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Rede von Staatsministerin Michelle Müntefering zur Veranstaltung „Humboldt Forum International“

30.10.2018 - Rede

Sie alle kennen die Geschichte dieses Ortes. Eine sehr deutsche Geschichte. In der sich Unterdrückung und Widerstand, beste Absichten und schlechteste Folgen in ihrer „Unentwirrbarkeit“, wie das Achille Mbembe kürzlich genannt hat, in ganz besonderer Weise zeigen.

Ein preußisches Schloss und Herrschaftssymbol – nicht nur gegenüber Deutschland, sondern auch gegenüber unseren europäischen Freunden und – ganz besonders schlimm – gegenüber den Ländern, die der preußische und später deutsche Imperialismus und Kolonialismus in Abhängigkeit gezwungen, ausgebeutet und unterworfen hat.

Ein Symbol für die Unterdrückung durch das SED-Regime. Die das Schloss abreißen und einen „Palast“ errichten ließ. Der nur zum Schein Palast der Republik hieß und in Wahrheit ein Ort der Herrschaft der Wenigen über das Volk blieb.

Doch zugleich ist dieser Ort ein Symbol für Zivilität, für Bürgersinn und Erkenntnissuche, für Kunst und Wissenschaft.

Von der Schatzkammer der Fürsten, zum Sitz von Suppenküchen, zum ersten Tagheim von Studentinnen, dem Sitz der Deutschen Kunstgemeinschaft, die die Not von Künstlerinnen und Künstlern zu lindern suchte, bis hin zur Alexander von Humboldt-Stiftung, der DFG oder dem DAAD.

Der übrigens als studentische Initiative seinen Anfang nahm mit dem Ziel, Deutschland wieder in die Reihe der Kulturnationen zu führen und der dann hier im Schloss seinen ersten Sitz fand.

Kunst und Wissenschaft, Bürgersinn und Solidarität. Auch das verbindet sich mit diesem Ort!

Ganz besonders durch die Frauen, die diesen Ort besiegt haben: Eugenie Schwarzwald, die die kaiserliche Schlossküche übernahm und daraus eine Gemeinschaftsküche machte.

Marie-Elisabeth Lüders, Elisabeth Lange, Lise Meitner, sie alle standen am Beginn des eben erwähnten Tagheims für Studentinnen, das nach der Frauenrechtlerin Helene Lange benannt war.

Ingrid Dybwad, die „Seele des Austauschdienstes“, wie sie genannt wurde und deren Andenken der DAAD meines Erachtens vielleicht nicht genug pflegt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in diese Tradition wollen wir uns heute stellen. Ein Herrschaftsort, den durch Bürgersinn und Widerständigkeit das Volk sich aneignet und in dem Kunst und Wissenschaft Deutschland zu einem Teil, zu einem mitfühlenden und mitempfindenden Teil der Weltgemeinschaft macht.

Ja, es geht nach wie vor um die Demokratisierung von Wissen.

Durch freien Eintritt, sicher. Aber auch darüber hinaus.

Es geht um das tiefe Verständnis, dass Kunst und Wissenschaft Orte der Freiheit sind und diese brauchen, um zu blühen.

Und deswegen liegt uns im Auswärtigen Amt auch ein Gründungsgedanke des Humboldt-Forums besonders am Herzen.

Ich meine vor allem die Idee, aus diesem Ort eine Agora, einen Marktplatz für die Begegnung der Kulturen der Welt zu machen. Diese Idee hat mich damals, als junge Frau, die gerade in die Politik gegangen war, als diese Diskussion begann, nach einiger Skepsis, überzeugt.

Ein Fenster der Kultur in die Welt.

Das beschreibt den internationalen Anspruch des Projektes, seine interdisziplinäre Ausrichtung als ein Ort, an dem die großen Fragen unserer Zeit kulturell verhandelt werden.

Dabei wissen wir: Wir können das nicht national, nicht alleine, beantworten. Ich meine sogar, wir können Innen und Außen gar nicht mehr trennen. Sondern wir brauchen den Blick in die Welt und den Blick der Welt auf uns – und zwar durch das Fenster der Kultur.

Diesen Blick über geographische, nationalstaatliche und disziplinäre Grenze hinaus haben die Gebrüder Humboldt geprägt.

Und in unserer Kulturpolitik heute steht das Humboldt Forum exemplarisch für das, was wir auch im Koalitionsvertrag als Zusammenwirken von Außen und Innen bezeichnen.

Und übrigens auch für das Zusammenwirken von zwei Frauen, wie Sie heute hier, aber auch ansonsten sehen mögen. Und so möchte ich an dieser Stelle auch meiner Kollegin Monika Grütters ganz besonders für die Zusammenarbeit danken.

Denn schließlich trägt sie die Hauptlast des „Innen“ und die ist groß!

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich setze mich für eine internationale Kulturpolitik ein, die auf Kooperation und auf Koproduktion, auf Austausch, auf ein offenes Miteinander setzt. Und damit das möglich ist, brauchen wir Freiräume, die Debatten ermöglichen.

Das Humboldt Forum soll – im physischen wie im übertragenen Sinne – ein solcher Freiraum werden. Ein Ort, der die Welt näher an uns heranrückt, ein Ort, der eine Plattform für kritische Auseinandersetzung mit den drängenden Fragen unserer Zeit ist – in einem von Offenheit und kulturellem Respekt geprägten Sinn.

Dabei setzen wir eben auf den internationalen Diskurs, Austausch und Kooperation, denn wir wollen nicht mit einer fertigen Antwort kommen.

Wir wollen Deutungshoheit teilen und viele Stimmen zu Wort kommen lassen und auch Kuratoren aus aller Welt zur gemeinsamen Arbeit einladen.

Wir wollen Teilhabe und Zugang ermöglichen, sowohl im digitalen Raum, als auch dadurch, dass wir Objekte und Sammlungen wandern lassen, in ganz Deutschland, aber auch in der Welt.

Konkret können wir uns gemeinsame Wechselausstellungen vorstellen, die auch schon geplant sind.

Denn Kooperation sollte nicht nur zwischen Regierungen, sondern auch zwischen Gesellschaften stattfinden. Dies zu ermöglichen ist eine zentrale Aufgabe der internationalen Kultur- und Bildungspolitik.

Der Soziologe Ralf Dahrendorf, einer der Amtsvorgänger als Staatsminister im Auswärtigen Amt, bezeichnete dies einmal als eine „Außenpolitik der Zivilgesellschaften“.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Auswärtige Amt wird gemeinsam mit seinen Mittlern und Partnern weltweit seinen Beitrag dazu leisten, dass uns dieses Projekt gelingt.

Besonders hervorheben möchte ich dabei auch die Rolle der Goethe-Institute, denn diese ermöglichen Begegnungen zwischen den Menschen, sie bieten Orte des Dialogs und den Freiraum der Ideen. Mit seinen mehr als 160 Instituten in über 100 Ländern bietet das Goethe-Institut ein geschütztes und politisch unabhängiges Umfeld für Kultur, Bildung und den grenzüberschreitenden Austausch ganz im Sinne Humboldts.

Damit ist das Goethe-Institut genau das, was ihr Präsident, Klaus Dieter Lehmann, einmal ganz wunderbar als das „kulturelle Außennetz“ für das Humboldt Forum bezeichnete.

Denn in der Internationalen Kulturpolitik setzen wir ja auf Kooperation und mehr noch Ko-Produktion. Wir meinen keinen Kultur-Export, wir wollen nicht besser wissen, sondern wir wollen gemeinsam mit anderen besser machen.

Und genau dafür steht das Humboldt Forum. Es soll, so steht es im Koalitionsvertrag, eine „internationale Dialogplattform für globale kulturelle Ideen“ werden.

Dieser Gedanke des grenzüberschreitenden Austauschs ist uns von Alexander von Humboldt in Erinnerung. In Erinnerung von ihm bleibt aber auch seine Kritik an der Sklaverei in den damaligen Kolonien.

Und das führt zu einem Thema, das eng mit dem Humboldt Forum verknüpft ist – Monika Grütters hat es gerade auch angesprochen: die Frage, wie wir mit Kulturgütern aus kolonialen Kontexten umgehen und wie wir den Zugang zu diesen Kulturgütern ermöglichen.

Aus dem Koalitionsvertrag ergibt sich – übrigens erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik – ein klarer Auftrag, die Kolonialgeschichte aufzuarbeiten.

Und hier ziehen wir beide, Frau Grütters und ich, an einem Strang.

Dem BKM kommt vor allem die Aufgabe zu, Museen und Sammlungen dabei zu unterstützen, die Herkunft dieser Kulturgüter zu untersuchen und in Einzelfällen Rückgaben zu begleiten.

Für das Auswärtige Amt stehen vor allem der Dialog mit den Herkunftsgesellschaften im Mittelpunkt, sowie die kulturelle Zusammenarbeit und der Aufbau kultureller Infrastruktur insbesondere in Afrika.

Und dabei wollen wir nicht mit fertigen Konzepten daher kommen, sondern den Dialog mit den Partnern in den Herkunftsstaaten suchen. Wir wollen gemeinsam überlegen, wie wir den Umgang mit Kulturgut aus kolonialen Kontexten gestalten und den Zugang zu diesem Kulturgut ermöglichen können.

Ich bin überzeugt: Wir brauchen neue Formen des Umgangs! Und: wir müssen teilen lernen. Denn: Wir müssen begreifen, dass es uns langfristig nur gut geht, wenn es auch anderen in der Welt gut geht. Dabei stehen wir erst am Anfang eines gemeinsamen Prozesses.

Das Humboldt Forum wird dafür ein wichtiger Katalysator sein.

Das Humboldt Forum wird zeigen, wie sich Deutschlands Verhältnis zur Welt gewandelt hat. Das tun wir, indem wir die Herkunftsgeschichte der Objekte öffentlich diskutieren und dabei viele Stimmen zu Wort kommen lassen, um nicht nur DIE eine Geschichte zu erzählen.

Denn längst ist Europa nicht mehr das Weltdeutungszentrum, wie es Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, einmal treffend sagte.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Achille Mbembe, der aus Kamerun stammende Philosoph und einer der wichtigsten Vordenker, hat es so ausgedrückt: „Kunst und Kultur (werden) in verschiedenen Teilen der Welt vom transnationalen Austausch bestimmt. (…) Die gesamte Welt ist unser Erbe“.

Und das ist Auftrag an uns alle. Daher gilt mein Dank an dieser Stelle auch Ihnen, Exzellenzen und den Diplomatinnen und Diplomaten in aller Welt, weil Sie sich immer wieder um Austausch und Aushandlung verdient machen.

Zugleich danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Humboldt Forums und der Einrichtungen, die das Humboldt Forum tragen.

Sie alle tragen mit ihrer Erfahrung, ihrem Wissen und ihrem Engagement dazu bei, dass aus diesem Projekt etwas Gutes erwächst.

„Die Welt ist unser Erbe“, unser gemeinsames Erbe. Wenn aus dem Humboldt Forum genau dieser demokratische Ort für eine lebendige Debattenkultur – mitten in Berlin und von internationaler Strahlkraft – wird, dann haben wir viel erreicht: ein offenes Fenster zur Welt!

Ich lade Sie herzlich ein, mit uns gemeinsam durch dieses Fenster zur Welt zu schauen, egal, ob von Innen oder von Außen.

Ich würde mich also sehr freuen, Sie hier wieder zu sehen, spätestens in knapp einem Jahr, wenn die Eröffnung des Humboldt-Forums erfolgen soll.

Aber, sehr verehrte Exzellenzen, auch im Auswärtigen Amt sind Sie uns in der Zwischenzeit immer herzlich willkommen.

Vielen Dank!

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