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Nicaragua: „Gewalt und Repression wie seit der Diktatur nicht mehr“

26.07.2018 - Interview

Staatsminister Niels Annen im Interview mit Zeit online über die aktuelle Krise in Nicaragua. Die Regierung müsse den Schutz der Bevölkerung sicherstellen und dürfe die Vermittlerrolle der Kirche nicht unterminieren, fordert Annen.

Herr Annen, Sie sind einer der wenigen deutschen Politiker, die sich bisher zur Krise in Nicaragua zu Wort gemeldet haben. Schon in den ersten Wochen äußerten Sie sich auf Twitter besorgt. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage?

Wir blicken im Auswärtigen Amt mit großer Sorge auf die Situation im Land. In den letzten Wochen erreichen uns täglich Nachrichten über Gewalt und Repression, wie wir sie seit Ende der jahrzehntelangen Diktatur nicht mehr erleben mussten. Für mich persönlich ist es darüber hinaus nicht eine weitere Krise unter leider viel zu vielen anderen. Ich habe eine besondere Beziehung zu dem Land. In meiner Jugend gehörte ich zu denen, die mit Nicaragua die Hoffnung auf ein gerechteres Gesellschaftsmodell verbunden haben. Meine Heimatstadt Hamburg hat seit dieser Zeit eine enge und aktive Partnerschaft mit Nicaraguas zweitgrößter Stadt Léon. Ich kenne einen Teil der Akteure. Daher geht mir die Situation nahe.

Die Bundesregierung hat sich bisher Kritik an der Regierung zurückgehalten. Statt von „Repression“, war stets nur von Gewalt die Rede. Wie kommt es, dass Sie nun deutlicher werden?

Nach mehr als 300 getöteten Demonstranten ist das notwendig. Wir mussten zudem erfahren, dass zuletzt wiederholt Mitglieder der katholischen Kirche angegriffen wurden, die im Rahmen des nationalen Dialogs zwischen Regierung und oppositioneller Bürgerallianz vermitteln sollen. Das hat mich zusätzlich erschüttert. Die Regierung muss den Schutz der Bevölkerung sicherstellen und darf die Vermittlerrolle der Kirche nicht unterminieren.

Innerhalb von drei Monaten hat sich ein friedliches Land in einen Ort des Schreckens verwandelt. Glauben Sie, dass Erklärungen wie Ihre vor Ort etwas ändern?

Wir müssen unseren Einfluss natürlich realistisch einschätzen. Aber es wird in Managua durchaus genau registriert, wie sich die internationale Gemeinschaft verhält und wie sich gerade ein Land wie Deutschland, das ja eine gemeinsame Geschichte mit Nicaragua hat, äußert. Die Organisation Amerikanischer Staaten hat in ihrer jüngsten Resolution zu Nicaragua übrigens die Gewalt und Menschenrechtsverletzungen im Land scharf verurteilt. Dies zeigt ja, dass auch die anderen amerikanischen Staaten von der Regierung in Nicaragua erwarten, ihre Bürger zu schützen und den nationalen Dialog ernst zu nehmen.

Anfangs hofften viele auf Gespräche auf einen Nationalen Dialog die katholische Kirche organisiert hatte. Dieser ist vorerst gescheitert. Wie müsste es Ihrer Meinung nach nun weitergehen?

Es ist wichtig, dass jetzt alle Beteiligten zum Wohle der nicaraguanischen Bevölkerung den nationalen Dialog mit Entschlossenheit fortführen. Tatsächlich müssen alle Seiten offen für konstruktive Gespräche sein. Auch die Opposition wird akzeptieren müssen, dass die regierenden Sandinisten Teil dieses Prozesses sind.

US-Finanzminister Steven Mnunchin sprach am vergangenen Wochenende auch über Sanktionen gegen Nicaragua. Welche Rolle kann die deutsche Bundesregierung bei der Lösung des Konflikts spielen?

Die USA sind angesichts ihrer historisch belasteten Rolle in Nicaragua gut beraten, sich eher zurückzuhalten. Deutschland wird auch weiterhin den Dialogprozess sowie die Arbeit der Interamerikanischen Menschenrechtskommission bei der Aufarbeitung begangenen Unrechts unterstützen. Das machen wir in enger Abstimmung mit der EU und anderen Partnern. Es ist auch wichtig, vor Ort zu zeigen, dass denjenigen, die sich für eine friedliche Lösung einsetzen, eine beeindruckende Welle der Solidarität entgegen schlägt – auch und gerade aus der deutschen Zivilgesellschaft.

Das Interview führte Laura Cwiertnia.

www.zeit.de

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