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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock anlässlich der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst

27.01.2024 - Rede

Also ich muss schon sagen: Sie sind ziemlich mutig, liebe Aachenerinnen und Aachener!

Letztes Jahr sind Sie mit Ihrer Wahl zur Ritterin ja schon ordentlich ins Risiko gegangen. – eine Hannoveranerin!

Da haben Sie sich natürlich zu Recht gefragt, wie man dieses Feuerwerk des norddeutschen Humors, was da letztes Jahr abgefeuert wurde, noch toppen kann.

Es war sehr schwierig, aber sie haben es geschafft.

Die Antwort war klar und deutlich. Und sie hieß --- ECKERNFÖRDE.

Denn aus Eckernförde, ich glaube als Außenministerin habe ich die Autorität das zu sagen: aus Eckernförde, da kommen einige der feinsten Dinge unseres wunderschönen Landes:

Schnaps. Hering. Die wunderschöne Ostseeküste.

Und --- Daniel Günther.

Als ich gehört habe, wer der nächste Preisträger ist, da habe ich mich nicht nur als Norddeutsche gefreut. Sondern ich habe mich auch als Grüne gefreut. Weil ich gedacht habe: Mensch, nochmal ein Grüner! Das hätte ich dem Karnevalsverein gar nicht zugetraut.

Denn Daniel Günther ist schließlich einer der profiliertesten Kritiker der aktuellen CDU-Parteiführung.

Ein Mann, der klar für Umweltschutz steht, der sich fürs Klima einsetzt, für ökologische Landwirtschaft, für Vielfalt und Demokratie und der vor allem für Vernunft eine starke Stimme in ganz Deutschland ist.

Und leider ist eine Stimme der Vernunft in der deutschen Politik – ich glaube, das müssen wir alle etwas selbstkritisch sagen – nicht an jedem Tag eine Selbstverständlichkeit.

Lieber Herr Ministerpräsident, lieber Daniel,

diese Stimme der Vernunft, das ist das, wofür Du stehst und wofür Dich, glaube ich, sehr viele auch außerhalb Schleswig-Holsteins schätzen:

Es geht dir – in Gegensatz zu manch anderem - in Deiner politischen Arbeit in erster Linie nicht um die persönliche Profilierung.

Es geht dir um die Sache.

Oder wie man bei Euch im hohen Norden so sagt: „Wat mut, dat mut.“

Du selbst hast einmal sehr norddeutsch nüchtern auf den Punkt gebracht:

„Ich habe mich noch nie abends darüber geärgert, dass ich eine Chance verpasst habe, jemandem eins auf den Deckel zu geben.“

Ich finde, das ist ein sehr schönes Zitat … schade, dass Friedrich Merz so kurzfristig dieses Jahr abgesagt hat. Aber die Absage war sicher nur ein Zufall und wir schicken ihm das Zitat dann sicher alle nochmal hinterher.

Und ich sehe, dass Wolfgang Kubicki ganz fleißig mitgeschrieben hat. Da hat sich der Abend dann schon mal gelohnt.

Andere aus dem hohen Norden – ich habe ja viel rumtelefoniert, bevor ich diese Laudatio halte -, die haben es eher so ausgedrückt:

Wenn es in der deutschen Politik einen perfekten Schwiegersohn gibt, dann ist es Daniel Günther.

Du selbst scheinst das etwas anders zu sehen.

Es gibt da nämlich ein anderes schönes Zitat von Dir.

Ich zitiere auch das, weil es so schön poetisch ist:

„Ich kenne die traurigen Augen der Frauen, wenn sie einen Habeck erwarten und einen Günther bekommen.“

Ich muss der Ehrlichkeit halber sagen: Ich denke eher ein bisschen an die traurigen Augen der vielen Menschen in unserem Land, die im nächsten Jahr bei der K-Frage der Union einen Günther erwarten und dann einen Söder bekommen…

Lieber Daniel, vielleicht ist es genau diese Bescheidenheit, diese Besonnenheit, die Dich ausmacht.

Deshalb arbeitest du mit den Grünen im Hohen Norden auch so erfolgreich zusammen – jetzt schon in der zweiten Amtszeit.

Das muss man auch erstmal hinkommen, zweite Amtszeit – auch keine Selbstverständlichkeit in diesen Tagen.

Bei uns in der Ampel haben wir uns eigentlich schon über die zweite Halbzeit gefreut, nicht wahr, Christian. Da sind wir gut ins neue Jahr gestartet

Und deswegen, lieber Daniel, hören Christian und ich Dir jetzt genau zu, wie Du das so hinbekommst. Leider ist der Dritten im Bunde heute nicht mit dabei. Aber dem können wir auch das ja gerne weitersagen.

Ich höre von vielen meiner Parteifreundinnen und –freunden in Kiel:

Mit Daniel Günther, mit dem Herrn Ministerpräsidenten, kann man gut reden. Der ist geduldig. Der gönnt auch mal der anderen Seite den Erfolg, weil ihm das Ergebnis am Herzen liegt.

So wie zum Beispiel bei der Windkraft. Das war schon in den Kieler Koalitionsverhandlungen einer der schwierigeren Punkte – die Abstandsregeln von Windkraft-Rädern.

Das kennen alle, die Politik machen, auf Landes- und auf Bundesebene, eines unserer Lieblingsthemen.

Und was macht Daniel Günther?

Führt er einen lautstarken „Kampf gegen Windmühlen“?

So wie der bayerische Don Quichotte, das Fähnlein im Winde im Süden…?

Nein. Daniel Günther atmet erstmal tief durch. Und dann sagt er: Wir finden einen Kompromiss.

Und was ist das Ergebnis? Vielleicht das, was einmal in die Geschichtsbücher eingehen wird, als der berühmte „Windfrieden von Schleswig-Holstein“.

Lieber Christian Lindner, ich glaube, das ist noch so ein Stichwort für uns. Vielleicht wäre dieses Konzept für uns auch ganz gut. Erstmal alle ein bisschen durchatmen, ein bisschen Luft reinlassen. Und dann klappt das vielleicht auch bei uns mit dem Windfrieden.

Daniel Günther, das heißt:

Stiller statt schriller.

Das heißt: spröde und ehrlich statt fies und gefährlich.

Im Gegensatz zu manch anderem braucht Daniel Günther kein Kreuzfahrtschiff und kein Privatflugzeug…

Wenn Daniel Günther mal etwas abheben will, dann schnürt er einfach seine Laufschuhe und rennt zum Feuerwehrfest nach Niebüll. Dort tanzt er dann freudig mit allen zu „Mach den Hub-Hub-Hub…“ Ich sing nicht weiter. Frauen und singen in der Politik, das kommt nicht so gut. Auch das kann Daniel Günther deutlich besser.

Da kommt der Höhenflug wie fast von selbst.

Auch „Layla“ war so eine Musikeinlage – also so ein bisschen Stammtisch braucht es offensichtlich bei Konservativen im Norden schon.

Aber im Ernst: Dass wir in Deutschland eine politische Kultur haben, die anerkannt wird von den Menschen, die dieses „Prinzip Daniel Günther“ schätzen, und dass das funktioniert, ich glaube, dafür können wir dankbar sein.

Eine politische Kultur, à la Daniel Günther, in der man sich streitet, statt zerfleischt.

Eine Kultur, in der es Politikerinnen und Politiker gibt, die unsere Gesellschaft zusammenhalten wollen und nicht spalten. In einer Welt und in einer Zeit, in der wir in einem zunehmenden Wettstreit zwischen Autokratien und Demokratien stehen, in der ruchlose Akteure ihre aggressiven Machtansprüche immer kaltblütiger ausleben, ob in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine oder im Terror der Hamas im Nahen Osten, in dieser Zeit ist es wichtiger denn je zuvor, unser Land, unser Europa demokratisch zusammenzuhalten.

Denn diese politische Kultur wird nicht nur von außen, sondern auch – das erleben wir dieser Tage, aber eigentlich erleben wir das in den ganzen letzten Jahren -, auch von innen angegriffen.

Ja, das wissen wir alle, nicht nur in Berlin, nicht nur auf Landesebene, sondern gerade vor Ort im Kommunalparlament, in den Schützenvereinen oder Karnevalsvereinen: Demokratie ist anstrengend.

Weil nicht ein starker Mann alles alleine entscheidet, sondern weil wir Parlamente haben, ein Bundesverfassungsgericht, eine freie, kritische Presse, eine starke Opposition und vor allem eine bunte, vielfältige, aktive Zivilgesellschaft. Und all das, all diese unterschiedlichen Puzzlestücke, machen unsere Entscheidungsprozesse nicht schneller.

Aber all das, all diese Puzzlestücke unserer Demokratie machen Demokratie und damit uns stärker.

Weil wir frei und offen miteinander um das beste Ergebnis ringen.

Weil in unserer Demokratie jeder und jede seine eigene Meinung haben darf und haben soll.

Weil man bei uns für mehr Windkraft sein kann, oder für weniger.

Weil man bei uns für offene Grenzen oder für stärkere Kontrollen an den Außengrenzen einstehen kann.

Weil man für eine Subventionierung des Agrardiesels, oder dagegen sein kann.

Weil man seinen Porsche feiern kann, genauso wie sein Lastenfahrrad.

Es ist unsere Verfassung, die genau diese Freiheit schützt. Die uns erlaubt, zu streiten, zu ringen und vor allem auch immer wieder den Kompromiss zu finden.

Und deswegen können wir nicht schweigen, wenn im Hinterzimmer Pläne geschmiedet werden, Menschen aus unserem wunderschönen, freien Land zu drängen, ja - zu deportieren. Wer solche Pläne schmiedet, der greift unsere Verfassung an.

Wer solche Pläne schmiedet, der greift, unsere Demokratie im Herzen an.

Wer solche Pläne schmiedet, der greift uns alle an.

Diesem Rechtsextremismus, meine Damen und Herren, stellen wir uns mit aller Kraft entgegen.

Und zwar mit aller Kraft, egal, aus welchen demokratischen Parteien wir kommen,

egal ob wir in Kiel, in Weimar, in Cottbus, in Aachen oder in einem unserer vielen Dörfer auf dem Land leben.

Egal ob wir Narren sind, oder spröde Norddeutsche, wie Daniel Günther und ich!

Genau diese demokratische Entschlossenheit, wenn es darauf ankommt, die Hunderttausende in den letzten Tagen in unzähligen Städten und Dörfern auf der Straße gezeigt haben – auch heute wieder hier in Aachen - die spiegelt das „Prinzip Daniel Günther“ wider.

Jetzt könnte man meinen: Es ist doch Karneval, ist das nicht ein bisschen langweilig, dieses Prinzip? Warum nominieren die Aachener so einen vernünftigen, sachlichen und nüchternen Menschen für den Orden wider den tierischen Ernst?

Weil, das haben wir heute wieder hier gesehen, es auch beim Karneval nicht nur um die lautesten Witze und die härteste Keule, um das Draufhauen auf den anderen geht.

Sondern um Haltung.

Darum, dass man sich selbst nicht so tierisch ernst nimmt. Sondern über sich selbst am meisten lachen kann.

Die Voraussetzung dafür ist, anzuerkennen, dass auch mal der andere Recht hat – oder einfach die bessere Pointe auf Lager.

Genau dafür steht er, der Orden wider den tierischen Ernst.

Und genau deswegen bist Du, lieber Herr Ministerpräsident, lieber Daniel, in diesen Zeiten genau der Richtige, ihn zu tragen.

Mit Stolz, mit Haltung und viel Leidenschaft.

Ich sage: Herzlichen Glückwunsch, lieber Daniel Günther! Herzlichen Glückwunsch an unsere Demokratie.

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