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Rede von Staatsministerin Michelle Müntefering zur Amtsübergabe in der Leitung des Goethe-Instituts

13.11.2020 - Rede

Jetzt hilft kein Goethe’sches „Verweile doch, Du bist so schön“. Jetzt ist der Moment der Übergabe gekommen.

Lieber Herr Lehmann,

für das Auswärtige Amt und im Namen von Außenminister Heiko Maas sage ich heute: Danke für den gemeinsam zurückgelegten Weg! Und für das unermüdliche Engagement, für die Kreativität und die Leidenschaft, mit der Sie Ihr Amt ausgefüllt haben.

Gern erinnere ich mich an den Abend zu Ehren Ihres 80. Geburtstages im März 2020. Mir ist davon vor allem die Geschichte mit dem Spektrometer in Erinnerung geblieben.

Das hatten Sie noch in Ihrer Zeit als Physiker entwickelt und damit Mondgestein untersucht, das die Apollo-11-Mission zurück auf die Erde brachte. Für mich ein sehr schönes Bild, das viele Ihrer Eigenschaften und Verdienste auf den Punkt bringt.

Erstens: Ihre Vielseitigkeit. Sie haben im Laufe Ihres Berufslebens immer wieder Grenzen überschritten. Sie haben die Vereinigung der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main und der Deutschen Bücherei in Leipzig gemanagt. Sie haben als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz das Fundament des Humboldt-Forums gelegt.

Und Sie haben das Goethe-Institut unter schwierigen Vorzeichen zu alter und zu neuer Stärke geführt. Von der Physik über die Bibliothekswissenschaften bis zum Museum und der Internationalen Kultur- und Bildungspolitik. Das ist beinahe schon: einmal zum Mond und zurück.

Zweitens: Ihre unbändige Neugier. Ihr Blick war immer geprägt von dem Wunsch, Neues zu entdecken. Dabei haben Sie bei all Ihrer Leidenschaft für die Kultur nie den Blick für das Machbare verloren.

Von Thales von Milet gibt es die Anekdote, dass er in einen Brunnen fiel, weil er immer nur in den Himmel schaute und nicht darauf achtete, was direkt vor seinen Füßen lag.

Diese Gefahr bestand bei Ihnen trotz ihrem Interesse am Mond nicht. Denn neben ihrer großen Belesenheit waren sie ein höchst erfolgreicher Kulturmanager mit dem Mut zu Reformen und großem diplomatischen Geschick. Sie haben im Goethe-Institut alte Zöpfe abgeschnitten und notwendige Reformen eingeleitet.

Zum Beispiel mit einer neuen, mit einer dezentralen Struktur und mehr Verantwortung für die Institute vor Ort.

Drittens: Ihre Bereitschaft zu Team Play und ihre unbedingte Überzeugung, dass man in der heutigen Welt nur erfolgreich sein kann, wenn man auch international zusammenarbeitet. Bei einer Mondmission ist eine Vielzahl von Menschen in einem gemeinsamen Ziel vereint. Bei der Internationalen Kultur- und Bildungspolitik ist das genauso.

Sie haben die Arbeit des Goethe-Instituts konsequent an dem Ziel ausgerichtet, dass Kultur die Zusammenarbeit zwischen Menschen über Grenzen hinweg befördern sollte.

Dazu gehörte für Sie auch immer eine klare Haltung: für Menschenrechte, für Freiheit, für gleichberechtigte Teilhabe.

Die Leitmotive ihrer Präsidentschaft waren der Einsatz für gesellschaftliche Freiräume, die Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent und der europäische Zusammenhalt.

Es ist daher fast schon symbolisch, dass der Abschluss Ihres Wirkens in die deutsche EU-Ratspräsidentschaft fällt. Europäische Zusammenarbeit statt nationale Repräsentation zu stärken war Ihnen immer ein Herzensanliegen.

Das mit dem Goethe-Institut entwickelte Kulturprogramm zur EU-Ratspräsidentschaft trägt daher auch Ihre Handschrift. Und die wird bleiben!

Und mit den ersten deutsch-französischen Kulturinstituten wird sie bald auch einen für alle sichtbaren Ausdruck finden.

Liebe Frau Lenz,

Sie übernehmen jetzt den Staffelstab.

Wir haben es gerade gehört. Endlich wieder eine Frau an der Spitze des Goethe-Instituts, das finde ich auch Spitze. Vielleicht ist es auch eher das Auffangen eines Balls im Flug in diesen bewegten Zeiten. Das ist dann auch etwas coronakonformer.

Ihr Vorgänger hat das Goethe-Institut 2008 in keiner leichten Zeit übernommen. Er musste das Institut zu Beginn seiner Präsidentschaft durch eine stürmische See von Sparzwängen, Verwaltungsreformen und einer inhaltlichen Neuausrichtung lenken.

Sie stehen heute vor anderen, aber nicht vor geringeren Herausforderungen. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass wir die Strukturen der Kulturförderung immer wieder neu überdenken müssen, damit unsere internationale Kulturzusammenarbeit zukunftsfähig bleibt.

Und auch wenn sich die dunklen Corona-Wolken hoffentlich bald verzogen haben, das globale Wetter wird auch danach rau bleiben.

Die nationalen Zugbrücken werden überall hochgezogen, an vielen Stellen. Die regelbasierte internationale Ordnung steht unter Druck wie vielleicht noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Unsere offene Gesellschaft wird von vielen Seiten angegriffen.

Und machen wir uns nichts vor: Auch nachdem Joe Biden amerikanischer Präsident wird, kehren nicht einfach die guten alten Zeiten zurück.

Das Infragestellen internationaler Zusammenarbeit, die Polarisierung auch in unseren westlichen Gesellschaften, die Suche nach nachhaltigen Zukunftsmodellen, das alles sind zentrale Herausforderungen, denen wir uns in Deutschland und auch in Europa stellen müssen.

Und ich bin überzeugt: Auch die Internationale Kultur- und Bildungspolitik muss sich darauf einstellen.

Was für Herrn Lehmann das Spektrometer war, ist für Sie als Ethnologin vielleicht das Tonband, mit dem sie schon an vielen Orten der Welt Menschen zugehört und ihre Geschichten aufgezeichnet haben.

Zuhören und über kulturelle Unterschiede hinweg andere Menschen verstehen wollen. Das ist keine schlechte Voraussetzung für eine Goethe-Präsidentin in einer Zeit, die von einem Monolog der Schwerverständigen geprägt ist.

Und: Sie stehen als Wissenschaftlerin und Hochschullehrerin für den globalen Austausch an Ideen und Konzepten.

Das alles wird Ihnen bei Ihrer Arbeit helfen. Denn es geht heute bei der AKBP eben nicht mehr nur um Schiller und Beethoven. Es geht darum, Freiräume zu schaffen, damit Menschen über Grenzen hinweg zusammenarbeiten können. Es geht darum, gemeinsam mit den Ländern, die unsere Überzeugungen und Werte von einer freiheitlichen und streitbaren Kultur teilen, eine Plattform des Austauschs zu ermöglichen.

Ein Riesenthema ist zum Beispiel die Nachhaltigkeit.

Bei diesem wie bei anderen Themen müssen wir noch viel intensiver als bisher mit unserem Nachbarkontinent Afrika kooperieren. Ich weiß, das ist Ihnen auch ganz persönlich ein Herzensthema.

Das verbindet uns übrigens. Bei meinen vielen Reisen nach Afrika habe ich einen Kontinent des Aufbruchs und der Ideen kennengelernt.

Ob ich im Silicon Savannah in Nairobi mit IT-Start-Ups gesprochen haben oder mit Filmschaffenden in Nollywood, überall habe ich eine enorme Aufbruchsstimmung auch gerade in der jungen Generation gespürt.

Die vielen Ideen und Konzepte, die in Afrika in den unterschiedlichsten Ländern für eine nachhaltigere und gerechtere Lebensweise entwickelt werden, greifen wir noch viel zu wenig auf. Dafür müssen wir uns von der Zentriertheit auf uns selbst fortbewegen. Und uns auch noch stärker unserer eigenen kolonialen Vergangenheit stellen.

Meine Damen und Herren,

ein Fahrrad, das sich nicht bewegt, das fällt um. Unsere globalisierte Welt verändert sich rasend schnell. Deshalb müssen auch wir uns immer wieder auf Neues einlassen. Auf neue Themen und auf neue Arbeitsmethoden.

Nur wer sich immer wieder wandelt und auf die neuen Herausforderungen einlässt, bleibt am Puls der Zeit, erreicht Publikum, öffnet neue Türen.

Das gilt für Kunst und Kultur, und das gilt genauso für die Kulturpolitik.

Wir müssen zum Beispiel unsere Internationale Kulturarbeit noch besser auf die Digitalisierung einstellen. Außerdem ist es wichtig, neue Partner zu gewinnen und noch stärker nicht nur die städtische Elite zu erreichen, sondern die Breite der Gesellschaft.

Beim Deutschlandjahr in den USA haben wir das schon ganz gut hingekriegt. Und schließlich muss das Goethe-Institut noch stärker zum Scharnier zwischen Deutschland und der Welt werden.

Und das bedeutet auch: Es muss mit seiner immensen interkulturellen Kompetenz noch stärker auch in die deutsche Gesellschaft hineinwirken. Zum Beispiel beim Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Und klar ist: Auch finanziell muss das Goethe-Institut auf soliden Beinen stehen. Es war für uns als Auswärtiges Amt klar, dass wir das Goethe-Institut in dieser insbesondere durch die Pandemie schwierigen Lage mit Hilfe des Bundesfinanzministeriums unterstützen. Aber auch über die Krise hinaus braucht es neue Konzepte.

Viele Herausforderungen. Dem Goethe-Institut mit all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Ohr auf der ganzen Welt am Puls der Gesellschaft haben, wird es mit Sicherheit gelingen, gute Antworten darauf zu finden.

An dieser Stelle will ich auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen im Goethe-Institut dafür danken, dass Sie es mit Ihrem Einsatz gerade auch in dieser Krisen-Zeit geschafft haben, das Goethe-Institut am Laufen zu halten.

Ich bin auf jeden Fall gespannt darauf, wofür das Goethe-Institut in Zukunft stehen wird, auf welchen Weg es sich macht. Eines ist aber klar: Wenn es das Goethe-Institut noch nicht gäbe, dann müssten wir es spätestens jetzt erfinden.

Es ist und bleibt zentraler Partner unserer Außenpolitik. Ob beim Neustart unserer transatlantischen Partnerschaft, bei der Unterstützung der Zivilgesellschaft in Belarus oder bei dem Aufbau partnerschaftlicher Beziehungen mit Afrika.

Lieber Herr Lehmann,

Ich danke Ihnen für all Ihren Einsatz, für Ihr Engagement, Ihre Weitsicht, Ihre Offenheit und vor allem:

Ihr immerwährendes Streiten für unsere Demokratie. Für das Auswärtige Amt waren Sie ein großartiger Partner.

Liebe Frau Lentz,

ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Erfolg bei der uns verbindenden Aufgabe, die internationale Kulturpolitik in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

Ich bin schon jetzt gespannt, welche Geschichten von Menschen und Kooperationen sich im Laufe der Jahre auf Ihrem Tonband und in der Arbeit des Goethe-Instituts wiederfinden werden. Als Auswärtiges Amt können Sie immer auf uns zählen!

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