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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 29.09.2025

29.09.2025 - Artikel

Drohnenabwehr

Frage

Schönen guten Morgen! Ich wollte ganz gerne wissen, Herr Hille, und vielleicht kann Frau Frühauf dazu ja auch noch etwas sagen, wie weit die Pläne des Bundesinnenministers (in Bezug auf die Drohnenabwehr) denn schon mit den anderen Ressorts abgesprochen sind und was konkret der Zeitplan dafür ist. Ich habe das Gefühl, auch nach den vergangenen RegPKs, die Zeit könnte möglicherweise ein bisschen drängen.

Frühauf (BMI)

Sie können natürlich davon ausgehen, dass die Pläne gerade in Sachen Luftsicherheitsgesetz mit dem BMVg und auch dem Bundesverkehrsministerium abgesprochen werden und auch abgesprochen sind. Bundesinnenminister Dobrindt hat sich auch am Wochenende zum Zeitplan geäußert und meinte „noch in diesem Herbst“. Konkreter kann ich und will ich es jetzt auch nicht machen.

Zusatzfrage

Inwieweit ist das denn mit den Ländern abgesprochen? Bislang ist ja für die Verfolgung von unbekannten Flugobjekten außerhalb von Bundesliegenschaften und auch Bundeswehrliegenschaften die jeweilige Landespolizei zuständig. Wie weit ist das bereits geklärt?

Frühauf (BMI)

Wir befinden uns auf jeden Fall im Austausch mit den Ländern, was das Thema Drohnensicherheit angeht. Die nächste Sitzung der IMK steht ja schon fast vor der Tür. Auch dabei wird das Thema prominent auf der Tagesordnung platziert werden, und dann wird man sich auch darüber verständigen.

Frage

Inwiefern würde denn das Agieren einer Drohne zum Stichwort „Naturkatastrophe“ oder „besonders schwerer Unglücksfall“ passen? Inwieweit müsste das Grundgesetz eventuell noch geändert werden, wenn man erreichen möchte, dass Drohnen abgeschossen werden können? Kann man das überhaupt machen?

Frühauf (BMI)

Wir sprechen jetzt nicht über eine Grundgesetzänderung, sondern wir reden erst einmal darüber, wie das Luftsicherheitsgesetz angepasst werden kann. Herr Dobrindt hat es auch am Wochenende klargemacht: Es geht vor allem darum, vorbereitet zu sein, beispielsweise auch bei Großveranstaltungen, also darum, dass sich die Bundeswehr und die Bundespolizei vorher absprechen können, wie man möglicherweise mit Drohnensichtungen umgeht und wer welche Kompetenzen hat. Das wird dann auch im Rahmen der jeweiligen Gesetzesvorhaben besprochen. Dass das Thema Naturkatastrophen dabei auch eine Rolle spielen kann, will ich jetzt nicht ausschließen, kann ich Ihnen aber jetzt auch nicht bestätigen.

Zusatzfrage

Aber müsste das Grundgesetz eventuell geändert werden? Ist das ein Szenario, das ansteht?

Frühauf (BMI)

Ich habe Ihnen gesagt, dass wir darüber gerade nicht reden und dass das gerade erst einmal kein Thema ist.

Frage

Das geht an das BMVg in die gleiche Richtung: Welchen rechtlichen Änderungsbedarf sieht denn das BMVg aus seiner Sicht, und wie weit sind denn die Abstimmungen mit dem BMI gediehen?

Harms (BMVg)

Zum Luftsicherheitsgesetz, das in der Verantwortung des BMI liegt, ist ja schon etwas gesagt worden.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir ja derzeit auch einen Gesetzentwurf eingebracht haben. Das Kabinett hat ja den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der militärischen Sicherheit gebilligt. Ich möchte einmal darauf hinweisen, dass es, wenn dieses Gesetz vom Parlament angenommen wird, erweiterte Befugnisse für die Feldjägertruppe geben wird. Wir stehen ja häufig vor der Herausforderung, dass die Operateure, die Bediener von Drohnen außerhalb des Kasernenzauns stehen. Sie wissen: Wir können grundsätzlich innerhalb militärischer Liegenschaften tätig werden, allerdings nicht außerhalb des Kasernenzauns. Um uns da besser zu verschränken und auch mit den Sicherheitsbehörden der Länder schneller zu werden, wird es also zukünftig absehbar möglich sein, dass die Feldjäger eben auch außerhalb von militärischen Liegenschaften tätig werden, um beispielsweise Drohnenpiloten zu lokalisieren und sie dann gegebenenfalls auch festzuhalten, bis die Polizei da ist und die Identität festgestellt werden kann.

Zusatzfrage

Wird es im Herbst zum Gesetzentwurf oder zum Abschluss kommen? Wie sehen Sie den Zeitplan?

Harms (BMVg)

Das Artikelgesetz zur Stärkung der militärischen Sicherheit ist vom Kabinett beschlossen worden und geht jetzt ins parlamentarische Verfahren. Dann müssten Sie beim Bundestag noch einmal nachfragen, inwieweit die einzelnen Lesungen des Gesetzes jetzt halt entsprechend terminiert sind.

Frage

Die erste Frage geht an das BMI. Sie kennen die Stellungnahme des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, der die Pläne von Herrn Dobrindt, die Bundeswehr zur Hilfe zu rufen, ablehnt und sagt, als Polizeiminister müsse er den eigenen Apparat, also die Polizeidienststellen, ertüchtigen und ausbilden. Wie reagieren Sie auf diese Kritik?

Frühauf (BMI)

Sie wissen, dass wir uns nicht zu einzelnen Äußerungen von Gewerkschaftsmitgliedern äußern. Aber grundsätzlich kann ich Ihnen sagen, dass wir daran arbeiten, im Bundespolizeigesetz auch bestimmte Befugnisse auf die Bundespolizei auszuweiten, was das Thema Drohnenabwehr angeht. Dieses Bundespolizeigesetz befindet sich gerade noch in der Abstimmung. Weitere Details dazu kann ich Ihnen allerdings nicht nennen.

Zusatzfrage

Die Folgefrage; ich weiß nicht, an wen die gehen soll: Welche Form besserer Drohnenabwehr auch immer wird kosten. Im Rahmen welcher Kosten und Zusatzkosten bewegen sich die Gespräche und Planungen derzeit?

Frühauf (BMI)

Das kann ich vielleicht auch übernehmen. - Bundesinnenminister Dobrindt hat am Wochenende bereits erklärt, dass er sich natürlich für den Haushaltsplan 2026 noch einmal anschauen möchte, wie man das Thema Drohnensicherheit ausgestalten kann und wie man das auch bei der Bundespolizei und auch im Zuge dieses Drohnenabwehrzentrums, das er angekündigt hat, finanziell hinterlegen kann. Dazu laufen gerade die Abstimmungen und Überlegungen. Aber Sie können sich sicher sein, dass es auf jeden Fall ein wichtiges Thema ist, das natürlich auch finanziell zu hinterlegen.

Frage

Ich hätte zwei Fragen, eine an das BMI und eine an das BMVg. - Frau Frühauf, können Sie vielleicht einmal ein bisschen sagen? Am Freitag gab es ja Meldungen aus Schleswig-Holstein über Drohnenüberflüge mit einer, sagen wir einmal, noch sehr zurückhaltenden Faktenlage. Jetzt, am Wochenende, hat man sich das ja wahrscheinlich ein bisschen angeschaut. Was weiß man über diese Drohnenüberflüge am Freitag?

Dann habe ich eine Frage an das BMVg. Auch am Wochenende wurde mitgeteilt, die Bundeswehr leiste Unterstützung für den kleinen Gipfel in Kopenhagen. Können Sie vielleicht noch einmal ein bisschen sagen, neben dem, was in der Pressemitteilung ausgeführt wird, welche Fähigkeiten oder welche zusätzlichen Fähigkeiten die Fregatte „Hamburg“ noch mitbringen wird, um sozusagen zu unterstützen? Was kann die machen?

Frühauf (BMI)

Ja, es gab diesen Drohnenüberflug in Schleswig-Holstein. Das hat auch das Landesinnenministerium des Landes Schleswig-Holstein am Freitag schon bestätigt. Zu weiteren Details, welche Drohnen und wie viele dort gesichtet wurden, würde ich mich jetzt nicht äußern wollen, einfach, weil das auch sicherheitsrelevante Aspekte sind.

Aber grundsätzlich ist es schon so, dass die Bedrohungslage, was die Drohnenüberflüge angeht, hoch ist und dass die Gefahrenabschätzung in jedem Einzelfall wieder getätigt werden muss.

Generell kann man sagen, dass bisher keine akute Gefahr bei den Überflügen festgestellt wurde, aber generell gesagt, nicht in Bezug auf den Fall in Schleswig-Holstein.

Harms (BMVg)

Auf Ersuchen der dänischen Ratspräsidentschaft wird die Bundeswehr Dänemark bei der Abwehr von Drohnen beim anstehenden Gipfel unterstützen. Das haben wir ja am Samstagabend mitgeteilt. Sie werden verstehen, dass ich bezüglich Details der technischen Ausrüstung, Einsatzorten und Einsatzregeln hier nicht ins Detail gehen kann.

Fakt aber ist, dass der Beitrag der Bundeswehr auf zwei Säulen basieren wird. Zum einen sind das eben bodengebundene Kräfte der Luftwaffe, die dabei zum Einsatz kommen, die speziell für die Drohnenabwehr ausgerüstet und ausgebildet sind. Seegestützt, Herr Gebauer ‑ Sie haben es angesprochen ‑ wird es die Fregatte „Hamburg“ sein, die ja derzeit eben der NATO untersteht und auch in die Operation Baltic Sentry eingemeldet ist. Die „Hamburg“ ist eine Luftverteidigungsfregatte der Sachsen-Klasse. Das heißt, dieses Schiff ist mit einer speziellen Sensorik ausgestattet, um weiträumig ein Luftlagebild herstellen bzw. erst einmal überwachen zu können. Es kann diese Daten dann natürlich mit Partnern austauschen, mit anderen maritimen Einheiten, aber natürlich auch mit den Sicherheitsbehörden in Dänemark. Es wird also einen Beitrag dazu leisten können, dass gegebenenfalls unidentifizierte Luftobjekte, die sich an den dänischen Seegrenzen bewegen, entsprechend rechtzeitig erfasst und erkannt werden, und dann können weitere Maßnahmen eingeleitet werden.

Zusatzfrage

Heißt das, die Kernmission ist ein Beitrag zum Luftlagebild, nicht so sehr eine mögliche Abwehr oder eine Wirkung gegen solche Flugobjekte?

Harms (BMVg)

Dabei gilt natürlich das Gebot der Verhältnismäßigkeit, und es gilt natürlich auch das Gebot, Kollateralschäden zu vermeiden. Sie können sich vorstellen, dass wir in einem urbanen Raum wie Kopenhagen sicherlich nicht mit Flugkörpern, mit denen die Fregatte ausgestattet ist, auf Kleinstdrohnen schießen werden.

Frage

Dann wäre ich natürlich sehr versucht, noch zu fragen, wie sich das in der Beurteilung auf Deutschland auswirkt, aber das verschieben wir vielleicht noch einmal einen Moment.

Ich würde von Frau Frühauf gerne noch einmal etwas wissen. Die Bundespolizei hat in der Vergangenheit in ihrer Eigenschaft als zuständige Behörde beispielsweise für den Flughafen Frankfurt Drohnenabwehrsysteme beschafft. Ich würde gerne wissen, wie oft die eigentlich zum Einsatz gekommen sind und welche Erkenntnisse die Bundespolizei daraus gezogen hat, die sie jetzt in das für mich immer noch nicht ganz verständliche Drohnenabwehrzentrumkonzept einbringen kann. Vielleicht können Sie noch einmal kurz erläutern, was das eigentlich genau tun soll.

Frühauf (BMI)

Zu Ihrer Frage zum Flughafen Frankfurt und zur Drohnenabwehr: Es gibt da eine Erprobung. Zu Zahlen kann ich Ihnen deswegen, weil es auch eine Erprobungsphase ist, erst einmal nichts sagen.

Das Ziel ist, nach Auswertung dieser Erprobung unverzüglich die erforderliche Technik für die Verkehrsflughäfen in der Verantwortung der Bundeswehr zu beschaffen. Allerdings, wie gesagt, läuft die Erprobungsphase auch noch.

Zu der Frage nach dem Drohnenkompetenzzentrum: Es sollen Kompetenzen der Länder und des Bundes gebündelt werden. Es soll aber auch darum gehen, Technik weiter zu erproben und zu erforschen, weil ‑ das hat Bundesminister Dobrindt auch gesagt ‑ es einen Wettlauf zwischen der Drohnentechnik und der Drohnenabwehr gibt, und da müssen wir besser werden.

Zusatzfrage

Herr Harms, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, lag die Drohnenabwehr bislang in erster Linie beim BMVg, im Bereich CER und in anderen Bereichen. Wie soll das sozusagen aus Ihrer Sicht koordiniert werden? Ist das BMVg bereit, seine Kompetenzen dort auch mit dem BMI und den Landesbehörden zu teilen?

Harms (BMVg)

Es gibt jetzt eine Initiative des Bundesinnenministers. Ich gehe davon aus, dass er die im Weiteren auch mit dem Verteidigungsminister besprechen wird. Dann wird sicherlich im Rahmen der ressortübergreifenden Zusammenarbeit auch das BMVg einen wie auch immer gearteten Beitrag leisten. Das werden wir dann in den nächsten Wochen sicherlich noch definieren.

Frage

Ich habe eine Frage an das BMVg und vielleicht auch an das BMI. Im allgemeinen Narrativ wird die Herkunft und Steuerung der Drohnen mit Putin assoziiert. Gibt es dafür eigentlich materielle Evidenzbeweise, oder ist es die Evidenz der Plausibilität, weil man ihm ja alles zutrauen kann?

Harms (BMVg)

Das ist eine Antwort, die Sie sicherlich nicht zufriedenstellen wird, aber sicherlich gibt es nachrichtendienstliche Erkenntnisse, und über die kann ich hier nicht sprechen. Es gehört ja auch zur Natur hybrider Angriffe, dass der Verursacher oftmals im Dunkeln bleibt. Damit soll eben die Unsicherheit geschürt werden. Ich denke, wir werden nicht bei jedem Vorfall, den wir jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, am Ende auch herausfinden, wer tatsächlich verantwortlich ist; denn das Spektrum reicht ja sehr weit. Da schaue ich jetzt erst einmal auf die Vorfälle, die uns selbst beschäftigen. Das reicht ja vom Hobbypiloten, der sich vielleicht gar nicht bewusst ist, dass seine Drohne halt nicht über militärischen Liegenschaften fliegen darf, über den schon viel zitierten Low-Level-Agenten bis hin zu tatsächlichen staatlichen Akteuren, die hier Drohnen einsetzen.

Frühauf (BMI)

Dem kann ich nichts hinzufügen.

Zusatzfrage

Genau auf dem letzten Aspekt beruht auch meine Frage. Wir haben in der Vergangenheit relativ häufig Drohnengefährdungen erlebt, die dann tatsächlich von Hobbypiloten oder sonst etwas ausgehen. Deswegen interessiert mich schon, und vielleicht können Sie doch etwas mehr dazu sagen, ohne Geheimhaltungsvorschriften zu verletzen, wie belastbar Informationen sind und welchem Umfang sie haben, die darauf hindeuten oder eindeutig darauf schließen lassen, dass dies gezielte Einsätze seitens Russlands oder politisch-militärischer Partner von Russland sind.

Harms (BMVg)

Jeder Drohneneinsatz, den wir feststellen, wird natürlich auch untersucht. Man versucht auch nachzuvollziehen, wo diese Drohne herkommt. Kann man also sozusagen den Ausgangsort dieser Drohnenoperationen lokalisieren? Sie wissen auch, dass es den Verdacht gibt, dass das beispielsweise im Ostseeraum von Schiffen ausgeht. Es gab auch Vorfälle, zu denen die Kollegin des BMI vielleicht etwas sagen kann, auch in der jüngsten Vergangenheit, bei denen eben auch Schiffe untersucht worden sind, zum Beispiel im Nord-Ostsee-Kanal, wo man eben Anhaltspunkte hatte. Es gibt also Anhaltspunkte, und da, wo es möglich ist, gehen wir dem entsprechend auch nach. Aber in jedem Fall wird es diese eindeutige Zuordnung sehr wahrscheinlich nicht geben können.

Frühauf (BMI)

Ich glaube, wir hatten hier in diversen Regierungspressekonferenzen auch schon immer wieder berichtet und betont, dass die Bundespolizei in der Ostsee natürlich verstärkt Drohnen und Gefährdungen wahrnimmt.

Vielleicht ergänze ich noch, dass die Zahl der Drohnensichtungen zugenommen hat ‑ das kann man schon so sagen ‑ und dass wir auch wahrnehmen, dass es weitgehende Drohnentechnik gibt, also nicht nur Quadrokopter, sondern auch beispielsweise diese Starrflügler, die ja auch größer sind und deren Einsatz wir schon weiterhin beobachten. Dazu, wer diese Drohnen gestartet hat, möchte und kann ich mich nicht weiter äußern.

Frage

Herr Harms, können Sie noch mal sagen, wie lange es Drohnensichtungen über Bundeswehreinrichtungen schon gibt und wie und wann sich das entwickelt hat, also quantitativ?

Harms (BMVg)

Ich würde mich jetzt zu der steilen These hinreißen lassen, dass wir uns, seit es Drohnen gibt, natürlich eben auch entsprechend mit der Herausforderung der Drohnen auseinandersetzen. Wir nutzen Drohnen; auch das wissen Sie. Wir haben natürlich eine akute Zunahme ab dem Moment verzeichnet, ab dem man Drohnen ‑ ich sage es jetzt einmal ganz lapidar ‑ tatsächlich auch im Baumarkt kaufen kann, also entsprechend natürlich die Verfügbarkeit gegeben ist. Es ist ja schon darauf hingewiesen worden, welche Typen von Drohnen es gibt. Da gibt es ein breites Spektrum. Man kann das im Internet bestellen. Man kann das tatsächlich irgendwo kaufen, und es gibt, glaube ich, auch einige Menschen, die es sich zum Hobby gemacht haben, dann auch mit solchen Drohnen zu operieren. Seit wir Drohnen oder die Nutzung von Drohnen auch in der breiten Gesellschaft sehen, haben wir uns sicherlich auch entsprechend noch stärker mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.

Frage

Ich hätte noch zwei Fragen, eine Frage an das BMVg. Es gab letzte Woche eine Berichterstattung bzw. der Minister hat es ja selber angesprochen. Das ist nicht ganz damit verwandt. Es geht um einen niedrigen Überflug von russischen Aufklärern über der Fregatte „Hamburg“, die wir ja an anderer Stelle hier schon einmal erwähnt haben. Wie wird dieser Vorfall jetzt im Nachhinein bewertet? War das ein unfreundlicher Akt oder gar eine Provokation? Vielleicht können Sie zu dem Vorfall selber noch einmal etwas sagen.

Herr Hinterseher, es gab auch eine Berichterstattung über ein Gespräch in Moskau von deutschen, französischen und britischen Botschaftern, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, über Drohneneinflüge in den NATO-Luftraum mit russischen Stellen. Vielleicht können Sie noch einmal sagen, wer eigentlich zu diesem Gespräch eingeladen hat. War es eine europäische Initiative, mit den Russen zu sprechen? Mit wem hat man eigentlich gesprochen, und welche Botschaft haben die drei Botschafter in Moskau überbracht?

Harms (BMVg)

Zum Vorfall mit der „Hamburg“ kann ich noch einmal ausführen, dass es rund um das letzte Wochenende zwei Vorfälle gab, eine Annäherung eines russischen Aufklärungsflugzeugs an die Fregatte „Hamburg“, beides in der Ostsee. Wir bewerten das, was da passiert ist ‑ das sind im Wesentlichen Überflüge in geringer Höhe gewesen ‑, als unnötig, als provokant, aber nicht als unsicher. Es gab eben auch keinen materiellen oder personellen Schäden. Die Fregatte hat ihren Auftrag auch fortgesetzt.

Zur Bewertung dieses Vorfalls: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das auch in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen ist. Wir sehen darin also kein neues Phänomen. Ich würde also auch nicht sagen, dass hier jetzt sozusagen mit erhöhter Aggressivität vorgegangen wurde, weil wir diese entsprechenden Überflüge eben aus der Vergangenheit kennen und dann immer besonnen reagieren, deeskalierend reagieren. Von daher ist das sicherlich provokant gewesen, aber es ist ein Stück weit entsprechend, muss man leider sagen, auch Normverhalten.

Hinterseher (AA)

Ich kann dazu lediglich sagen, dass es letzte Woche ‑ ich denke, Sie beziehen sich darauf ‑ ein E3-Gespräch, also von Großbritannien, Frankreich und Deutschland, im russischen Außenministerium gab. Dabei ging es aber vorrangig um Fragen des Snapback-Mechanismus. Das war eine Demarche mit Bezug auf Iran und auf den Snapback-Mechanismus, der mittlerweile vollzogen ist. Es ging in dem Gespräch natürlich auch um Luftraumverletzungen auf der Ebene, wie wir es gerade ausgeführt haben. Ansonsten kann ich aus vertraulichen Gesprächen hier nicht weiter berichten.

Zusatzfrage

Ist denn die Darstellung, die öffentlich transportiert wurde, richtig, dass die drei Botschafter dort noch einmal Beunruhigung geäußert oder sogar Protest gegen diese vermehrten Luftraumverletzungen eingelegt haben?

Hinterseher (AA)

Sie spielen vermutlich auf eine Meldung von vergangener Woche an, die, denke ich, durch eine Nachrichtenagentur verbreitet wurde. Wir können nicht bestätigen, dass es in dieser Form stattgefunden hat.

Für den Umgang mit Luftraumverletzungen gibt es natürlich klare Vorgehensweisen innerhalb der NATO. Dazu hat sich der NATO-Generalsekretär vergangene Woche geäußert. Auf dieser Linie wurde dort vorgetragen.

Nahostkonflikt

Frage

15 deutsche Staatsbürger, die sich an Bord der „Gaza flotilla“ befinden, haben sich am 24. September an Kanzler Merz, Außenminister Wadephul und Verteidigungsminister Pistorius gewandt und gebeten, ihnen mitzuteilen, welche Maßnahmen die Bundesregierung zum Schutz der deutschen Staatsbürger angesichts der israelischen Drohung gegen den zivilen Flottenverband zu treffen gedenkt. Haben der Kanzler, der Außenminister und der Verteidigungsminister diesen Brief erhalten? Wenn ja, planen sie, auf das Schutzgesuch der eigenen Staatsbürger zu reagieren?

Hinterseher (AA)

Sie haben dazu vermutlich auch unsere Äußerungen in sozialen Medien vom Wochenende gesehen; denn wir haben uns dazu verhalten. Unser Ziel ist es, das Zulaufen auf eine Konfrontation zu vermeiden. Die israelische Regierung hat öffentlich gemacht, dass sie den Schiffen der Flottille eben keinen Zugang zum Gazastreifen als aktivem Kriegsgebiet gewähren und diese Einfahrt nach Gaza verhindern möchte. Insofern besteht aus unserer Sicht das Risiko eines auch gewaltsamen Eingreifens der israelischen Seite, um diese Flottille zu stoppen. Darauf weisen wir natürlich hin.

Gleichzeitig steht das Auswärtige Amt mit der israelischen Regierung in Kontakt. Wir haben die israelische Regierung zur Einhaltung völkerrechtlicher Pflichten in ihrem Vorgehen aufgefordert. Wir haben dazu aufgerufen, den Schutz aller an Bord Befindlichen unbedingt zu gewährleisten. Darunter gibt es, wie Sie sagen, auch deutsche Staatsangehörige. Das Auswärtige Amt rät aber zugleich den Teilnehmenden der Flottille dringend von einer Einfahrt nach Gaza ab und rät dazu, die Flottille zu verlassen. Sie wissen auch, dass Israel das Angebot gemacht hat, diese Hilfsgüter am Hafen Aschkelon abzuladen, das man annehmen kann.

Darüber hinaus möchten wir an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir seit mehreren Jahren eine Reisewarnung für den Gazastreifen haben. Das heißt, wir weisen in unseren Reise- und Sicherheitshinweisen explizit darauf hin, dass wir vor Reisen in den Gazastreifen warnen, weil konsularische Hilfsleistungen dort nur höchst eingeschränkt geleistet werden können und aufgrund der kriegerischen Handlungen im Moment quasi unmöglich sind.

Zusatzfrage

Haben auch das Verteidigungsministerium und der Kanzler diesen Brief erhalten?

Hille (BReg)

Herr Hinterseher hat Ihnen das Thema breit erläutert. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage

Die engen EU-Partner Spanien und Italien haben in Reaktion auf die israelischen Drohungen jeweils Schiffe ihrer Kriegsmarine entsandt, um die „flotilla“ und die respektiven Staatsbürger zu schützen. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dagegen, sich dem Beispiel der EU-Partner anzuschließen und ebenfalls ein Schiff zur Eskorte der „flotilla“ zu entsenden?

Hinterseher (AA)

Noch einmal: Wir stehen natürlich mit den europäischen Partnern auch in engem Kontakt zu dieser Frage. Aber über die Aussagen, die wir getätigt haben, und vor allem über die Aufforderung an beide Seiten hinaus haben wir an der Stelle heute nichts hinzuzufügen. Einerseits geht es darum, völkerrechtliche Bestimmungen einzuhalten, und andererseits vor dem Hintergrund, dass es aus unserer Sicht eine Gefahr gibt, darum, die Konfrontation zu vermeiden.

Frage

Herr Hinterseher, 15 EU-Staaten haben Israel explizit zur Zurückhaltung aufgefordert. Was würde ein Angriff auf die „flotilla“ für Deutschland bedeuten?

Hinterseher (AA)

Ich denke, dabei gilt, was wir auch sonst an dieser Stelle sagen: Es ist Spekulation. ‑ Unser Ziel ist es, dass es an dieser Stelle zu keiner Konfrontation kommt. Deswegen ist unser Aufruf an beide Seiten, sich an das geltende Recht zu halten bzw. von einer Konfrontation abzusehen.

Frage

Medienberichten zufolge hat es Streit an Bord dieser Schiffe gegeben. Würde die Bundesregierung in irgendeiner Weise unterstützend eingreifen, sollten Teilnehmer den Wunsch äußern, auszusteigen, um nach Deutschland zurückzukehren?

Hinterseher (AA)

Das kommt sehr auf den Einzelfall an. Das ist wieder einmal eine Frage nach dem Was-wäre-wenn.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Sollten deutsche Staatsangehörige jetzt zum Beispiel in israelischen Gewahrsam kommen, dann würden wir selbstverständlich unser Recht auf konsularischen Zugang geltend machen. Das haben wir auch in der Vergangenheit getan.

Ich gebe noch einmal den Hinweis auf das Konsulargesetz und darauf, dass deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland in eine Notlage geraten und nicht in der Lage sind, selbst oder mit Hilfe anderer aus dieser Notlage herauszukommen, im Rahmen des Möglichen Hilfe geleistet werden darf.

Frage

Herr Hille, wir nähern uns dem informellen EU-Gipfel. Die Bundesregierung hatte angekündigt, dass bis zu dem EU-Gipfel innerhalb der Bundesregierung eine Position zu Sanktionen gegen Israel gefunden wird. Ist das schon geschehen?

Hille (BReg)

Sie haben schon in Ihrer Formulierung darauf hingewiesen, dass wir uns dem Termin nähern. Aber er ist noch nicht eingetreten. Dazu gibt es keinen neuen Stand.

Zusatzfrage

Ist das Ziel immer noch, dass die Bundesregierung bis zum 1. Oktober eine Position findet?

Hille (BReg)

Ja.

Frage

Noch einmal zurück zu der „flotilla“: Die israelische Botschaft in Deutschland behauptet mittlerweile, die humanitäre Mission der „flotilla“ sei von der Hamas organisiert. Wie ist denn dazu der Wissensstand des Auswärtigen Amtes? Teilen Sie die Einschätzung der israelischen Botschaft, oder würden Sie ihr eher widersprechen?

Hinterseher (AA)

Ich denke, ich habe dazu ausgeführt, dass wir keinen eigenen Wissensstand haben. Aber wir haben gegenüber der israelischen Seite auf die Einhaltung völkerrechtlicher Standards hingewiesen.

Zusatzfrage

Wenn wir gerade bei völkerrechtlichen Standards sind: Israel behauptet ebenso, dass die Seeblockade, die die „flotilla“ hinterfragt, rechtmäßig sei. Der IGH kam spätestens 2024 zur gegenteiligen Einschätzung. Wie bewertet die Bundesregierung das? Es ist schlussendlich auch für die Bewertung der „flotilla“ relevant. Ist die Seeblockade Israels gegen Gaza rechtmäßig oder nicht?

Hinterseher (AA)

Auch darauf gibt es keine einfache Antwort, denn es ist kein Ja oder Nein. Grundsätzlich ist es in bewaffneten Konflikten möglich, dass Seeblockaden ein Mittel der Auseinandersetzung sind. Das haben wir hier auch schon wiederholt gesagt. Eine Seeblockade kann unter ganz bestimmten Voraussetzungen völkerrechtskonform sein, aber die Frage, die Sie stellen, müssen Sie an die israelische Seite richten. Denn es ist an der israelischen Seite, darzulegen, warum eine Maßnahme völkerrechtskonform ist.

Frage

An das Auswärtige Amt oder Herrn Hille: Welche konkreten Hoffnungen setzt die Bundesregierung auf das heutige Treffen von Netanjahu und Trump?

Hille (BReg)

Sie wissen, wofür wir uns seit Monaten einsetzen: Wir fordern seit Monaten einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln. ‑ Das ist die Voraussetzung für eine tragfähige Nachkriegsordnung. Alle Bemühungen, die in diese Richtung führen, begrüßen wir natürlich.

Hinterseher (AA)

Ich denke, der Außenminister hat am vergangenen Wochenende auch am Rande der VN-Vollversammlung darauf hingewiesen, dass dieser Vorschlag, der an den Linien entlangläuft, die wir wiederholt vorgetragen haben, grundsätzlich begrüßenswert ist. Die Linien sind ein sofortiger Waffenstillstand, die unmittelbare Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen, die sofortige Freilassung aller Geiseln sowie eine Zukunft des Gazastreifens ohne Hamas und ohne, dass eine Sicherheitsbedrohung für Israel vom Gazastreifen ausgeht. Insofern begrüßen wir diese Initiative.

Zusatzfrage

Gibt es irgendwelche Formen von Austausch, Konsultation, wie auch immer, zwischen der Bundesregierung und der US-Administration im Vorfeld dieses Besuches, in denen man die eigene Position noch einmal einbringen konnte, oder nehmen Sie dann nur noch informatorisch zur Kenntnis, was dort besprochen wird?

Hille (BReg)

Die Bundesregierung steht zu allen Themen, international und europäisch, mit Partnern und Freunden immer in Kontakt.

Hinterseher (AA)

Wie gesagt, hat auch der Außenminister im Vorfeld dieser Gespräche verschiedentlich Kontakt mit allen Außenministern der arabischen Staaten, aber auch mit seinem israelischen Amtskollegen gehabt. Natürlich ist das Ganze ein Ausfluss ständiger diplomatischer Bemühungen und ständigen Austausches, auch mit der amerikanischen Seite. Deutschland bringt sich natürlich aktiv ein.

Frage

Herr Hinterseher, Sie hatten gesagt, die Frage der völkerrechtlichen Bewertung der Seeblockade Israels sei nicht so einfach und nicht mit Ja oder Nein zu beantworten. Das mag grundsätzlich gelten. Aber meine Frage zielte darauf ab, dass Israel es als rechtmäßig und der IGH als unrechtmäßig bezeichnet. Sieht die Bundesregierung sich eher aufseiten der Einschätzung des IGH oder eher aufseiten Israels? Das ist durchaus zu beantworten.

Hinterseher (AA)

Darauf habe ich Ihnen gerade eine Antwort gegeben, nämlich dass dies eine Einzelfallbewertung ist, die nicht so einfach zu treffen ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es so sein. Aber deswegen habe ich die Bitte, dass Sie diese Frage an die israelische Seite richten. Denn es ist nicht an der Bundesregierung, das zu erklären. Das völkerrechtskonforme Verhalten muss nicht die Bundesregierung erklären.

Zusatz

Nein, aber meine Frage zielt darauf ab, dass der IGH es schon als unrechtmäßig eingeschätzt hat. Wenn ich es richtig sehe, steht hier, dass die Bundesregierung diese Einschätzung des IGH nicht teilt. Sonst würde Ihre Antwort keinen Sinn ergeben. Der IGH sagt, dass die Seeblockade nicht rechtmäßig ist; und Sie sagen, dass es nicht so einfach ist. Damit stehen Sie in gewisser Opposition zur Einschätzung des IGH, was Deutschland sonst eher selten tut.

Hinterseher (AA)

Nein, wir stehen nicht in Opposition zur Einschätzung internationaler Gerichte. Sie haben eine ganz grundsätzliche Frage gestellt. Ich habe gesagt, dass sich diese Frage so nicht grundsätzlich beantworten lässt. Es ist eine Einzelfallfrage. Insofern ist es an Ihnen, diese Frage an die Seite zu richten, die die Seeblockade zu verantworten hat.

Verhandlungen über Rückführungen afghanischer Straftäter in Kabul

Frage

Herr Hille, das Bundesinnenministerium hat am Wochenende mitgeteilt, dass im Oktober Topbeamte des Bundesinnenministeriums nach Kabul reisen würden, um dort vor Ort zum Thema Abschiebungen zu verhandeln. Meine Frage richtet sich nicht an das Innenministerium, sondern tatsächlich an die Bundesregierung. Ist dieser Schritt innerhalb der Bundesregierung abgesprochen? Es würde einen grundsätzlich anderen Umgang mit der Regierung in Kabul offenlegen.

Hille (BReg)

Ich sehe, ehrlich gesagt, nicht den grundsätzlich anderen Umgang, den Sie jetzt postulieren. Wir haben von dieser Stelle aus etliche Male ‑ ich will mich jetzt nicht auf eine Zahl festlegen ‑ über diesen Sachverhalt gesprochen. Dabei geht es um technische Kontakte, um das Ziel zu erreichen, Straftäter und Ausreisepflichtige aus Deutschland nach Afghanistan zurückführen zu können. Dafür braucht es technische Wege. Technische Wege machen technische Gespräche notwendig. Von daher, wenn Ihre Frage war, ob das abgestimmt ist: Ja, natürlich. Der Bundesinnenminister arbeitet daran, die Ziele des Koalitionsausschusses umzusetzen. Dabei hat er natürlich die Unterstützung der Bundesregierung.

Zusatzfrage

An das Auswärtige Amt: Vor genau zwei Wochen wurde Außenminister Wadephul genau auf dieses Thema, ob es auch in Afghanistan selbst Gespräche geben soll, angesprochen. Herr Wadephul sagte damals, vor zwei Wochen, im Interview mit dem ZDF, zum jetzigen Zeitpunkt gebe es technische Gespräche in Katar, und es gebe zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit, darüber hinauszugehen. Zweimal wurde nachgefragt, ob es dann nicht doch in Kabul stattfinden sollte, was Herr Wadephul zweimal verneinte. Wie erklären Sie jetzt diese neue Einschätzung? Welche Rolle spielt das Auswärtige Amt möglicherweise auch in der Vorbereitung dieser jetzt für Oktober angekündigten Gespräche?

Hinterseher (AA)

Ich denke, wir haben genau hierzu auch vor zwei Wochen schon ausgeführt, nämlich dass auch unser Verbindungsbüro in Doha immer wieder schon Reisen nach Kabul unternommen hat, um mit verschiedenen Akteuren im VN-System, mit Menschenrechtsorganisationen und dergleichen sprechen zu können. Insofern ist ein Widerspruch an sich nicht gegeben. Natürlich gilt das, was der Außenminister damals gesagt hat. Darüber hinaus habe ich den Ausführungen des stellvertretenden Regierungssprechers hier nichts hinzuzufügen.

Frage

Ich habe noch eine kurze technische Frage zu genau diesem Komplex. Auf der einen Seite betont die Bundesregierung ‑ Herr Geyr hat auch kürzlich noch einmal auf schriftliche Anfragen der Grünen geantwortet ‑, dass sie das De-facto-Regime in Afghanistan nicht anerkennt. Das ist auch die Linie. Welche Prokura ‑ das würde man bei Ihnen im Haus wahrscheinlich sagen ‑ haben denn die Gesprächspartner, wenn man die Regierung gar nicht anerkennt? Dann spricht man ja im Prinzip mit Nichtlegitimierten. Ich frage mich einfach, wie es technisch funktioniert. Wie soll man sich auf irgendetwas verlassen können, was eine Regierung mitteilt, die man nicht anerkennt?

Vorsitzender Feldhoff

Wir gehen „unter drei“.

--- Teil „unter drei“ ---

Vorsitzender Feldhoff

Dann gehen wir jetzt „unter eins“.

Frühauf (BMI)

Wer nach Afghanistan zurückgeführt wird ‑ Straftäter, Gefährder ‑, darüber entscheiden die Länder. Die Anmeldungen für die Rückführungsflüge sind bei den Ländern. Da es jeweils individuelle Prüfungen sind, kann ich Ihnen keine Größenordnung nennen.

Das Thema des Handgelds haben wir schon in diversen Regierungspressekonferenzen besprochen. Aber ich kann gern wiederholen, dass vonseiten des Bundesinnenministeriums diesbezüglich keine Vorgabe besteht. Es gibt keine Empfehlung, ein Handgeld auszuteilen. Darüber entscheiden die Länder individuell. Es gibt eine Breite der Entscheidungen. Auf dem vergangenen Abschiebeflug hat Bayern, so meine ich ‑ ich müsste die Zahlen noch einmal nachschauen ‑, einen ganz geringen Betrag an sogenanntem Handgeld mitgegeben. Dafür gibt es keine Vorgabe. Der Angabe von tausend Euro, von der immer wieder gesprochen wird, widerspreche ich. Das wurde nicht vom Bundesinnenministerium so bestimmt.

Frage

Frau Frühauf, könnten Sie spezifizieren, was man sich unter den Topbeamten vorstellen muss? Ihr Ministerium hatte das betont.

Frühauf (BMI)

Das Ministerium hat nicht Topbeamte betont. Das war, denke ich, ein Wording der „BILD-Zeitung“.

Zusatz

Ich habe es schriftlich.

Frühauf (BMI)

Okay. Wir sprechen von den Verantwortlichen des Bundesinnenministeriums auf einer technischen, aber sehr verantwortungsvollen Ebene, die in Richtung Kabuls reisen werden.

Zusatzfrage

Ich würde gern noch einmal nachfragen, weil das unklar ist. Auf Anfrage habe das Bundesinnenministerium am Wochenende mitgeteilt, dass im Oktober Topbeamte nach Kabul reisen würden.

Frühauf (BMI)

Das schaue ich mir noch einmal an. Aber ich kann Ihnen sagen, ob wir das Wording „Topbeamte“ oder „Verantwortliche des Bundesinnenministeriums“ ‑ ‑ ‑

Zusatz

Ist es unterhalb der Staatssekretärsebene?

Frühauf (BMI)

Dazu werde ich mich jetzt nicht äußern.

Frage

Ich habe eine Nachfrage zu Informationen „unter drei“.

Vorsitzender Feldhoff

Dann müssen wir noch einmal „unter drei“ gehen.

--- Teil „unter drei“ ---

Vorsitzender Feldhoff

Wir gehen wieder „unter eins“.

Frage

Schauen wir einmal, wie weit wir „unter eins“ kommen. Frau Frühauf, ich möchte an die Ebenenfrage anknüpfen. Es macht auch protokollarisch einen Unterschied, ob es ein technischer Beamter bis hin zur Ebene des Unterabteilungsleiters ist oder ob es ein politischer Beamter darüber ist, also ein Staatssekretär oder ein Abteilungsleiter. Daher die Frage, die eben „unter eins“ gestellt wurde: Reden wir wirklich von technischen Beamten, oder reden wir von politischen Beamten?

Frühauf (BMI)

Wir reden von Personen, die auf jeden Fall die Prokura haben, um die Entscheidungen vor Ort zu treffen.

Zusatzfrage

Welches Level das ist, ist natürlich auch aus einem anderen Grund relevant. Denn auf der Gegenseite muss dem protokollarisch entsprochen werden. Wer nimmt auf der Seite der Taliban an diesen Gesprächen teil?

Frühauf (BMI)

Das ist ein netter Versuch, aber Sie werden von mir jetzt keinen weiteren Detail zu den Gesprächen erfahren, die natürlich auch sicherheitsrelevant sind. Deswegen verweise ich Sie auf die Antworten, die ich Ihnen bisher gegeben habe.

Frage

Plant man, das Verbindungsbüro in Doha zu schließen, wenn es direkte Gespräche mit den Taliban gibt, oder bleibt es weiterhin offen?

Hinterseher (AA)

Das Verbindungsbüro in Doha bleibt weiterhin geöffnet.

Frage

Ich schätze, das ist eher etwas für „unter drei“. Frau Frühauf, was möchte Ihrer Erwartung nach die afghanische Seite dafür haben? Sie wollen ja etwas von ihr. Soweit ich es verstanden habe, wollen Sie einen klareren und verbindlicheren Weg, wie man Abschiebungen technisch durchführen kann. Das ist der Sinn der Gespräche. Dann drängt es sich auf, dass die afghanische Seite sagt, was sie dafür haben möchte. Worauf stellen Sie sich ein? Könnte es am Ende die Anerkennung sein?

Frühauf (BMI)

Wir können gern „unter eins“ bleiben, weil ich Ihnen auch „unter drei“ keine andere Antwort gäbe, als dass ein Deal, also was der eine von dem anderen wofür bekommt, nicht Teil dieser Gespräche ist, sondern es geht darum zu klären, wie man Abschiebungen von Deutschland nach Afghanistan regulär und regelmäßig ohne den Schlüsselpartner Katar hinbekommen und wie man das regelmäßig durchführen kann. Es geht nicht darum, dass man dafür von dem anderen etwas bekommt.

Frage

Herr Hinterseher, es wird so fein diplomatisch von der De-facto-Regierung gesprochen, ohne eine Anerkenntnis eben jener Regierung, welche diese bildet. Aber handelt es sich bei dem, wie es jetzt protokollarisch behandelt wird, nicht um eine De-facto-Anerkennung, wenn auch nicht um eine Anerkennung de jure?

Hinterseher (AA)

Wir haben uns dazu mehrfach geäußert, auch zu der Frage, was technische Kontakte sind. Ich denke, diese Frage haben wir hier schon vor zwei Wochen behandelt und beantwortet. Dabei würden wir es belassen.

Zusatzfrage

Nur zur Absicherung: Heißt das, dass alle Schritte, die Sie jetzt unternehmen, mit der De-jure-Regierung Afghanistans bzw. ihrer Vertreter besprochen sind?

Hinterseher (AA)

Ich weiß nicht, worauf Sie mit der Formulierung von der De-jure-Regierung hinaus möchten. In Afghanistan gibt es eine De-facto-Regierung. Darauf haben wir verschiedentlich hingewiesen. Sie wissen, dass es weiterhin diplomatische Beziehungen zu dem Staat Afghanistan gibt. Aber die Frage der Vertretung ist ungeklärt.

Zusatzfrage

Herr Hinterseher, nur damit ich es richtig verstehe: Wird mit den Vertretern des Staates Afghanistan, die Sie anerkannt haben und die bei Ihnen in der Diplomatenrolle hinterlegt sind, über das gesprochen, was Sie jetzt mit der De-facto-Regierung besprechen?

Hinterseher (AA)

Grundsätzlich sind wir natürlich ständig mit den afghanischen Auslandsvertretungen in Deutschland in Kontakt. Sie wissen aber, dass wir vertrauliche Gespräche vertraulich behandeln.

Forderung des US-amerikanischen Präsidenten nach einer Übergabe des syrischen Luftwaffenstützpunktes Bagram

Frage

Ich will beim Thema Afghanistan bleiben, aber in eine etwas andere Richtung fragen. Welche Informationen haben Sie darüber, dass die USA den Luftwaffenstützpunkt Bagram zurückhaben wollen? Wie bewertet die Bundesregierung dieses Vorhaben?

Hinterseher (AA)

Wir haben dazu keine eigenen Erkenntnisse.

Zusatz

Das hatte Trump in London angekündigt.

Hinterseher (AA)

Wir haben verschiedene Ankündigungen und auch Berichte dazu gesehen. Aber Sie fragten nach unseren Erkenntnissen. Ich kann Ihnen hier keine diesbezüglichen eigenen Erkenntnisse der Bundesregierung vortragen.

Frage

Nur wegen des überspezifischen Dementis: Sie haben keine eigenen Erkenntnisse. Herr Harms, Herr Hinterseher, gab es Anfragen seitens der US-Seite an eine der zuständigen Stellen für eine mögliche deutsche Unterstützung jedweder Art?

Hinterseher (AA)

Ich hätte Ihnen zu solchen Gesprächen hier nichts mitzuteilen.

Vorsitzender Feldhoff

Herr Harms auch nicht.

EU-Sanktionen gegen Hüseyin Doğru

Frage

Auf Anfrage der „jungen Welt“, ob sie den von der EU mutmaßlich auf Initiative der Bundesregierung sanktionierten deutschen Journalisten und Staatsbürger Hüseyin Doğru als Redakteur anstellen könne, erklärte der Leiter des Referats für Sanktionsdurchsetzung im Bundeswirtschaftsministerium, Sven Sattler, dass in dem Fall das sogenannte Bereitstellungsverbot greife, was bedeutet, von der EU sanktionierte Personen dürfen keinerlei wirtschaftliche Vorteile mehr zugutekommen, auch nicht im Austausch für Lohnarbeit. Dazu würde mich interessieren, ob es wirklich die Haltung der Bundesregierung ist, dass für Herrn Doğru und alle anderen von der EU sanktionierten deutschen Staatsbürger ein De-facto-Berufsverbot gilt. Die Frage geht im Zweifel zuerst an das zuständige Wirtschaftsministerium.

Wentzel (BMWE)

Die Kommunikation, von der Sie sprechen, ist mir nicht bekannt. Deswegen kann ich das nicht kommunizieren. Die grundsätzliche Federführung für Sanktionspolitik liegt im Auswärtigen Amt.

Hinterseher (AA)

Vielleicht kann ich noch einmal grundsätzlicher ausführen, weil Sie diese Frage ja hier schon mehrfach gestellt haben. Sie wissen, die Sanktionierung ist eine EU-Angelegenheit. Die EU hat beschlossen, die betroffene Person im Rahmen ihres extra dafür geschaffenen EU-Sanktionsregimes für die Stabilisierung zu listen. Insofern gelten dann natürlich die sich aus dieser Listung ergebenden Rechtsfolgen.

Aber es ist klar: Sanktionen sind ein außenpolitisches Instrument. Das ist nicht mit einer justiziellen Maßnahme vergleichbar, so wie Sie es hier öfter darstellen. Die Personen können das einerseits justiziell überprüfen, aber sie können dagegen zum Beispiel auch beim Rat Einspruch erheben. Es gibt also verschiedene Wege und Mittel innerhalb der Europäischen Union, und das steht den betroffenen Personen natürlich immer frei.

Zusatzfrage

Gut. Aber der besagte Journalist ist deutscher Staatsbürger. Ich gehe davon aus, die Bundesregierung wird sich vor der Sanktionierung eigener Staatsbürger Gedanken über die Auswirkungen der Umsetzung gemacht haben. Wie soll bitte ein deutscher Staatsbürger, der in Deutschland lebt, dem aufgrund der EU-Sanktionen die Konten gekündigt werden, der Deutschland nicht verlassen darf und in Deutschland nicht arbeiten kann, finanziell überleben?

Die zweite Frage geht vielleicht an das BMAS: Hat solch eine Person dann zumindest Anspruch auf ALG I oder ALG II?

Hinterseher (AA)

Vielleicht noch einmal zur ersten Frage: Sie bezeichnen den Betreffenden als Journalisten. Er wurde unter dem Sanktionsregime für Desinformation gelistet. Das heißt, es geht um einen Desinformationsakteur. Die EU hat im Rahmen dessen in diesem Listungspaket festgestellt ‑ diese Listungsbegründungen sind auch öffentlich einsehbar ‑, dass die betreffende Person im Auftrag mutmaßlich russischer Stellen Desinformation verbreitet. Insofern betrachten wir das, was Sie hier öfter als Kollegen bezeichnen, als Desinformationsakteur.

Schuler (BMAS)

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld I würde davon abhängen, ob er vorher auch in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Der Anspruch auf Bürgergeld besteht für jeden deutschen Staatsbürger, aber nur, wenn er auch bedürftig ist.

Zusatzfrage

Aber die Frage war ja, ob jegliche Art von wirtschaftlicher Unterstützung als Straftat gewertet wird. Die Bundesregierung wird doch keine eigenen Staatsbürger sanktionieren lassen und dann nicht wissen, wie diese mit diesem gesamten Sanktionspaket hier überleben sollen.

Schuler (BMAS)

Ich kann Ihnen nicht mehr dazu sagen als die allgemeine Auskunft, die ich Ihnen jetzt gegeben habe. Das ist, glaube ich, auch nicht unser Zuständigkeitsbereich.

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