz. Am Freitag – Sie erwähnten es – gab es ein Gespräch unseres Botschafters im Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft.

Klar ist natürlich: Wir wollen hier in Europa solidarisch sein. Es geht nicht darum, irgendwie irgendwem Material vorzuenthalten. Es geht aber auch darum, dass wir den Bedarf, den wir in Deutschland haben, mit den Produkten, die wir in Deutschland haben, auch bedienen können müssen. Es ist ein Thema, das natürlich ganz Europa beschäftigt; es gibt eine große Nachfrage. Wir brauchen da sozusagen eine Koordinierung; die streben wir an. Aber selbstverständlich hat für die Bundesregierung die Versorgung in der Bundesrepublik eine ganz große Bedeutung, um nicht zu sagen: Sie ist eine Priorität.

KUHN: Der Zoll prüft ja bei seinen Kontrollen auch Ausfuhrverbote. Das Ausfuhrverbot wurde auf Basis einer Rechtsverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums – ich glaube, in Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsministerium – verhängt; der Zoll ist hier nur ausführendes Organ. Wenn also Waren zur Ausfuhr in die Schweiz angemeldet werden, prüft der Zoll das und teilt den Spediteuren und Unternehmen dann mit, dass diese Waren nicht ausgeführt werden können. Aber inhaltlich für die Regelung verantwortlich bzw. zuständig sind wahrscheinlich das Bundeswirtschaftsministerium oder das Bundesgesundheitsministerium.

ZUSATZFRAG: Aber der Lkw steht noch an der Grenze, ist das korrekt?

KUHN: Wo der Lkw steht, weiß ich nicht. Normalerweise ist es so – ich kann nur allgemein zum Zollverfahren sprechen –, dass die Spediteure und die Unternehmen, die etwas exportieren wollen, das beim Zoll per Internet anmelden. Da gibt es ein eigenes Programm; das nennt sich ATLAS. Wenn die entsprechenden Zollnummern betroffen sind, teilt der Zoll mit, dass diese Waren nicht ausgeführt werden können. In aller Regel führen die betroffenen Unternehmen die Ware dann gar nicht erst aus; man bringt sie also nicht auf den Weg. In Ausnahmefällen stehen die einmal bei einem Hauptzollamt. Aber in der Regel ist es so, dass man das vorher anmeldet und dann auch schon weiß, dass man das nicht ausführen kann.

SEIBERT: Ich wollte, da wir jetzt über das Thema Coronavirus sprechen und auch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen schon gestreift haben, doch noch einmal an die heute Nacht gefassten Beschlüsse des Koalitionsausschusses erinnern, die für die Bundesregierung ganz klare Arbeitsaufträge sind. Die Bundesregierung wird jetzt alles tun, um Unternehmen und Arbeitnehmer in dieser großen wirtschaftlichen Herausforderung zu unterstützen. Es sind vor allem weitreichende und großzügige Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld beschlossen worden. Unser Ziel ist, dass möglichst kein Unternehmen in Deutschland durch den Corona-Ausbruch in Insolvenz gerät und möglichst kein Arbeitsplatz verloren geht. Den betroffenen Unternehmen stehen bewährte Förderinstrumente zur Verfügung, aber wir werden – und können –, wenn die Lage sich verschärft, natürlich schnell und passgenau reagieren. Insofern ist die Bundesregierung sozusagen durch den Koalitionsausschuss aufgefordert, Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld per Verordnung festzulegen. Sie haben möglicherweise heute Morgen die einzelnen Punkte, was sich da beim Bezug verbessert und erweitert, gehört.

Mir war das wichtig; denn das ist auch ein Teil des Kampfes, den wir führen müssen – gegen die Ausbreitung des Virus, aber eben auch dagegen, dass die deutsche Wirtschaft dadurch stärker, als es vielleicht unvermeidlich ist, in Mitleidenschaft gezogen wird.

FRAGE: Herr Seibert, würden Sie mit Blick auf die EU-Partner und die Zusammenarbeit sagen, dass es ein eher unglückliches Signal ist, dass Deutschland ein solches nationales Ausfuhrverbot für Schutzkleidung und bestimmte Medikamente verhängt hat und man das nicht im Rahmen der EU-Partner von Anfang an geregelt hat? So entsteht der Eindruck, wie es Herr Breul gesagt hat, dass vorrangig Deutsche bzw. Bundesbürger oder Menschen, die in Deutschland leben, geschützt werden sollen. Was ist das für ein europapolitisches Signal?

Können Sie mit Blick auf das, was Sie gerade sagten, sagen, wie groß die finanzielle Belastung für die Bundesrepublik durch diese wirtschaftlichen Folgen Ihrer Meinung nach sein wird?

SEIBERT: Ich denke, da wir heute nicht seriös vorhersagen können, wie sich die Ausbreitung des Virus weiter abspielen wird, wäre es auch nicht seriös, wenn ich dazu heute Zahlen nennen würde. Aber die Maßnahmen, gerade was den Bezug des Kurzarbeitergelds, die Zurverfügungstellung des Kurzarbeitergelds, die Übernahme der Sozialabgaben durch die Bundesagentur für Arbeit betrifft, sind gestern beschlossen worden und werden von der Bundesregierung jetzt zeitnah umgesetzt.

Was das Europäische betrifft: Uns ist klar, dass Corona eine Herausforderung ist, die – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – alle europäischen Staaten spüren und gegen die sie sich wappnen müssen. Wir wissen, dass es dafür intensiver europäischer Zusammenarbeit und Abstimmung bedarf. Unser Gesundheitsminister hat frühzeitig genau dieses Thema in die europäischen Debatten eingebracht und wird das auch weiterhin tun. Wir wissen, dass wir als Europäer reagieren müssen; gleichwohl ist zu der Maßnahme, die letzte Woche bekannt gegeben wurde, hier alles gesagt worden. Ich kann den Fall an der Schweizer Grenze nicht weiter kommentieren, als es die Kollegen schon getan haben.

BREUL:Wahrscheinlich haben Sie es nicht so gemeint, und ich hoffe erst recht, dass ich es nicht so gesagt habe: Unsere Prämisse ist natürlich nicht, hier vorrangig Deutsche zu schützen, also sozusagen andere aufgrund von Maßnahmen hier einem Risiko auszusetzen. Unser Punkt ist lediglich – das ist auch die öffentliche Erwartung –, dass wir den Bedarf, den wir in Deutschland haben, und die Güter, die dafür zur Verfügung stehen, erst einmal in Einklang bringen und da sicherstellen, dass keine Produkte, für die es in Deutschland einen Bedarf gibt, sozusagen aus Lagern wegexportiert werden. Das ist die Ratio hinter der Maßnahme.

Selbstverständlich sind wir solidarisch in Europa; wir tauschen uns aus, wir müssen uns abstimmen, was den jeweiligen Beschaffungsbedarf angeht. Das sind die Gespräche, die wir jetzt führen. Natürlich wird auch noch einmal genau geprüft: Wie sind die Bestände bei uns, wie viel kann exportiert werden, wenn hier noch Lagerbestände oder Produktionskapazitäten vorhanden sind? Das nur noch einmal, um dem Eindruck entgegenzuwirken, alles andere wäre uns egal, nach dem Motto: Hauptsache, wir haben genug Material. – Das ist nicht der Punkt. Es geht darum, das zu koordinieren und als Staat in engem Austausch mit unseren europäischen Partnern handlungsfähig zu sein.

FRAGE: Ich habe eine konkrete Frage dazu. Sind aus dem Ausland Anfragen nach Material, zum Beispiel Schutzmasken, gekommen?

BERVE-SCHUCHT: Zu aktuellen Anfragen aus dem Ausland kann ich nichts sagen. – Ich möchte nur etwas zu der Beschaffung von Schutzausrüstungen und Atemschutzmasken usw. sagen: Es ist natürlich nicht so gedacht, dass der Staat jetzt sämtliche Krankenhäuser und Ärzte versorgt, sondern es ist natürlich schon noch wichtig, dass Krankenhäuser, Ärzte, Labore und Rettungsdienste sich weiterhin auch selbst bemühen, ihre Bedarfe zu decken und ihre Bestellungen zu realisieren. Es ist nicht so, dass es nur noch eine zentrale Versorgung bzw. Beschaffung geben soll.

FRAGE: Ich würde gern beim Bundesarbeitsministerium noch einmal zu den angekündigten Verbesserungen bei der Gewährung von Kurzarbeitergeld nachfragen: Liegt die Verordnung bei Ihnen sozusagen schon auf dem Tisch oder in der Schublade? Ab wann gilt das?

EHRENTRAUT (BMAS): Bei den angesprochenen Punkten handelt es sich ja um Verordnungsermächtigungen. Es muss also erst einmal die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden. Das wird laut Koalitionsbeschluss am kommenden Mittwoch der Fall sein, mit dem Arbeit-von-morgen-Gesetz. Dann haben wir die gesetzliche Grundlage, um entsprechende Verordnungen zu erlassen. Wir sind gerade dabei, abzustimmen, wie wir die Verordnung schnellstmöglich erlassen können. Das Gesetz an sich wird nach unserer Einschätzung in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten können.

ZUSATZFRAGE: An das Bundesfinanzministerium: Es ist ja auch die Rede von Liquiditätshilfen, Steuerstundungen etc. Wie sieht das bei Ihnen aus, wann kann das in Kraft treten?

KUHN: Bezüglich der Liquiditätshilfen müssen Sie sich, glaube ich, an das Bundeswirtschaftsministerium wenden. Da gibt es ja schon Programme.

Was die Steuerstundungen angeht: Alle Beschlüsse, die jetzt im Koalitionsausschuss gefasst worden sind, sind Arbeitsaufträge an die Regierung. Wir als BMF werden uns auch daranmachen, diese Sachen anzugehen und zeitnah vorzulegen.

EINHORN (BMWi): Zu den Liquiditätshilfen: Minister Altmaier hat sich gestern Abend im ZDF bei „Berlin direkt“ auch noch einmal dazu geäußert. Es gibt aktuell schon Instrumente – darüber hatte ich auch am Freitag berichtet –, die jetzt schon von den Unternehmen – auch vermehrt – in Anspruch genommen werden. Wir stellen also den Unternehmen, die in die Situation geraten, dass sie Liquiditätsengpässe haben, schon jetzt Liquidität zur Verfügung, zum Beispiel über Betriebsmittelkredite und KfW-Kredite. Bisher reichen die zur Verfügung gestellten Mittel aus; der dafür veranschlagte Rahmen reicht aus. Sollte es dazu kommen, dass wir diesen Rahmen vergrößern müssen, sind wir jederzeit dazu bereit und auch schnell in der Lage, das aufzustocken. Aber bisher wurde noch keine Aufstockung beschlossen; bisher reichen die vorhandenen Instrumente aus.

SEIBERT: Dem kann ich hinzufügen, dass es zu der Frage, ob im Falle eines Falles Liquiditätshilfen ausgeweitet würden und wie das stattfände, zeitnah ein Gespräch der Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und den Gewerkschaften geben wird.

ZUSATZFRAGE: Wie hoch ist der Kreditrahmen jetzt?

EINHORN: Das müsste ich nachreichen. Es ist auch so, dass sich der Wirtschaftsminister morgen mit den Wirtschaftsministern der Länder trifft, sie ins BMWi eingeladen hat und dann noch einmal genau das mit ihnen besprechen wird: Wie könnte man so etwas auch auf Länderebene umsetzen?

ZUSATZFRAGE: Frau Einhorn, können Sie uns dazu Zahlen nennen und vielleicht, damit man einen Eindruck bekommt, welche Firmen jetzt schon Hilfe brauchen, auch sagen, aus welchen Branchen Sie Anfragen erhalten?

EINHORN: Die Zahlen müsste ich nachreichen. Sie meinen jetzt auch die Zahlen zum bestehenden Rahmen der Hilfen?

ZUSATZ: Sie sagten, dass es schon Firmen gibt, die Liquiditätshilfen beantragen. Woher kommen sie, und um welches Volumen geht es da?

EINHORN: Das müsste ich nachreichen. Das ist wahrscheinlich auch eher bei der KfW anzusiedeln. Ich kümmere mich darum, dass wir das nachreichen.

Ansonsten haben wir eine Hotline geschaltet, die Unternehmen anrufen können, um sich bei uns bezüglich bestehender Instrumente der Bundesregierung und des BMWi zu erkundigen. Die Themen, die bisher in diesen Telefonaten mit Unternehmen angesprochen werden, betreffen vor allem Fragen der Finanzierung, der Konjunktur, der Außenwirtschaftsförderung sowie Messeprogramme und den Tourismus. Es sind natürlich vor allem Unternehmen aus dem Tourismus- und Messebereich, die jetzt schon besonders betroffen sind und sich bei dieser Hotline melden. Es sind viele kleine und mittlere Unternehmen, die diese Informationen in Anspruch nehmen.

FRAGE: Herr Seibert, Regierungschefs stärker betroffener Staaten, zum Beispiel China und Italien, haben sich in Sachen Corona schon mit Reden an die Bevölkerung gewandt. Gibt es ein solches Vorhaben der Kanzlerin, das Sie jetzt schon absehen können?

SEIBERT: Wir werden dann über Reden berichten bzw. Sie werden Reden hören, wenn sie stattfinden. Ich habe hier heute nichts anzukündigen.

Ich kann trotzdem noch einmal wiederholen, was ich vorhin sagte: Die Bürger können darauf vertrauen, dass die gesamte Bundesregierung – mit der Bundeskanzlerin an der Spitze – alles tut, um die Ausbreitung dieses Virus einzudämmen, zu verlangsamen und unser Land in die Lage zu versetzen, mit dieser Herausforderung zurechtzukommen. Unter Leitung der Kanzlerin ist die Bundesregierung mit aller Kraft und allem Einsatz dabei, unser Land durch diese extrem schwierige Situation zu steuern.

EINHORN: Ich könnte kurz ergänzen, was mir eine Kollegin gerade schickte: Aktuell gibt es bei unserer Hotline, die am 27.02. geschaltet wurde, ungefähr 100 bis 130 Anrufe pro Tag. Es dominieren, wie ich bereits sagte, Anrufe von Unternehmen aus der Messebranche, und zwar meistens von kleinen und Kleinstunternehmen, die in der Messebranche aktiv sind - das betrifft ganz verschiedene Bereiche – und sich über die bestehenden Möglichkeiten informieren. Es geht vor allem um Betriebsmittelkredite und Finanzierungsinstrumente.

Aufnahme von Kindern aus Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln

FRAGE: Herr Grünewälder, es geht um die Einigung der Nacht zur Aufnahme von Kindern von den griechischen Inseln. Man kann ja vorsichtig sagen: Es hatte sich abgezeichnet, dass es eine Aufnahmeentscheidung geben würde. Die SPD hat darauf gedrungen; Horst Seehofer hat es vorher in Aussicht gestellt. Gleichzeitig hören wir heute Morgen, dass man über diesen Punkt sehr lange – auch kontrovers – gesprochen habe. Ging es da um das Ob oder um das Wie? Wenn Sie über die Art der Gespräche nichts sagen wollen: Was ist aus Ihrer Sicht Kern der Einigung?

Herr Alter hatte uns in der vergangenen Woche berichtet, dass es eine klare Reihenfolge gebe: erst ordentliche Zustände an der Landgrenze zur Türkei, dann diese Initiative. - Nun betonte heute Morgen auch Herr Seehofer die Notwendigkeit des Schutzes der EU-Außengrenze, Ordnung und Begrenzung seien Voraussetzung für Humanität. Gilt diese Reihenfolge so noch?

GRÜNEWÄLDER (BMI): Sie haben gerade begonnen, den Minister zu zitieren. In der Tat hat er den Beschluss des Koalitionsausschusses begrüßt. Er sieht sich in seiner Linie bestätigt, die nach wie vor lautet: Ordnung und Begrenzung der Migration sind Voraussetzung für Humanität. Insofern zu Ihrer zweiten Frage: Diese Reihenfolge besteht aus Sicht des Bundesinnenministers nach wie vor.

ZUSATZFRAGE: Ich meine aber nicht nur eine ideelle Reihenfolge, sondern frage, ob das konkrete Auswirkungen hat – dass etwa eine Umsetzung dieses Beschlusses erst einmal nicht möglich ist, bis eine Einigung mit Herrn Erdoğan oder was auch immer stattgefunden hat, sodass sich die Zustände an der Grenze ändern? Wie ist diese Reihenfolge im Moment zu verstehen?

GRÜNEWÄLDER: Um das noch fortzuführen – ich antworte im Einzelnen gleich darauf –: Der Bundesinnenminister begrüßt die Beschlüsse und sagt, wir müssen Griechenland zuerst einmal helfen. Die griechischen Behörden leisten einen wichtigen Beitrag, um auch die Außengrenze zu schützen. Dabei werden wir sie weiterhin unterstützen und Hilfe leisten. Griechenland hat dort unsere volle Solidarität. Gleichzeitig müssen wir aber, wenn das gesichert ist, auch humanitäre Hilfe für die besonders Schutzbedürftigen, also vor allem die Kinder, die sich in den Lagern in einer prekären Situation befinden, leisten, weil es hier um die Schwächsten geht, denen wir helfen wollen. Daran arbeitet der Bundesinnenminister seit einiger Zeit; da laufen Gespräche. In den nächsten Tagen werden weitere Gespräche geführt, sodass wir hier eine schnelle Lösung hinbekommen können. Voraussetzung dafür ist aber, dass wir an der europäischen Außengrenze Ordnung herstellen.

ZUSATZ: Und zur ersten Frage?

GRÜNEWÄLDER: Zum Kern der Einigung kann ich wenig sagen, weil der Bundesinnenminister an dem Koalitionsausschuss nicht teilgenommen hat. Da müssen Sie jemanden fragen, der dabei war – zum Beispiel Partei- oder Fraktionsvorsitzende.

FRAGE: Mich interessiert einerseits, wie viele Kinder Deutschland dann schätzungsweise aufnimmt, und andererseits, wie der Zeitrahmen aussieht. Die Grenze ist das eine; aber das andere ist die Frage: Sollen diese Kinder innerhalb von zwei Wochen, innerhalb von zwei Monaten von dort weggebracht werden? Was ist sozusagen die Deadline, ab der man sagt: „Okay, es machen zwar nur ein oder zwei andere Länder mit, aber jetzt muss es passieren“?

GRÜNEWÄLDER: Der Bundesinnenminister sprach von einer Koalition der Willigen; das heißt, im Rahmen einer europäischen Einigung ist denkbar und beabsichtigt, dass Deutschland Kinder aufnimmt. Alles Weitere muss jetzt auf europäischer Ebene besprochen werden; die Gespräche dazu werden noch in dieser Woche fortgeführt. Aber die Einzelheiten, wer wann wie viele aufnimmt, sind noch offen; darüber muss jetzt verhandelt und gesprochen werden.

ZUSATZFRAGE: Die gemeinsame europäische Asylpolitik ist ja etwas, was sich schon über Jahre hinzieht. Müssen wir davon ausgehen, dass sich auch diese humanitäre Aufnahme über Jahre hinzieht?

GRÜNEWÄLDER: Das würde ja kaum Sinn machen. Wie gesagt, wir müssen zunächst einmal an der europäischen Außengrenze eine gewisse Ordnung schaffen. Dann müssen wir sehen, dass wir schnell handeln und in dieser humanitären Notlage helfen. Das ist keine Frage von Monaten, sondern eher von Wochen. Es muss in der nächsten Zeit eine Lösung möglich sein. Voraussetzung dafür ist aber, wie gesagt, dass die Ordnung hergestellt wird.

SEIBERT (BReg): Der Begriff „Koalition der Willigen“, Frau Clasmann, sagt ja schon, dass es leider nicht die Aussicht gibt, dass sich 27 europäische Staaten daran beteiligen werden. Das wäre ein guter Zustand; aber den haben wir nicht. Also wird eine Koalition der Willigen gesucht, und dazu gibt es zeitnahe Gespräche in Europa, in denen über diese humanitäre Lösung auf der Basis von einigen teilnehmenden europäischen Staaten verhandelt wird.

BREUL (AA): Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, dass wir ja bei der Aufnahme von aus Seenot Geretteten einen Mechanismus gefunden haben, der uns weiterhelfen kann, auch für diese Maßnahme eine Lösung zu finden. Es geht also um Gespräche unter den Staaten, die bereit sind, zu helfen, unter Koordinierung der Kommission – und dann wird man sehen, welche praktischen Lösungen man findet.

FRAGE: Herr Grünewälder, zum Zeitkorridor: Sie sagten, in dieser Woche werden Gespräche stattfinden. Am Freitag treffen sich die Innenminister in Brüssel. Wartet der Bundesinnenminister bis zu diesem Treffen, um die Gespräche zu führen, oder findet schon vorher etwas statt? Erhofft er sich von diesem Treffen am Freitag vielleicht sogar schon einen Beschluss oder einen Startpunkt?

Ich möchte eine zweite Frage anschließen. Sie sagten, der Innenminister war nicht dabei. Es wurden ja im Papier des Koalitionsausschusses zwei Gruppen benannt – zum einen schwer kranke und zum anderen unbegleitete Kinder. Ist bei den schwer kranken Kindern nur daran gedacht, die Kinder zu holen, oder dann gegebenenfalls auch ihre Eltern?

GRÜNEWÄLDER: Zu den einzelnen Gesprächen kann ich Ihnen nur sagen: Die Gespräche laufen, sie werden fortgesetzt. Es finden auch diese Woche Gespräche statt. Ob nun schon diese Woche eine Lösung gefunden wird, vermag ich nicht zu sagen. Es wird jedenfalls zeitnah stattfinden.

ZUSATZFRAGE: Aber die Gespräche laufen jetzt schon?

GRÜNEWÄLDER: Es laufen Gespräche in verschiedener Zusammensetzung, und sie gehen weiter, auch in dieser Woche.

FELDHOFF (Vorsitz): Können Sie auch etwas zum zweiten Teil der Frage sagen?

GRÜNEWÄLDER: Der zweite Teil ging nicht an mich.

FELDHOFF: Wer kann die Frage denn beantworten?

ZUSATZFRAGE: Kann sie jemand beantworten ‑ das Familienministerium? Die Parteispitzen wahrscheinlich.

FELDHOFF: Momentan nur Ratlosigkeit.

FRAGE: Ich habe auch noch eine Verständnisfrage zu den Zahlen. Handelt es sich bei den 1000 bis 1500 Kindern um die Gesamtzahl für die Koalition der Willigen, oder geht es da um die Kinder, die nach Deutschland kommen könnten?

GRÜNEWÄLDER: Wie gesagt: Sie müssen, was die Beschlüsse des Koalitionsausschusses angeht, die Verhandlungspartner dort fragen. Das ist nicht die Bundesregierung.

Zu konkreten Zahlen: Wie gesagt, das müssen die Gespräche in den nächsten Tagen und Wochen zeigen.

FRAGE: Trotzdem noch einmal die Nachfrage zu den Zahlen. Herr Seehofer hatte in der vergangenen Woche wiederum von 5000 gesprochen. Das war auch die Zahl, die Ende vergangenen Jahres die griechische Regierung genannt hatte. Wenn Sie zu den Beschlüssen nichts sagen wollen, dann anders herum die Frage: Begrüßt der Bundesinnenminister auch, dass die Zahl jetzt geringer ist als das, was ursprünglich avisiert worden war? Kommt diese Zahl möglicherweise auch aus den Gesprächen mit den potenziellen Mitgliedern dieser Koalition der Willigen? Oder würden Sie davon ausgehen, dass das eine autonom deutsche Entscheidung ist?

GRÜNEWÄLDER: Wie gesagt, wo die Zahlen herkommen, das kann ich Ihnen nicht sagen. Erstens. Der Bundesinnenminister begrüßt den Beschluss des Koalitionsausschusses. Zweitens. Die konkreten Zahlen werden die Gespräche in den nächsten Tagen und Wochen zeigen.

ZUSATZFRAGE: Ja, aber Sie können ja sagen, ob man das in den Verhandlungen mit den anderen Ländern ‑ das ist ja nun Ihre Sphäre; das ist ja nicht die Sphäre des Koalitionsausschusses ‑ schon eingedampft hatte oder ob das erst gestern Nacht passiert ist?

GRÜNEWÄLDER: Der Bundesinnenminister ist der Auffassung, dass im Rahmen einer europäischen Lösung, einer Koalition der Willigen, hier eine Lösung gefunden werden kann. Wer sich daran beteiligt, das ist noch im Fluss. Erste Länder haben Bereitschaft erklärt. Es wird wahrscheinlich noch weitere geben. Insofern kann man über konkrete Zahlen und Wasserstände jetzt hier nicht berichten. Da bitte ich Sie um Geduld. Das werden die Gespräche der nächsten Zeit zeigen.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie nicht die Frage beantworten wollen, ob gemeint ist, auch die Eltern mit einreisen zu lassen: Wäre es überhaupt denkbar, dass man besonders schutzbedürftige Kinder allein einreisen lässt?

GRÜNEWÄLDER: Das ist jetzt eine hypothetische Frage. Zur Personengruppe: Es geht nach dem Koalitionsbeschluss vor allem um Minderjährige bis 14 Jahre und allgemein um schutzbedürftige Kinder. In welcher Konstellation man sie dann einreisen lässt, das muss man sehen. Wahrscheinlich wird das im Familienverband sein. Aber das müssen auch die Gespräche der nächsten Zeit zeigen. Dazu kann man heute noch nichts sagen. Das müssen wir abwarten.

FRAGE: Es war ausdrücklich von Mädchen die Rede. Welchen Hintergrund hat das?

GRÜNEWÄLDER: Wo war von Mädchen die Rede?

ZUSATZFRAGE: Bei den „bis 14-Jährigen“, bei den unbegleiteten.

GRÜNEWÄLDER: Wie gesagt, es ist ein Koalitionsbeschluss. Bitte fragen Sie diejenigen, die dabei waren, was damit gemeint ist. Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Lage an der türkisch-griechischen Grenze

FRAGE: Eine Frage an Herrn Seibert und Herrn Breul: Es mehren sich die Berichte über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an der türkisch-griechischen Grenze. Haben Sie inzwischen eigene Erkenntnisse dazu?

SEIBERT (BReg): Ich fasse vielleicht noch einmal zusammen, was die Haltung der Bundesregierung zur Situation entlang der Grenze ist.

Griechenland hat als Land an der Außengrenze Europas eine wichtige und gleichzeitig eine schwere Aufgabe, diese Außengrenze zu kontrollieren und zu schützen. Bei dieser Aufgabe hat Griechenland Anrecht auf die Unterstützung und Solidarität seiner europäischen Partner. Unsere Unterstützung und Solidarität hat es bei dieser Grenzschutz- und Kontrollaufgabe genauso wie bei der Aufgabe, die Flüchtlinge und Migranten, die in Griechenland ankommen, unterzubringen und zu versorgen. Jeder trägt Verantwortung dafür, wie es jetzt mit dieser schwierigen Situation entlang der griechisch-türkischen Grenze weitergeht.

Die Türkei ‑ ganz klar ‑ trägt die Verantwortung dafür, diese verzweifelten Menschen in eine Sackgasse geschickt zu haben. Die Türkei hat ihre ernst zu nehmenden Sorgen, die die Europäische Union wahrnehmen muss und über die sie mit der Türkei sprechen muss, leider auf dem Rücken dieser Menschen ausgetragen. Es ist gut, dass es heute Gespräche zwischen dem türkischen Präsidenten und den Spitzen der europäischen Institutionen in Brüssel geben wird.

Der Koalitionsausschuss gestern hat noch einmal die beiden Begriffe Ordnung und Humanität hervorgehoben. Das heißt, illegale Grenzübertritte können nicht erzwungen werden, schon gar nicht mit Gewalt. Das heißt auch: Jeder dieser Migranten, jeder dieser Flüchtlinge, ist ein Mensch, und alle staatlichen Maßnahmen müssen das beachten, müssen verhältnismäßig sein.

Sie spielen auf Bilder von misshandelten und gedemütigten Menschen an, die Ende der Woche bekanntgeworden sind, die einem als Europäer wehtaten. Solche Szenen dürfen sich nicht wiederholen.

Leider muss man auch noch etwas, was eigentlich selbstverständlich ist, betonen: Es sind allein die staatlichen Kräfte, die entlang von Europas Außengrenzen für Ordnung sorgen. Selbsternannte Bürgerwehren oder erst recht von Ferne anreisende Rechtsextremisten haben da nichts zu suchen.

ZUSATZFRAGE: Herr Breul, es ist ja eine wesentliche Aufgabe der Auslandsvertretungen vor Ort, Informationen zu beschaffen, damit die Bundesregierung zu Beurteilungen und Bewertungen kommen kann. Haben Sie von der Botschaft in Griechenland oder der Türkei Mitarbeiter an die Grenze geschickt, um eigene Informationen zu beschaffen?

BREUL (AA): Selbstverständlich beobachten unsere Auslandsvertretungen die Situation vor Ort ganz genau. Wir sind da in erster Linie mit den jeweiligen Behörden in Kontakt, also den griechischen und türkischen Behörden. Herr Seibert hat unsere Linie ja gerade noch einmal ausführlich dargestellt. Es ist nicht Aufgabe einer Botschaft, Beobachter zu Polizeieinsätzen zu schicken, die dort jeden Schritt genau beobachten. Von daher kann ich Ihnen jetzt nicht berichten, dass sich Botschaftsmitarbeiter unmittelbar an der Grenze befinden. Aber selbstverständlich tauschen wir uns dazu eng aus.

Wir hatten ja schon am Freitag darüber geredet, dass das im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit, auch mit den Verantwortlichkeiten bei Frontex usw., ein Thema ist, das uns alle in Europa betrifft. Das ist jetzt zunächst einmal kein sui generis deutsch-griechisches Thema.

ZUSATZFRAGE: Aber bekommen Sie von der Botschaft eigene Informationen über die Menschenrechtslage an der Grenze?

BREUL: Natürlich beobachtet unsere Botschaft die Situation vor Ort. Das habe ich gerade versucht zu sagen. Sie ordnet das auch für uns intern ein. Aber es ist nicht so, dass Botschaftsteams ‑ das wäre einfach ein falsches Verständnis von dem, wie Botschaften funktionieren ‑ dahinfahren und Haltungsnoten für nationale Polizeieinsätze vergeben. Das ist nicht Aufgabe der Botschaft.

FRAGE: Herr Grünewälder, am Freitag hatte ein Kollege von mir berichtet, dass er dort auf einem Hof auch einen Wagen der Bundespolizei gesehen hat, wo dann wohl betroffene Flüchtlinge in einen Van ohne Nummernschilder umgeladen wurden. Da hieß es, dass möglicherweise Bundespolizisten in der Gegend seien und man nicht genau sagen könnte, womit sie befasst sind. Können Sie das inzwischen konkretisieren?

GRÜNEWÄLDER: Ich kann Ihnen das bestätigen, was Herr Alter am Freitag schon gesagt hat. Es sind in der Gegend auch Fahrzeuge der Bundespolizei im Einsatz. Sie werden in der Regel auch von deutschen Bundespolizisten betrieben. Weitere Einzelheiten liegen uns dazu noch nicht vor. Es ist aber grundsätzlich so, dass über Vorkommnisse turnusgemäß und routinemäßig Berichte abgefasst werden, die uns dann zur Kenntnis kommen. Das ist aber im Moment noch nicht der Fall.

FRAGE: Außenminister Maas hat die Türkei aufgefordert, sich an ihren Teil der Abmachungen oder Vereinbarungen zu halten. Nun hat Präsident Erdoğan in der letzten Woche ‑ ich glaube, es war Ende letzter Woche ‑ gesagt, dass er gar kein Geld der EU mehr haben möchte. Gibt es denn aus Sicht der Bundesregierung oder aus Sicht des Außenministers eine Alternative zum gegenwärtigen Abkommen?

BREUL: Ich weiß nicht, ob das die Linie von Herrn Erdoğan ist. Das müssten Sie bei türkischer Seite noch einmal nachfragen. Das ist nicht unser Eindruck, dass die Türkei keine weitere Unterstützung mehr von Europa haben möchte ‑ eher im Gegenteil. Der Eindruck, der uns vermittelt wurde, war, dass die Türkei an weiteren Unterstützungsmaßnahmen interessiert ist. Genau dazu laufen ja heute Gespräche des türkischen Präsidenten mit Herrn Michel und Frau von der Leyen in Brüssel.

Wir haben es hier in der letzten Woche auch schon gesagt: Wir sind bereit, uns da konstruktiv einzubringen und, wenn Bedarf an weiterer Hilfe ist, das genau zu prüfen und uns zu engagieren. Gleichzeitig ist auch klar: Wir lassen uns nicht erpressen. Wir streben eine faire Lastenteilung an. Die Türkei leistet viel. Wir sind bereit, sie dabei zu unterstützen. Aber das geht nur mit kooperativem Verhalten und gemeinsam. Genau das soll heute in Brüssel passieren.

Geplante Todesstrafe gegen einen Jesiden im Nordirak

FRAGE: Noch einmal eine Frage an das Auswärtige Amt. Es gibt im Nordirak den Fall eines jungen Jesiden, dem morgen der Tod durch den Strang droht. Es gibt international ziemlich viele Aktivitäten, um noch einen fairen Prozess zu erwirken. Es gibt unter anderem bei change.org eine Petition, die sich an den Außenminister richtet. Meine Frage: Kennen Sie diesen Fall, und sind Sie in irgendeiner Weise damit befasst?

BREUL: Das müsste ich Ihnen nachreichen. Das ist mir jetzt im Einzelnen nicht bekannt. Aber ich fasse da gern einmal nach. Grundsätzlich setzen wir uns weltweit in diversen Fällen gegen die Todesstrafe ein. Aber dieser Einzelfall ist mir, wie gesagt, nicht bekannt. Wenn wir dazu etwas sagen können, dann müsste ich das nachreichen.

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