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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 30.07.2025
Reise des Bundesaußenministers nach Israel und in die Palästinensischen Gebiete / Nahostkonflikt
Frage
Herr Giese, wird Herr Wadephul in irgendeiner Form dem Beginn einer möglichen Luftbrücke, die ja jetzt vereinbart ist, beiwohnen?
Was ist der neueste Stand in der Frage, ob Herr Wadephul in der kommenden Woche mit seinen Kollegen aus Paris und London noch einmal in die Region fliegt?
Giese (AA)
Zum Ersten, zum Beginn der humanitären Hilfslieferung aus der Luft, die Sie angesprochen haben, habe ich Ihnen jetzt nichts mitzuteilen. Das wird dann das BMVg tun.
Was den Beginn einer Reise in der nächsten Woche angeht, kann ich Ihnen auch dazu nichts sagen. Das ist nicht geplant.
Müller (BMVg)
Die Bundesregierung hat entschieden, dass wir uns an der von Jordanien aus organisierten Luftbrücke für Gaza wieder beteiligen werden. Gestern hat der Bundeskanzler dargestellt, dass zwei A400M auf dem Weg in die Region sind. Wir werden jetzt zusammen mit den Partnern vor Ort alle Vorbereitungen treffen. Sie können sich vorstellen, dass das vor Ort organisiert werden muss, dass zum Beispiel Packstraßen aufgemacht werden müssen, wo Ladung für die nächsten Tage bereitgestellt werden kann, wenn die Crews ankommen. Wir haben die entsprechenden Experten dabei. Diese Vorbereitungen laufen jetzt. Dann muss sich die Crew auch mit den örtlichen Gegebenheiten und den Luftraumstrukturen vertraut machen und sich mit den Partnern abstimmen. Wir werden in den nächsten Tagen berichten, wenn der erste Flug erfolgt sein wird.
Frage
Ich habe eine Frage für den Regierungssprecher. Merz hat sich ja so geäußert, dass er sich die Sanktionen noch einmal überlege, aber dass das von der Reise von Herrn Minister Wadephul abhänge. Er hat ja gesagt: Wir warten erst einmal die Reise am Donnerstag ab. - Aber was muss dann auf dieser Reise passieren oder was muss auch nicht passieren, damit Merz zu einer neuen Einschätzung kommt?
Hille (BReg)
Es wird Sie nicht wundern, was ich Ihnen jetzt dazu sage: Warten wir doch erst einmal die Reise ab! Wir stehen in engem Kontakt mit der israelischen Seite. Der Bundeskanzler hat in den letzten Wochen und auch am Wochenende ‑ darüber haben wir am Montag hier ja auch schon ausgiebig gesprochen ‑ Kontakt mit dem israelischen Ministerpräsidenten gehabt und hat unsere Position dabei sehr deutlich gemacht, unsere Forderung, dass es schnellstens zu einem Waffenstillstand kommen muss, dass die Hamas schnellstens die Geiseln freilassen muss, dass die humanitäre Hilfe im Gazastreifen schnellstens und massiv ausgebaut werden muss. Wir sahen am Wochenende erste, ganz zarte Schritte in die richtige Richtung, weil erstmals wieder Hilfslieferungen möglich geworden sind. Wir haben jetzt beschlossen, um die humanitäre Hilfe auch auf breitestmögliche Füße zu stellen, uns an den Airdrops zu beteiligen, wohl wissend, dass das ein Thema ist, das ‑ ‑ ‑ Sie kennen die Kritik ‑ die haben wir hier am Montag auch besprochen ‑, dass das angeblich nicht wirksam sei. Wir halten es für eine gute und richtige und gebotene Maßnahme ‑ auch, um ein Zeichen zu setzen ‑, uns an den Airdrops zu beteiligen. Außerdem reist jetzt, wie Herr Giese es gerade dargestellt hat, der Bundesaußenminister in die Region, um auch da noch einmal ‑ Telefonieren ist das eine, persönlich vor Ort zu sein, ist das andere ‑ unsere Position sehr deutlich zu machen und daran zu arbeiten, dass wir uns einer Verbesserung der Situation immer weiter nähern.
Zusatzfrage
Ich habe noch eine Frage, vielleicht an Herrn Giese: Haben Sie mehr konkrete Erwartungen hinsichtlich der Reise? Erwarten Sie also Zugeständnisse oder Ähnliches?
Giese (AA)
Ich habe mich ja gerade schon, als ich die Reise angekündigt habe, zu den Erwartungen geäußert. Herr Hille hat es auch noch einmal wiederholt. Das sind die Erwartungen an die Reise, und darüber hinaus werden wir über den Ausgang der Reise natürlich auch informieren.
Frage
Auch zu der Reise, Herr Giese: Sie sagten ja, neben der israelischen Regierung und Treffen in den Palästinensischen Gebieten werde er auch UNO-Repräsentantinnen und -Repräsentanten in Jerusalem treffen. Ich sage mal etwas flapsig: Da sind ja kaum noch welche! Wird der Außenminister auch die Problematik des andauernden Einreiseverbots für den Generalsekretär der UNO, für Frau Albanese und andere Herrschaften der UNO ansprechen, oder ist das nicht sein Bier, sein Thema?
Giese (AA)
Wie gesagt, der Außenminister wird ja viele Gespräche führen. Ich habe ja gesagt: Er wird insbesondere über die katastrophale humanitäre Lage sprechen.
Ich habe es am Montag schon gesagt, wiederhole es aber gerne noch einmal: Wir sind der Auffassung, dass die Vereinten Nationen die Organisation sind, die humanitäre Hilfe am effektivsten leisten kann ‑ das sind die Experten ‑, und die Vereinten Nationen müssen auch in der Lage sein, diese Hilfe effektiv zu leisten. Dazu brauchen sie auch die Unterstützung Israels, und die werden wir selbstverständlich einfordern. Das haben wir öffentlich gemacht, aber das werden wir auch im direkten Gespräch noch einmal machen.
Frage
Herr Hille, Sie meinten gerade, die humanitäre Hilfe werde jetzt mit der Luftbrücke auf ganz breite Füße gestellt. Geht es da um Füße von Ameisen?
Hille (BReg)
Können Sie die Frage so konkretisieren, dass ich sie verstehe?
Zusatzfrage
Sie werden ja die Kritik in der Öffentlichkeit und auch von Experten seit gestern oder seit vorgestern mitbekommen haben, dass es hierbei um die unsinnigste Luftbrücke geht, die es jemals gab. Sie sprechen davon, dass es hier eine humanitäre Hilfe auf ganz breiten Füßen gäbe. Dabei ist es ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein!
Herr Müller, letztes Jahr war es so, dass in den A400M-Flugzeugen, glaube ich, immer vier Paletten waren, die abgeworfen worden sind. Die A400M-Flugzeuge waren also laut Bundeswehrsoldaten leer, fast immer. Wird es auch diesmal so bleiben, dass nur vier Paletten abgeworfen werden und die leeren A400M-Flugzeuge wieder zurück nach Jordanien fliegen?
Hille (BReg)
Ich hatte gehofft, indem ich die Kritik an den Airdrops schon vorwegnehme, quasi Ihre Frage vorwegzunehmen, aber das war offensichtlich nicht der Fall.
Es geht darum, alle Möglichkeiten, die es gibt und die uns zur Verfügung stehen, zu nutzen. Der Landweg ist der eine. Der ist da, und der wird genutzt. Der muss viel intensiver genutzt werden. Es braucht viel mehr Hilfe. Es müssen viel mehr Lkws im Gazastreifen ankommen und bei den Menschen ankommen können.
Das andere ist dann aber Hilfe aus der Luft, die uns noch als Möglichkeit zur Verfügung steht. Ja, es gibt effektivere Varianten, aber das ist ja nicht das Argument dagegen, dann Gutes sein zu lassen. Es sollte ‑ so verstehe ich Sie üblicherweise auch ‑ auch in Ihrem Sinne sein, dass wir alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, nutzen.
Müller (BMVg)
Das kann ich nicht so stehen lassen, tut mir leid. Ich habe noch vor zwei Stunden mit einem Kommandanten telefoniert, der im letzten Jahr da unten geflogen ist, weil ich auch wissen wollte, welche Mengen dort möglich sind. Er hat mir berichtet, dass zwischen 20 und 22 Lastpaletten abgeworfen werden, ungefähr im Bereich einer halben Tonne pro Palette. Richtig ist: Man kann auch vier Paletten mit dem A400M abwerfen. Das sind aber deutlich größere Paletten. Das unterscheidet sich also, je nachdem, welches Verfahren man anwendet, welche Schirme es vor Ort gibt und welche Lasten man abwerfen kann. Wenn wir für die Bundeswehr zum Beispiel eine Last abwerfen, dann kann die auch einmal zwei oder vier Tonnen schwer sein. Dann nutzt man aber Großpaletten und entsprechende Schirmsysteme. Die Paletten, die wir da abwerfen, und die Schirme sehen wir nie wieder. Man braucht also, unter uns gesagt, Wegwerfmaterial, also Material, das in großen Mengen verfügbar ist, dieses Packmaterial, diese Paletten und diese Schirmsysteme, weil man die ja nicht zurückführen kann. Deswegen werden hier kleinere Paletten im Bereich einer halben Tonne gepackt. Die bekommen dann eben auch kleinere Schirme. Aber damit erreicht die Last den Boden, auch mit den entsprechend zugelassenen Sinkgeschwindigkeiten. Aber deswegen ist das ein Unterschied. Man kann also nicht pauschal „Vier Paletten ist schlecht“ oder „22 Paletten oder 20 Paletten ist gut“ sagen, sondern es kommt auf das Verfahren an. Nach der Aussage der Crews ist es so, und wir sehen es auch in den Videos vom letzten Jahr, wenn man die noch einmal abspielt, dass da durchaus viele kleine Paletten herauskommen, und wir befinden uns meistens bei zwischen 10 und 12 Tonnen, wie mir noch einmal gesagt wurde, die bei den letzten Flügen standardmäßig abgeworfen wurden.
Zusatzfrage
Ich habe die Bundestagsdrucksache von Ihrem Verteidigungsministerium hier. Es gab letztes Jahr neun Flüge. Es war nie irgendein Flug dabei, der mehr als zehn Tonnen geladen hatte, einmal einen mit 8,9 Tonnen, ansonsten hatten alle vier Tonnen. Das bestätigt ja dann laut Ihren eigenen Zahlen meine These. Wovon reden Sie also?
Müller (BMVg)
Ich habe, wie gesagt, die Angaben 10, 10,5, 11 mit 22 Lastenpaletten hier stehen. Die habe ich gerade von der Crew erfahren. Sie wissen aber auch, dass wir andere, verschiedene Luftfahrzeuge vor Ort hatten. Ich weiß nicht, auf was sich die Anfrage bezieht. Wir hatten ja erst die C-130 Hercules vor Ort. Die nutzt andere Schirmsysteme, andere Paletten, andere Lasten. Im zweiten Gang hatten wir die A400M mit den Systemen, die ich gerade beschrieben habe, vor Ort.
Frage
Herr Giese, Sie hatten jetzt bei den Besuchsplänen zum einen die Westbank und dann Israel erwähnt. Hat der Minister denn zumindest versucht, auch nach Gaza zu kommen? Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?
Giese (AA)
Die Reiseplanung ist so, wie ich es Ihnen gesagt habe.
Vorsitzende Hamberger
Wollen Sie „unter drei“ gehen?
--- Teil „unter drei“ ---
Vorsitzende Hamberger
Dann würde ich jetzt wieder „unter eins“ gehen, und alle halten sich bitte an die entsprechenden Regeln.
Zusatzfrage
Ich habe noch eine Nachfrage „unter eins“, was die Themen angeht. Laut UN-Angaben sind mittlerweile ja mehr als 225 Journalisten im Gazastreifen durch die IDF getötet worden. Internationale Journalisten dürfen bis zum heutigen Tage nicht nach Gaza, um von dort zu berichten. Ist denn diese Art des Umgangs mit Journalisten und auch die entsprechende Medienblockade gegenüber internationalen Journalisten ein Thema, das der Minister ansprechen will?
Giese (AA)
Es gab ja schon Fragen zu den Themenbereichen, die wir ansprechen werden. Ich will, wie gesagt, die Gespräche jetzt auch nicht vorzeichnen bzw. Gesprächsinhalte nicht vorwegnehmen. Aber es wird natürlich darum gehen, wie die Zustände in Gaza sind, dass es da sehr, sehr viele zivile Opfer gibt, dass die humanitären Zustände unerträglich sind, dass da viel zu viele Menschen sterben. Dabei würde ich es vielleicht belassen. Das beinhaltet natürlich auch den Umgang mit Journalistinnen und Journalisten, klar.
Frage
Herr Giese, wenn ich es richtig verstanden habe, wird es auch Gespräche mit der Palästinensischen Autonomiebehörde geben. Wird dabei ‑ wenn, mit welcher deutschen Intention ‑ der Plan des Präsidenten für die Abhaltung von möglichst freien Wahlen in den Palästinensergebieten beraten oder diskutiert?
Giese (AA)
Wir sind schon wieder bei den Gesprächsinhalten. Ich kann nur sagen: Dabei werden wir über alle Themen sprechen, die wir mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zu besprechen haben, und selbstverständlich gehören Themen wie Wahlen auch dazu.
Zusatzfrage
Die zweite Frage geht an Herrn Hille: Wenn die Bundesregierung der Meinung ist, dass alle Möglichkeiten genutzt werden müssen, um humanitäre Hilfstransporte nach Gaza zu lassen, bedeutet das, dass die Bundesregierung eine Aufhebung der Seeblockade fordert oder unterstützt? Die behindert ja nämlich auch die Anlandung von Hilfsmitteln über See.
Hille (BReg)
Sie hören ja üblicherweise gut zu. Ich habe „alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen“ gesagt.
Zusatzfrage
Ja, eben! Steht Ihnen die Möglichkeit, sich für eine Aufhebung der Seeblockade einzusetzen, nicht zur Verfügung?
Hille (BReg)
Ich habe zu dem Thema das gesagt, was ich dazu zu sagen habe.
Frage
Herr Giese, können Sie sagen, wie viele deutsche Staatsbürger sich noch im Gazastreifen aufhalten?
Giese (AA)
Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Ich werde meine Kollegen bitten, mir das nachzureichen, solange wir noch hier sind.
Zusatzfrage
Danke. Können Sie sagen, wie viele deutsche Staatsbürger sich noch unter den von der Hamas festgehaltenen Geiseln befinden?
Giese (AA)
Ich habe eine Zahl im Kopf. Ich würde aber, wenn ich die andere Zahl nachliefere, Ihnen gerne auch die konkrete Zahl nennen.
Frage
Der Kanzler hat angekündigt, dass der Außenminister mit seinen britischen und französischen Amtskollegen in die Palästinensischen Gebiete fahren würde. Fährt der Außenminister jetzt alleine dorthin? Warum hat das nicht geklappt?
Hille (BReg)
Da haben Sie den Kanzler in gewisser Weise missverstanden. Es geht um eine Reise des Bundesaußenministers, die er, wie Herr Giese gerade angekündigt hat, in dieser Woche unternimmt. Dann gibt es Überlegungen, ob es eine weitere Reise im E3-Format geben wird. Davon hat der Kanzler gesprochen. Dazu gibt es aber bisher keine Ankündigungen zu machen.
Frage
Ich habe eine Frage zum A400M, weil Sie gerade da dran waren, Herr Müller, allerdings zum Rückflug. Diese Maschine lässt sich ja bekanntlich auch für Krankentransporte umbauen. Ist daran gedacht oder wird noch in Erwägung gezogen, verletzte Kinder oder auch andere Verletzte aus dem Gazastreifen, die man ja nach Jordanien bringen könnte, aufzunehmen und hier behandeln zu lassen? Einige europäische Länder haben das ja angeboten; speziell im Kopf ist mir Holland.
Müller (BMVg)
Entsprechende Planungen sind mir nicht bekannt.
Ich möchte aber für den Kollegen noch etwas hinzufügen. Ich habe gerade noch einmal bei uns auf der Webseite nachgeschaut, auf der es um die Ladungen geht. Es geht um diesen Punkt mit den 22 Paletten. Da steht drin: 400 und ein paar Kilo pro Last. Das ist bei uns abgebildet, wird noch einmal erklärt. Ich will aber nicht ausschließen, dass es aufgrund der Kapazitäten von Packstraßen und Ähnlichem auch einmal geringere Beladungen gab. Ich will also auch gar nicht Ihre Fragestellung infrage stellen. Aber Sie können gerne noch einmal unseren Artikel anschauen, in dem auch noch einmal erklärt wird, vielleicht auch noch einmal für den Rest, warum wir welche Systeme auf welchen Luftfahrzeugen nutzen. Diese Anzahl 22 und ca. 430 Kilo, glaube ich, werden da noch einmal erklärt. Das habe ich gerade noch einmal nachgelesen. Das würde ich nachliefern.
Giese (AA)
Ich könnte, wenn Sie mögen, noch die Zahl in Bezug auf die Geiseln nachliefern. Das ist eine einstellige Zahl. Da sind wir nicht konkreter geworden.
In Bezug auf Gaza kann ich sagen, dass auf der Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes, für die man sich registrieren kann, eine niedrige dreistellige Zahl von Personen registriert ist.
Frage
Haben Sie denn Kenntnis, wie viele Deutsche in Gaza jetzt vor dem Hungertod stehen, Herr Giese?
Giese (AA)
Ich habe gerade schon gesagt, was unsere Erkenntnisquelle in Bezug auf die Deutschen ist. Das ist die Krisenvorsorgeliste. Darauf steht eine dreistellige Zahl von Personen. Aber die Sorge muss bestehen, dass selbstverständlich auch Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit von dem gleichen Schicksal wie alle anderen Menschen, die sich gerade in Gaza aufhalten, betroffen sind.
Zusatzfrage
Ich habe eine rechtliche Frage. Der IGH hat Israel schon 2024 verpflichtet, Mindestmaßnahmen zu ergreifen, damit die Bevölkerung nicht aushungert bzw. verhungert, und selbst diese Mindestmaßnahmen werden ja bisher nicht erfüllt. Das sagen ja Sie selbst auch. Mit der jetzt unzureichenden sogenannten Luftbrücke hilft Deutschland Israel laut Experten, diese Mindestmaßnahmen zu umgehen. Verstößt Deutschland damit jetzt nicht auch gegen die IGH-Maßnahmen? Herr Giese, können Sie uns das einmal aufdröseln?
Giese (AA)
Ich versuche einmal zu verstehen, was Sie gerade gesagt haben, einfach, um mir die Antwort zu überlegen. Sie meinen, indem wir humanitäre Hilfe nach Gaza mit Flugzeugen schicken, verstoßen wir gegen IGH-Anordnungen, den Menschen in Gaza zu helfen. Verstehe ich das richtig?
Zusatz
Nein. Israel muss diese Mindestmaßnahmen des IGH erfüllen, und die Mindestmaßnahmen sind eine komplette Versorgung der Bevölkerung. Jetzt bezieht sich Israel ja darauf, dass sogenannte Hilfe ‑ ein Tropfen auf den heißen Stein ‑ unter anderem durch Deutschland und andere Partner dort hingebracht wird, sodass es nicht diese Mindestmaßnahmen von vielen hundert Tonnen an Lkw-Ladungen pro Tag, zu denen es verpflichtet ist, durchlassen muss. Damit macht sich Deutschland laut Experten ‑ gestern hieß es das auch hier ‑ möglicherweise mitschuldig, diese IGH-Maßnahmen zu unterlaufen.
Giese (AA)
Ich glaube, wir haben es gerade schon gesagt, und ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass die humanitäre Lage in Gaza schrecklich ist. Der Außenminister fährt exakt aufgrund dieses Umstandes dahin, um einzufordern, dass mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangt. Wie gesagt, die Lage ist sehr, sehr dramatisch, und in einer sehr dramatischen Lage ‑ das haben wir ja hier auch schon ausgeführt ‑ sollte man alles unternehmen, was hilft. Das bedeutet aber nicht, dass man andere Sachen nicht tut, und auch das ist hier schon Thema gewesen. Neben diesen Luftabwürfen von Hilfsmaterialien muss es natürlich auch noch zur Eröffnung anderer humanitärer Wege in den Gazastreifen kommen. Das eine ersetzt nicht das andere, sondern das andere, die Luftabwürfe, können sozusagen nur ein Add-on zu dem sein, was an Land passieren muss. Ich glaube, das haben wir sehr, sehr deutlich gemacht.
Frage
Großbritannien hat angekündigt, wenn Israel die Situation im Gazastreifen nicht verbessere, im September Palästina als Staat anzuerkennen. Die Niederlande hat zwei israelischen Ministern die Einreise verboten. Wie bewertet die Bundesregierung diese Schritte?
Hille (BReg)
Richtet sich die Frage an jemanden speziell oder im Zweifel an mich? - Der Bundeskanzler hat sich ja in den letzten Tagen mehrfach dazu geäußert, zuletzt auch gestern in der Begegnung mit dem jordanischen König. Unsere Position dazu ist klar, dass eine Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit für die Bundesregierung jetzt nicht auf der Tagesordnung steht, sondern wir das als einen der abschließenden Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung einer echten Zweistaatenlösung ansehen, nicht am Anfang.
Zusatzfrage
Wenn jetzt auch Deutschland die Bedingung gestellt hat, die Situation in Gaza zu verbessern, würde die deutsche Regierung dann auch, um Druck auf Israel auszuüben, bei Sanktionen mitmachen?
Hille (BReg)
Wie Sie wissen, begleiten wir dieses Thema in den letzten Monaten sehr, sehr eng. Ich habe gerade auch schon erwähnt, wie häufig die Bundesregierung ‑ auch der Bundeskanzler persönlich und der Bundesaußenminister ‑ in Kontakt mit der israelischen Seite steht und unsere Positionen sehr, sehr klar gemacht hat. Ich kann das gerne noch einmal wiederholen, aber ich will Sie auch nicht langweilen, weil ich glaube, dass Ihnen unsere Position hinreichend bekannt ist.
Das Gleiche gilt natürlich auch für die Zukunft. Wir betrachten und beurteilen die Lage und haben sie weiterhin eng im Blick. Dazu hat der Bundeskanzler gesagt: Wir sind auch bereit, je nach Lageentwicklung weitere Schritte in den Blick zu nehmen. - Aber das ist alles ein Prozess, und das sind keine abgeschlossenen Vorgänge. Deshalb muss man da immer sehen, wie sich das entwickelt.
Für uns ist wichtig, dass es schnellstmöglich zu einem umfassenden Waffenstillstand in Gaza kommt, dass die Hamas entwaffnet wird, dass sie die Geiseln freilässt und dass, und daran arbeiten wir auch mit den Airdrops, die humanitäre Situation in Gaza deutlich verbessert wird, weil ‑ auch das hat der Bundeskanzler gesagt ‑ die Lage in Gaza absolut inakzeptabel ist.
Frage
Mich würde auch noch einmal etwas in Bezug auf Großbritannien interessieren. Deutschland ist damit ja jetzt das einzige Land innerhalb der E3, das sich nicht auf einem Pfad zur Anerkennung befindet. Damit steht es ja quasi irgendwie als einziges Land einer einheitlichen europäischen Position entgegen. Mich würde interessieren, ob Sie dadurch vielleicht größeren Druck fühlen, der irgendwann, am Ende des Prozesses, auch zu einer Anerkennung führen könnte.
Hille (BReg)
Ich würde Ihren Blick gerne von den wenigen Punkte weglenken, in denen wir im E3-Format und in der Europäischen Union nicht einer Meinung sind, und vielmehr darauf, wo wir einer Meinung sind, und das ist bei all den Themen, die ich gerade eben genannt habe, der Fall. Wir haben uns auch am Wochenende in engster Abstimmung mit den Briten und mit den Franzosen befunden, und uns einen diese Punkte. Sie erinnern sich an die gemeinsame Erklärung der E3 am Freitag, in der es genau um diese Punkte, die ich gerade skizziert habe, geht. Von daher ist da bis auf diese Frage kein Unterschied erkennbar. Dass man bei so einem Sachverhalt auch durchaus eine unterschiedliche Beurteilung haben kann, ist, glaube ich, ganz legitim.
Zusatzfrage
Wenn ich da noch einmal nachfragen darf: Dennoch muss man sagen, dass sich der Kanzler am Montag schon bewegt hat. Er hat sich Schritte vorbehalten, die in Richtung von Sanktionen auf europäischer Ebene gehen. Das ist meines Erachtens relativ neu. Mich würde interessieren: Können Sie vielleicht noch einmal aufschlüsseln, was dafür beim Kanzler den Anstoß gegeben hat, ob es vielleicht der Druck der europäischen Verbündeten war oder ob es die Bilder aus Gaza aus der letzten Woche waren? Was hat diese Kursanpassung bewirkt?
Hille (BReg)
Wie ich gerade schon gesagt habe, ist das alles ja ein Prozess, den wir engstens begleiten und auch ständig beurteilen. Auf Basis dieser Beurteilung nehmen wir dann auch Neujustierungen bzw. Nachjustierungen, wie ich es jetzt einmal nenne, vor und nehmen da auch eine Entwicklung wahr. Am Wochenende ‑ das darf ich noch einmal in Erinnerung rufen ‑ ist es seit Langem zum ersten Mal wieder zu größeren humanitären Hilfslieferungen gekommen. Diese Dinge passieren nicht von alleine. Das hat auch damit zu tun, dass wir und unsere europäischen Partner uns so eng abgestimmt und so nachdrücklich gegenüber Israel verhalten. In dieser Linie ist auch der Besuch des Außenministers, als ein weiterer Schritt zu sehen. Das Sicherheitskabinett wird in den kommenden Wochen sicherlich auch immer wieder zusammenkommen, um diese Lage zu beurteilen, und dann gegebenenfalls auch andere Maßnahmen treffen, andere Formulierungen wählen und möglicherweise zu anderen Ergebnissen kommen.
Frage
Herr Hille, teilt der Bundeskanzler die drastische Bewertung seines israelischen Kollegen Netanjahu, das, was in England angekündigt wurde, sei ein Geschenk an die Hamas?
Eine kurze Frage an Herrn Giese: Warum ist Ihr Minister nicht in New York auf der doch ziemlich wichtigen Sitzung, bei der es auch um die Zweistaatenlösung geht, sondern ‑ ich habe Respekt vor allen Menschen ‑ nur ein Staatsminister?
Hille (BReg)
Ich habe die Position zu der Frage gerade schon einmal erläutert. Eine Anerkennung der palästinensischen Staatlichkeit steht für die Bundesregierung jetzt nicht auf der Tagesordnung. Wir betrachten sie als einen abschließenden Schritt auf dem Weg hin zu einer Zweistaatenlösung und nicht als den Startpunkt oder den Beginn. Dem habe ich ansonsten nichts hinzuzufügen. Aus meiner Sicht ist das sehr deutlich.
Giese (AA)
Ich will jetzt gar nicht einordnen, wer für das Auswärtige Amt an Veranstaltungen teilnimmt. Herr Staatsminister Hahn ist sehr hochrangig, hat Deutschland da sehr hochrangig vertreten und hat die Position, die Deutschland dazu hat, sehr klar gemacht, nämlich dass es uns um ein starkes Signal der internationalen Einheit geht, dass die Zweistaatenlösung alternativlos ist und dass Fortschritte dahin dringend nötig sind. Das hat er als Vertreter der Bundesregierung getan, und ich glaube, das ist da auch angekommen.
Frage
Herr Giese, was hindert den deutschen Außenminister daran, die Erklärung von 15 Außenministern westlicher Nationen von gestern zu unterschreiben, in der es unter anderem um sofortige Freilassung der Geiseln, Entwaffnung der Hamas, sofortigen Waffenstillstand und Planungen für den Wiederaufbau Gazas geht? Das alles sind Positionen, die auch die Bundesregierung vertritt. Warum unterschreiben Sie diese gemeinsame Position nicht?
Giese (AA)
Ich glaube, Sie haben in Ihrer Frage vielleicht auch schon die Antwort formuliert. Das alles sind Positionen, die die Bundesregierung vertritt. Die Bundesregierung hat sie auch schon sehr häufig genannt. Es steht vollkommen außer Frage, dass die Bundesregierung diese Positionen vertritt. Darf ich noch einmal „unter drei“ gehen?
Vorsitzende Hamberger
Wir sind „unter drei“.
--- Teil „unter drei“ ---
Vorsitzende Hamberger
Dann gehen wir wieder „unter eins“.
Zusatzfrage
Herr Hille, Sie haben zur Kenntnis genommen, dass EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen angeregt hat, Israel von bestimmten Forschungsprojekten auszuschließen. Das ist ein Stück weit eine Konsequenz davon, dass Frau von der Leyen die Einhaltung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens offenbar nicht für gewährleistet hält. Gestern hat der Bundeskanzler sich dazu ausweichend geäußert, ob er die Position unterstützt. Sind Sie dazu heute ein Stück weiter?
Hille (BReg)
Dazu gilt auch das, was ich heute schon mehrfach gesagt habe: Wir haben all diese Dinge im Blick und beziehen sie in unsere Beurteilung mit ein. Sie haben den Bundeskanzler genannt, der sich dazu ja auch gestern geäußert hat. Wir werden die Dinge anhand der Lageentwicklung stetig bewerten und dann möglicherweise auch zu Entscheidungen kommen. Aber nach jetzigem Stand habe ich Ihnen in diesem Zusammenhang nichts mitzuteilen.
Zusatzfrage
Erfüllt Israel seine Voraussetzungen bzw. Verpflichtungen für die Realisierung des Assoziierungsabkommens aus Sicht der Bundesregierung?
Hille (BReg)
Sie hören mich schwer durchatmen, weil ich Ihnen jetzt zum wiederholten Male unsere Position zu Israel, die wir nicht nur heute, sondern am Montag und auch in den vergangenen Wochen schon etliche Male hier besprochen haben und die der Bundeskanzler deutlich gemacht hat. Ich möchte Sie damit tatsächlich nicht noch einmal unnötig behelligen. Ihnen allen ist klar, wie wir dazu positioniert sind. Der Bundeskanzler hat das dem israelischen Ministerpräsidenten gegenüber vielfach deutlich gemacht. Der Bundesaußenminister wird das auf seiner Reise morgen nach Israel ebenfalls tun. Damit ist, glaube ich, klar, was unsere Erwartungshaltung in Richtung Israels ist.
Einschränkung der Unabhängigkeit ukrainischer Antikorruptionsbehörden
Frage
Morgen wird im ukrainischen Parlament über ein wichtiges Gesetz von Präsident Selenskyj abgestimmt. Es geht um die Unabhängigkeit zweier Antikorruptionsbehörden. Es gibt viel Kritik, Proteste usw. Vergangene Woche haben der Bundeskanzler und der ukrainische Präsident dazu telefoniert. Danach sagte Präsident Selenskyj, er habe Deutschland angeboten, sich einer Expertise seines Gesetzesentwurfs anzuschließen. Friedrich Merz soll Hilfsbereitschaft signalisiert haben. Was ist der Stand? Wurden deutsche Experten irgendwie zu einer Expertise herangezogen? Was können Sie uns sagen?
Hille (BReg)
Dazu kann ich Ihnen keinen neuen Stand mitteilen, weil mir kein neuer Stand bekannt ist.
Giese (AA)
Ich kann Ihnen gern noch etwas dazu sagen. Wir begrüßen natürlich, dass die ukrainische Regierung auf die deutliche Kritik aus der eigenen Bevölkerung und von Partnern reagiert hat. Der vom Präsidenten neu in das Parlament eingebrachte Gesetzentwurf ist ein erster, richtiger Schritt. Dieses Gesetz muss jetzt zügig vom ukrainischen Parlament verabschiedet und anschließend vom Präsidenten unterzeichnet werden. Wir erwarten, dass dieser Prozess ohne Verzögerung und vor allem ohne Verwässerung erfolgt, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Wir werden dieses Gesetz auch eingehend prüfen und den weiteren Prozess aufmerksam verfolgen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen, aber bei der inhaltlichen Beurteilung wird die Einschätzung vor allem der ukrainischen Zivilgesellschaft sowie der betroffenen Antikorruptionsinstitutionen von zentraler Bedeutung sein. Diese beiden Antikorruptionsinstitutionen haben sich bereits positiv geäußert. Außenminister Wadephul hat vergangene Woche genau wie der Bundeskanzler, wie Sie schon gesagt haben, intensiv Kontakt zu seinem ukrainischen Amtskollegen gehabt. Meines Wissens soll das Gesetz am 31. Juli in eine Sondersitzung in der Rada eingebracht und dann in erster und einziger Lesung angenommen werden. Hier zählt das Ergebnis ‑ deswegen schauen wir auf den morgigen Tag ‑: keine Verzögerung und keine Verwässerung.
Zusatzfrage
Sie haben gesagt, Sie würden das prüfen. Das heißt, deutsche Experten sind dran, aber es dauert noch, bis sie mit einem Urteil oder ihrer Expertise, Analyse, wie auch immer, kommen, oder?
Giese (AA)
Ich habe ja gesagt, dass wir uns das anschauen. Wir sind dazu insbesondere mit der ukrainischen Zivilgesellschaft und mit den betroffenen Behörden direkt in Kontakt.
Zollabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA
Frage
Herr Hille, am 28. Juli hatten Sie noch im Namen des Kanzlers den sogenannten Zolldeal mit den USA begrüßt und der EU-Kommissionschefin ein großes Dankeschön für ihren Einsatz ausgesprochen. Jetzt gab es aus dem Rest der EU-Länder und auch aus der deutschen Industrie massive Kritik an dem Deal, auch an der Rolle von Frau von der Leyen. Da würde mich interessieren: Bleibt denn der Kanzler bei seiner positiven Einschätzung des Deals, auch bezüglich der Rolle seiner Parteifreundin von der Leyen?
Hille (BReg)
Ich hatte schon versucht, am Montag deutlich zu machen, worauf sich das Begrüßen bezieht. Das Begrüßen bezieht sich darauf, dass es eine Grundsatzeinigung zwischen der EU und der amerikanischen Administration gibt. Eine Vereinbarung ist besser als keine Vereinbarung. Der Kanzler hat sich mittlerweile auch selbst dazu geäußert.
Ich hatte das am Montag hier auch gesagt, dass wir uns natürlich bewusst sind, welche Herausforderungen mit dieser Einigung für die deutschen Unternehmen verbunden sind. Bei den einen sind die Herausforderungen etwas größer, bei den anderen etwas kleiner; aber grundsätzlich ist das im Inhalt natürlich eine Herausforderung.
Wir haben am Montag auch darüber gesprochen, ob wir uns mehr gewünscht hätten. Politik ist eben nicht Wünschbares, sondern das, was machbar ist, und das ist das Beste, was machbar war. So habe ich mich geäußert, und so hat sich der Bundeskanzler geäußert.
Der Dank bezieht sich darauf, dass es gut ist, dass wir diese Grundsatzvereinbarung getroffen haben; deshalb hat sie der Kanzler gestern oder vorgestern ‑ ich weiß es nicht mehr genau ‑ beim Statement auch selber wiederholt. Es ist gut, dass es eine Vereinbarung gibt und es nicht zu einer weiteren Eskalation und einem größeren Handelskonflikt kommt, in die wir gelaufen wären, wenn es bis zum 1. August., also übermorgen, keine Vereinbarung gegeben hätte. Das wäre für alle, die Unternehmen wie die Bürgerinnen und Bürger, deutlich schlimmer als die Vereinbarung gewesen.
Zusatzfrage
China wehrt sich sichtlich erfolgreicher gegen den US-Zollkrieg, und selbst ein Schwellenland wie Brasilien zeigt sich derzeit in der Lage, härter mit den USA verhandeln zu können, als die EU das tut. Da würde mich interessieren: Wie erklärt denn das Auswärtige Amt diesen Niedergang der EU-Verhandlungsmacht, wie er jetzt in diesem konkreten Fall sichtbar wurde?
Giese (AA)
Es gibt keinen Niedergang der EU-Verhandlungsmacht.