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Grußwort von Staatsministerin Müntefering zum 15. Europäischen Kulturmarken-Awards im Rahmen der Kulturmarkengala 2020

26.11.2020 - Rede

Wörter erzählen die Geschichte ihrer Zeit. Nachhaltigkeit ist so ein Wort. Was aber wie ein neu geschaffener Begriff unserer Zeit klingt, ist in Wahrheit schon über 300 Jahre alt.

Im 18. Jahrhundert setzte sich angesichts eines drohenden Kahlschlags der europäischen Wälder ein einfacher Gedanke durch: Wenn man in einem Jahr den halben Wald abholzt, bringt das vielleicht kurzfristig mehr Gewinn, langfristig vernichten wir so aber unsere eigene Lebensgrundlage.

Im Ruhrgebiet würde man sagen: Wir sägen an dem Ast, auf dem wir selber sitzen.

Heute droht nicht nur unseren Wäldern, sondern dem gesamten globalen Ökosystem der Kahlschlag.

Die Bewahrung unserer Lebensgrundlage ist die große Herausforderung unserer Zeit. Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen entscheidet über die Zukunft der Menschheit. Und der Countdown läuft.

Kultur muss einen Beitrag dazu leisten, die SDGs umzusetzen. Und sie kann es auch. Denn Kultur heißt eben nicht nur Goethe und Mozart. Kultur ist die Aushandlung darüber, wie wir miteinander leben möchten. Und genau darum geht es.

Wir werden deshalb in Palermo bald das erste integrierte deutsch-französische Kulturinstitut eröffnen. Eine seiner zentralen Aufgabe wird es sein, Menschen aus Europa zusammenzubringen, die an gemeinsamen Lösungen für eine nachhaltige Lebensweise arbeiten.

Palermo ist für ein solches Zukunftslabor genau der richtige Ort. Sizilien war schon immer ein Schmelztiegel der Kulturen, der Menschen eine neue Heimat geboten hat. Von Odysseus über die Normannen bis zu den Geflüchteten unserer Tage. Sizilien steht für die Herausforderung eines globalen Miteinanders; und: es ist vom Austausch von Menschen aus der ganzen Welt geprägt. Wie übrigens auch meine eigene Heimat, das Ruhrgebiet.

Viele Menschen setzen sich auf Sizilien Tag für Tag für die Werte ein, die Europa ausmachen: Menschlichkeit und Solidarität.

Menschen wie Leoluca Orlando, der heute für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird.

Stimmen wie Ihre, Herr Orlando, brauchen wir heute mehr denn je. Ich hoffe, dass das deutsch-französische Kulturinstitut diese Stimmen in ganz Europa verstärken wird.

Mit neuen digitalen Formaten kann es uns gelingen, bei diesem Gespräch auch noch stärker junge Menschen einzubinden. Von Palermo bis Helsinki.

Der EarthSpeaker von Olafur Eliasson zeigt, was hier möglich ist. Laden Sie sich einfach einmal die App runter und schauen sich an, was junge Menschen in ganz Europa für tolle Ideen zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben.

An diese Erfahrungen sollten wir anknüpfen. Warum nicht zum Beispiel ein gemeinsames digitales europäisches Kulturinstitut aufbauen, das den digitalen Austausch in Europa antreibt und Ideen für nachhaltige Konzepte fördert?

Auch die Zusammenarbeit der Städte in Europa kann die Digitalisierung auf eine neue Ebene heben. Hier geht es um viel mehr als um Schüleraustausch. Städte sind Innovationsmotoren, die Lösungen für Herausforderungen entwickeln, die uns alle etwas angehen: städtische Mobilität, Digitalisierung und smart cities.

Um den Austausch zu solchen Konzepten zu fördern, haben Bundespräsident Steinmeier und Staatspräsident Mattarella einen Preis für kommunale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Italien ins Leben gerufen. Ich bin überzeugt: Wir brauchen mehr solcher Programme.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Damit Kultur Impulse für ein nachhaltiges Zusammenleben leisten kann, müssen wir sie auch entsprechend unterstützen. Gerade in der jetzigen Situation. Wir müssen unbedingt verhindern, dass es zu einem kulturellen Kahlschlag kommt.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat erst vor wenigen Tagen weitere Unterstützung für Soloselbständige und die Kultur- und Veranstaltungsbranche in Deutschland angekündigt. Ein wichtiges Zeichen, dass wir den Kulturbetrieb in dieser schwierigen Situation nicht allein lassen.

Auch dass wir in Europa mit dem europäischen Wiederaufbaufonds ein historisches Zeichen der Solidarität setzen, ist das Verdienst von Olaf Scholz.

Und schließlich haben wir gemeinsam mit dem Goethe-Institut einen weiteren Hilfsfonds aufgelegt, der auch unsere außereuropäischen Partner in dieser Krise unterstützt.

Das ist wichtig. Denn auf unsere weltweiten Netzwerke kommt es gerade jetzt an, um neue Konzepte für eine gerechte und nachhaltige Welt zu entwickeln. Ich fände es daher gut, wenn wir den Fonds zu einem gemeinsamen europäischen Instrument weiterentwickeln.

Denn eins ist klar: den nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft schaffen wir nur in einem gemeinsamen Kraftakt: als internationale Gemeinschaft, als Zivilgesellschaft, als Wissenschaft und Kultur.

Machen wir gemeinsam Nachhaltigkeit zur Überschrift des 21. Jahrhunderts. 300 Jahre, nachdem der Begriff entstand, ist das höchste Zeit.

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