Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 16.05.2025

16.05.2025 - Artikel

Teilnahme Italiens an Gesprächen im „Weimar Plus“-Format

Frage

Gestern gab es einen Bericht in der „Welt“, dass während der Koalitionsverhandlungen Italien auf Druck der SPD aus dem Format „Weimar Plus“ herausgenommen worden ist. Ich wollte fragen, ob das stimmt und aus welchem Grund das gegebenenfalls geschehen ist.

Meine Frage zu Commerzbank und Unicredit stelle ich zurück, aber als drittes möchte ich fragen, ob unter den Themen, die besprochen werden, auch KNDS ist. Ich glaube, KNDS wollte gern übernehmen und Italien hat dann nicht geantwortet. Da gab es ein Quidproquo zwischen Italien und Deutschland. Wird das auch ein Thema sein? Die deutsche Presse hat dies sehr negativ kommentiert.

Wagner (AA)

Ich kann gerne zu dem ersten Teil antworten. Vielen Dank, dass Sie noch einmal nach diesem Format „Weimar Plus“ fragen. Das ist ein sehr wichtiges Format, das sich in den letzten Monaten mehrmals getroffen hat, um immer wieder Impulse und Ideen für die Sicherheit und Verteidigung in Europa zu geben. Der Bericht ist falsch, denn Italien ist und war Mitglied dieses Formats, zuletzt auch beim Treffen des „Weimar Plus“-Formats am Montag in London. In diesem Format ist Italien ein wichtiger und unerlässlicher Partner. Das Format ist inklusiv und offen.

Zusatzfrage

Italien ist ja momentan nicht bereit, an der “Coalition of the willing” teilzunehmen. Wäre es der Wunsch Deutschlands, dass Meloni mehr mitmacht?

Wagner (AA)

Sie beziehen sich ja auf die diplomatischen Bemühungen und die Gespräche, die es im Moment in verschiedensten Formaten gibt, um Antworten auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu finden und auf die Frage, wie man in einen Prozess hin zu einem Frieden in die Ukraine einsteigen kann. Da spielt natürlich Italien eine ganz wichtige Rolle. Wie gesagt: Das findet auf unterschiedlichsten Ebenen und in unterschiedlichsten Formaten statt.

Meyer (BReg)

Ihre zweite Frage bezog sich noch einmal auf mögliche Gesprächsinhalte. Wie gesagt, ich kann an der Stelle leider noch nicht vorgreifen.

Frage

Ich frage zu denselben Themen. Sie sagen schlicht und einfach, dass der Bericht falsch ist. In Italien hat es in den Medien einen großen Aufruhr gegeben. Das wird wahrscheinlich auch Thema der Gespräche zwischen Frau Meloni und Herrn Merz am Sonntag sein. Können Sie sich erklären, wieso so etwas herausgekommen ist? Ist es absolut ohne Grund herausgekommen, oder ist es eine Position, dass Frau Meloni irgendwie etwas exogen zu der aktuellen Konstruktion der Europäischen Union ist?

Wagner (AA)

Ich bezog mich explizit auf die Frage, ob Italien am „Weimar Plus“-Format teilnimmt. Es ist falsch, dass im Raum stand, dass Italien nicht Teil davon ist. Italien ist in diesem Format ein wichtiger Partner. Darüber hinaus ist Italien innerhalb der Europäischen Union für uns natürlich ein ganz wichtiger Partner, zu dem wir einen engen Austausch pflegen. Das gilt sowohl für den Außenminister auf seiner Ebene als auch für den Bundeskanzler.

Meyer (BReg)

Das kann ich nur zu 100 Prozent unterstreichen.

Frage

Italien wird natürlich nicht ausgeschlossen, aber auf jeden Fall auch nicht explizit erwähnt. Können Sie denn sagen, ob das während der Gespräche Thema war und ob auf Druck der SPD darauf verzichtet wurde?

Wagner (AA)

Ich weiß nicht, auf was Sie sich beziehen. Vielleicht beziehen Sie sich auf den Koalitionsvertrag, zu dessen Genese ich hier nicht sprechen kann. Ich kann aber über die zahlreichen „Weimar Plus“-Treffen sprechen, die es in den letzten Monaten gab, zuletzt in London. An denen hat Außenminister Wadephul teilgenommen, und dort war und ist Italien dabei.

Frage

Okay, Italien ist Teil dieses Formats. Aber stimmt es, dass Italien im Koalitionsvertrag nicht wie Frankreich und Polen als wichtiger Partner erwähnt worden ist? Da besteht ein Zweifel in Bezug auf die SPD. Ich schließe mich dem an, was Herr Pellino gefragt hat: Ist es vielleicht wirklich so, dass in der Regierung die Union gerne eine gute Zusammenarbeit mit der italienischen Regierung möchte und die SPD mehr Probleme damit hat?

Meyer (BReg)

Zur Genese des Koalitionsvertrags und dazu, wie dort die Entscheidungen zustande gekommen sind, kann und möchte ich nichts sagen. Es ist aber völlig klar, und das wird der Bundeskanzler sicher auch bei seiner Reise noch einmal betonen, dass die enge Zusammenarbeit mit Italien eine ganz hohe Priorität für Deutschland hat. Das sieht man auch jetzt rund um die Gespräche zum Thema Ukraine, wo es immer wieder enge Abstimmungen gibt. Das ist eine sehr hohe Priorität der Bundesregierung.

Wagner (AA)

Ich kann für Außenminister Wadephul ergänzen, der ja seinen italienischen Amtskollegen schon mehrfach in dieser sehr kurzen Zeit, in der er jetzt im Amt ist, getroffen hat, dass uns sehr an einer engen und konstruktiven Zusammenarbeit mit Italien gelegen ist.

Zusatzfrage

Herr Meyer, Sie erwähnen Italien in Bezug auf die Gespräche zur Ukraine. Gerade da haben wir gesehen, dass Frau Meloni zu diesem superwichtigen Treffen in Kyjiw nicht eingeladen war, obwohl in der Vergangenheit bei ähnlichen Terminen Draghi dabei war. Können Sie uns vielleicht sagen, warum Giorgia Meloni nicht dabei war? Hat das Deutschland oder eher Frankreich entschieden? Welches Problem gab es da?

Meyer (BReg)

Ich bleibe bei dem, was ich gerade gesagt habe: Die deutsch-italienischen Beziehungen genießen hohe Priorität. Es gibt in den unterschiedlichsten Formaten immer wieder ganz engen Austausch.

Erhöhung der Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten

Frage

Meine Frage richtet sich an Herrn Müller. Die Forderung des Außenministers gestern in Bezug auf das Fünf-Prozent-Ziel der Verteidigungsausgaben hat vor allem bei den Regierungsabgeordneten für Aufruhr gesorgt. Wurde Ihr Haus vor der Verkündung gestern über die Aussagen von Herrn Wadephul informiert? Wie bewerten Sie die Signalwirkung einer solchen Aussage, besonders mit Blick auf den NATO-Gipfel und die Forderungen der USA?

Müller (BMVg)

Unser Minister hat sich gestern ausgiebig zur Thematik geäußert. Er hat auch geäußert, was für ihn wichtig ist. Wichtig ist, dass wir die Fähigkeiten schaffen, um die Bündnisverteidigung und dem Auftrag der Bundeswehr gemäß Grundgesetz gerecht zu werden. Er hat auch ganz klar gesagt, dass dazu weitere finanzielle Anstrengungen nötig sein werden. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Prozess, der seit Monaten, wenn nicht seit Jahren läuft. Wir wissen das, und es ist auch kein neuer Weg, denn wir steigern ja nicht nur Ausgaben. Ich will gar nicht über Ausgaben reden. Wir steigern unsere Anstrengungen seit Jahren kontinuierlich, um diesen Weg weiter zu gehen. Wir werden dies in der Zukunft weiter konsequent fortführen. Maßgeblicher Meilenstein werden hier die NATO-Fähigkeitsforderungen sein, die im Juni zum Gipfel bekannt und final abgestimmt sein werden. Davon ausgehend wird dann innerhalb der Regierung festgelegt werden, wie dieser Weg weiter zu gehen ist.

Zusatzfrage

Es ist ja doch ein Geheimnis, ob das Haus im Vorfeld zu der Verkündung informiert wurde. Wurde das Haus darüber informiert?

Müller (BMVg)

Wir haben eine ganz interne Regierungskommunikation, die die Regierung ganz eng abstimmt. Alles weitere hat der Minister gestern gesagt.

Wagner (AA)

Als NATO-Ressort kann ich zum Verständnis von allem noch einmal einordnen: Das war eine Äußerung, die am Rande des informellen NATO-Außenministertreffens in Antalya gefallen ist. Im Moment wird der NATO-Gipfel im Juni vorbereitet. Da geht es eben um die Frage, wie wir uns für unsere Sicherheit und Verteidigung im Bündnis für die Zukunft aufstellen. Das ist im NATO-Prozess immer aus der Bedrohungslage, aus der Gefährdungslage abgeleitet. Im Moment stellt Russland die große Bedrohung für das Bündnisgebiet dar. Aus dieser Bedrohungslage heraus leitet die NATO dann Fähigkeitsziele ab und unterlegt diese mit einer Zielmarke, die es an Verteidigungsausgaben braucht. In der Hinsicht hat der NATO-Generalsekretär Mark Rutte einen Vorschlag unterbreitet, der 3,5 Prozent für Verteidigungsausgaben plus 1,5 Prozent für weitere sicherheitsrelevante Infrastrukturausgaben für Mobilität, Sicherheit, Resilienz vorsieht. Das ist ein Vorschlag, zu dem sich der Außenminister gestern eingelassen hat. Er hat aber auch betont, dass es dazu jetzt natürlich die Gespräche innerhalb des Bündnisses gibt.

Frage

Herr Meyer, ist das denn nun eine Position der Bundesregierung insgesamt oder bisher nur eine Positionierung des Außenministers?

Meyer (BReg)

Die Bundesregierung hat gestern in unterschiedlichen Konstellationen dazu kommuniziert und hat sehr klar gemacht, dass die Verteidigungsausgaben steigen werden. Das ist völlig klar, und es ist auch notwendig, wenn man sich anschaut, wie groß die Bedrohungslage für Europa und Deutschland sein wird. Es gab das große Finanzpaket, das durch den Bundestag gegangen ist und das auch eine Grundlage für den Koalitionsvertrag war. Sie wissen, dass eine Säule davon ist, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen und insbesondere im Bündnis Aufgaben wahrzunehmen. Zum weiteren Prozess haben die Kollegen gerade alles gesagt. Sie sahen hier gerade einen sehr glücklichen stellvertretenden Regierungssprecher, weil das sehr gut zusammenpasste. Das wird jetzt im weiteren Prozess, auch im NATO-Prozess entschieden. Am Ende wird es eine Entscheidung geben.

Zusatz

Dass die Verteidigungsausgaben steigen sollen, wissen wir ja eigentlich schon, das wussten wir auch schon vorgestern. Die Frage ist, ob sich die Bundesregierung insgesamt hinter diese Fünf-Prozent-Forderung bzw. die 3,5 Prozent plus 1,5 Prozent stellt oder nicht.

Meyer (BReg)

Das ist ein Vorschlag, der im Raum steht. Das wurde ja gerade beschrieben. Die Bundesregierung ist sich einig, dass man jetzt sich weiter in diesen Prozess bei der NATO einbringen wird und dann Entscheidungen treffen wird, auch im Rahmen des NATO-Summits, vor allen Dingen abgeleitet von Fähigkeitszielen.

Frage

Es gibt ja insofern ein kleines Problem, weil der Haushaltsentwurf vor dem NATO-Gipfel aufgestellt werden muss. Ist von daher diese öffentliche Äußerung von Herrn Wadephul nicht sogar berechtigt? Es muss ja eine Zielorientierung geben, die man vor dem NATO-Gipfel treffen muss, was den Haushalt angeht. Wäre der Bundeskanzler einverstanden, wenn man in diesem Jahr ‑ wie Herr Pistorius das anscheinend möchte ‑ die Verteidigungsausgaben auf mehr als 60 Milliarden Euro im normalen Einzelplan für den Verteidigungsaushalt anhebt?

Meyer (BReg)

Das Verfahren zum Haushalt und die Gespräche dazu beginnen jetzt sehr zeitnah. Den konkreten Verhandlungen möchte ich aber nicht vorgreifen. Klar ist: Die Verteidigungsausgaben werden steigen, müssen steigen. In Bezug auf die Positionierung zur NATO ist sich die Bundesregierung komplett einig.

Zusatzfrage

Sie sind nicht auf diesen Zeitkonflikt eingegangen. Heißt das, dass je nachdem, was auf dem NATO-Gipfel entschieden wird, der Haushaltsentwurf noch einmal überarbeitet wird?

Meyer (BReg)

Es ist völlig klar, dass das am Ende natürlich synchron erfolgen muss, weil beides am Ende zusammenpassen muss. Aber wir machen eins nach dem anderen, insbesondere wenn es um das NATO-Ziel und die Frage der Fähigkeitsziele geht.

Frage

Eine kurze Lernfrage an Frau Wetter. Fünf Prozent des BIP wären 220 Milliarden Euro im Jahr 2025. Da wären wir bei 45 Prozent des gesamten Bundeshaushalts. Ist der Bundesregierung klar, wie groß dieser Anteil ist, was das für ein Wahnsinn ist?

Wetter (BMF)

Ich kann dazu nur auf die Aussagen vom Bundesfinanzminister Klingbeil verweisen, der sich ja gestern im Rahmen der Pressekonferenz zur Steuerschätzung dazu geäußert hat. Wie es gerade schon von meinen Kollegen hier vorgebracht wurde, hat auch er noch einmal darauf verwiesen, dass die Bundesregierung vor dem Beginn der Koalitionsverhandlungen die Grundgesetzänderungen geschaffen hat, dass wir eine Ausnahme für die Verteidigungsausgaben haben und vor allem die Fähigkeitsziele der NATO im Fokus stehen.

Zusatzfrage

Ich hatte jetzt nur gebeten, dass Sie uns bestätigen, wie viel fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind. Herr Wagner: Weiß das der Außenminister? Herr Meyer: Weiß das der Bundeskanzler?

Herr Meyer, wir arbeiten hier nicht zusammen! Ich bitte Sie, diese unglückliche Formulierung nicht mehr zu verwenden.

Wagner (AA)

Natürlich weiß der Außenminister, was für die Sicherheit und Verteidigung Europas und Deutschlands notwendig ist. Es geht hier nicht um eine Fünf-Prozent-Debatte, sondern es gibt einen Vorschlag des NATO-Generalsekretärs für eine etwaige Zielmarke, über die man sich dann beim anstehenden NATO-Gipfel verständigen wird. Mit Bezug auf das, was Herr Rinke vorhin gefragt hat: Es geht nicht darum, es für diesen Haushalt in diesen Größenordnungen geltend zu machen, sondern es geht um NATO-Zielmarken, die eine gewisse zeitliche Streckung haben werden. Das sind auch keine Fantasiezahlen, sondern das sind Zahlen, die in der NATO von einer Bedrohungsanalyse ausgehend abgeleitet werden, und zwar abgeleitet von der Frage: Was müssen wir, um die Abschreckungs- und die Sicherungsfähigkeit der NATO beizubehalten, uns als Bündnis leisten, um unsere Sicherheit zu garantieren? Mark Rutte stellt dort dieses Modell 3,5 Prozent plus 1,5 Prozent in den Raum. Zur historischen Einordnung: Es gab schon Zeiten in diesem Land, zu denen wir Verteidigungsausgaben um die 3,5 Prozent hatten. Das ist noch gar nicht so lange her.

Vorsitzende Buschow

Ich glaube, das Gegenteil von „nicht zusammenarbeiten“ ist „gegeneinander arbeiten“. Auch wenn man auf zwei verschiedenen Seiten steht, arbeitet man zusammen, denn das Gegenteil verstehe ich nicht. Auf jeden Fall würde ich Sie bitten, Rufe zur Ordnung der Sitzungsleitung zu überlassen.

Zusatzfrage

Hier geht es um das Grundsätzliche. Journalisten arbeiten nicht mit PR-Leuten der Bundesregierung zusammen. Wir haben ein unterschiedliches Rollenverständnis. Darauf hat ja auch die scheidende Regierungssprecherin Hoffmann beim letzten Mal hingewiesen. Ich glaube, Sie waren auch dabei. Es ist essenziell, dass wir das hier trennen und nicht zusammenarbeiten.

Ich hatte gefragt, ob Herrn Merz klar ist, wie viel fünf Prozent eigentlich bedeutet.

Meyer (BReg)

Mathematisch, meinen Sie?

Zusatz

In der Relation.

Meyer (BReg)

Ich gehe davon aus, dass ihm das bekannt ist.

Frage

Herr Stratmann, der Kollege hat es ja schon erwähnt: Fünf Prozent des BIP entspräche über 40 Prozent des aktuellen Bundeshaushalts. Gerade angesichts der vielen Baustellen, die Ihr Ministerium im Bereich Arbeit und Soziales hat: Teilt denn die Ministerin diese aktuelle Prioritätensetzung auf das Militärische, die effektiv zulasten der ganzen sozialen Baustellen geht, die wir in dieser Republik haben?

Stratmann (BMAS)

Sie können davon ausgehen, dass regierungsinterne Beratungen stattfinden und da entsprechende Gespräche über einzelne Punkte stattfinden. Insbesondere darüber habe ich mich mit der Ministerin jetzt nicht ausgetauscht.

Zusatz

Aber meine Frage war ja eher grundsätzlicher Art, nämlich ob sie diese Prioritätenverschiebung hin zu Militärischem ‑ per se eigentlich nicht besonders nachhaltige Investitionen ‑ und merklich zulasten auch ihres eigenen Ministeriums, gerade im Bereich Arbeit und Soziales, so teilt, oder ob sie da eine andere Position einnimmt.

Stratmann (BMAS)

Sie können davon ausgehen, dass das Ganze regierungsintern beraten und abgestimmt wird und dass ich dem nichts hinzuzufügen habe.

Meyer (BReg)

Ich kann vielleicht noch einmal etwas ergänzen, weil es ja eine grundsätzliche, sehr klare Verständigung auch dieser Bundesregierung gibt, und das war ja auch der Hintergrund dieses Finanzpakets, dass am Ende natürlich beides möglich sein muss: mehr Ausgaben für Sicherheit, aber eben auch notwendige Ausgaben für soziale Sicherheit. Beides gehört zusammen, und das ist ein Wesensmerkmal dieser Koalition.

Frage

Vor einigen Wochen war ja die Begründung für die Aussetzung der Schuldenregelung für Aufrüstung noch, man müsse sich von den USA unabhängig machen. Jetzt gibt man aber dem Wunsch Trumps nach, die Ausgaben auf fünf Prozent zu steigern. Welche Begründung zählt denn aktuell noch? Will man sich unabhängig machen, oder will man näher mit dem NATO-Partner USA zusammenarbeiten? Es wird ja jetzt auch noch einmal von größerer Einigkeit gesprochen.

Meyer (BReg)

Es bleibt bei dem, was ich gerade gesagt habe. Natürlich hat eine enge Zusammenarbeit mit den USA eine hohe Priorität für diese Bundesregierung. Für alles, was Sie jetzt gerade auch in Richtung von Prozentzahlen etc. gesagt haben, verweise ich, wie gesagt, wirklich noch einmal auf den weiteren Prozess. Dabei geht es vor allen Dingen um Fähigkeitsziele, die jetzt im Rahmen der NATO festgelegt sind. Das ist der Prozess, der entscheidet, und am Ende wird es eine Festlegung geben.

Zusatzfrage

Man will sich jetzt also nicht mehr unabhängig von den USA machen, was ja die Hauptbegründung für das war, was dann hinsichtlich des Finanzpakets passiert ist?

Meyer (BReg)

Den Begriff „Hauptbegründung“ mache ich mir jetzt nicht zu eigen. Das ist Ihre Interpretation. Es ist völlig klar, dass sich Deutschland und Europa auch unabhängiger aufstellen wollen. Das ist ja auch wieder ein klares Wesensmerkmal dieses Koalitionsvertrags. Insofern sehe ich da, offen gesagt, jetzt keinen direkten Zusammenhang. Noch einmal: Es gilt, dass es um Fähigkeitsziele der NATO geht, es gibt dafür einen klaren Prozess, und am Ende wird eine Entscheidung getroffen.

Frage

Herr Meyer, ich würde gerne noch einmal etwas übergeordnet fragen. Diese Fünf-Prozent-Debatte entspringt ja einer Äußerung eines Ministers, die danach so ein bisschen eingeordnet wurde, wie ich es jetzt einmal vorsichtig nenne. Außerdem gab es ja den Vorstoß des Kanzlers zur Abschaffung der Lieferkettenrichtlinie innerhalb der EU, was auch nicht im Koalitionsvertrag steht, zumindest nicht so, sondern nur hinsichtlich der Abschaffung der nationalen Richtlinie. Es gab den Vorschlag von Frau Bas, Beamte in die Rente mit einzubeziehen, was auch nicht im Koalitionsvertrag steht. Sehen Sie also den Zeitpunkt für ein erstes Krisentreffen gekommen, das innerhalb der Bundesregierung nötig ist? Könnte man mit einer Sitzung des Koalitionsausschusses klären, wie man künftig kommunikativ innerhalb der schwarz-roten Koalition vorgehen will?

Meyer (BReg)

Der Koalitionsausschuss ist grundsätzlich Sache der Parteien. Insofern würde ich dazu für die Bundesregierung jetzt nicht Stellung nehmen.

Ich kann aber ganz klar berichten, und das hat Bundeskanzler Merz gestern unter anderem bei „Maybrit Illner“, aber auch in seiner Regierungserklärung ja noch einmal sehr klar gesagt, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung und auch der Start der Bundesregierung sehr vertrauensvoll waren, dass man zu jeder Zeit das direkte Gespräch sucht und auch in allen wichtigen politischen Fragestellungen wirklich abgestimmt nach außen agiert.

Zusatzfrage

Darf ich aber noch einmal nachfragen? Waren die drei Beispiele, die ich aufgezählt habe, dann Lappalien, waren das Patzer, oder wie muss man das einordnen?

Meyer (BReg)

Die Interpretation, mit der Sie das bewerten, ist am Ende ja ein Stück weit Ihre Aufgabe. Ich kann für die Bundesregierung sagen, dass es einen wahnsinnig engen Austausch zwischen den Ministern und auch dem Bundeskanzler gibt. Der Bundeskanzler ist sehr zufrieden damit, wie dieser Start in diesem Kabinett erfolgt ist. Insofern überlasse ich, wie gesagt, Ihre Interpretation natürlich Ihnen. Aber wir sind vonseiten der Bundesregierung mit dem Start wirklich sehr, sehr zufrieden.

Verbot politischer Parteien und Organisationen politischen Charakters in Mali

Frage

Meine Frage richtet sich an Herrn Wagner. In Mali ‑ in Westafrika, im Sahel ‑ hat die Militärregierung am Dienstag verfügt, politische Parteien und Organisationen, und zwar alle, aufzulösen. Der Juntachef könnte dann künftig auch Präsident werden. Ich wüsste gerne, wie die Reaktion der Bundesregierung darauf ist.

Wagner (AA)

Wir haben diese Entscheidung mit großer Sorge zur Kenntnis genommen. Das ist ja etwas, das sozusagen nicht ganz überraschend kommt. Das hat sich ja schon ein bisschen angedeutet. Dafür gibt es seit geraumer Zeit Anzeichen. Das ist ja auch nicht die erste Einschränkung politischer Akteure und Organisationen in Mali. Bereits 2024 hatte das Transitionsregime die Aktivitäten politischer Parteien ja vorübergehend suspendiert. Insofern ist es etwas, das wir mit großer Sorge sehen, auch, weil, wenn man auf die Stabilität Malis schaut, es natürlich ein inklusives politisches System braucht. Die malische Verfassung garantiert ein Mehrparteiensystem, und daran muss sich natürlich auch die Transitionsregierung messen lassen.

Zusatzfrage

Ich habe eine Nachfrage dazu, denn im Gespräch mit der Deutschen Welle hat der malische Außenminister Diop gesagt, dass eine deutsche Delegation am 22. Mai nach Bamako reisen werde. Werden Sie diese Sorge und Ihre Erwartungen mit Blick auf die Verfassung dann ansprechen?

Wagner (AA)

Ich habe jetzt hier keine Reise anzukündigen, aber Sie können davon ausgehen, dass wir das natürlich gegenüber der Transitionsregierung auch thematisieren.

Nahostkonflikt

Frage

Herr Wagner, zum Thema Gaza: Die neue Großoffensive Israels hat begonnen. Die letzten zwei Nächte vor Ort scheinen die tödlichsten der letzten Monate gewesen zu sein. Von der Bundesregierung und dem Auswärtigen Amt habe ich dazu bisher kein Wort gehört. Lassen Sie das laufen?

Wagner (AA)

Wir sind extrem besorgt bezüglich der Ausweitung der Kampfhandlungen in Gaza. Sie haben wahrgenommen, dass eine der ersten Auslandsreisen des neuen Außenministers nach Nahost ging. Sie ist in sehr enger Abstimmung mit seinem israelischen Amtskollegen geschehen. Es ist natürlich so, dass eine weitere Ausweitung der Eskalation der Lage, die aktuell ohnehin wirklich kolossal katastrophale Lage in Gaza verschlechtern würde. Insofern konzentrieren wir unsere gesamten Bemühungen darauf, dass wieder humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt. Sie haben gesehen, dass Außenminister Wadephul ‑ und ich glaube, auch der Bundeskanzler ‑ am Dienstag mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen gesprochen hat. Wie gesagt, es laufen sehr enge und intensive Abstimmungen auch mit unseren Partnern dazu.

Zusatzfrage

Sie sind besorgt, aber die Bundesregierung ruft Israel nicht dazu auf, diese Ausweitung zu stoppen.

Wagner (AA)

Wenn Sie sich die Äußerungen meines Ministers auf seiner Nahostreise anschauen, dann haben Sie dazu sehr viele Aussagen. Der Konflikt wird sich nicht militärisch lösen lassen. Es ist natürlich so ‑ und das gilt auch weiterhin ‑, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen. Sie haben gesehen, dass es auch diese Woche wieder Beschuss aus Gaza auf Israel gab. Natürlich darf sich Israel gegen Terror verteidigen, aber das muss im Rahmen des humanitären Völkerrechts geschehen. Da gibt es sehr, sehr viele Fragen. Diese Fragen nehmen wir mit der israelischen Regierung auf, und ich habe mich ja eben auch deutlich zu einer Ausweitung eingelassen.

Frage

Sie haben die humanitäre Lage angesprochen. Es herrscht Hungersnot. Sie haben in der Vergangenheit wiederholt gesagt, die israelische Regierung habe Ihnen versprochen, Gaza mit humanitärer Hilfe zu fluten ‑ Sie haben das gesagt und auch Herr Fischer hat das gesagt. Wenn jetzt deutsche Minister nach Israel reisen, fühlen sie sich dann belogen?

Wagner (AA)

Das ist ein Thema, das ganz oben auf unserer Agenda steht. Wir hatten in der Vergangenheit auch schon Situationen, in denen es einen Waffenstillstand gab und in denen die humanitäre Versorgung wieder angelaufen war und die Lage sehr viel besser wurde. Im Moment ist es tatsächlich so, dass im Grunde nichts nach Gaza hineinkommt. Natürlich nehmen wir mit unseren israelischen Partnern auf, dass es eine humanitäre Versorgung des Gazastreifens entlang der humanitären Prinzipien geben muss, und da ist natürlich auch die israelische Regierung in Verantwortung.

Zusatzfrage

Wenn solche Versprechungen ausgegeben werden, Israel jetzt aber jetzt keine Nahrung, keine humanitäre Hilfe nach Gaza hineinlässt, glauben Sie dann noch an die Äußerungen von Israel?

Wagner (AA)

Ich habe meinen Ausführungen von eben nichts hinzuzufügen.

Frage

Was ist bei diesem fürchterlichen Sterben in Gaza die Quelle Ihrer Erkenntnisse? Sind es UN-Behörden, ist es die von der Hamas beeinflusste Behörde in Gaza oder sind da andere Ermittlungen im Gange? Woher wissen Sie, wie viele Menschen, Frauen, Kinder, Ältere etc. getötet werden oder anders zu Tode kommen ‑ ich brauche die ganzen Todesarten nicht aufzuzählen ‑ und wie viele verhungern? Wie verlässlich und belastbar ist da Ihr Erkenntnisstand, Herr Wagner?

Wagner (AA)

Sie haben recht, dass die Informationslage schwierig ist; das ist einfach der Lage in Gaza geschuldet. Es gibt aber sehr viele Berichte von internationalen Hilfsorganisationen und von den Vereinten Nationen. Wie gesagt, das war auch ein wichtiges Thema der Gespräche, die wir mit UN-Generalsekretär Guterres diese Woche in Berlin geführt haben. Insofern gibt es da ein Bild, und dafür sind, glaube ich, kaum Worte zu finden. Die Lage ist katastrophal desolat und muss dringend verbessert werden.

Zusatzfrage

Hier in der Regierungspressekonferenz ist ja oft überlegt worden, wann der Genozid beginnt und ab wann diese Handlungen als genozidal bezeichnet werden können. Da sich ‑ Sie haben es gerade angesprochen ‑ viele Hilfsorganisationen dahingehend äußerten, dass sie sagen, das sei schon Absicht und es seien nicht nur Gefechtsfeldaktionen, die da ablaufen, und kein regelrechter Krieg im klassischen Sinne: Wann ist die Grenze zu genozidalem Handeln überschritten? Sie haben ein solches Handeln ja immer mit vielen klugen Sätzen zurückgewiesen, wenn man das unterstellt hat.

Wagner (AA)

Ob die Sätze klug sind, überlasse ich Ihrer Beurteilung. Was uns interessiert, ist die konkrete Lage vor Ort, und die muss sich dringend und schnell ändern. Dazu laufen viele diplomatische Bemühungen, dazu hat mein Minister Gespräche geführt, dazu sind wir in Kontakt mit den Amerikanern, natürlich mit unseren israelischen Partnern und auch mit anderen Partnern in der Region, zum Beispiel mit Katar, und darum geht es.

Was die Frage nach einem etwaigen Genozid angeht, so kennen Sie die Haltung der Bundesregierung dazu. Diese Frage ist ja Gegenstand eines Verfahrens vor internationalen Gerichtshöfen, und ich würde es den Richtern überlassen, dies zu beurteilen.

Frage

Noch einmal etwas Grundsätzlicheres: Herr Merz sprach sich in seiner Regierungserklärung ganz klar für die Wichtigkeit von Recht und Gesetz in Deutschland, Europa und der Welt aus. Auch Außenminister Wadephul betont, man wolle internationales Recht einhalten. In Bezug auf Israel müsste das nach dem im vergangenen Jahr veröffentlichten Gutachten des IGH ja bedeuten, dass Deutschland jegliche Unterstützung Israels beendet, die die illegale Besatzung der palästinensischen Gebiete aufrechterhält. Das heißt zum Beispiel, man müsste die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Unternehmen beenden, die in diesen illegalen Siedlungen produzieren. Es gibt auch noch ganz viele andere Implikationen. Gibt es konkrete Pläne, solche Maßnahmen im Einklang mit dem internationalen Recht auch umzusetzen?

Wagner (AA)

Zu dem Gutachten haben wir schon öfter ausgeführt. Es gibt noch einige Fragen zu den rechtlichen Folgen und der Bewertung des Gutachtens, und das ist zum Teil auch noch einmal an den IGH zurücküberwiesen worden.

Sie kennen die Haltung der Bundesregierung zur Siedlungspolitik Israels, und die hat sich auch nicht geändert: Diese Siedlungspolitik ist völkerrechtswidrig und muss aufhören; denn sie steht einer Zweistaatenlösung entgegen. Nach unserer festen Überzeugung ist die Zweistaatenlösung weiter der Weg, um zu einem dauerhaften Frieden in der Region zu kommen.

Zusatzfrage

Ganz genau, das ist mir bekannt. Die neue Bundesregierung sagt jetzt aber, sie wolle sich an das internationale Recht halten. Der IGH sagt eigentlich ganz klar: Das müsste bedeuten, dass man verhindert, dass die illegalen Siedlungen, die illegale Besatzung beendet werden muss. Deutschland müsste daran aktiv mitarbeiten. Inwiefern hat man das vor? Nur zu sagen „Wir setzen uns für eine Zweistaatenlösung ein“ und das nicht konkret zu forcieren, ist ja im Sinne des internationalen Rechts nicht genug.

Wagner (AA)

Diplomatie ist auch, mit seinem Partner in einem konstruktiven, aber ernsten Gespräch zu sein, und natürlich ist das etwas, was wir gegenüber der israelischen Seite thematisieren.

Frage

Herr Wagner, es gab massive Kritik auch von europäischen Partnern, nämlich von Spanien, Italien und Frankreich. Der spanische Ministerpräsident hat gesagt, dass man nicht mit einem genozidalen Staat Handel betreiben möchte, die italienische Regierung hat gesagt, dass diese mörderischen Angriffe durch nichts zu rechtfertigen seien, und der französische Präsident sprach von Sanktionen. Ab wann sollte es Konsequenzen für Israel geben? Wie viele Menschen, unter ihnen Kinder und Frauen, müssen noch sterben, bevor die Bundesregierung Konsequenzen dafür fordert?

Wagner (AA)

Wir strapazieren, glaube ich, die Geduld der Kolleginnen und Kollegen mit der Verlängerung dieser Bundespressekonferenz schon erheblich. Ihre Frage verleitet mich jetzt, hier sehr lang auszuführen.

Aber weil das auch Thema beim Nahostbesuch und beim Israelbesuch des Außenministers war, lassen Sie mich vielleicht noch einmal erklären: Es ist doch vollkommen klar, dass wir aufgrund unserer Geschichte ein ganz besonderes Verhältnis zum Staat Israel haben, und daraus ergehen auch ganz besondere Verpflichtungen für die Sicherheit des Staates Israels. Ich brauche nicht noch einmal zu wiederholen, dass Israel am 7. Oktober 2023 Opfer eines schrecklichen Terroranschlags geworden ist und dass Israel natürlich das Recht hat sich, gegen Terror zu wehren. Ich habe auch gesagt, dass es nach wie vor Beschuss der Hamas aus Gaza auf Israel gibt und weiterhin Geiseln in Gaza festgehalten werden, die freigelassen werden müssen.

Zugleich ‑ und das ist eben kein Gegensatz ‑ sind wir extrem besorgt angesichts des militärischen Vorgehens Israels im Gazastreifen und der humanitären Katastrophe, die dort gerade abläuft. Wir nehmen natürlich mit unseren israelischen Partnern immer wieder auf, dass ihr Vorgehen im Rahmen des humanitären Völkerrechts sein muss, dass dieses eingehalten werden muss und dass jetzt vor allen Dingen ‑ und darauf konzentrieren sich unsere aktuellen Bemühungen ‑ die humanitäre Lage in Gaza sehr rasch und schnell verbessert werden muss, indem eben wieder humanitäre Hilfe nach Gaza kommt. Dazu laufen die Gespräche; dazu sind wir mit den Vereinten Nationen im Gespräch, aber eben auch mit Israel selbst.

Schlagworte

nach oben