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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 20.01.2020

20.01.2020 - Artikel

Berliner Libyen-Konferenz

FRAGE: Zu Libyen und dem, was jetzt nach der Konferenz folgt, hätte ich eine Frage an Herrn Seibert, vielleicht auch an Herrn Breul, wie sich die Bundesregierung jetzt auf mögliche Anforderungen vorbereitet. Hat man da schon ein Set von Ideen? Herr Borrell hat heute in Brüssel erneut gesagt, dass man auf eine solche Militärmission vorbereitet sein müsse. Laufen da also die Vorarbeiten? Können Sie uns ein bisschen etwas dazu sagen?

SEIBERT (BReg): Der Kollege aus dem Außenministerium wird sicherlich dazu auch noch etwas sagen. Die Bundeskanzlerin hat sich ja gestern Abend auf der Pressekonferenz ausführlich geäußert. Das ist nun gerade mal einen halben Tag her. Das heißt, der Stand, den sie gestern verkündet hat, ist auch der Stand heute Morgen.

Was wir sagen können, ist: Es ist richtig, diese Initiative einer Konferenz ergriffen zu haben. Es ist richtig, dass die Bundeskanzlerin, der Außenminister und ihre Spitzenbeamten dieses Treffen monatelang sorgfältig vorbereitet und es gestern durchgeführt haben.

Die Beschlüsse, auf die sich nun gestern alle Konferenzteilnehmer einigen konnten, öffnen den Weg für den Plan des UN-Sonderbeauftragten. Das war ja unsere Hauptabsicht. Damit öffnen sie den Weg für einen politischen Prozess, wobei jeder weiß ‑ ganz sicher wissen es die Bundeskanzlerin und der Außenminister ‑: Jetzt kommt es darauf an, dranzubleiben, die Umsetzung dieser Beschlüsse zu überprüfen und zu begleiten. Genau das ist vorgesehen.

Der Außenminister hat sich heute in Brüssel, wenn ich das richtig sehe, dazu schon geäußert, also zu dem Follow-up-Mechanismus, auf den sich die Teilnehmer der gestrigen Konferenz geeinigt haben und bei dem Deutschland auch wieder sehr engagiert sein wird.

BREUL (AA): Ich kann vielleicht nur kurz ergänzen: Wir wollen uns als Bundesregierung einbringen. Die Europäische Union will sich einbringen. Darüber wird heute in Brüssel gesprochen. Wichtig ist, dass wir nicht den dritten Schritt vor dem ersten tun. Das ist gestern ja auch noch mal in den Äußerungen in der Pressekonferenz deutlich geworden.

Nächster wichtiger Schritt ist, dass aus der gegenwärtigen Waffenruhe ein Waffenstillstand wird. Daran arbeiten wir jetzt. Dann wird natürlich auch zu überlegen sein, in welcher Form und durch wen die Einhaltung eines solchen Waffenstillstands am besten überwacht werden kann. Das sind Gespräche, die in erster Linie mit der libyschen Seite geführt werden, ebenso in den Vereinten Nationen, in der ganzen internationalen Gemeinschaft, in den Follow-up-Ausschüssen zur Berlin-Konferenz, die Herr Seibert gerade erwähnte.

Es ist also eine Debatte, die dann stattfinden kann. Das war gestern kein großes Thema. Da ist die Debatte heute in den Kommentarspalten in Deutschland ein paar Schritte vor den eigentlichen Entwicklungen.

SEIBERT: Ich will noch hinzufügen: Bei der Überführung einer Waffenruhe in einen Waffenstillstand sind zunächst einmal die libyschen Konfliktparteien gefragt. Dafür wird jetzt dieses 5+5-Militärkomitee eingerichtet, von beiden Seiten besetzt. Es ist ein wirkliches Ergebnis der letzten Tage und auch der Konferenz, dass beide Seiten ihre Personen, ihre Vertrauten für dieses Komitee benannt haben, sodass es nun zügig seine Arbeit aufnehmen kann. Das heißt, da liegt jetzt erst einmal bei den Konfliktparteien Verantwortung.

Trotzdem ist es richtig, dass die Teilnehmer der Libyen-Konferenz, die gestern um den Tisch saßen, mit ihrer Verantwortung nun gestern nicht fertig geworden sind, sondern diese Verantwortung weiterhin tragen werden und tragen wollen und sich dafür auch Strukturen sozusagen ausgedacht haben.

ZUSATZFRAGE: Herr Breul, teilen Sie denn die Einschätzung von Herrn Borrell, das, was er heute Morgen gesagt hat, dass es ungeachtet dessen, dass man noch nicht entschieden hat, a) ob man zum Waffenstillstand kommt, b) was dann genau passiert, ohne Europa bei der Einhaltung und Überwachung eines Waffenstillstands aber nicht gehen wird?

BREUL: Die Äußerungen von Herrn Borrell habe ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht vor mir liegen. Darum kann ich es nicht im Einzelnen kommentieren.

Wichtig ist für uns: Wir wollen uns einbringen ‑ ich sagte es bereits ‑ als Bundesregierung und auch im Rahmen der EU, aber ganz entscheidend kommt es darauf an: Wie sieht denn dieser Waffenstillstand aus? Was vereinbaren die Parteien vor Ort? Ist eine Art von Überwachung überhaupt angedacht? All diese Fragen sind noch nicht beantwortet. Bevor diese Fragen nicht beantwortet sind, kann man auch nicht wirklich darüber diskutieren, was genau Europas Rolle in dem weiteren Prozess sein kann.

FRAGE: Inwieweit laufen denn im Verteidigungsministerium schon Vorbereitungen für eine mögliche Mission? Wird ausgeplant? Läuft dieser Prozess bereits an?

COLLATZ (BMVg): Ich denke, es ist auch aus den Aussagen eben deutlich geworden, dass jetzt ein politischer Prozess begonnen wurde. Deutlich wurde auch, auch aus den Worten der Kanzlerin, dass wir nicht den dritten Schritt vor dem ersten machen sollen. Erst mal geht es um die Vereinbarung eines Waffenstillstandes. Dann muss man sich darüber unterhalten: Was ist notwendig, um diesen Waffenstillstand zu überwachen?

Da wird sicherlich in einem dritten Schritt auch die Frage gestellt werden: Was ist der militärische Beitrag dazu? Wer leistet etwas dazu? Unsere Ministerin hat ja auch schon deutlich gemacht, dass dann, wenn es so weit ist, in diesem dritten Schritt sicherlich auch die Bundeswehr antwortfähig sein wird. Derzeit ist das noch Spekulation. “Contingency planning” ‑ so nennt man das ja auf militärischer Seite ‑ findet immer statt, also eine generische Planung zu Beiträgen. Aber dazu kann ich hier überhaupt nichts sagen, weil das rein spekulativ wäre.

FRAGE: Ich habe eine Frage zum Waffenembargo oder zu möglichen Verletzungen des Embargos. Die Kanzlerin hat ja gestern zu Recht gesagt, dass man einen Waffenstillstand erst dann überwachen kann, wenn man ihn hat.

Bei einem Waffenembargo verhält sich das ja etwas anders. Wenn ich es gestern richtig begriffen habe, gelten die Verpflichtungen des Waffenembargos sofort. Ich frage mich, wer das ab sofort überwacht und wie man Verletzungen ahnden will.

Der Sicherheitsrat wurde gestern ein- oder zweimal erwähnt. Herr Seibert oder Herr Breul, wie läuft dort das Timing?

SEIBERT: Wichtig ist ja, dass das, was gestern auf der Berliner Konferenz verabschiedet wurde, auch dem UN-Sicherheitsrat zugetragen werden soll und der UN-Sicherheitsrat ‑ die Ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat waren ja gestern vertreten ‑ diese Beschlüsse auch aus sich heraus unterstützen wird, was der ganzen Verpflichtung auf das Waffenembargo noch mal eine zusätzliche Bedeutung gibt.

Man ist sich einig darüber, dass nach der gestrigen Berliner Konferenz dann weitere Verletzungen des Waffenembargos, wenn sie eintreten, wirklich auch benannt werden und dass der Sicherheitsrat sich damit befasst.

Wichtig ist ja das Ergebnis von gestern, dass alle externen Akteure, die einzelne Parteien in Libyen unterstützen und auch ausrüsten, zugesagt haben, dass sie, solange die Waffenruhe hält, keine weitere Unterstützung, keine weiteren militärischen Lieferungen oder Entsendungen nach Libyen vornehmen werden.

BREUL: Wenn ich noch kurz ergänzen darf: Ich will Sie auf die einschlägigen Punkte der Erklärung von gestern hinweisen. Ab Punkt 18 gibt es ein Kapitel „Waffenembargo“. Da wird noch einmal deutlich: Es gibt ein geltendes System bei den Vereinten Nationen, einen geltenden Überwachungsmechanismus.

Was wir gestern gesehen haben, ist sozusagen erst mal die Selbstverpflichtung der Staaten, das Embargo einzuhalten, und gleichzeitig die Verpflichtung ‑ ein bisschen weiter unten, Punkt 21 ‑ der Staaten, den Überwachungsmechanismus weiter zu stärken und da, wo er in der Vergangenheit nicht ausreichend funktioniert hat, ihn zu verbessern. Das ist aber jetzt ein Ball, der in New York beim Sicherheitsrat und bei den Gremien liegt, die dazu dienen, zu überwachen, dass die Sicherheitsratsresolutionen eingehalten werden.

ZUSATZFRAGE: Da muss man doch keine Entwicklungen vor Ort abwarten; da kann der Sicherheitsrat ab jetzt jederzeit handeln. Verstehe ich das richtig? Ist das eine Frage von Stunden oder Tagen, bis man diesem Embargo und der Selbstverpflichtung auch „Zähne“ gibt? Oder kann das auch noch sehr viel länger dauern?

Dann habe ich an Sie, Herr Breul, noch eine Lernfrage ‑ man will es ja richtig machen ‑: Mir ist aufgefallen, dass Herr Maas seit gestern Abend von Feldmarschall Haftar spricht. Wir haben ihn wochenlang General genannt. Ich frage mich ‑ vielleicht kann da Herr Collatz als Experte auch etwas beisteuern ‑: Wie verhält sich das?

BREUL: Diese Frage würde ich gern an das BMVg abgeben; da bin ich überfragt.

Zu dem Waffenembargo: Das Embargo gilt ja schon. Wir haben eine gültige Sicherheitsratsresolution, die auch „Zähne“ hat. Das Problem war: Sie wurde in der Vergangenheit nicht zu 100 Prozent angewandt. Daran wollen die gestern beteiligten Staaten ‑ davon sind ja etliche im Sicherheitsrat ‑ etwas ändern.

Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wann genau die Sitzung in New York stattfinden wird, aber selbstverständlich wird da der Generalsekretär oder einer seiner Vertreter den Sicherheitsrat über den Prozess unterrichten, und dann wird der Sicherheitsrat sich damit befassen. In welcher Form dies geschehen wird, dem kann ich hier nicht vorgreifen. Diese Beratungen werden in New York stattfinden.

Es ist natürlich die klare Erwartung von uns, aber auch von allen anderen Konferenzteilnehmern ‑ das wird ja aus der Erklärung deutlich ‑, dass das jetzt schnell passiert.

COLLATZ: Aus meinen rudimentären Kenntnissen der Dienstgradverordnung kann ich nur sagen, dass der Dienstgrad oder der Titel Feldmarschall in der Bundeswehr nicht vergeben wird. Wie das in anderen Armeen ist, dazu kann ich mich hier nicht einlassen.

ZUSATZFRAGE: Aber dazu hätte ich gerne eine Klärung. Herr Breul, können Sie das nachreichen?

BREUL: Vielleicht bekomme ich gleich eine SMS. Dann reiche ich das nach.

FRAGE: Zwei Fragen, eine an Herrn Seibert zum Setting der Gespräche gestern: Haftar und Sarradsch waren beide in Berlin, aber nicht am großen Tisch. Sie haben, glaube ich, auch nicht direkt miteinander gesprochen, sondern wurden separat informiert. War dieses Setting Wunsch und Vorgabe der Regie der Bundesregierung, oder war es eher einem Wunsch der direkten Konfliktparteien folgend, die partout nicht miteinander reden wollten?

Die zweite Frage geht an Herrn Breul. Ich glaube, der Außenminister hat nach dem gestrigen Treffen zur Situation der Flüchtlinge gesagt, man könne nicht einerseits die Bedingungen in den Flüchtlingslagern als unmenschlich betrachten, dann aber doch Flüchtlinge dorthin schicken wollen.

Was bedeutet diese Aussage ‑ er trifft sie als Außenminister ja letztlich für die Bundesregierung ‑ für die weitere Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, möglicherweise auch, wenn Flüchtlinge auf dem Meer angetroffen oder gerettet werden?

SEIBERT: Die Konferenz ist gestern im Kanzleramt so durchgeführt worden, wie es realistisch und erfolgversprechend erschien.

ZUSATZFRAGE: Aber, Herr Seibert, Entschuldigung, das bestreitet auch keiner. Aber von wem ging das Setting, die Initiative aus, die beiden nicht zusammenkommen zu lassen, sondern getrennt dasitzen zu haben und auch nicht in der großen Runde dabeizuhaben? Das können Sie uns doch sagen.

SEIBERT: Die Bundeskanzlerin war die Gastgeberin dieser Konferenz, in enger Absprache mit dem UN-Generalsekretär. Deswegen hat sie als Gastgeberin natürlich auch die Organisation der Konferenz überblickt.

BREUL: Die Situation der Menschenrechte und natürlich auch der Flüchtlinge vor Ort in Libyen ist ja Teil der Erklärung. Dazu finden Sie dort einige Punkte. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir da natürlich Verbesserungen brauchen. Das braucht aber auf der anderen Seite eine Rückkehr zur Staatlichkeit. Dazu brauchen wir ein Ende der Kampfhandlungen.

All diese Themenkomplexe sind also eng miteinander verwoben. Selbstverständlich sind Themen wie Menschenrechte, Schutz vor Kampfhandlungen, aber auch Schutz vor Misshandlungen relevant. Wir werden weiter unseren Beitrag dazu leisten, Verbesserungen vor Ort zu erzielen, und das natürlich in Unterstützung der verschiedenen UN-Institutionen, die vor Ort schon tätig sind.

ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, wenn die Bundeskanzlerin, wie Sie sagen, das Geschehen und die Organisation überblickt hat, bedeutet das, dass weder Haftar noch Sarradsch den Wunsch hatten, gemeinsam mit am großen Tisch zu sitzen?

SEIBERT: Erstens hat die Bundeskanzlerin sich ja gestern in der Pressekonferenz auch dazu geäußert, dass der Außenminister und sie getrennte Gespräche mit Premierminister Sarradsch und mit General Haftar geführt haben. Sie hat auch begründet, dass diese beiden derzeit jedenfalls nicht in ein direktes Gespräch kommen oder kommen wollen. Das ist das, was ich „realistisch“ genannt habe. Damit muss man ja umgehen.

Die Konferenz hatte zum Ziel, die externen Akteure, die Einfluss auf die Kriegsparteien in Libyen haben und/oder diese Kriegsparteien aktiv unterstützen, an einen Tisch zu bringen, inklusive der P5, also der Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, und der relevanten internationalen Organisationen. Das war die Zielgruppe dieser Konferenz.

FRAGE: Herr Seibert, würde es denn aus Sicht der Bundesregierung Sinn machen ‑ oder wird vielleicht sogar darüber nachgedacht? ‑, eine Art EU-Sondergesandten für Libyen zu beauftragen, vor dem Hintergrund, dass die Vereinbarung doch sehr komplex ist und die Europäische Union ‑ das wäre jetzt meine Frage auch an Herrn Breul ‑ ja nicht unbedingt mit einer Stimme spricht?

Wie optimistisch sind Sie denn, dass die Europäische Union, die Regierungen wirklich mit einer Stimme sprechen, gerade auch mit Blick auf Griechenland? Die Regierung hatte vorab angekündigt, möglicherweise mit einer Blockade zu drohen.

SEIBERT: Die ganze gestrige Konferenz ist ins Leben gerufen und durchgeführt worden, um die Arbeit des UN-Sonderbeauftragten, Ghassan Salamé, zu unterstützen, der einen Fahrplan für einen politischen Prozess in Libyen hat. Wir haben diese Konferenz gemacht, damit sich die Tür öffnet für die Umsetzung dieses Fahrplans. Insofern ist die UN mit ihrem Sonderbeauftragten für uns erst einmal die entscheidende Autorität.

Trotzdem haben Sie vollkommen recht: Es ist ganz wichtig, dass alle Akteure und ganz besonders natürlich die Europäer mit einer Stimme sprechen. Auch das war ja Ziel der gestrigen Konferenz. Deswegen waren auch zum Beispiel der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, und die Kommissionspräsidentin dabei. Deswegen waren die europäischen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates dabei. Das ist eine Vorbedingung, um Fortschritte machen zu können. Da haben Sie völlig recht.

BREUL: Ich glaube, in Brüssel läuft ja gerade die Debatte über die geeigneten Instrumente, wie wir den Prozess weiter unterstützen können. Es ist mir kein konkreter Vorschlag des Hohen Vertreters bekannt. Da sind wir, denke ich, offen, was irgendwelche Formate angeht.

Wichtig ist uns ‑ Herr Seibert hat es gerade schon gesagt ‑, dass wir als Europäer da an einem Strang ziehen. Ich kann Ihnen nur von den Eindrücken der letzten Monate aus dem Berliner Prozess berichten, der gestern in der Berliner Konferenz gipfelte. Da haben wir als Europäer an einem Strang gezogen.

ZUSATZ: Es wurde noch nicht beantwortet, wie sich die griechische Regierung jetzt verhalten wird.

SEIBERT: Dazu, wie sich die griechische Regierung verhalten wird, muss ich Sie bitten, in Athen nachzufragen. Die Frage der Teilnahme oder Nichtteilnahme Griechenlands haben wir ja hier letzte Woche ausführlich besprochen. Griechenland hat Sorgen wegen eines Seerechtsabkommens zwischen der Türkei und der libyschen Regierung. Über diese Sorgen ist in Europa, im Europäischen Rat schon diskutiert worden. Wir können diese Sorgen verstehen und teilen sie. Sie waren aber nicht Gegenstand der gestrigen Konferenz.

FRAGE JUNG: Zwei Lernfragen, Herr Seibert: Könnten Sie sagen, was zum Thema Öl gesagt wurde? Gab es da irgendwie Aufteilungsgespräche? Was waren da die Ergebnisse? Das ist mir noch nicht ganz klar.

Sie sagten gerade interessanterweise, alle externen Akteure seien dabei gewesen. Das heißt, Griechenland und Tunesien gehören nicht zu den externen Akteuren in Sachen Libyen?

SEIBERT: Externe Akteure, die eine der beiden Seiten beeinflussen, unterstützen, ausrüsten. Das war der Nachsatz, der wichtig ist.

Dass die Nachbarn in der Region intensivst und oft auch sehr negativ von der Instabilität und dem Chaos in Libyen betroffen sind, ist ja vollkommen klar. Das gilt noch viel mehr natürlich auch für die Sahel-Staaten. Deswegen war gestern als ein Nachbar und für die Nachbarschaft der algerische Präsident da; deswegen war die Afrikanische Union vertreten.

Zu Ihrer ersten Frage, zum Öl: Herr Breul, können Sie dazu eine Antwort geben? Ich muss gerade in den Schlussfolgerungen suchen.

BREUL: Einschlägig ist da, denke ich, Absatz 39 der Erklärung. Da wird eine Reihe von UN-Resolutionen noch mal betont, und es gibt die Unterstützung der Konferenzteilnehmer, dass das Regime, das man in Ölfragen gefunden hat ‑ das ist ja, wie Sie wissen, für Libyen, für die libysche Gesellschaft ein ganz zentrales ‑, noch mal bekräftigt wird und alle Parteien aufgefordert werden, sich an das Regime, das man da gefunden hat, zu halten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Anders formuliert: War das Thema Öl gestern ein Streitpunkt? Die Italiener haben ja andere Interessen in Sachen Öl in Libyen als andere Teilnehmer.

Herr Seibert, Punkt 47 betont die Notwendigkeit, all jene zur Verantwortung zu ziehen, die das Völkerrecht verletzt haben. Hier geht es um Folter, Misshandlungen, Menschenhandel. Wie sollen die zur Verantwortung gezogen werden? Geht es da um den Internationalen Strafgerichtshof?

SEIBERT: Zunächst mal zum Thema Öl: Libyen ist ja ein reiches Land gewesen, und das hat auch mit seinen Ölvorkommen zu tun. Insofern können Sie sich vorstellen, dass in dem innerlibyschen Konflikt, der derzeit militärisch ausgetragen wird, der Zugriff auf das Öl und auf die Öleinkünfte eine erhebliche Rolle spielt.

Dem wird man sich also widmen müssen, wenn es um Aussöhnung und einen politischen Prozess in Libyen geht. Aber erst einmal muss eine gerade erst sozusagen in Kraft getretene Waffenruhe stabilisiert werden, in einen nachhaltigen Waffenstillstand überführt werden, und dann kommen politische Gespräche, vielleicht Versöhnungsgespräche, wie Sie das nennen wollen. In ihnen wird dann die wirtschaftliche Seite, werden diese Frage eine wichtige Rolle spielen.

BREUL: Zu dem anderen Aspekt: Auch das war gestern nicht das Hauptthema der Verhandlungen hier in Berlin. Klar ist aber auch ‑ das haben die Beteiligten noch mal unterstrichen ‑, dass die Notwendigkeit gesehen wird, das, was in Libyen geschehen ist, auch rechtlich aufzuarbeiten. An diesem Punkt sind wir aktuell nicht, weil es natürlich im Moment auch nicht die Instrumente vor Ort gibt, die das leisten können.

Nichtsdestotrotz ‑ das ist aber auch ein Punkt, der nicht speziell auf Libyen bezogen ist ‑ ist es die vorrangige Aufgabe, solange das der Fall ist, entsprechend zu dokumentieren und nachzuhalten, welche Verletzungen begangen wurden, um das dann auch rechtlich entsprechend aufarbeiten zu können.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber es würde dann unter den Internationalen Strafgerichtshof gehen, der die dann später aufarbeitet?

BREUL: Das wird man sehen.

FRAGE: Es kursiert ein Video eines ZDF-Kollegen, wonach ein Demonstrant ‑ das ist nicht ganz klar; eventuell ist es ein Kameramann ‑ von einer Sicherheitskraft des türkischen Präsidenten weggeschubst wird. Ich würde vom BMI gerne wissen: Gibt es dazu Erkenntnisse? Gab es weitere solcher Vorfälle?

Eine Frage an Herrn Seibert: Wie bewerten Sie das Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte?

GRÜNEWÄLDER (BMI): Der Fall ist mir nicht bekannt. Das muss ich noch mal prüfen. Es würde aber in die Zuständigkeit der Berliner Behörden fallen. Also lohnt es sich, auch dort nachzufragen.

SEIBERT: Auch ich kenne dieses Video nicht und kann deswegen nichts bewerten.

FRAGE: Eine Frage zur Nichteinladung von Tunesien: Wenn man in der letzten Minute zu einer Party eingeladen wird, weiß man ja eigentlich: Man ist nicht wirklich willkommen.

Wenn Sie jetzt sagen, das war eigentlich eine Konferenz für die Störenfriede in der Region, dann hätte Tunesien wahrscheinlich kein Problem mit dieser Nichteinladung. Aber im letzten Moment wurden sie dann doch eingeladen. Das hat ja auch zu Verstimmungen geführt. Ist das einfach eine diplomatische Fehlleistung gewesen, oder haben andere Teilnehmer darauf gedrungen, dass das einzige demokratische Land dieser Region nicht dabei ist?

SEIBERT: Die deutsch-tunesischen Beziehungen sind ja sehr gut. Die tunesische Regierung, denke ich, weiß auch, dass wir diesem Land ‑ Sie nennen es ein demokratisches Land, und das ist ja auch so ‑ eng verbunden sind und sich dies auch in praktischer Unterstützung niederschlägt. Das ist, glaube ich, völlig unbeeinflusst von der Frage der Teilnahme an dieser Konferenz.

Es kann im Laufe der Vorbereitung einer Konferenz immer passieren, dass man noch eine weitere Einladung ausspricht. Es kann auch passieren, dass der Eingeladene sich dann nicht in der Lage sieht, der Einladung nachzukommen.

Wir haben auf die Signale der tunesischen Regierung reagiert und in Absprache mit den Vereinten Nationen die Einladungsliste ergänzt. Ich würde sagen, das ist ein ganz normaler Vorgang. Aber das Wichtigste ist: Das wird im deutsch-tunesischen Verhältnis, jedenfalls wenn es nach uns geht, keine Verschlechterung bedeuten. Es ist ein gutes Verhältnis.

FRAGE: Zwei Fragen: Herr Seibert, stimmt es, dass Haftar am Ende für die Kanzlerin nicht erreichbar war? „Corriere della Sera“ berichtet in Italien, dass die Kanzlerin versucht hat, am Ende mit ihm zu sprechen, aber er am Telefon nicht mehr geantwortet hat. Ist also die letzte Strecke etwas schiefgegangen?

Herr Breul, Außenminister Maas hat für Februar einen neuen Gipfel auf Außenministerebene angekündigt. Wird er eine solche Dimension haben wie die gestrige Konferenz, also mit denselben Akteuren?

SEIBERT: Ich möchte jetzt keine Details des Ablaufs dieser vielstündigen Konferenz hier ausbreiten. Was ich sagen kann, ist, dass die Bundeskanzlerin vor Beginn der Konferenz gemeinsam mit dem Außenminister ein Gespräch mit General Chalifa Haftar hatte und dass es gestern ein zweites Gespräch nicht gab.

BREUL: Ich kann letztlich aus der Erklärung berichten, dass es jetzt einen Follow-up-Prozess geben soll. Ein internationales Nachfolgekomitee wird gegründet, was aus Vertretern auf hoher Beamtenebene und technischen Arbeitsgruppen auf Expertenebene besteht und das dann die jeweiligen Themenkörbe der Konferenzerklärung bearbeiten soll.

Im Februar ‑ es gibt noch kein Datum dafür ‑ wird es voraussichtlich auf Ebene der Außenminister lanciert und voraussichtlich hier in Berlin sein, aber das wäre dann kein Gipfel und dementsprechend – dazu könnte das BMI vielleicht mehr sagen – mit weniger Sicherheitsanforderungen, sondern eher ein Treffen auf Außenministerebene.

ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, es klingt nicht wirklich wie ein Detail, wenn es kein zweites Gespräch mit Haftar gab. „Corriere della Sera“ schreibt, es war wie in Moskau, dass Haftar plötzlich nicht mehr erreichbar war. Es ist also nicht klar, ob er einverstanden war oder nicht. War er wirklich mit allem einverstanden, was gestern entschieden worden ist?

SEIBERT: Ich möchte den Bericht des „Corriere della Sera“, den ich nicht mal kenne, auch hier nicht kommentieren, wie ich das mit Zeitungsberichten üblicherweise nicht mache.

Wir haben das Ergebnis der Konferenz. Es ist gestern ausführlich vorgetragen worden. Die Konferenz richtete sich in erster Linie an die Teilnehmer der Konferenz, also alle externen Akteure oder alle Staaten mit externen Interessen in Libyen und mit Partnerschaften mit libyschen Konfliktparteien.

Es gab ein Gespräch mit General Haftar, wie es ein Gespräch mit Premierminister Sarradsch vor der Konferenz gab, und ein zweites gab es nicht.

Es ist klar, dass jetzt ganz viel davon abhängt, wie die Konfliktparteien in Libyen mit dem umgehen, was gestern beschlossen wurde. Es ist klar, dass es jetzt an ihnen ist, über den 5+5-Militärkommissionsprozess wirklich aus der militärischen Logik auszusteigen und in einen politischen Prozess einzusteigen. Die UN wird das begleiten, und wir werden weiterhin versuchen, der UN dabei hilfreich zu sein.

FRAGE JENNEN: Pompeo hat gestern gesagt, dass sich die Bundeskanzlerin in den nächsten Tagen dazu äußern wird, wie der Waffenstillstand überwacht werden soll. Wann muss man mit dieser Ankündigung rechnen? Können Sie dazu schon etwas sagen?

SEIBERT: Nein, weil ich die Worte des amerikanischen Außenministers, die mir auch nicht vorliegen, jetzt hier nicht interpretieren will.

Die Bundeskanzlerin hat sich gestern geäußert. Wir haben gestern und auch heute Morgen dargelegt, welcher Follow-up-Prozess jetzt organisiert werden soll, mit intensiver Beteiligung der Bundesregierung. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.

Wir sind aber auch noch nicht beim Waffenstillstand. Auch das muss ich ja leider sagen.

FRAGE: Leistet das BMZ heute in Libyen irgendeine Form von Hilfe? Gibt es in Ihrem Ministerium Vorkehrungen, um eine Libyen-Hilfe stärker vorzubereiten?

KAPPES (BMZ): (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) Rolle in Libyen. Wir sind mit 77 Millionen Euro seit 2015 einer der größten Geber. Wir haben beispielsweise für 15 000 Kinder einen Schulzugang geschaffen und psychosoziale Unterstützung für 10 000 Kinder (akustisch unverständlich). Wir haben acht Gesundheitszentren für 80 000 Personen reaktiviert. Wir sind dabei, unter anderem im Bereich Beschäftigung und Berufsbildung weitere Projekte vorzubereiten.

ZUSATZFRAGE: Sie haben also auch Personal dort vor Ort. Es ist nicht abgezogen worden angesichts der Eskalation in den vergangenen Monaten, oder?

KAPPES: Wir haben auf kommunaler Ebene Mitarbeiter vor Ort, aber keine internationalen Mitarbeiter.

BREUL: Wenn ich kurz ergänzen darf: Es ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt, der in der Debatte heute vielleicht ein bisschen zu kurz kam, dass wir, wenn wir über das Engagement Deutschlands und Europas in Libyen reden, natürlich zu einem ganz großen Teil, um nicht zu sagen: zu einem wesentlichen Teil, vom zivilen Engagement reden, von Entwicklungszusammenarbeit, von Stabilisierungsmaßnahmen, von anderen Schritten. Das ist natürlich ein ganz wichtiges Element unseres weiteren Engagements in Libyen.

Möglicher Austritt des Irans aus dem Atomwaffensperrvertrag

FRAGE: Der iranische Außenminister hat heute damit gedroht, dass der Iran, wenn die Europäer bei ihrer Haltung blieben, die Streitschlichtung anzurufen, aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten würde. Ich wüsste gern Ihre Reaktion dazu.

Ich wüsste auch gern, wann denn das Treffen mit dem Iran im Rahmen des Streitschlichtungsmechanismus stattfinden soll.

BREUL (AA): Zu Ihrer zweiten Frage kann ich Ihnen leider noch kein Datum nennen. Ich meine, ich hätte es Freitag schon erwähnt: Es ist jetzt Sache des Hohen Vertreters der EU, mit den beteiligten Staaten einen Termin zu finden und das dann entsprechend einzuberufen.

Zu Ihrer ersten Frage: Die Äußerung habe ich gesehen. Solche Äußerungen gab es auch schon in der Vergangenheit. Ich denke, unsere Position dazu ist bekannt. Wir halten es nach wie vor so, dass wir uns nicht nach Ankündigungen richten, sondern nach dem tatsächlichen Verhalten. So wollen wir es auch in diesem Falle halten.

ZUSATZFRAGE: Sehen Sie es also nicht als Eskalation, da Sie darauf hinweisen, dass er das ja früher schon einmal angedroht hat?

BREUL: So können Sie das sehen.

Ausbruch des Coronavirus in Wuhan

FRAGE: Zum Coronavirus: Gibt es irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen, die die Bundesregierung dahingehend schon plant oder vornimmt? Wenn ja, wie würden solche Sicherheitsvorkehrungen aussehen?

BREUL (AA): Ich kann sozusagen den Auslandsteil schon einmal vorwegnehmen, während der Kollege sich setzt: Wir gehen natürlich in unseren Reise- und Sicherheitshinweisen auf der Homepage des Auswärtigen Amts auf die aktuellen Entwicklungen ein. Wichtig ist jetzt vor allem, dass die Ursache und die Verbreitungswege der Infektion schnell geklärt werden. Nach dem, was wir derzeit wissen, besteht ein Verbreitungsrisiko eher für Länder, die viel Reiseverkehr mit der Provinz Wuhan haben. Insofern sehen wir nicht uns betroffen, sondern vor allem zunächst die Nachbarregionen der betroffenen Provinz.

EWALD (BMG): Ich kann das gern noch ergänzen. Ausbrüche mit bisher unbekannten Erregern ‑ und mit so einem Erreger haben wir es hier zu tun ‑ sind immer ein Grund für besondere Beobachtung und Analysen. Die Gefahr, die mit einem solchen Ausbruch einhergeht, hängt wesentlich mit den Eigenschaften des bisher unbekannten Erregers zusammen. Die meisten bisher bekannten Fälle stehen in Zusammenhang mit dem Aufenthalt auf einem lokalen Meeresfrüchte- und Tiermarkt in der zentralchinesischen Stadt Wuhan.

Es gibt bislang aber keine Hinweise darauf, dass sich das Virus leicht von Mensch zu Mensch überträgt. Basierend auf den bisher zur Verfügung stehenden Informationen schätzt das Robert-Koch-Institut das Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit insgesamt als sehr gering ein. Die Lageentwicklung und auch die Risikobewertung werden, wie üblich in sollen Fällen, kontinuierlich durch das Robert-Koch-Institut beobachtet und analysiert. Sie finden auf der Seite des Robert-Koch-Instituts auch jeweils aktuelle Lageeinschätzungen dazu, die insbesondere auch im Austausch mit der Weltgesundheitsorganisation erstellt werden.

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