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Grußwort von Staatsministerin Michelle Müntefering zum 14. Europäischer Kulturmarken-Award im Rahmen des KulturInvest!-Kongresses 2019

07.11.2019 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Lassen Sie mich eine Bemerkung vorab machen. Wir sind hier heute miteinander in Essen, mein Kollege Matthias Hauer von der CDU hat heute im Bundestag einen Schwächeanfall erlitten und ich möchte ihm von hier aus die besten Genesungswünsche senden.

Sie hätten sich für diese Veranstaltung keinen besseren Ort aussuchen können: Denn ja, hier ist nicht nur Weltkulturerbe, hier ist auch Hoffnungs- und Ausblicksplattform.

Zollverein steht nicht nur stellvertretend für die Denkmäler der Industriekultur, für die Architektur der Solidarität. Zollverein zeigt vor allem auch, was Kreativität, Ideenreichtum und menschliche Leidenschaft zu leisten imstande sind.

Und persönlich kommt für mich hinzu, dass hier mein Opa noch als Bauingenieur, zu dem er sich hochgearbeitet hatte, die Gleise mit verlegt hat - und ich hier vor ziemlich genau 10 Jahren auch geheiratet habe.

Verehrte Damen und Herren,

wie viele von Ihnen, bin ich ein Kind des Ruhrgebiets - der Wandel unserer Gesellschaft durch Kultur, den Sie hier heute diskutieren, ist Teil unserer Geschichte, unseres täglichen Lebens.

Ein Wandel, der auch angesichts der großen und tiefgreifenden Umbrüche in dieser Region nicht immer einfach war.

Aber wir haben diesem Wandel Sicherheit gegeben: Indem wir uns zusammengeschlossen haben, mit all denen, die an unserer Seite gearbeitet - oder wie wir im Ruhrgebiet treffender sagen - „malocht“ haben.

Und diese Sicherheit im Wandel hat uns auch in schwierigen Zeiten stark gemacht.

Umso mehr freue ich mich, dass ich heute nicht nur als Kind des Ruhrgebiets, sondern auch als Staatsministerin für die Internationale Kulturpolitik hier sein kann.

Ich meine: Gerade in dieser Zeit, in der wir erneut tiefe Umbrüche erleben, brauchen wir noch viel mehr von den Erfahrungen dieser Region, in der die Pulsadern Europas schlagen.

Von hier aus hat unsere Großeltern-, unsere Elterngeneration das Land wieder aufgebaut.

Und was wir nicht vergessen dürfen: Ohne die Menschen aus Griechenland, aus Italien, aus Spanien, aus der Türkei – vor ihnen waren es auch die „Ruhr-Polen“- ohne diese Menschen wäre das alles nicht möglich gewesen.

Die Gastarbeiterabkommen sind jetzt rund 60 Jahre her. Das Anwerbeabkommen mit der Türkei wurde vor 58 Jahren und einer guten Woche unterzeichnet.

Um die Leistung dieser Menschen, ihrer Kinder und Kindeskinder, zu würdigen, wäre es eine gute Geste, wenn wir diesen Menschen, die längst Teil unseres Landes geworden sind, hier in unserer Mitte ein Denkmal errichten.

Gerade in einer Zeit, in der Nationalismus und Populismus auf der Welt wieder erstarken, sollten wir ein Zeichen der Solidarität und der Wertschätzung setzen, ein Symbol des Zusammenhaltes.

Und das sage ich auch als Bürgerin dieser Region, unserer Heimat.

So ein Denkmal muss übrigens nicht auf einem Sockel stehen - aber es sollte dem Beitrag dieser Menschen eine längst fällige Würdigung - und uns allen eine positive Erinnerung sein.

Eine Demokratie braucht Gesetze, aber sie braucht auch eine Erzählung. Zu unserer Demokratiegeschichte gehört auch die der ehemaligen Gastarbeiter und Einwanderer. Ihre Geschichte ist längst die unseres Landes geworden.

Wer sollte also etwas hinbekommen, wenn nicht wir?

Verehrte Damen und Herren,

das Ruhrgebiet hat eine Vorreiterrolle, wenn es darum geht, den Wandel sozial, wirtschaftlich, ökologisch, aber eben auch kulturell zu gestalten.

Denken wir an den Emacherumbau oder RUHR 2010 - in der der Strukturwandel, die kulturelle Vielfalt, aber eben auch das innovative Potenzial von Kunst und Kultur im Mittelpunkt der Europäischen Kulturhauptstadt standen.

Mit 340.000 Erwerbstätigen und einem Umsatz von 36 Mrd. Euro. ist die Kultur- und Kreativwirtschaft heute mit die wichtigste Beschäftigungsbranche in NRW. Sie ist ein Motor des Wandels.

Und: Nicht jede Grafikdesignerin, nicht jeder Modemacher und nicht jeder DJ muss nach Berlin ziehen.

Weil wir auch im Bundesvergleich konkurrenzfähig sind, auch durch das Zusammenwirken mit der Wirtschaft.

Uns ist bewusst, dass wir die großen Fragen unserer Zeit – wie Klimawandel, Migration und Digitalisierung – nicht allein beantworten können.

Wir brauchen den europäischen, den internationalen Rahmen.

Als Auswärtiges Amt tragen wir bereits einiges zur Internationalisierung der Kultur- und Kreativwirtschaft in ganz Deutschland, auch in NRW bei.

Von den Ruhrfestspielen bis zu den internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen, die das Goethe-Institut fördert.

Das zu bündeln und zu konzentrieren haben wir uns - mit den Schwerpunkten digitale Gesellschaft und Design in Europa - zur Aufgabe gemacht.

Denn Kreativwirtschaft ist in Europa ein verbindendes Element. Das passt zum KulturInvest!-Kongress, der heute begonnen hat.

Sehr verehrte Damen und Herren,

wir freuen uns auf Ihre Beteiligung an unserem Programm – überraschen Sie uns mit frischen Ideen zu länderübergreifender Vernetzung von Kreativen, breiten Zugängen zu Kunst und Kultur, nachhaltigen Lösungen und kulturellen Ko-Produktionen.

Und gern darf ein Schuss Utopie und Weitblick dabei sein.

Aber wem sage ich das hier?

Genau das ist es nämlich, was die Nominierten und natürlich besonders die Preisträgerinnen und Preisträger des heutigen Abends auszeichnet: Sie alle glauben an das, was sie tun.

Sie wollen etwas verändern.

Durch Ihren Einsatz geben Sie Impulse, wird Kultur lebendig und vor Ort erfahrbar.

Diese Erfahrung des Aufbruchs und der Ideen und der Idee, dass unsere Welt gestaltbar ist, diese Erfahrung brauchen wir, auch in Zukunft.

Einige gehen heute mit einem Award nach Hause. Aber gewinnen tun wir tatsächlich alle.

Denn Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik: Auf das Miteinander kommt es an.

Glückauf!

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