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Grußwort der Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik Michelle Müntefering zur Denkmalenthüllung in Erinnerung an das Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein am Welterbetag

06.06.2021 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Wenn man an Bergbau denkt, dann hat man sofort viele Bilder im Kopf: Die Kumpels unter Tage, die Zechen, die Industriekultur.

Woran die meisten dagegen nicht denken, das ist die Zeit des Nationalsozialismus und das Schicksal der Menschen, die damals hier im Ruhrbergbau unter unwürdigen Bedingungen als Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden.

Niemand kann behaupten, das Leid dieser Menschen sei unbekannt gewesen. Es gibt eine umfangreiche wissenschaftliche Aufarbeitung zu diesem Thema.

Gerade das Institut für soziale Bewegungen an der Ruhr-Universität Bochum hat hier wichtige Arbeit geleistet.

Wir wissen um die Dimensionen des Leidens, der Grausamkeiten, der unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in den Zechen des Ruhrgebiets ab 1941 eingesetzt wurden.

Wir wissen, wie schlecht sie behandelt wurden. Wir wissen, wie menschenunwürdig sie untergebracht wurden. Wir wissen, dass sie den Bombenangriffen gegen Ende des Krieges weitgehend ungeschützt ausgeliefert waren.

Und wir wissen auch, dass deutsche Unternehmen von dieser Ausbeutung profitierten.

Die 15jährige Tamara Serjogina beschreibt in bewegenden Briefen, wie sie wie Vieh in einem winzigen Waggon in meine Heimatstadt Herne deportiert wurde.

Aber in der breiten Gesellschaft, da ist das noch längst nicht Teil unserer gesellschaftlichen Erinnerung. Zwischen Wissen und Bewusstsein klafft eben manchmal ein großer Abgrund.

Deshalb ist die Arbeit von Projekten und Ausstellungen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, so wichtig:

Von Bildungsinitiativen wie dem Projekt „Wenn nur noch Steine bleiben“ des Volksbundes Kriegsgräberfürsorge über Ausstellungen wie in der Gedenkhalle Oberhausen bis hin zur Benennung von Straßen nach den Opfern, wie zum Beispiel bei uns in Herne.

Auch der Erhalt der ehemaligen Zwangsarbeitersiedlung Bergener Straße in Bochum ist wichtig und notwendig.

Es geht bei all diesen Projekten um historische Gerechtigkeit. Es geht um das Anerkennen von Unrecht. Und es geht auch um unsere Demokratie.

Die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann hat den Satz geprägt: „Erinnern ist arbeiten an der Zukunft“.

Wie und woran wir uns erinnern, das sagt viel darüber aus, wie wir uns als Gesellschaft definieren; welches Bild wir von uns machen und welche Zukunft wir für uns erhoffen.

Wer vergangene Schuld eingesteht, ist auch bereit, Verantwortung für Gegenwart und Zukunft zu übernehmen.

Meine Damen und Herren,
die Zwangsarbeit im Bergbau ist tatsächlich ein dunkles Kapitel unserer Geschichte. Mit der Enthüllung einer Gedenktafel und dem heutigen Kolloquium machen wie die Fenster auf und lassen Licht herein. Und wir leisten einen Beitrag dazu, das Thema endlich in den öffentlichen Raum hinein zu holen.

Ich möchte der Zeche Zollverein für diese wichtige Initiative danken. Und ich wünsche uns allen ein gutes und bereicherndes Kolloquium.

Erinnern ist arbeiten an der Zukunft. Darum geht es. Heute und auch morgen.

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