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Grußwort von Staatsministerin Michelle Müntefering zur Verleihung des George Tabori Preises 2018

25.05.2018 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Liebe Annemie Vanackere,
lieber Wolfgang Schneider,
lieber Herr Bergmann,
sehr geehrte Nominierte, liebe Theaterfreunde!

Danke für die Einladung! Ich freue mich heute bei der Preisverleihung dabei sein zu können!

Denn ich meine: Der Tabori-Preis hat für die Darstellenden Künste, gerade in dieser Zeit, eine ganz besondere Bedeutung. Umso herzlicher mein Dank an Sie, dass ich ein paar Gedanken beisteuern kann.

Tabori galt in seinen letzten Lebensjahren ja inoffiziell als Theaterkönig. Das hatte er sicher verdient.

Doch angesichts zu vieler selbsternannter Könige auf und hinter den Bühnen dieser Welt (nicht nur am Theater), können wir heute aber vor allem etwas ganz und gar nicht monarchistisches, sondern fast etwas sozialistisches, mindestens aber etwas demokratisches(!),von George Tabori lernen.

Ich meine gerade das, was die Rangordnung am Theater ausmacht. Der Titel Regisseur etwa war ihm zu autoritär, er hat lieber von sich als „Spielmacher“ gesprochen.
Anfang der Achtziger Jahre inszenierte er auch am Schauspielhaus Bochum - in meiner Ruhrgebiets-Heimat, wie ich erfahren habe. Dort traf sich vor einigen Tagen die bundesweite Versammlung der Ensembles, an der mein Bundestagskollege Helge Lindh teilgenommen hat.
Im Zusammenhang mit Theater ist der Begriff „Heimat“ übrigens richtig besetzt.
Denn:
1. Das Theater ist für viele von ihnen eine Heimat. Ein Zuhause. Gerade deswegen ist es richtig und notwendig, sich immer wieder auch über den Umgang und mit den Bedingungen, unter denen Theater gemacht wird auseinanderzusetzen.

Weil Kultur auch die Beziehungen der Menschen untereinander, des Stärkeren zum Schwächeren, des Reichen zum Armen, oder die Beziehungen des Menschen zur Umwelt bedeutet.
Im Sinne Taboris braucht es den Einsatz Mutiger, die das Theater auch künftig zu einem Zuhause für möglichst viele Menschen macht!

Es geht um Mitsprache und gute Arbeitsbedingungen, gerade auch für Frauen und Familien, Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit, ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld, Integration und Inklusion.
Das sind gesellschaftlich relevante - und eben auch kulturelle Fragen, mit denen sich auch Theater immer wieder beschäftigt.
Ich meine die institutionalisierten Theater ebenso wie die freie Szene. Fragen, die national und international von Bedeutung sind.

2. Theater schafft in der komplexen Auseinandersetzung mit Gesellschaft auch Identität, durch Facettenreichtum und durch Wandelbarkeit und das Verhandeln von Möglichkeiten. Es geht darum, was man sein kann und nicht was man zu sein hat.

In einer Welt, in der sich zunehmend die Koordinaten verschieben, in der Autokratie und Nationalismus auf dem Vormarsch sind und der Populismus seinen Höhepunkt vermutlich noch nicht erreicht hat, da ist diese Auseinandersetzung umso wichtiger. Gerade auch dann, wenn in einer globalisierten Welt zunehmend Innen und Außen nicht mehr trennbar sind.

Heimat verengt aus meiner Sicht die Identität eben nicht, sondern öffnet sie. Im besten Falle auch für den Blick in die Welt.
In diesem Sinne kann ich uns nur das Bürgerlied in Erinnerung rufen, in dem es heißt: Ob uns Kreuze vorne schmücken, oder Kreuze hinten drücken, das tut nichts dazu.

Der „Fonds Darstellende Künste“ jedenfalls leistet einen wichtigen Beitrag zur Fortentwicklung einer vielgestaltigen Theater-, Performance- und Tanzlandschaft in Deutschland!

Diese Dichte und künstlerische Qualität unserer Theaterlandschaft wird weltweit geschätzt - und deswegen ist es uns im Auswärtigen Amt auch ein Anliegen, die freie Theater- und Tanzszene gemeinsam mit unseren Mittlerorganisationen wie dem Goethe-Institut, dem ifa und anderen auch international weiter zu stärken.

Der 2016 geschaffene internationale Ko-Produktionsfonds des Goethe-Instituts zeigt, wie wir das, was die Freien Szene ausmacht, fördern können: neue kollaborative Arbeitsprozesse, innovative Produktionen im internationalen Austausch, das Entstehen neuer Netzwerke und Arbeitsformen in globalen Kontexten, als auch neue Wege interkultureller Zusammenarbeit.

Denn das ist unser Verständnis von Internationaler Kulturpolitik: Eben kein „Kultur-Export, sondern internationale Kooperation und mehr noch, Koproduktion - so fördern wir Dialog, Zusammenarbeit und darüber eben auch gesellschaftliches Verständnis.

Tanz- und Theaterproduktionen im Rahmen der so genannten Deutschlandjahre oder die Förderung des internationalen Theaterfestivals “Theater der Welt„ in Hamburg 2017 sind weitere Beispiele für dieses Engagement unseres Hauses im Bereich der Theater-, Performance- und Tanzszene.
Menschen, die sich begegnen, die miteinander arbeiten und leben und schaffend tätig sind, entwickeln ein Verständnis füreinander, das tiefer liegt, als es ein völkerrechtlicher Vertrag, als es die Diplomatie in Artikel fassen kann.
Die wachsende Qualität und Professionalität der Akteure und Ensembles, aber auch die Vielfältigkeit der Themen und Fragestellungen, die heute von der Freien Szene verhandelt und auf die Bühne gebracht werden, sind jedenfalls immens und eine Bereicherung im In- und Ausland.

Die Freie Theaterszene bleibt natürlich weiterhin auf ihre Unabhängigkeit bedacht und möchte ohne institutionelle, architektonische oder ästhetische Vorgaben agieren. Dies ermöglicht ihr große innovative Anstöße, befreit sie aber nicht von der Frage der Finanzierung.

Im Koalitionsvertrag haben wir auch deswegen einiges festgehalten, das die Förderung der Freien Szene stärken und ihre Impulse für die freie Produktion im Theater ganz konkret unterstützen soll: Wir betonen die Bedeutung der sozialen und wirtschaftlichen Situation der Künstlerinnen, Künstler und Kreativen und die Ausgestaltung der Fonds. Und das gilt es jetzt mit vereinten Kräften umzusetzen.
Mir war in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag, an denen ich teilgenommen habe, außerdem wichtig, dass wir – und das ist neu und soll noch kommen – die Lage von Kunst und Kultur in einer großen Orientierungsdebatte im Bundestag zum Thema machen. Denn wir brauchen auch in der Politik wieder eine belebtere Debatte und Auseinandersetzung.
Das kann dann eben aus kulturpolitischer Sicht eine Debatte darüber sein, wie wir miteinander leben wollen, darüber, was eine offene, eine fortschrittliche und - lassen Sie mich sagen - soziale und demokratische Gesellschaft ausmacht.
Die Freie Szene ist oftmals ein Forschungslabor für künftige Gesellschaftskonzepte, in der innovative Ästhetik und Arbeitsformen entwickelt, erprobt und erfolgreich gelebt werden.

Wir im Auswärtigen Amt machen das auch: am 1. Juni wieder mit der Langen Nacht der Ideen, bei der wir an verschiedensten Orten in Zusammenarbeit mit Museen und Kulturschaffenden Ideen von Außen nach Innen und von Innen nach Außen tragen.
Und das alles hier in Berlin. Dazu will ich Sie heute schon ganz herzlich einladen.

Verehrte Damen und Herren, Sie verleihen heute zum neunten Mal den George Tabori Preis, die höchsten Auszeichnung der Freien Darstellenden Künste.
Den für den Hauptpreis nominierten Ensembles gratuliere ich ebenso wie den Ensembles, die für den Förderpreis nominiert wurden. Zwei Ensembles werden sich schließlich über die Auszeichnungen freuen dürfen. Aber alle Nominierten jedoch dürfen stolz sein.

Ich wünsche Ihnen von Herzen: Lassen Sie nicht in Ihrem Eifer, Ihrem Engagement und in Ihrem künstlerischen Anliegen nach. Wir brauchen - nicht nur in der Kultur, sondern in der ganzen Gesellschaft, innovative Ansätze und Mut zur Grenzüberschreitung in vielfachem Sinne – Ich glaube, hieran mangelt es keinem von Ihnen.

Nicht zuletzt durch den Mut der Freien Szene entstehen heute neue, sehr produktive und sehr erfolgreiche Kooperationen, die schon lange keine Nische mehr sind.

Wir alle wissen: Theater, Kunst und Kultur können die Welt an sich nicht ändern, oder die bestehenden Konflikte allein befrieden. Aber wir können mit Kultur Brücken bauen, mit der Kraft der Kultur Freiräume eröffnen und schützen - über nationale Grenzen hinweg. Dafür aber braucht es immer Mutige, die vorangehen.
Wir wissen auch, das ist nicht selbstverständlich und die kritische Auseinandersetzung mancherorts auf der Welt sogar brandgefährlich.

Deswegen haben wir die Philip-Schwarz Initiative gegründet, die verfolgten Wissenschaftlern, darunter viele aus Syrien und der Türkei, in Deutschland Zuflucht gibt. Auch Künstler und Intellektuelle wollen wir künftig auf diese Weise schützen. Der Koalitionsvertrag erteilt uns hierfür einen klaren Auftrag.

Ich bin überzeugt, dass es hierfür zu kämpfen und zu streiten lohnt. Ich kann mir gut vorstellen, dass George Tabori dabei heute an unserer Seite wäre. Also: tun wir alle was dazu.

Herzlichen Dank und Glück-Auf!

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