Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Rede von Staatsministerin Müntefering anlässlich der Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Umsetzungsbericht und zum Aktionsplan zu Resolution 1325 („Frauen, Frieden, Sicherheit“)

14.04.2021 - Rede

Im Oktober letzten Jahres hatte ich das Privileg, die junge somalische Friedensaktivistin Ilwad Elman zu treffen. Sie hat hier in Berlin den Deutschen Afrika-Preis erhalten, unter anderem für ihr mutiges Eintreten für die Überlebenden sexualisierter Gewalt. Ich erinnere mich gut an einen Satz, den Frau Elman damals gesagt hat: Gleichstellung ist der Inbegriff von Wandel. Dieser Satz ist für mich so etwas wie die Überschrift für die Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit; denn darum geht es: um gesellschaftlichen Wandel, um die Überwindung überkommener Rollenbilder und Strukturen, die Frauen von Entscheidungsprozessen ausschließen, sie in ökonomischer Abhängigkeit halten und zu Opfern von Gewalt werden lassen. Wir treten ein für Gleichberechtigung; denn sie ist tatsächlich der Wandel.

Wir sehen aber auch, dass Frauenrechte an vielen Stellen dieser Welt immer stärker unter Druck geraten. Corona hat diese Entwicklung verstärkt. Manche sprechen inzwischen von einer Schattenpandemie, die Vereinten Nationen sprechen gar von einer Pandemie der Femizide. Ich unterstütze die Forderung der Sonderberichterstatterin der VN, dass alle Staaten hierzu jetzt auch verlässliche Daten sammeln sollen. Und ausgerechnet zu einem solchen Zeitpunkt ist die Türkei im Begriff, aus der Istanbul-Konvention auszutreten, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Das wäre ein schwerer Fehler.

Es braucht mehr Schutz für Frauen und nicht weniger.

Ich habe vor kurzem mit einer türkischen Frauenrechtsaktivistin gesprochen, und sie sagte mir: Es gibt in der Türkei über 160 Frauenhäuser, aber nicht alle davon sind wirklich ausschließlich für Frauen offen. Ich möchte von hier aus sagen: Wir stehen an der Seite der Mädchen und Frauen in der Türkei und weltweit und an der Seite derjenigen, die die Rechte von Frauen und Mädchen verteidigen und sie stärken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei einer Reise mit dem Bundespräsidenten Steinmeier nach Kenia haben wir in einem Flüchtlingslager Frauen an großen Töpfen über offenem Feuer kochen sehen. Das war auf den ersten Blick ein eindrucksvolles Geschehen, auf den zweiten leider ein sehr tödliches; denn Hunderttausende Frauen sterben jedes Jahr an dem Rauch, dem sie dabei ausgesetzt sind. Inzwischen hat die Welthungerhilfe an diesem Ort eine Solarküche ermöglicht. Das zeigt: Auch mit kleinen Maßnahmen können wir viel erreichen, wenn wir nicht genderblind sind.

Deswegen ist die feministische Außenpolitik, die Umsetzung der Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit so wichtig.

Unser Aktionsplan bietet eine Strategie dazu, über alle Ressorts hinweg, die Rechte von Frauen zu schützen und Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und den Wiederaufbau einzubeziehen. Das bleibt auch 20 Jahre nach der Verabschiedung das Ziel. Als Auswärtiges Amt fördern wir im Kongo Projekte zur Unterstützung Überlebender sexualisierter Gewalt. In Afghanistan haben wir ein „Safe House“ für Menschenrechtsverteidigerinnen und Frauenhäuser an verschiedenen Orten des Landes eingerichtet. Und in Traditionsländern wie dem Sudan sorgen wir durch unsere Unterstützung dafür, dass Friedensaktivistinnen und Menschenrechtsverteidigerinnen bei politischen Prozessen mitreden.

Rund 700 solcher Projekte und Maßnahmen haben wir allein in den letzten vier Jahren umgesetzt, in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft; denn oft sind es gerade die Frauenorganisationen, die den Wandel tatsächlich voranbringen. Dazu fördern wir auch als Geber des Women’s Peace & Humanitarian Fund die Beteiligung von Frauen an Krisenpräventionen und auch an Friedensprozessen. Und mit der Resolution 2467 haben wir die Unterstützung von Überlebenden sexualisierter Gewalt und die Strafverfolgung der Täter verbessert.

Es gilt aber auch, die Agenda in unseren eigenen Köpfen und Strukturen noch besser zu verankern. Wir benennen erstens noch bis zum Sommer die ersten Focal Points für Frauen, Frieden und Sicherheit an unseren Botschaften. Das Thema wird zweitens noch stärker in unserer Diplomatenaus- und -fortbildung verankert. Schließlich machen wir auch im Auswärtigen Amt weiter Fortschritte in Sachen Geschlechtergerechtigkeit. Und ja - das wissen Sie auch -, da gibt es noch eine Menge zu tun. Im Sommer werden immerhin 40 Prozent unserer Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter und Beauftragten Frauen sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
eine Schattenpandemie gibt es nur dann, wenn wir es zulassen, dass die Situation von Frauen im Schatten bleibt. Wir brauchen Aufmerksamkeit und Bewusstsein. Dann lässt sich auch etwas ändern. Das machen wir alles nicht aus einer Ideologie heraus, sondern beim Thema Geschlechtergerechtigkeit geht es um politische und um ökonomische Vernunft, um Gerechtigkeit, um Demokratie, um Menschenrechte.

Herzlichen Dank.

Schlagworte

nach oben