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Rede von Staatsministerin Michelle Müntefering, anlässlich der Übergabe der UNESCO-Urkunde zur Eintragung des Naumburger Doms in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt
-- es gilt das gesprochene Wort --
Man sollte mit Zusagen, aus denen neue Zusagen erwachsen, vorsichtig sein. Normalerweise. Aber: Es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn man auf Menschen wie Frau von Welck und Landrat Ulrich trifft.
Beide haben sich sehr bald nach meinem Amtsantritt haben sich beide bei mir gemeldet - und mich und das Auswärtige Amt um die weitere Unterstützung des Naumburger Welterbeantrags gebeten.
Das habe ich damals gern zugesagt, dass ich im Falle des Erfolgs die Urkunde zur Eintragung des Naumburger Doms in die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt persönlich übergebe.
Sehr verehrte Damen und Herren,
Der Naumburger Dom hat mich schon auf einer meiner ersten Reisen nach Ostdeutschland begeistert. Kurz nach dem Abitur war ich schon einmal hier.
Heute bin ich wieder hier und freue mich sehr, meine Zusagen einlösen zu können. Dabei weiß ich natürlich sehr genau, dass dieser Erfolg viele Mütter und viele Väter hat. Viele von Ihnen haben mitgeholfen und mitgefiebert, als dann in Bahrein die Entscheidung fiel, und der Weg bis dahin war ein langer.
Wir haben gerade gehört, welche außergewöhnliche Bedeutung dieser Dom für die Architektur- und Kunstgeschichte hat und das hat das Welterbekomitee - ich meine nun zu recht - bestätigt.
Exzellenzen, es ist mir eine große Freude, Sie heute hier in Naumburg begrüßen zu dürfen.
Im Namen der Bundesrepublik Deutschland danke ich Ihnen für Ihre Unterstützung und diese Entscheidung.
Es freut mich, dass heute auch Experten aus den Delegationen bei uns sind - die Welterbekonvention lebt und entwickelt sich durch den fachlichen Austausch. Seien Sie herzlich willkommen.
Weil ich eben von Ausnahme und Regel gesprochen habe: Heute ist es sicher nicht verkehrt zu sagen, es ist ein „historischer Moment“. Und es war ein langer Weg.
Nicht nur der Naumburger Dom selbst, auch das Nominierungsverfahren für die Welterbeliste der UNESCO hat inzwischen Geschichte geschrieben.
Im Archiv des Auswärtigen Amtes kann man dazu mehr erfahren. Schon in der ersten und einzigen Anmeldeliste der damaligen DDR, die dem Übereinkommen zum „Schutz des Kultur und Naturerbes der Welt“ erst 1989 beigetreten ist, war der Naumburger Dom verzeichnet.
Diese Anmeldeliste hat jedoch die tatsächliche Anerkennung einer Welterbestätte nicht mehr erlebt, denn nach der Wende wurden die beiden deutschen Anmeldelisten zusammengeführt.
Die Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin wurden nach der Wiedervereinigung zunächst die 10. deutsche und erste gesamtdeutsche Stätte auf der Welterbeliste - der Naumburger Dom behielt zwar seinen Platz auf der Anmeldeliste, aber er rutschte immer weiter nach hinten, weil danach andere, wie die klassische Moderne mit dem Bauhaus in Weimar und Dessau, Vorrang erhielten.
Und auch wenn das Antragskonzept des Naumburger Doms in Verbindung mit der Kulturlandschaft an Saale und Unstrut zunächst zurückgewiesen wurde, von der herausragenden architektur- und kunstgeschichtlichen Bedeutung des Domes waren die Mitglieder des Welterbekomitees von Anfang an überzeugt!
Darauf konnte - mit vielen helfenden Händen - aufgebaut werden.
Heute, verehrte Damen und Herren, feiern wir den Erfolg.
Sie wussten das, haben daran geglaubt und dafür gearbeitet: die Vereinigten Domstifter, der Burgenlandkreis, der Förderverein, das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt mit dem Auswärtigen Amt Hand in Hand - Frau Ringbeck aus dem AA kann das bestätigen. So geht Teamarbeit as its best.
Dafür sage ich heute DANKE.
Verehrte Damen und Herren,
Die ganze Geschichte schließt sich heute in wundersamer Weise. Denn durch Teamarbeit hat auch der Dom selbst seine Bedeutung erlangt: Die Bildhauerkunst des Naumburger Meisters und seiner Werkstatt hat ihm seine außergewöhnliche universelle Bedeutung gegeben.
Mitgeholfen haben eben auch frühe „Arbeitsmigranten“, sie kamen aus Nordfrankreich über Mainz nach Naumburg. Heute sind wir stolz auf die schöne Uta - und die Werke, die hier geschaffen wurden.
Und wir zählen sie mehr noch - zu unserem nationalen und nun auch zum universellen Erbe der Menschheit.
Der Naumburger Dom dokumentiert so eindrucksvoll, wie wichtig der kulturelle Austausch und die Mobilität von Künstlern für gesellschaftliche und künstlerische Entwicklungen in Europa waren.
Sehr verehrte Damen und Herren,
Es ist eine politische und eine gesellschaftliche Aufgabe, das Bewusstsein für die eigene und für die Geschichte anderer Kulturen zu bewahren, es zugleich aber auch in die Zukunft zu tragen.
Heute umso mehr.
Denn: Das historische, kulturelle Erbe ist ein Kriegsziel geworden. Seine Zerstörung wird bewusst als Mittel eingesetzt.
Als Mittel zur Vernichtung der Identität von Menschen.
Es ist nicht allein materielle Substanz, sondern es ist auch der immaterielle Wert – das Kulturerbe als identitätsstiftende Kraft, gegen die sich Terrorismus richtet.
Zumeist geht es dabei um Kulturgüter von immensem kulturgeschichtlichem Wert, die Terror, Krieg und illegalem Handel, aber auch dem Klimawandel und der Umweltzerstörung zum Opfer fallen.
Wir sind überzeugt: Ohne Kultur fehlt die Erinnerung - und damit fehlt der Bezug für die Zukunft.
Deswegen helfen wir ganz konkret mit unserem Kulturerhalt Programm und unseren Partnern in der Welt dabei, Kulturgüter zu schützen und das Gedächtnis der Menschheit zu bewahren.
In der vorletzten Woche hat das Auswärtige Amt eine Konferenz zu dem Thema ausgerichtet. Dort haben die einzelnen Projektleiter ihre Arbeit aus aller Welt vorgestellt. Und ich muss sagen: Es macht betroffen, das Ausmaß von Zerstörung zu sehen - doch ist der Aufbau gleichzeitig Hoffnungsarbeit.
Zu Beginn des kommenden Jahres wird in der katholischen Kirche in Havanna wieder die alte Orgel spielen, in Jordanien lernen Kinder alte Kulturtechniken, wie das Entzünden von Feuer mit einem Feuerstein - das sind kleine Beispiele - aber sie werfen ein Licht auf die friedensstiftende Kraft der internationalen Kulturpolitik.
Es geht um Respekt vor der Kultur des anderen und die Anerkennung kultureller Vielfalt als Voraussetzung für ein friedliches Miteinander. Es geht darum, das Bewusstsein für die eigene und für die Geschichte anderer Kulturen zu bewahren, es zugleich aber auch in die Zukunft zu tragen.
Unersetzliches Kulturgut ist auch beim Brand des Nationalmuseums in Rio de Janeiro vernichtet worden. Hier haben wir vom Auswärtigen Amt sofort Unterstützung zugesagt und gemeinsam mit Experten von Bund, Ländern und zivilgesellschaftlichen Akteuren konkrete Maßnahmen besprochen.
Diese Arbeit ist ein wesentliches Element unserer Internationalen Kultur- und Bildungspolitik.
Wir tun das zusammen mit unseren Partnern, allen voran der UNESCO, dem Deutschen Archäologischen Institut und der Gerda-Henkel-Stiftung. Also auch hier ist es eine Teamarbeit, sind es Kooperation und Koproduktion, die den Erfolg möglich machen.
Die Anwesenheit so vieler Komiteemitglieder aus aller Welt unterstreicht eindrucksvoll unsere gemeinsame Verantwortung für den Erhalt des kulturellen Erbes.
Besonders freut mich, dass wir dabei auch immer wieder auf das Land Sachsen-Anhalt zählen können, wenn es um internationalen Kulturgutschutz geht.
Die Unterstützung bei der Notsicherung von Kirchen in mexikanischen Welterbestätten und bei der Erarbeitung von Managementplänen in Armenien zeigen, dass sie die Verpflichtungen, die mit der Auszeichnung als Welterbe einhergehen, sehr ernst nehmen.
Damit wird Sachsen-Anhalt, das im bundesweiten Vergleich eine sehr hohe „Welterbe-Dichte“ hat dem Auftrag der Welterbekonvention zur internationalen Unterstützung und Zusammenarbeit gerecht.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es ist mir eine große Freude, Ihnen im Namen der UNESCO und der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat der Welterbekonvention die Urkunde zur Eintragung des Naumburger Doms in die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt überreichen zu können.
Diese Urkunde ist Auszeichnung für viele - der Naumburger Dom eine Bereicherung für uns alle.
Vielen Dank!