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Rede von Staatsministerin Michelle Müntefering anlässlich der Eröffnung der “Women’s Night Out”

25.09.2019 - Rede

So viele tolle Frauen sind gekommen – da gibt es keine Chance, Sie alle hier protokollarisch korrekt zu begrüßen.

Ich begrüße Sie alle zu unserer “Women’s Night Out”, dem ersten Frauen-Empfang des Auswärtigen Amts.

Wer hätte das gedacht - so weiblich kann Außenpolitik sein!

Endlich haben wir im Auswärtigen Amt wieder eine Staatssekretärin - eine erstklassige dazu, wenn ich das sagen darf, liebe Antje Leendertse.

Und: Wir haben einen nun einjährigen Frauenverein, dessen Schirmherrin ich sein darf. Der hat allerdings noch eine ganze Menge zu tun: Das erkennt man bereits am „Bismarck-Zimmer“. Und: der Flur der Leitungsebene ist gespickt mit Bildern der Vorgänger, fast ausschließlich mit Männern!

Worüber ich mich freue?

Der Anteil der Leiterinnen unserer Auslandsvertretungen konnte in den letzten drei Jahren von knapp 13 Prozent auf fast 20 Prozent erhöht werden. Kleine Schritte, aber Schritte in die richtige Richtung.

Und: Wir haben nicht zuletzt auch einen Außenminister, der uns kräftig unterstützt.

Die Presse ist von der Bedeutung des Themas Feministische Außenpolitik allerdings noch nicht ganz überzeugt: In einem Artikel las ich, der Außenminister solle sich doch mal um wichtigere Themen kümmern.

Ich will mal ein paar Fakten nennen, wie wichtig dieses Thema ist:

1.) Leider ist es noch immer so, dass Frauen und Mädchen in allen Gesellschaften überproportional vielfältigen Formen von geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind. Dies zu ändern, ist eines der Ziele, die sich die Weltgemeinschaft zur Umsetzung bis zum Jahr 2030 gesetzt hat.

Der Schutz von Frauen und die Verbesserung ihrer Menschenrechtssituation ist also ein zentrales Aktionsfeld deutscher Menschenrechtspolitik.

Ich meine: Dieser Aspekt - auch deutscher Außenpolitik - darf nicht zu kurz kommen.

2.) Wenn es unsere Erkenntnis ist, dass wir den Multilateralismus fördern, weil nur durch und mit ihm tragfähige diplomatische Lösungen gefunden werden können - dann kann es nicht unser Verständnis sein, Frauen - die Hälfte der Bevölkerung - aus diesen Prozessen auszuschließen.

Schon gar nicht, weil wir inzwischen wissen, dass die Beteiligung von Frauen selbst, Prozesse und Dynamiken verändert und deswegen auch Friedensabkommen besser halten.

Wenn Gender in solchen Prozessen keine Berücksichtigung findet, sind die Ergebnisse „genderblind“. Die unterschiedlichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen werden dann nicht hinterfragt.

Wenn Gleichstellungsfragen nicht berücksichtigt werden, hat kein Friedensvertrag eine Chance, eine dauerhafte, gerechte Neuordnung der Gesellschaft zu erwirken.

3.) Wir sehen auch in der internationalen Gemeinschaft Rückschritte, die wir nicht hinnehmen können und vor denen wir schützen wollen.

Enttäuschend ist zudem, dass wir selbst mit den USA teilweise deutliche Differenzen haben. Es steht Deutschland gut zu Gesicht, dass wir hier klare Positionen beziehen.

Dass Heiko Maas hierzu eine Resolution eingebracht hat und die Ziele 1325 weiter verfolgt, bleibt aus meiner Sicht unverzichtbar.

Liebe Elke Büdenbender,

deswegen freue ich mich auch besonders, dass Du heute bei uns bist und auch aus Deiner Erfahrung gleich noch etwas sagst. Wir wissen hier alle nur zu gut, dass selbst im Jahr 2019 Männer immer noch meinen, ihre vor Frauen geschützten Räume verteidigen zu müssen. Exklusive Räume in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Kultur, Gesellschaft. Schutz vor weiblicher Konkurrenz.

Mal so ein Beispiel, das mir gerade eine meiner Mitarbeiterinnen erzählte: Kennen Sie die Bremer Eiswette? Da geht es um einen alten Brauch, bei dem sich seit 1829 jedes Jahr zu Anfang Januar die Männer der Stadt treffen und darüber wetten, ob die Weser zugefroren ist oder nicht. Ein feierliches Treffen von 800 Männern, inklusive Bürgermeister.

In diesem Jahr wollte der Bremer Bürgermeister - da selbst verhindert - seine Stellvertreterin, also eine Frau - schicken. Da kam es zum Eklat. Der Eiswettpräsident beharrte: „Man sei ein Herrenclub und mache diesen “Gendergaga„ nicht mit. Selbst der Papst würde nicht eingeladen, wenn er eine Frau wäre.“

Verehrte Damen, die Mitgliedschaft in einem Eiswettclub ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, aber es ist Zeit für gleiche Teilhabe in allen Gesellschaftsbereichen.

Lassen Sie mich hinzufügen: Traditionen sind grundsätzlich etwas Wichtiges. Sie prägen uns.

Das Ziel lautet daher nicht, Traditionen und Bräuche zu unterbinden oder die Einrichtung des Männerstammtischs an sich abzuschaffen. Aber: Wir Frauen machen jetzt auch mal ein Frauenfest.

„Starke Frauen – Starke Gesellschaften“ - der Titel unserer heutigen Veranstaltung ist natürlich ganz bewusst gewählt.

Denn ich bin überzeugt: Starke Demokratien brauchen starke, engagierte Frauen, die nicht nur formell gleichberechtigt sind, sondern tatsächlich an allen Bereichen der Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben und an ihr mitwirken.

Ob dies hier eine Tradition wird, bleibt abzuwarten: Fest steht, die breite Beteiligung von Frauen bietet immense Chancen. Denn Frauennetzwerke – Juristinnenbund, Journalistinnenbund, Medizinerinnenbund etc. - gibt es in vielen Ländern dieser Welt.

Ich würde mir wünschen, dass sich diese Netzwerke international noch stärker verknüpfen, um die gemeinsame Sache über Grenzen hinweg voranzubringen. Ich bin bereit.

Denn: Frauenrechte sind Menschenrechte - und Menschenrechte sind Frauenrechte.

Deswegen sind auch unsere zahlreichen Projekte weltweit so wichtig, die zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidigerinnen befähigen, sich auf lokaler Ebene in ihren eigenen Ländern für Frauenrechte einzusetzen.

Was Frauen bewirken können, wenn sie sich gegenseitig unterstützen, zeigt sich in den Netzwerken, die wir durch konkrete Maßnahmen unterstützen, wie z.B. das African Women Leaders Network.

Und zum Glück fängt meine Generation nicht bei Null an, ich sehe hier Rita Süßmuth unter uns - ich habe in den letzten Monaten viele engagierte und erfahrene Frauen getroffen: Ob Michelle Bachelet, Armina Mohammed, Margot Wallström oder Bineta Diop.

Und zahlreiche Frauen aus den Zivilgesellschaften der Länder: Denn

für meine Auslandsreisen habe ich mir von Christine Lagarde etwas abgeschaut: ein Treffen mit Frauen - Friedensaktivistinnen, Künstlerinnen oder Wissenschaftlerinnen.

Und natürlich geht es dann um den Aufbau nationaler Zweigstellen unserer Netzwerke, der Schaffung zugänglicher Finanzierungssysteme, Kleinwaffenvernichtung, der Unterstützung für Landgenossenschaften von Frauen bis hin zum Aufbau von Präventionsstellen gegen Extremismus, die sich speziell an Jugendliche und Frauen richten.

Mit der kürzlich erfolgten Gründung des deutsch-lateinamerikanischen Netzwerks UNIDAS haben wir diese Idee der Vernetzung weitergetragen.

Verehrte Damen: Da kommen Sie ins Spiel. Sie werden verstehen: Ich kann Sie nicht wieder gehen lassen, ohne noch etwas zu erbitten: Sie alle sind engagierte Frauen, die sich die Vertretung der Interessen von uns Frauen und die Mitwirkung an einer demokratischen Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben haben. Viele von ihnen auch mit internationalen Kontakten und Netzwerken.

Ich würde mir wünschen, dass wir uns gegenseitig in unseren Anstrengungen unterstützen, Gleichstellung, Schutz und Teilhabe von Frauen weltweit zu stärken und den Ideen und Meinungen von Frauen weltweit mehr Gewicht zu verleihen.

Nur mit starken Frauen erhalten wir starke Gesellschaften!

Und lassen Sie mich aus aktuellem Anlass auch sagen: Gesellschaften müssen sich Hass und Hetze entgegenstellen und Diskriminierung - unterschwellig oder offen zur Schau gestellt - verurteilen.

Das erwarte ich von allen und allen Ebenen in der Gesellschaft. Denn es sind oft Frauen, die eingeschüchtert und angegriffen werden. Renate Künast erlebt das zurzeit. Und, so war es schon immer: Aus Worten werden Taten.

Liebe Frauen, liebe Elke, ich bin keine Richterin, keine Juristin, aber eines hat mich immer geleitet, unser Grundgesetz. Dort steht ganz am Anfang: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das muss immer und überall gelten.

Madeline Albright hat mal gesagt: “There is a special place in hell for women, who don‘t help each other.”

Ich meine: Es gibt auch einen speziellen Platz im Himmel - für Frauen, die sich gegenseitig unterstützen.

Vielen Dank.

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