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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 14.02.2020

14.02.2020 - Artikel

Reise des Bundesaußenministers nach Brüssel

BREUL (AA): Ich habe noch eine etwas ungewöhnliche Reiseankündigung. Nicht das Ziel ist ungewöhnlich, aber ungewöhnlich ist, dass wir es ankündigen. Der Minister wird am Montag nach Brüssel reisen und hat neben dem Rat für Auswärtige Beziehungen eine ganze Reihe von anderen Terminen. Darum dachten wir, dass es für Sie vielleicht von Interesse ist. Es wird eine Albanien-Geberkonferenz geben und eine Sondersitzung des Rats für Allgemeine Angelegenheiten, zudem ein Treffen mit der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Bei dem Außenministerrat am Montag stehen die Themen Libyen, Beziehungen der EU zur Afrikanischen Union und ein gemeinsames Arbeitsmittagessen mit dem indischen Außenminister auf der Tagesordnung. Unter den aktuellen Themen soll zu Sahel, dem westlichen Balkan, dem Nahen Osten, der Lage in Syrien und Venezuela gesprochen werden.

Dann findet auf Einladung der Europäischen Kommission eine Albanien-Geberkonferenz nach dem schweren Erdbeben am 26. November mit 51 Toten und über 900 Verletzten statt. Dabei geht es um finanzielle Unterstützung beim Wiederaufbau. Deutschland hat direkt nach dem Erdbeben Nothilfe geleistet und wird die albanische Regierung auch beim Wiederaufbau finanziell unterstützen.

Beim Sonderrat für Allgemeine Angelegenheiten wird es ‑ Herr Seibert erwähnte es gerade schon ‑ um die Vorbereitung des Europäischen Rates später in der Woche gehen, auf dem die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 auf der Agenda stehen.

Zu guter Letzt wird das Treffen mit der Kommissionspräsidentin sicherlich auch das Thema der MFR-Verhandlungen im Fokus haben. Gleichzeitig geht es um das Arbeitsprogramm der Kommission und der deutschen Ratspräsidentschaft, die ja, wie Sie alle wissen, in der zweiten Jahreshälfte ansteht.

Fall Deniz Yücel

FRAGE: Ich habe eine Frage zum Thema Deniz Yücel an das Außenministerium und an Herrn Seibert. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul hat 16 Jahre Haft für unseren Kollegen gefordert, obwohl das türkische Verfassungsgericht sämtliche inkriminierten Artikel zuvor für nicht strafbar befunden hatte und es vorübergehend so schien, als sei die Sache damit beigelegt.

Was sagt diese Haftforderung der Staatsanwaltschaft Istanbul nach Ansicht der Bundesregierung über den Zustand des Rechtsstaates in der Türkei aus?

Damit verbunden gleich die zweite Frage: Lange Zeit wirkte es so, als sei der Fall Yücel durch das Einwirken der Bundesregierung gelöst worden. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft ja nicht nur eine so hohe Haftstrafe gefordert, sondern das Gericht auch aufgefordert, gegen Yücel Strafanzeige wegen Beleidigung des Staatspräsidenten zu erstatten. Das würde ein ganz neues Verfahren, einen ganz neuen Straftatbestand erfassen, falls das Gericht dieser Aufforderung nachkommt.

Wie bewertet die Bundesregierung diesen Vorgang? Können nach Meinung der Bundesregierung die sich nach der Freilassung von Yücel ja abzeichnenden zaghaften Verbesserungen der deutsch-türkischen Beziehungen dadurch möglicherweise beeinträchtigt werden?

BREUL (AA): Das war jetzt ein ganzer Strauß von Fragen. Ich versuche einmal, alle zu beantworten ‑ falls mir das nicht gelingt, werden Sie mich sicherlich erinnern, welchen Teil ich ausgelassen habe.

Vielleicht als Erstes zu Ihrem Eindruck, der Fall Yücel sei gelöst gewesen: Das war nie unser Eindruck. Es war immer klar: Das Verfahren gegen Herrn Yücel ist nicht beendet, sondern ihm wurde eine Ausreise genehmigt; die Verfahren gingen weiter. Es war sozusagen eine große Erleichterung, dass Herr Yücel nach Deutschland zurückkehren konnte, aber es war gleichzeitig immer klar, dass die Vorwürfe weiter bestehen und die Verfahren gerichtlich weiter anhängig sind. Von daher kommt das aus unserer Sicht jetzt nicht überraschend, sondern es war immer klar: Das Verfahren geht weiter.

Wir sind an diesem Verfahren als Bundesregierung nicht direkt beteiligt. Gleichwohl verfolgen wir die Entwicklungen natürlich sehr aufmerksam. Unsere Haltung zu dem Verfahren ist unverändert: Wir fordern, dass, wie auch in anderen Strafverfahren gegen Deutsche, ein zügiges und rechtsstaatliches Verfahren stattfindet. Es gibt leider auch weiterhin Fälle wie diesen, in denen die Substanz der Vorwürfe bzw. die Verhältnismäßigkeit fraglich scheinen und das Verfahren sich sehr lang hinzieht.

Zur Bedeutung der Haftfälle hat sich Außenminister Maas zuletzt im November geäußert; das ist aber nach wie vor aktuell. Ich möchte das vielleicht kurz zitieren:

„Leider haben wir immer noch einige Fälle, in denen Leute mit deutscher Staatsangehörigkeit oder doppelter Staatsangehörigkeit sich in der Türkei in Haft oder in Gewahrsam befinden oder eben Prozesse laufen. Wir wollen, dass diese Fälle alle gelöst werden. Solange das nicht der Fall ist, wird das immer etwas sein, was der Normalisierung des Verhältnisses entgegenstehen wird.“

Diese Einschätzung bleibt aktuell. Sie erkennen daran auch ‑ das war eine weitere Frage von Ihnen zur Rechtsstaatlichkeit in der Türkei ‑, dass wir das nach wie vor mit Sorge sehen. Das ist ein laufendes Thema, das wir mit der türkischen Regierung aufnehmen, und da werden wir auch nicht nachlassen. Auch wenn das Scheinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit gerade nicht auf diese Fälle ausgerichtet ist, bewegt uns das nach wie vor, und wir sind da dran, das immer wieder mit der türkischen Regierung auch mit Nachdruck aufzunehmen.

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