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Rede von Staatsministerin Michelle Müntefering anlässlich der Übergabe der UNESCO-Urkunde zur Eintragung des Niedergermanischen Limes in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ein ständiger Begleiter meiner Kindheit waren die Lustigen Taschenbücher. Eine eigene Ausgabe war damals den Sieben Weltwundern gewidmet. Die hängenden Gärten von „Duckylon“, das war schon was.
Die Sieben Weltwunder sind aber natürlich keine Erfindung aus Entenhausen. Schon in der Antike gab es Listen von Bauwerken, die so beeindruckend waren, dass sie die Menschen noch Jahrhunderte später beeindruckten. Und die man deshalb auch für die Zukunft bewahren wollte.
Denn Kulturerbe verbindet die Menschen. Es gibt Identität. Und es ist natürlich auch ein Wirtschaftsfaktor. Übrigens schon immer. Im Tal der Könige gibt es altägyptische Statuen, auf denen sich 1000 Jahre nach ihrer Errichtung römische und griechische Touristen mit Graffiti verewigten.
Auch der niedergermanische Limes ist so ein Bauwerk, das uns noch heute beeindruckt. Es war die Grenze des Römischen Reiches, eines der größten Weltreiche der Geschichte, das sich von Großbritannien bis zum Euphrat erstreckte. 7500 Kilometer Grenze. Ein durchschnittlicher Wanderer würde für so eine Strecke fast ein Jahr brauchen.
Der Limes war eine Grenze. Aber er war eben auch eine Scharnierstelle. Es gab immer Kontakt und Austausch zwischen beiden Seiten der Grenze.
Und auch heute ist der Limes nichts Trennendes, sondern etwas Verbindendes in einem vereinten Europa. Er ist unser gemeinsames Kulturerbe, das sich über viele Länder Europas erstreckt. Und auch seine Bewahrung ist eine gemeinsame Aufgabe, die uns verbindet.
Dass wir heute die Eintragung des niedergermanischen Limes als Weltkulturerbe feiern können, ist das Ergebnis einer langjährigen internationalen Zusammenarbeit. Die Initiative für den gemeinsamen Antrag ging von den Niederlanden aus. Besonders würdigen möchte ich das enorme Engagement von Tamar Leene und Marinus Polak. Zusammen mit den Denkmalämtern und archäologischen Diensten in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen haben sie über viele Jahre ein gemeinsames Ziel verfolgt. Durch diese Zusammenarbeit ist eine Partnerschaft gewachsen, die bleiben wird.
Meine Damen und Herren,
manchmal wirkt die Diskussion um die Weltkulturerbestätten ein bisschen so wie ein Schaulaufen. In den Zeitungen wird darüber diskutiert, welches Land wie viele neue Welterbestätte bekommen hat. In der FAZ hieß es dieses Jahr, nachdem fünf neue deutsche Welterbestätten ausgezeichnet wurden: „nur Italien ist vor uns“.
Aber die Idee der Welterbestätten ist gerade kein nationaler Wettbewerb. Es geht um die verbindende Kraft der Kultur. Es geht um internationale, um multilaterale Kulturpolitik.
Deshalb ist es mir als Staatsministerin wichtig, dass unsere Bemühungen um das Welterbe immer mit dem Aufbau neuer internationaler Kooperationen einhergehen.
Deutschland ist an 10 internationalen seriellen Welterbestätten beteiligt. Das ist weltweit einmalig. Wir arbeiten mit 23 anderen Vertragsstaaten der Welterbekonvention beim Schutz und der Erhaltung dieser Stätten zusammen. Darunter sind acht unserer neun direkten Nachbarländern, aber auch Staaten in Ost- und Südeuropa sowie Südamerika und Asien. Gerade war ich in Bethlehem, Pennsylvania, um eine weitere Bewerbung mit den USA und Großbritannien voranzubringen.
Der niedergermanische Limes reiht sich ein in diese Liste an Kulturorten, durch die Städte und Regionen über Grenzen hinweg verbunden werden und zusammenarbeiten.
Mir als Staatsministerin ist es wichtig, dass wir in Zukunft unsere Bemühungen zum Schutz des Kulturerbes noch stärker international und multilateral ausrichten. Nur ein Beispiel: Wir haben in den letzten Jahren einen Kulturgutrettungsmechanismus aufgebaut. Ich sage immer gerne: ein Kultur-THW, wenn schnelle Hilfe notwendig ist. Mein Ziel ist es, dass wir diesen Mechanismus in den nächsten Jahren europäisieren und eng mit den Bemühungen der UNESCO verknüpfen. Das wird eine wichtige Aufgabe der neuen Legislaturperiode sein.
Meine Damen und Herren,
beim Erhalt des Kulturerbes ist es wie mit unserer Umwelt. Es gehört uns nicht. Wir haben es geerbt, und wir müssen es für künftige Generationen bewahren. Kulturgutschutz, das ist auch ein Generationenvertrag.
Was auf vielen Paketen steht, die auf eine lange Reise gehen, das muss auch hier gelten: „Handle with Care“!
Dazu braucht es nicht zuletzt eine starke Denkmalpflege. Die Arbeit der bei den Landschaftsverbänden angesiedelten Ämter für Bau- und Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen ist dafür unverzichtbar. Der Erfolg der nordrhein-westfälischen Welterbeanträge ist auch das Ergebnis Ihrer Forschungstätigkeit und ihres Engagement in der praktischen Denkmalpflege. Dafür herzlichen Dank!
Den Römern wird ja gemeinhin einige Kompetenz im Feiern zugesagt. Vielleicht ist es ja auch dieses römische Erbe, das uns hier in der Region auf der Limesstrecke von Nimwegen nach Bonn verbindet. Feiern können wir. Und heute haben wir auch allen Grund dazu.
Im Namen von Audrey Azoulay, der Generaldirektorin der UNESCO, darf ich Ihnen heute zumindest virtuell die Weltkulturerbe-Urkunde überreichen.
Herzlichen Glückwunsch! Und: Glück auf!