Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 10.09.2025
Eindringen mutmaßlich russischer Drohnen in den polnischen Luftraum
Frage
Mittlerweile hat Polen bestätigt, dass man 19 Drohnen gefunden habe. Wie reagiert die Bundesregierung überhaupt auf diese Nachrichten?
Vielleicht gibt es einen Kommentar zu einer Eilmeldung, dass die NATO gerade Artikel 4 aktiviert hat.
Hille (BReg)
Ja, dazu kann ich zu sagen, dass es sich bei dem Vorgang in Polen, den Sie geschildert haben, um einen sehr, sehr ernsten Vorfall handelt. Wir stehen darüber in engem Austausch mit unseren polnischen Partnern. Das zeigt einmal mehr, unter was für einer Bedrohung wir stehen und wie sehr wir von Russland ausgetestet werden. Es ist deshalb naheliegend und verständlich, dass Polen da Gesprächsbedarf hat und Konsultationen nach Artikel 4 des NATO-Vertrages beantragt hat. Aus unserer Sicht ist das vollauf gerechtfertigt und unterstreicht, wie ernst wir als Alliierten diesen Vorfall nehmen müssen.
Frage
Herr Müller, können Sie sagen, inwiefern sich Deutschland oder die Bundeswehr überhaupt an dieser nächtlichen Aktion in Polen beteiligt haben?
Müller (BMVg)
Sie wissen ja, dass wir am Flugplatz oder in der Nähe von Rzeszów zwei Patriot-Feuereinheiten, also zwei Patriot-Kampfstaffeln, stationiert haben, zusätzlich noch Unterstützungskräfte, die das Ganze ermöglichen. Diese Kräfte haben den Auftrag, 24/7 für den Schutz dieses Raumes, dieses Schutzobjekts zu sorgen. Natürlich waren die Radargeräte und war die Truppe in der letzten Nacht gemäß ihrem Auftrag wachsam und aktiv. Das NATO Integrated Air and Missile Defense System beinhaltet ja mehrere Sensoren, nicht nur die deutschen Patriot-Einheiten, die vor Ort sind. Aber die Deutschen haben in diesem Systemverbund natürlich ihren Auftrag erfüllt, haben geschaut, haben dann sofort mit den anderen Partnern die Alarmbereitschaft erhöht und haben dann mit ihren Daten auch zum Gesamtlagebild beigetragen. Ein Einsatz der Patriot-Einheiten, also ein Schuss unserer Lenkflugkörper, ist nicht erfolgt. Eine direkte Beteiligung an der Abwehrmaßnahme ist also nicht erfolgt.
Die NATO hat ja ‑ Sie haben es vielleicht mitbekommen ‑, auch bestätigt, dass noch weitere Sensoren im Einsatz waren, zum Beispiel AWACS, also eine Radaraufklärungsplattform in der Luft. Auch daran waren die Deutschen nicht mit Crews beteiligt, genauso nicht bei Tankflugzeugen oder einem Tankflugzeug, dessen Einsatz die NATO mittlerweile auch bestätigt hat, im Rahmen der MMF. Das ist eine multinationale Tankerflotte, an der wir beteiligt sind, aber wir hatten in der letzten Nacht keine Crews an Bord. Unsere Beteiligung am Vorgang war also die Lagebilderstellung, was unser Auftrag ist.
Die deutschen Truppen ‑ das kann ich sagen ‑ sind wohlauf. Wir passen natürlich auch dort die Schutzmaßnahmen immer lagebezogen an, weil die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten oberste Priorität hat, und reagieren dann natürlich immer auch darauf, was in der Umgebung passiert und was gegebenenfalls die Sicherheitslage auch für die direkt Beteiligten vor Ort beeinflussen könnte.
Deschauer (AA)
Einfach nur zur Komplettierung des Bildes, weil hier von Artikel-4-Konsultationen im NATO-Rat die Rede war, die stattgefunden haben, die in der Allianz den Umgang mit der Bedrohung für unsere gemeinsame Sicherheit betreffen: Um das einzuordnen, kann ich noch ergänzen, dass die Partner sich auch im EU-Rahmen austauschen. Dieser sehr ernstzunehmende Vorfall wird heute ebenfalls im Rahmen einer Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter Thema sein. Ich darf vielleicht auch noch ergänzen, dass Polen natürlich die volle Solidarität der Bundesregierung angesichts der russischen Verletzung des polnischen Luftraums genießt.
Frage
Meine ursprüngliche Frage hätte sich auch auf die Beratungen im E5-Format in London bezogen. Dann die Nachfrage dazu: Denken Sie, dass Russland mit der Verletzung des NATO-Luftraums die Verteidigungsbereitschaft des Militärbündnisses einfach nur austesten will? - Vielleicht antworten das AA oder das Verteidigungsministerium.
Hille (BReg)
Ich glaube, das habe ich gerade schon beantwortet. Ich habe darauf hingewiesen, dass das zeigt, in welcher Bedrohungssituation wir uns befinden und wie wir mit unseren Verbündeten immer wieder getestet werden. Das ist jetzt ein besonderer Fall. Aber beispielsweise auch in der Ostsee erleben wir regelmäßig Vorfälle, die uns wachsam halten.
Deschauer (AA)
Sie hatten Ihre Frage ja auch an das AA adressiert. ‑ Über Motivation möchte ich gar nicht spekulieren, aber ich kann klar sagen, dass wir uns so oder so nicht einschüchtern lassen, sondern dass wir beraten und gemeinsam entschlossen handeln, so wie das im NATO-Rahmen passiert. Genau das ist, glaube ich, die Prämisse, unter der wir als Alliierte, aber auch als EU-Partnerinnen und Partner, agieren.
Frage
Herr Hille oder Frau Deschauer, ich hätte ganz gerne nachgefragt, was denn die Bundesregierung zu den Forderungen von Herrn Selenskyj sagt, der gesagt hat, das sei ein Beispiel dafür, dass die westlichen Staaten ihre Luftabwehrkapazitäten auch über der Ukraine einsetzen sollten, damit man die Drohnen und Raketen frühzeitig abschieße.
Deschauer (AA)
Ich kann gerne generell einsteigen, ohne dass ich jetzt einzelne Aussagen im Detail kommentieren werde.
Gegenstand der genannten Beratungen ist ja auch immer, dass wir gemeinsam schauen, wie wir zum einen das Bündnisgebiet, die Allianz, am effektivsten gemeinsam schützen können, zum anderen aber auch, auf welche Art und Weise wir der Ukraine weiter politisch, militärisch, humanitär und wirtschaftlich zur Seite stehen können. Ich glaube, der Austausch ist da sehr eng und intensiv.
Ich weiß nicht, ob die Kollegen des BMVg oder der Regierungssprecher noch Ergänzungsbedarf sehen.
Hille (BReg)
Außer den allgemeinen Hinweisen, die Sie kennen. ‑ Ich möchte hinzufügen, dass Deutschland zu den stärksten Unterstützern der Ukraine gehört und wir auch weiterhin gewillt sind, die Ukraine nach Kräften mit allem, was geht und was sie braucht, zu unterstützen, damit sie ihr Selbstverteidigungsrecht wahrnehmen kann.
[…]
Frage
Ich würde gerne wissen: Wie werden Sie das, was in der Nacht passiert ist, einstufen? War das ein Angriff? War das massive Provokation? Wie kann man das wörtlich benennen?
Müller (BMVg)
Ich glaube, dazu gibt es jetzt die Konsultationen im NATO-Rahmen, wo genau diese Fragen mit den Partnern im Bündnis besprochen werden. Dafür ist das da.
Deschauer (AA)
Wenn ich ergänzen darf: Der NATO-Generalsekretär hat sich ja öffentlich dazu geäußert und auch auf Beratungen hingewiesen. Das ist, glaube ich, sehr lohnenswert; das ist jetzt leider halb parallel zu dieser Veranstaltung. Das ist, glaube ich, eine sehr aussagekräftige Referenz, wie er das nach den Beratungen eingeschätzt hat.
[…]
Nahostkonflikt
Frage
Es geht noch einmal um das, was Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute verkündet hat. Sie hat auch einen Vorschlag gemacht, den handelsbezogenen Teil des EU-Israel-Assoziierungsabkommens vorübergehend auszusetzen. Bis jetzt war die Position der Bundesregierung, dass dieses Abkommen eine Möglichkeit zum Austausch mit Israel geboten hat und es daher sehr wichtig war, dieses Abkommen aufrechtzuerhalten. Hält die Bundesregierung an dieser Position fest, oder können Sie sich vorstellen, diesem Vorschlag der Kommissionspräsidenten zuzustimmen?
Hille (BReg)
Dazu würde ich noch einmal auf das hinweisen, was ich gerade schon auf die Frage von Frau Jäckels geantwortet habe, nämlich dass es bisher im Europäischen Rat keine Mehrheit für diese Vorschläge gegeben hat.
Zusatzfrage
Ganz konkret zu diesem Abkommen: Ist aus Sicht der Bundesregierung nach wie vor das Aufrechterhalten des Abkommens wichtig, um den Austausch mit Israel zu ermöglichen?
Hille (BReg)
Bisher hat es im Europäischen Rat zu diesen Fragen keine Mehrheit gegeben.
Deschauer (AA)
Ich ergänze gerne noch etwas. ‑ Wir haben die Rede der Kommissionspräsidentin natürlich zur Kenntnis genommen. Diese Rede zeigt, wie sehr uns hier auf der Regierungsbank, aber natürlich auch im europäischen Rahmen die dramatische Lage in Gaza umtreibt.
Weil Sie jetzt detailliert in die einzelnen Überlegungen oder Vorschläge einsteigen, die hier angesprochen wurden: Frau von der Leyen hat selbst gesagt, dass sie zu Details ihrer Vorschläge den konkreten Austausch mit den Mitgliedstaaten suchen möchte und auch suchen muss. Es ist völlig klar, dass wir uns Bundesregierung an einem Dialog in der Sache und zu den Fragestellungen, die betroffen sind, beteiligen werden. Wir werden Sie aber nicht ‑ und da bitte ich um Verständnis ‑ an den internen Gesprächen, die wir mit Frau von der Leyen oder auch im Rahmen der EU führen, beteiligen können.
[…]
Frage
Frau Deschauer, hat das Auswärtige Amt erwogen, den israelischen Botschafter einzubestellen? Das ist ja auch angesichts der Schwere der Zurückweisungen durch die Bundesregierung nicht ganz unplausibel, oder?
Deschauer (AA)
Sie kennen das: Wenn wir etwas mitzuteilen haben, dann machen wir das sehr gerne. In die internen Überlegungen unseres Hauses und der Bundesregierung würden wir jetzt aber keinen den tiefen Einblick gewähren wollen, den Sie sich erwünschen.
[…]
Frage
Der Außenminister hat gestern in seiner Erklärung abschließend erklärt: „Auch die aktuelle Eskalation ist ein Ergebnis des abscheulichen Terrorangriffs der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023.“
Das wurde von politischen Beobachtern in Nahost gerade schlussendlich doch als Legitimierung des Bombardements in Doha interpretiert. Frau Deschauer, können Sie noch einmal klarstellen, was der Außenminister mit diesem abschließenden Satz gemeint hat?
Deschauer (AA)
Ich weiß nicht, ob Sie die Erklärung in Ihrer Gänze vor Augen haben.
Zusatz
Habe ich.
Deschauer (AA)
Das ist natürlich sehr hilfreich, um sie auch dann in Gänze verstehen zu können. ‑ Ich spreche hier von keinen abschließenden Sätzen, sondern ich spreche hier von einer Stellungnahme des Außenministers angesichts der gestrigen Eskalation, mit der er sich sehr klar geäußert hat und sehr klar zum Ausdruck gebracht hat, dass hierdurch die territoriale Souveränität Katars verletzt wurde und auch die so dringenden Bemühungen zur Freilassung der Geiseln und zur Erreichung eines Waffenstillstands gefährdet werden.
Insofern war das eine sehr klare Äußerung. Ich möchte Ihnen aber gerne noch einmal den 7. Oktober 2023 in Erinnerung rufen. Über diesen schrecklichen Anlass tauschen wir uns ja seit geraumer Zeit regelmäßig hier in der Bundespressekonferenz aus. Ob Sie Sätze als abschließend oder wie auch immer bewerten, bleibt Ihnen sehr gerne überlassen.
[…]