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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich des Neujahrsempfangs des Ost-Ausschusses – Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft am 10. Januar 2019in Berlin

11.01.2019 - Rede

Zunächst einmal vielen Dank, Herr Dr. Büchele, für die Einladung. Ich habe mich darüber wirklich sehr gefreut, vor allen Dingen, weil ich ja auch innerhalb der Bundesregierung als eine Art Russlandkritiker verschrien bin. Deshalb ist das ja vielleicht eine gute Gelegenheit, bei der sich jeder mal selber, unmittelbar und ungefiltert, einen eigenen Eindruck verschaffen kann.

Ich würde mich gerne auch bei Ihnen, Herr Dr. Büchele, bedanken für Ihre Eingangsworte, insbesondere auch mit Blick auf Europa.
In einem Jahr, in dem in Europa Wahlen zum Europäischen Parlament anstehen, finde ich, kann man das schon einmal sagen. Und ich finde, Sie haben vollkommen Recht und es ist einer der wichtigsten Punkte unserer Agenda im Auswärtigen Amt, das, was Sie als „Europe united“ beschrieben haben.
Und zwar aus zwei Gründen. Wir leben in einer, ich sage es jetzt einmal etwas salopp, wir leben in der Zeit des „America first“. Demnächst kommt vielleicht noch „Brexit first“ dazu und was auch immer. Aber im Grunde genommen ist es eine Entwicklung, die hat was mit dem Erstarken von populistischen Bewegungen zu tun, die sich insbesondere auf nationale Lösungsansätze zurückziehen. Und das ist gefährlich. Und deshalb ist nach meiner festen Überzeugung, sowohl für unsere Werte, denen wir uns verpflichtet fühlen - Demokratie, Freiheit und Menschenrechte –, aber auch für unsere Interessen, und zwar unsere legitimen Interessen, eine Antwort darauf: „Europa“.

Paul Henri Spaak, ein ehemaliger belgischer Premierminister, einer der vergessen Gründungsväter der Europäischen Union, hat einmal gesagt, es gibt in Europa nur zwei Arten von Ländern: Kleine Länder und Länder, die noch nicht gemerkt haben, dass sie klein sind. Und ich glaube, da ist was dran. Vor allen Dingen heute, wenn wir uns in diesem Zeitalter mit den Herausforderungen auseinandersetzen müssen, auch mit den geostrategischen Machtspielen, die es zur Zeit gibt. Damit meine ich nicht nur „America first“, damit meine ich auch China, auch Russland. Da sind wir gut beraten, wenn wir die Geschlossenheit der Europäischen Union suchen, um unsere Werte und Interessen durchsetzen zu können.

Und der zweite Punkt, weshalb ich fest daran glaube, dass das der richtige Weg ist im Gegensatz zur Abschottung und Protektionismus und was es von den Populisten gibt: Alle Herausforderungen, alle großen Herausforderungen, mit denen wir uns im Moment auseinandersetzen, sind sehr unterschiedlich. Aber sie haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind alle grenzenlos. Die Globalisierung kennt keine Grenzen. Der Klimawandel kennt keine Grenzen. Die Digitalisierung kennt keine Grenzen. Die Migration ist schon per se etwas, was mit der Überwindung von Grenzen zu tun hat. Und deshalb kann eigentlich in der Zeit, in der man sich solchen Herausforderungen gegenüber sieht, man nur daran festhalten und engagiert dafür arbeiten, dass es eben nicht diesen Rückfall in nationale Lösungsansätze gibt, sondern dass das, was wir als Multilateralismus bezeichnen, auch in Zukunft Bestand haben wird.
Aber so wie die Dinge sich entwickeln, muss man feststellen: das ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Und wir müssen mehr dafür tun, als wir das in der Vergangenheit gewöhnt sind. Und auch deshalb will ich vielleicht noch einfügen und ich sage das als ein Vertreter meiner Generation, aufgewachsen in Westdeutschland: Alles, was mein Leben gut und schön macht – Freiheit, Rechtsstaat, Bürgerechte –musste ich mir nicht erkämpfen, es war alles schon da. Und ich kenne das aus meiner Generation, dass Viele das alles, weil sie es gar nicht anderes kennen, für Selbstverständlichkeiten halten.

Wenn ich mir die Entwicklung auf der Welt anschaue und wenn ich mir auch die Entwicklung in einigen europäischen Staaten anschaue, aber vor allen Dingen darüber hinaus, komme ich zu dem Ergebnis, dass die Zeit der Selbstverständlichkeit vorbei ist. Und dass es nicht nur schön und gut ist, die Rechte, die man hat, und die andere vor Jahrzehnten für uns erkämpft haben, zu nehmen. Sondern man muss sie auch verteidigen.

Deshalb würde ich mir wünschen, dass es bei vielen Themen auch eine breitere politische Debatte gibt. Und bei vielen der Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen.
Herr Berger ist heute Abend ja auch hier, den Sie ja aus der Zusammenarbeit kennen. Eines ist uns in den letzten Monaten sehr deutlich geworden: Die Themen Politik und Wirtschaft, also das, was in der Außenwirtschaft zusammenläuft, stehen in einem immer engeren Zusammenhang. Deshalb kann ich Ihnen sagen, denn wir sind ja auf einem Neujahrsempfang, da blickt man zurück, aber auch nach vorne: Das letzte Jahr ist eins, das ich mit meinen Erfahrungen als intensiv bezeichnen würde.

Bei all den Gesprächen, die ich geführt habe, sei es hier in Berlin, in New York, in Moskau, in Warschau, ist sehr, sehr deutlich geworden, wie groß die Herausforderungen sind, denen wir uns gegenübersehen und wie weit die Lösungsansätze mittlerweile auseinanderlaufen.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass das in diesem Jahr irgendwie weniger wird, den Eindruck habe ich nicht und ich glaube auch, ehrlich gesagt, dass Sie ihn nicht haben.
Ich denke, dass das für die Arbeit im Ostausschuss-Osteuropaverein ebenso gilt wie das für uns im Auswärtigen Amt. Zumal eben die Verknüpfungen zwischen Außenpolitik und Wirtschaft immer enger werden. Das sieht man an den Themen Handelsstreit, an den Themen neue Zölle, Strafzölle. Aber auch daran, dass Wirtschaftssanktionen ein immer intensiveres Instrument der Außenpolitik in den heutigen Zeiten geworden sind.

In Zeiten, in denen Sorgen um die Zukunft der Weltwirtschaft wachsen - und das hat natürlich etwas mit diesen Entwicklungen zu tun - hat der wirtschaftliche Austausch mit unseren östlichen Nachbarn, wie wir finden, eine herausragende Bedeutung.
Ich finde, dass Sie und Ihre Organisation, die ja aus Organisationen zusammengewachsen ist, das mit Ihrer Fusion anschaulich illustrieren:
Der deutsche Außenhandel mit den 29 Ländern, Dr. Büchele, von denen Sie eben gesprochen haben, in denen Sie tätig sind, ist in der Summe bedeutsamer als unser gesamter Handel mit den USA und China zusammen. Ich bin mir nicht sicher, ob das der breiten Öffentlichkeit in unserem Land so bekannt ist.
Der Handel mit den Visegrád-Staaten allein übertrifft bereits den mit China – und den mit Russland sogar um ein Vielfaches.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Themen, um die Sie sich kümmern, sind Themen, die ganz maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinflussen.
Und dabei ist klar: Auch „Ihre“ Region bleibt von den Turbulenzen der Weltwirtschaft nicht verschont. Der IWF hat seine Vorhersage für das entsprechende Wirtschaftswachstum um 0,2 Prozent gesenkt und hat dabei vor allem auf die Handelskonflikte in der Weltwirtschaft verwiesen.

Dahinter steht ein besorgniserregender Trend, und das ist einer, mit dem wir uns im Auswärtigen Amt gerade ganz außerordentlich beschäftigen: Die regelbasierte Weltordnung – und ich sage ganz bewusst: nicht nur die Weltwirtschaftsordnung, wird immer stärker in Frage gestellt.

Die Handelspolitik wird zu einem Instrument der Außenpolitik. Nationale Egoismen und Nullsummendenken nehmen bedauerlicherweise zu.
Das hat eine fatale Konsequenz: Denn mit dem Aufschwung nationalistischer Politikansätze steigt auch die Gefahr ernster Konflikte – und zwar nicht nur politischer, sondern eben auch in Handelsfragen. Und das ist das, was wir gerade aktuell erleben

Das betrifft auch die Region von Mittel- und Osteuropa über Zentralasien bis nach Wladiwostok, das zeigen die aktuellen Entwicklungen.

• Ich denke dabei, und Herr Doktor Büchele, Sie haben es angesprochen, an das Asowsche Meer. Dieser Konflikt und diese Ereignisse haben uns gezeigt hat, wie schnell der russisch-ukrainische Konflikt jederzeit eskalieren kann.
Und auch die Diskussion um die russische Verletzung des INF-Vertrags wird in den kommenden Wochen die Politik intensiv beschäftigen. Und ich hoffe, dass es uns gelingt, dazu noch eine Lösung zu finden. Auf jeden Fall werden wir uns auch mit Themen der weltweiten Rüstungskontrolle in Zukunft noch intensiver auseinandersetzen. Und wir wollen die Tatsache, dass wir seit 10 Tagen Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sind, dazu auch nutzen.

• Herr Dr. Büchele, Sie haben den Westlichen Balkan angesprochen. Wenn ich mir anschaue - heute Morgen war der kosovarische Außenminister bei mir zu Gast – wie belastest das Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien ist, dass Strafzölle ausgesprochen werden, dass eine Nichtanerkennungspolitik zwischen Serbien gegenüber dem Kosovo betrieben wird. Dann ist das nichts, was uns in irgendeiner Weise beruhigen könnte.
Und auch da zeigt sich letztlich die immer stärkere Wechselwirkung zwischen Politik und Wirtschaft.

In all diesen Fällen gilt: Ohne Regeln, die für alle gelten, ohne Berechenbarkeit, Verlässlichkeit und Transparenz nehmen die Spannungen zu – und zwar zum Nachteil aller Beteiligten. Das bleibt nicht ohne wirtschaftliche Effekte.

Und deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren,
ist es in dieser Zeit ein Ziel unserer Arbeit, so banal sich das anhört, die internationale Ordnung zu stabilisieren. Und das kann eben nur gelingen, wenn wir als Europäer innerhalb der EU vor allen Dingen geschlossen auftreten.

Das gilt aber auch für die Frage, wie wir mit unseren östlichen Nachbarn außerhalb der EU umgehen wollen.

Wir sind der Auffassung, dass wir eine europäische Ostpolitik brauchen – anders als im Kalten Krieg – eine, die zwei Dimensionen hat: Eine innere und eine äußere. Innerhalb der EU brauchen wir eine Kultur des gemeinsamen, abgestimmten ostpolitischen Handelns.

Wir müssen, und das ist die Realität in der Gegenwart, den derzeit in Brüssel herrschenden Minimalkonsens in der Ostpolitik endlich überwinden. Das wird nicht ausreichen.

Denn nur dann wird eine starke und eine gemeinsame Politik gegenüber unseren Nachbarn außerhalb der Europäischen Union überhaupt erst möglich werden.

Und ich werde auch ein paar Beispiele konkret dafür nennen, worum es uns dabei geht. Denn es ist ja gerade innerhalb der EU so, dass wir eine Debatte führen darüber, wie denn insbesondere auch die Mitgliedstaaten in der EU östlich von uns überhaupt in der EU gehalten werden. Nicht formal, aber letztlich doch in gemeinsamen Lösungen für die großen Herausforderungen. Und ich glaube auch, dass wir uns darum intensiver kümmern müssen, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Deshalb bin ich froh darüber, dass wir
• mit unserer polnisch-deutschen Positivagenda zum Beispiel, die wir im November bei den Regierungskonsultationen in Warschau vereinbart haben, Schritt für Schritt weiterkommen. Auch wenn es Punkte gibt, die im deutsch-polnischen Verhältnis durchaus kritisch miteinander besprochen werden, wenn der deutsch-polnische Handel immer neue Rekordmarken erreicht, zuletzt waren es 110 Milliarden Euro, dann ist das ein Hinweis, dass es Potentiale gibt, die wir weiter nutzen wollen.

• Mit dem slowakischen Außenminister habe ich einen vertieften Austausch beider Regierungen verabredet, weil es den bisher überhaupt nicht gegeben hat.


• Und zudem werden wir mit Tschechien den seit 2015 bestehenden erfolgreichen Dialog nicht nur vertiefen und intensivieren, sondern ihn auf weitere Felder erweitern.

• Und mit unserer Teilnahme an der von mittel- und osteuropäischen Partnern initiierten Dreimeere-Initiative wollen wir zu einem enger zusammenwachsenden Mitteleuropa im Herzen der Europäischen Union beitragen.

Das ist vor einigen Monaten anders gewesen, weil wir uns in Deutschland nicht dazu entscheiden konnten, uns an einer solchen Initiative zu beteiligen, weil die Gefahr gesehen wurde, dass sich osteuropäische Staaten miteinander verabreden, um Spaltungstendenzen in die Europäische Union zu tragen. Und ich war relativ schnell der Auffassung, dass man das am Besten verhindern kann und daraus eine positive Agenda machen kann. Wenn wir uns mit an den Tisch setzen und Deutschland anbieten als Brücke zwischen Ost- und Westeuropa. Und ich finde, das ist eine Rolle, die uns gut zu Gesicht steht.

Letztlich signalisieren wir damit vor allen Dingen unseren osteuropäischen Nachbarn, dass wir ihre Anliegen ernstnehmen, dass wir bereit sind, sie in unsere Entscheidungsfindung einfließen zu lassen

Wir wollen die Zukunft der Europäischen Union und eine europäische Außenpolitik gemeinsam mit Ihnen gestalten. Dieses Angebot gilt nach dem Brexit – völlig unabhängig davon ob er geregelt oder ungeregelt verläuft - umso mehr. Der Brexit, bei dem in der nächsten Woche maßgebliche Entscheidungen getroffen werden, bei denen wir zumindest erhoffen, dass er in einem geregelten Verfahren über die Bühne geht, wird dazu führen, dass es einige strategische Neuorientierungen gibt. Wir werden unser Verhältnis mit Großbritannien bilateral vertiefen müssen, weil Großbritannien politisch und wirtschaftlich für uns ein viel zu wichtiger Partner ist. Aber wir werden in der Europäischen Union noch feststellen, wie sehr uns die Briten fehlen werden. Und auch dort glaube ich liegen Osteuropa-Potenziale, die man dazu in Angriff nehmen kann.

Meine Damen und Herren,
Kernbestandteil einer neuen Europäischen Ostpolitik ist natürlich das Verhältnis zu Russland. Das gebietet zum einen schon die Geographie. Das gebieten unsere gemeinsamen Interessen an Sicherheit in Europa. Das gebieten die engen Bindungen, die es zwischen Deutschen und Russen gibt. Und das hat auch etwas zu tun, mit der Geschichte unseres Landes und der russischen Geschichte. Ich glaube auch, dass man sagen muss – und ehrlich gesagt, ich glaube, dass das nichts anderes als die Realität ist - dass Russland in den letzten Jahren auch Vertrauen verspielt hat. Und trotzdem setzen wir uns dafür ein, Russland als Partner in der Außenpolitik zu haben, weil wir wissen, dass bei der Lösung der großen Konflikte - in der Ukraine sowieso, aber auch in Syrien, auch bei anderen Konflikten, wir diese ohne Russland nicht gelöst bekommen.

Und deshalb, auch weil wir eben seit einigen Tagen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zusammen mit Russland sitzen, ist das ein weiterer Grund für eine enge Abstimmung, die ich mit meinem Kollegen Sergej Lawrow auch vereinbart habe.

Und weil darüber viel diskutiert worden ist, wie denn das Verhältnis zu Russland unter Außenminister Maas ist oder sich entwickelt hat, und darüber viel geschrieben worden ist, aber manchmal ich den Eindruck habe, nicht so genau hingeschaut wurden ist, was denn wirklich operativ geschieht.

Ich will einige Beispiele nennen. Seit der Annexion der Krim gibt es eine Vielzahl von Formaten, die wir bilateral machen, die eingestellt waren. Und die werden wir teilweise wieder aufleben lassen: Seit Mitte November gibt es wieder die deutsch-russische Hohe Arbeitsgruppe für Sicherheitspolitik, die bereits mehrfach getagt hat und die ganz essentiell ist, zur gemeinsamen Beratung und Abstimmung sicherheitspolitischer Fragen. Deutschland ist es gewesen innerhalb der NATO, die die Einberufung des NATO-Russland-Rates, den es auch schon lange nicht mehr gab, beantragt hat und die Einberufung ist nicht nur angenommen worden, sondern der NATO-Russland-Rat hat getagt und er soll auch wieder tagen, um Fragen um die Kündigung des INF-Vertrages zu beraten.
Ich werde auch in diesem Monat noch einmal nach Moskau reisen, um mit meinem Kollegen nicht nur über die Zukunft des INF-Vertrages zu sprechen, sondern auch über Wirtschaftsreformen in Russland, von denen viele von Ihnen schon sehr deutlich gemacht haben, wie notwendig es ist, dass diese Reformen weiterbetrieben werden und dass die Reformagenda auch die Voraussetzung dafür ist, um zukünftig massiv in Russland zu investieren.

Und deshalb, meine Damen und Herren:
Wir wollen eine möglichst enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Russland – auch das muss Ziel einer Europäischen Ostpolitik sein.

Aber um dorthin zu gelangen, brauchen wir einen echten, ehrlichen Dialog. Und wir brauchen auch klare Prinzipien. Umso komplizierter das Verhältnis ist, desto klarer muss auch die Sprache werden. Und deshalb ist es wie ich finde richtig, dass wir dort, wo es Probleme gibt und die gibt es nun einmal, sie auch offen miteinander ansprechen – ich weiß auch ehrlich gesagt gar nicht, wie das anders mit Sergej Lawrow gehen soll. Und ich habe auch ehrlich gesagt, dass das auch eine Voraussetzung dafür ist, russischen Respekt in der Außenpolitik überhaupt zu bekommen. Und deshalb: fragen Sie Sergej Lawrow über unsere Zusammenarbeit! Zählen Sie die Formate und Initiativen auf, die wir in den letzten Monaten bilateral auf den Weg gebracht haben oder die wir wiederbelebt haben, weil sie eingestellt worden sind. Das ist mehr an gemeinsamen und bilateralen Aktivitäten, als es in den letzten Jahren gegeben hat.
Und dann kommen wir zu einem Thema, das mich nahezu international verfolgt: Nord Stream 2. Es ist manchmal eine nahezu groteske Situation, dass man im eigenen Land nicht gerade als Russland-Versteher gilt, aber dort, wo man international unterwegs ist, permanent kritisiert wird wegen eines Projekts mit Russland, nämlich Nord Stream 2. Und deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich auch dazu etwas sagen.

Es ist tatsächlich so, dass in unterschiedlichen Formaten und unterschiedlichen Organisationen dieses Thema immer wieder angesprochen wird von vielen unserer osteuropäischen Nachbarn, um die ich mich ja so sehr bemühe. Aber auch im Verteidigungsbündnis in der NATO ist es mittlerweile ein Thema. Und selbst wenn ich in der Vollversammlung der Vereinten Nationen sitze und der Rede des amerikanischen Präsidenten zuhöre, muss ich mir anhören, dass wir in Deutschland anscheinend auf dem falschen Weg befinden, weil wir uns wegen dieses Projektes in die Abhängigkeit von Russland begeben. Dass daran in der Sache nichts ist, brauche ich, glaube ich, an dieser Stelle nicht zu begründen. Im Übrigen waren bei dieser Rede, der ich da lauschen durfte, manche Dinge etwas gewöhnungsbedürftig. Der amerikanische Präsident hat in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen drei Länder kritisiert: den Iran, Venezuela und Deutschland. Ich fühle mich da nicht so gut aufgehoben. Und ich glaube das hat man auch bei einigen Bildern im Fernsehen gesehen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, an unserer Haltung, und deshalb will ich das hier auch noch einmal deutlich sagen, zu Nord Stream 2 hat sich nichts geändert. Es stellt keinen deutsch-russischen Sonderweg dar.
Das sagen wir allen Kritikern des Projekts - in Europa und auch in Washington. Die Fragen der europäischen Energiepolitik die müssen in Europa entschieden werden und sonst nirgendwo. Und natürlich, und auch das will ich ansprechen, ist uns dabei die Ukraine auch nicht gleichgültig.

Und deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Präsident Putin im letzten Jahr eine Zusage gegeben hat, den Erdgastransit durch die Ukraine fortzusetzen, auch beim Bau von Nord Stream 2, ist eine Zusage, um deren Umsetzung wir uns im Übrigen auch noch kümmern müssen. Aber es ist eine Zusage, die würde es nicht geben, wenn wir uns um dieses Projekt nicht kümmern würden. Wenn, wie teilweise von uns verlangt wird, wir uns aus diesem Projekt zurückziehen, gehen einige davon aus, dass dieses Projekt dann nicht zustande kommt. Das kann ich nicht beurteilen. Aus Russland gibt es auch anderslautende Botschaften. Und selbst, wenn die noch fehlende Genehmigung von Dänemark nicht erteilt wird: Es gibt schon eine Alternativroute über internationale Gewässer, die keiner dänischen Zustimmung bedarf. Und ob es nicht auch möglich sein wird, andere Zulieferunternehmen zu finden, die mit Zeitverzug dann trotzdem diese Pipeline bauen, sei mal dahingestellt. Aber eins muss man doch sehen und das sage ich auch immer meinen ukrainischen Freunden: Wenn wir uns nicht darum bemühen und wenn wir nicht auch die Möglichkeit haben, auf der russischen Seite uns dafür einzusetzen beim Bau von Nord Stream 2; wenn wir nicht mehr beteiligt sind und wenn aufgrund von verhängten Sanktionen die Unternehmen, die europäischen Unternehmen – es sind ja nicht nur deutsche Unternehmen – die europäischen Unternehmen dort rausgedrängt werden, dann wird es niemand mehr geben, der sich dafür einsetzt, dass es einen alternativen Gastransit durch die Ukraine gibt. Das solltet Ihr Euch mal überlegen, ob das wirklich Euer Ziel ist.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist das die Haltung, die wir in dieser Frage vertreten. Wir glauben auch, dass wir mit dieser Haltung die Interessen der Ukraine mit abbilden können und dass jeder andere Weg auch noch größere Probleme für die ukrainische Seite bedeuten wird. Und dass wir uns auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, dass es möglicherweise aus Washington einseitige Sanktionen gegenüber Nord Stream 2 gibt, brauche ich hier nicht weiter auszuführen.

Das ist nicht der richtige Weg, das habe ich auch mehrfach meinem Kollegen Mike Pompeo gesagt.

Aber unabhängig von Nord Stream 2 wird uns das Thema Sanktionen weiter beschäftigen.
Ich möchte deshalb auch noch einmal sagen, weil es nicht nur um die amerikanischen Sanktionen geht, sondern weil es ja auch noch welche der Europäischen Union gibt: Sanktionen sind für uns nie Selbstzweck, sondern sie sind ein politisches Instrument. Es gibt niemanden, der so sehr wie Deutschland und Frankreich sich darum bemüht, dass wir den Konflikt in der Ost-Ukraine endlich politisch gelöst bekommen. Mein Kollege Jean-Yves Le Drian und ich, wir bemühen uns auch in den kommenden Wochen, uns noch einmal mit den ukrainischen und russischen Freunden zusammenzusetzen. Es ist tatsächlich nicht einfacher geworden durch den Konflikt im Asowschen Meer, aber es kann auch nicht sein, dass dieser Konflikt ein Dauerkonflikt ist. Von diesem Konflikt hängt aber weiter die Wirkung und die Dauer der Sanktionen der Europäischen Union ab.

Meine Damen und Herren,
bei aller Bedeutung Russlands: Ostpolitik ist mehr als nur Russlandpolitik. Eine neue europäische Ostpolitik muss auch die Ukraine, Belarus, Moldau, den Südkaukasus, die Länder in Zentralasien sowie Südosteuropa umfassen.
Denn „der Osten“ ist ja längst kein vom Westen klar abgegrenzter monolithischer Block mehr.

Deshalb wollen wir das zehnjährige Jubiläum der Östlichen Partnerschaft im nächsten Jahr und unsere EU-Ratspräsidentschaft 2020 für neue Impulse nutzen.

In der Ukraine wird es darum gehen, Reformen schneller und konsequenter umzusetzen. Schlagkräftige Anti-Korruptions-Institutionen und eine konsequente Dezentralisierung stehen dabei im Mittelpunkt. Und auch dafür gibt es vielfältige gemeinsame Projekte mit der Ukraine.

Wir werden uns auch weiter um den Konflikt in der Ost-Ukraine bemühen. Denn so lange es ihn gibt, wird es immer Einschränkungen in der allgemeinen Entwicklungsmöglichkeit dieser Region geben.

Im Westlichen Balkan bleibt die europäische Perspektive ein entscheidender Dreh- und Angelpunkt für die regionale Stabilität. Für einen erfolgreichen Transformationsprozess wird es deshalb wichtig sein, dass Europa sein Versprechen hält: Wer erfolgreich Reformen durchführt, wer mit seinen Nachbarn kooperiert wie Mazedonien, der muss auch im Beitrittsprozess vorankommen. Das haben wir diesen Ländern versprochen und Versprechen sollte man einhalten. Wenn man dies nicht tut, werden sich diese Länder geostrategisch noch anders orientieren, nicht nach Europa. Und das kann nicht in unserem Interesse sein.

Regionale Kooperation ist auch das Stichwort in Zentralasien. Die Staaten der Region arbeiten in letzter Zeit enger zusammen und darauf wollen wir als EU reagieren.

Ein wichtiges Element dabei ist die EU-Asien-Konnektivitätsstrategie. Ein Projekt, für das wir uns in Brüssel stark gemacht haben. Das von vielen von Ihnen in gemeinsamen Formaten mit unterstützt wird, wofür ich mich sehr bedanke. Wir sehen das auch nicht als eine Konkurrenz zur chinesischen Seidenstraßen-Initiative, sondern als ein Angebot zu engerer Zusammenarbeit – auf der Basis anerkannter Regeln und Standards und vor allem auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.

Wir haben kein Interesse, Ländern in dieser Region Kredite zu gewähren, mit denen wir sie am Schluss erpressbar machen. Mittlerweile gibt es einige, die auch andere Erfahrungen gemacht haben. Deshalb ist das eine wichtige Initiative und ein wirklich gutes Angebot für Länder in dieser Region und wir werden das sehr engagiert weiterverfolgen.


Auch deshalb haben wir eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit der deutschen Wirtschaft eingerichtet. Ich hoffe, dass wir dort gemeinsam Stück für Stück vorankommen.

Meine Damen und Herren,
2019 wird außen- und handelspolitisch sicherlich ein herausforderndes Jahr. Aber ich glaube, dass es gute Voraussetzungen und Chancen gibt. Von denen habe ich einige aufzuzählen versucht und versucht, deutlich zu machen, dass wir sie politisch flankieren. Dass wir das östliche Europa in den letzten Monaten viel stärker in den Mittelpunkt unserer Außenpolitik gerückt haben ist ein Hinweis darauf, dass es auch möglich sein wird, diese Chancen zu nutzen.
Dazu leisten ihre Unternehmen unverzichtbare Beiträge. Letztlich wird Deutschland ein Schlüsselstaat bleiben für die Entwicklung im östlichen Europa. Letztlich ist es aber auch Ihre Präsenz vor Ort von besonderer Bedeutung.
Sie führen den Regierungen dieser Länder die Vorteile einer offenen, vernetzten und freien Wirtschaft nach klaren und fairen Regeln vor Augen.

Wo immer – und das kann ich Ihnen zusagen - das Auswärtige Amt und seine Auslandsvertretungen Sie dabei unterstützen können, sei es in Berlin, sei es bei Messen oder Wirtschaftsevents in der Region: Kommen Sie auf uns zu. Wir werden alles Mögliche tun.

Letztlich sind wir nicht nur Partner in der Außenwirtschaft, sondern wir sind Partner im Einsatz für eine regelbasierte Weltordnung. Partner auch dabei, die Beziehungen zu den Ländern und Menschen im Raum zwischen Prag und Wladiwostok zu stärken.

Das ist unser Ziel und ich glaube, das ist auch Ihr Ziel. Deshalb wird es im Jahr 2019 bei allen Herausforderungen auch viele Potentiale geben, bei denen ich mich freuen würde, dass wir genauso eng zusammenarbeiten wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

In diesem Sinne wünsche ich allen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2019 !

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