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Rede von Staatsministerin Müntefering anlässlich der Eröffnung der Fotoausstellung zum Leuchtturmprojekt der Transformations­partnerschaft „Schreibwerkstätten für Frauen im Irak“

18.12.2019 - Rede

Mit starken Stimmen hat diese Vernissage begonnen und von starken Stimmen, Bildern und Worten wird sie getragen.

Es ist mir eine große Freude, dass wir heute im Lichthof des Auswärtigen Amts die Fotoausstellung „Schreiben – Mein Fenster zur Welt“ feierlich eröffnen.

Um uns sehen wir Bilder, Texte, Videos und Audiobeiträge, die die Geschichten von Frauen aus dem Irak erzählen. Von Frauen, die ihre persönlichen Geschichten, ihre Gedanken und ihre Worte kreativ verarbeitet haben. Ihnen wollen wir hier heute eine Bühne geben.

Deshalb freue ich mich besonders, dass die Schriftstellerin Eman Al-Waily und die Nachwuchsautorin Hanaa Ahmad Mohammad für eine Lesung extra aus dem Irak angereist sind.

Dazu sehen wir die Fotos des libanesisch-ecuadorianischen Künstlerinnen-Duos, Rajwa Thomé und Daniela Delgado Viteri, die während der Schreib- und Erzählwerkstätten an verschiedenen Orten im Irak entstanden sind.

Diese Workshops werden von “elbarlament – cultures of democracy” durchgeführt. Mal ist es Gemeindezentrum, mal ein Raum in einem Geflüchteten-Camp.

Immer aber ist es der geschützte Raum, den es braucht, um auch seine persönliche Geschichte zu verarbeiten.

Dabei arbeitet elbarlament mit lokalen Partnern und Trainerinnen zusammen.

Oft reisen die Frauen, zwischen 18 und 25 Teilnehmerinnen, aus verschiedenen Landesteilen des Irak.

Und allein schon diese Reise ist für viele etwas Besonderes, jedenfalls nicht selbstverständlich.

Ziel der Workshops ist es, irakischen Frauen durch kreatives Schreiben eine eigene, ihre eigene Stimme zu verleihen.

Für dieses große Engagement möchte ich diese Gelegenheit nutzen und unserem Partner „elbarlament“ danken.

Das Auswärtige Amt fördert Schreibwerkstätten für Frauen im Irak seit 2016. Mehr als 930.000 Euro haben wir seitdem eingesetzt, mittlerweile haben 300 Frauen daran teilgenommen. Dabei sind die Bewerberinnen-Zahlen deutlich höher.

Es ist ein Projekt, das ich schon lange begleite und das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Denn diese Schreibwerkstätten für Frauen im Irak schaffen einen einzigartigen Raum des Austauschs und der Kreativität.

Die Workshops vernetzen Frauen unterschiedlicher religiöser, ethnischer und sprachlicher Herkunft.

Und das Projekt schafft Sichtbarkeit für die Frauen im Irak, es schafft internationale Aufmerksamkeit für Literatur von Frauen und ihre Situation im Irak.

Der Austausch im Rahmen der Schreibwerkstätten bestärkt Frauen in ihrem Selbstbewusstsein, in ihrer Selbstbestimmung und ihrem Selbstverständnis als Autorinnen.

Durch das Geschichtenerzählen werden Frauen sichtbarer in der Gesellschaft: Frauen haben Meinungen, Frauen bilden eine tragende Säule der Zivilgesellschaft.

Dieses Projekt sendet daher auch ein wichtiges Signal für Gleichberechtigung von Frauen im Irak.

Denn die Teilnahme ist für viele Frauen nicht nur ein Aufbruch in Fantasie und Vorstellungskraft, sondern oft auch ein Ausbruch aus patriarchischen Strukturen eines Alltags, der nicht selten von Unsicherheit und geschlechtsspezifischer Diskriminierung geprägt ist.

Mit diesem Projekt fördern wir auch die demokratische Beteiligung von Frauen in Flüchtlingscamps.

Viele von ihnen sind vor dem IS geflüchtet. Das Schreiben hilft ihnen auch dabei, Erlebtes zu verarbeiten.

Die Erzählwerkstätten schaffen dafür einen geschützten Raum. Hier können die Frauen traumatische Erlebnisse, Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung durch das Schreiben in Worte fassen.

So berichteten geflüchtete Frauen - darunter auch Jesidinnen - in Erzählwerkstätten über Erinnerungen aus der dunklen Zeit der IS-Herrschaft.

In meinem Bundestagsbüro in Herne arbeitet Nahed, eine junge Frau aus Damaskus, die wenige Monate nach ihrer Flucht aus Syrien ihren ersten Roman in einem Kairoer Verlag herausgebracht hat.

Aus ihren Erzählungen höre ich immer wieder heraus, wie wichtig es für sie ist, durch das Schreiben auch ihre eigene Geschichte zu erzählen.

Auch, um diese Erzählung nicht anderen zu überlassen.

Ich hoffe, dass wir als Auswärtiges Amt auch weiter dazu beitragen können, diese Geschichten von Ihnen, liebe Eman Al-Waily und liebe Hanaa Ahmad Mohammad, und eben auch von Nahed zu hören.

Sie sehen am Beispiel von Nahed: Das Innen und Außen können wir kaum mehr trennen.

In einer globalisierten Welt muss auch die Außenpolitik stärker eine Antwort auf die Frage geben: In was für einer Welt wollen wir leben?

Politik ist eben nicht nur die Verfasstheit von Staaten, sie ist auch das „WIE“, das Miteinander.
Und das ist eine Frage der Kultur.

Diese Schreibwerkstätten unterstreichen, dass Frauen etwas zu sagen, etwas zu erzählen haben – und dass sie gehört werden wollen! Und - wir wollen sie hören!

Denn was sie zu sagen haben, betrifft auch uns. Erlebtes wird erfahrbar gemacht. Einblicke in eine andere Welt ermöglicht.

Aktuell erreichen uns aus dem Irak täglich Nachrichten über gewaltsame Proteste aus vielen Teilen des Landes.

Die Situation ist weiter unsicher und bisherige Fortschritte bei der Stabilisierung des Landes sind gefährdet.

Auch wegen dieser angespannten Sicherheitslage in den vergangenen Monaten musste das von „elbarlament“ für November geplante Frauen-Literaturfestival in Bagdad vorerst leider verschoben werden.

Wir hoffen sehr, dass wir das später nachholen können. Denn auch wenn wir verschiedene Projektaktivitäten im Irak aktuell unterbrechen mussten, so laufen unsere Planungen auch für 2020 weiter.

Umso mehr freue ich mich, dass wir Sie heute hier im Auswärtigen Amt zu Gast haben und Ihnen zuhören können.

Liebe Frau Eman Al-Waily,

liebe Frau Hanaa Ahmad Mohammad,

zeigen Sie uns Ihren Blick, erzählen Sie uns Ihre Geschichte - wir freuen uns darauf!

Vielen Dank.

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