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Ansprache von Staatsministerin Michelle Müntefering anlässlich der Eröffnungsfeier der Zentrale des Goethe-Instituts

21.11.2019 - Rede

Und noch einmal, lieber Johannes. Ich weiß nicht, ob es sich vielleicht schon herumgesprochen hat. Wir beide haben ein kleines Geheimnis. Ich denke, heute darf ich es verraten: An einem Sonntagmorgen im Juni haben wir uns getroffen. Hier – zu einem Rundgang durch die leere, aber fast fertige Goethe-Zentrale.

Die Programm-Abteilung würde wohl sagen es war eine „exklusive Sneak Preview“, bei der ich zumindest schon sehen konnte, wie das Haus aussehen und wie es wirken wird: großzügig, modern, Licht durchflutet, offen.

Es ist ein Ort geworden, an dem sich der Gedanke der Kooperation und der Kommunikation bereits im Ausbau, der Architektur erkennen lässt.

Darüber wird übrigens bereits in den Sozialen Medien diskutiert. Nicht über unseren Ausflug, Johannes.

Aber darüber, wie es sich denn im neuen Großraum als Generalsekretär so arbeitet - das fragte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, bereits per Twitter.

Wie es sich denn zwischen all den Tischreihen, Pflanzen, Sesseln und großen Bildschirmen denkt und arbeitet, das frage ich dann nachher lieber mal die Mitarbeiter - wie das ist, wenn der Chef Ihnen die ganze Zeit über die Schultern schaut.

Und wo ist eigentlich in dieser Zeit der Präsident, Klaus-Dieter Lehmann?

In der Süddeutschen Zeitung war ja zu lesen, zum Telefonieren, geht es in die abgeschlossene Kabine. Ich kann Ihnen anbieten, sagen Sie Bescheid, wenn es Ihnen zu viel wird mit dem Chef. Dann rufe ich an und dann müssen die in die Kabine.

Eines steht jedenfalls fest: Wir müssen heute in dieser Welt mehr miteinander reden, brauchen bessere Kooperation und wir müssen auch alte Konzepte immer wieder neu überdenken.

Und hier sieht man, der Raum dafür ist da.

Deswegen freue ich mich sehr, dass ich heute hier bei Ihnen sein darf und vor allem jetzt auch eine Vorstellung davon bekomme, wie tatsächlich Leben „in die Bude“ kommt, wie man im Ruhrgebiet sagen würde.

So ein Umzug ist ja gewissermaßen immer auch eine Art Neustart. Ein Anlass, darüber nachzudenken: Was muss mit, was wird noch gebraucht, was kann erstmal in die Umzugskisten - und wird dann meistens da vergessen - und was rümpeln wir aus?

Ich meine, Sie sollten vorsichtig sein beim Auspacken. Denn das meiste, was Sie hierher mitnehmen, wird in der Zukunft noch dringend gebraucht.

Ich habe dafür eine gute Beschreibung gefunden, lieber Klaus-Dieter Lehmann. Sehen Sie es mir nach, ich zitiere jetzt nicht, wie Sie es eben getan haben, den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und jetzigen Bundespräsidenten, auch nicht Außenminister Heiko Maas und auch nicht Goethe. Wir sind ja in München - deswegen die Sportfreunde Stiller.

Und da heißt es in einem Song:

„Weltweit / Der große Traum sich die große weite Welt anzuschauen

Weltweit / Sprechen wir zwar

Verschiedener Sprachen, doch in allen kann man lachen.

Was ich sagen will, ob in der Politik / Der Wirtschaft und im Sport erfüllt das Denken nur seinen Zweck / Denken wir uns die Grenzen weg.

(Doch) Leider haben sich weltweit so manche noch nicht / Von nationaler Ideologie befreit / Dabei ist unser Leben längst / International.“

Verehrte Damen und Herren,

die Goethe-Institute sind Kultur-Botschaften, die Menschen auf der ganzen Welt zusammen-, miteinander in den Austausch - und manchmal sicher auch zum Lachen bringen.

Auf meinen Reisen habe ich viele Künstlerinnen und Künstler getroffen, die mir von ihren Erfahrungen, ihrer Zusammenarbeit mit Goethe berichtet haben.

Die Goethe-Institute sind Kunst-, Kultur- und Bildungs-Orte. Räume des Austauschs, des Nachdenkens, des Lernens - unentbehrliche Freiräume.

Nicht nur, dass Menschen Freiräume brauchen, wie die Luft zum Atmen. Wir brauchen dieses einzigartige kulturelle Netzwerk auch bei wichtigen politischen Vorhaben.

Das jüngste Beispiel ist die größte Kommunikationskampagne des Auswärtigen Amtes bisher: Das Deutschlandjahr USA „Wunderbar Together“, rund 2000 Veranstaltungen in diesem Jahr in den USA. Da haben sie gemeinsam mit uns und zahlreichen anderen Partnern erfolgreich gewirkt.

Das war und ist wichtig für das transatlantische Verhältnis. Ich konnte es selber erleben.

Besonders beeindruckt hat mich der Mut, etwas Neues auszuprobieren, wie zum Beispiel die pop-up Goethe-Institute oder der WanderbUS mit Stationen in 48 Staaten.

So konnten wir die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Verbindungen auch in die Fläche tragen und in einen echten Dialog zwischen unseren Gesellschaften treten.

Gerade erst hat Außenminister Maas – von dem ich Sie alle ganz herzlich grüßen darf - das deutsch-dänische kulturelle Freundschaftsjahr 2020 eröffnet. Auch daran wirkt das Goethe-Institut, wie bei vielen anderen Projekten, mit.

Und daran müssen wir anknüpfen. Wir werden die Erfahrungen nun evaluieren und Gutes mitnehmen.

Denn, ja: Nationale Ideologien sind immer noch verbreitet, sie nehmen sogar wieder zu.

Dabei ist es doch der Austausch, den wir heute dringend brauchen, der Dialog zwischen den Gesellschaften. Auch in Deutschland. Freiheit braucht konstruktives Streiten in gegenseitigem Respekt.

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, mit einer Kulturpolitik, die auf dem Gedanken von „Fortschritt durch Widerspruch“ beruht, Freiheit zu stärken – und über geografische und soziale Grenzen hinweg den Zugang, Kultur und Bildung zu schaffen.

Verehrte Damen und Herren,

das Beste an den Umzugskisten des Goethe-Instituts sind aber eher die vielen klugen Köpfe und Hände, die sie tragen: Die Menschen, die Goethe lebendig machen.

Das Goethe-Institut lebt von seinen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Sie vertreten die Internationalität, den Gedanken von Kooperation und Koproduktion aus Überzeugung.

Und sie alle tragen damit dazu bei, zwischen den Kulturen und Gesellschaften zu vermitteln.

Sie spüren die Entwicklungen und Veränderungen auf und übersetzen diese kulturell. Ich bin sicher, dass dieses Engagement auch hier in der Zentrale als erstes ausgepackt wurden ist – so zumindest mein Eindruck gerade bei unserem Gespräch mit den verschiedenen Abteilungen.

Und Sie nehmen das auch mit auf Posten ins Ausland. Sie tragen das Miteinander in die Welt. Dafür möchte ich Ihnen heute von Herzen und auch im Namen des ganzen Auswärtigen Amtes danken.

Und ebenso wichtig sind natürlich auch die Freunde, die bereit sind, solche Umzugspläne dann auch mit in die Tat umzusetzen, die dann auch helfen, die Kisten zu schleppen: das Präsidium, die Mitgliederversammlung, die Beiräte, den Betriebsrat nicht zu vergessen, bis hin zu den Partnerschaften mit Institutionen und Persönlichkeiten, die uns verbunden sind. Sie alle gehören dazu. Und Ihnen allen danke ich.

Danke dafür, dass wir mit dem Goethe-Institut einen starken und engagierten Partner an unserer Seite wissen.

Diese großartige Arbeit sehen nicht nur ich, nicht nur wir, sondern auch die Mitglieder des Bundestages - sie unterstützen ganz konkret - mit dem Bundeshaushalt - ihre Arbeit auch diesmal wieder. Ich danke heute stellvertretend Ihnen, liebe Gesine Lötzsch. Schön, dass Sie hier sind.

Mein Dank gilt besonders auch den Kolleginnen und Kollegen im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und im Haushaltsausschuss.

Es ist eine besondere und eine besonders gute Entscheidung natürlich, dass der Haushaltausschuss der letzte Woche den größten Haushalt in der Geschichte unserer internationalen Kultur- und Bildungspolitik bewilligt hat.

Wir übertreffen in 2020 die Kulturmilliarde. Und wir alle wissen: Wir tun Gutes damit.

Aber natürlich brauchen wir mehr als die Politik. Wir brauchen Menschen an unserer Seite. Deshalb müssen wir noch stärker die Zivilgesellschaft einbinden. Auch diejenigen, die wir bislang noch nicht erreichen, die bisher vielleicht noch nicht den Zugang zu Kultur oder zu Goethe gefunden haben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Das Deutschland-Jahr hat einmal mehr gezeigt: mit der Arbeit, die wir tun, entstehen immer auch neue Ideen. Und auch das kommende Jahr wird sicher nicht langweilig.

Tragend wird die Rolle des Goethe-Instituts auch bei dem sein, was uns im nächsten Jahr erwartet. Neben dem geplanten Deutschlandjahr in Russland, ist das vor allem die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020.

Gleiches gilt für unseren Strategie-Prozess - bei dem wir unsere Arbeit auf den Prüfstand stellen - 150 Jahre Auswärtiges Amt und 100 Jahre Kulturabteilung.

Sehr verehrte Damen und Herren,

die New York Times beschrieb das Deutschlandjahr als Beispiel „ortschrittliche Cultural Diplomacy“. Und das hören wir natürlich gerne.

Denn wir wollen den Fortschritt mitgestalten. Und jeder Fortschritt bringt neue Fragen mit sich. Deswegen bleiben wir nicht stehen, sondern hinterfragen auch unsere Arbeit.

Gerade in einer Zeit, die Kritikfähigkeit - aktive wie passive - braucht. Denn nur gemeinsam finden wir Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit:

  • Digitalisierung – was bedeutet das für die Spracharbeit? Brauchen wir neue Formate der Kulturarbeit und der Vermittlung kultureller Inhalte?
  • Migration - wie verändern sich dadurch unsere Gesellschaften, was bedeutet es, wenn das Innen und Außen zunehmend verschwimmen?
  • Globalisierung - wie verhalten wir uns zu Wettbewerbern, die ganz andere Werte vertreten? Hat eine eurozentristische Weltsicht noch Bestand oder wie können wir sie – Stichwort Dekolonialisierung – überwinden?
  • Klimawandel und Nachhaltigkeit – welchen Beitrag können Kultur und Bildung zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, den SDGs leisten?

Ich wünsche mir für die Zukunft eine fortschrittliche „Cultural diplomacy for Sustainability“.

Denn: In einer globalisierten Welt muss auch die Außenpolitik stärker eine Antwort auf die Frage geben: In was für einer Welt wollen wir eigentlich leben?

Politik ist eben nicht nur die Verfasstheit von Staaten, sondern immer auch das WIE, das Miteinander.

Wir wollen im Wettbewerb der Narrative die Werte der Demokratie, der Freiheit und der Solidarität behaupten. Dazu brauchen wir Europa. Und auch eine europäische Kulturpolitik.

Das Goethe-Institut hat sich auf den Weg gemacht, sich mit seinen europäischen Partnern, insbesondere mit Frankreich, in Zukunft noch enger abzustimmen und sogar gemeinsame Institute zu gründen.

Das ist ein Weg, zu dem ich ermutigen möchte, ihn weiter voranzugehen!

Weil wir gerade auch in der Kulturpolitik sehen, dass wir gemeinsam mehr erreichen als alleine.

Das ist die Überzeugung, die uns alle auch heute zusammenführt. Diese Überzeugung tragen wir mit uns, überall dahin, wo wir sind. Hier in der neuen Zentrale, oder auf Auslandsposten.

Verehrte Damen und Herren!

Wo Austausch möglich ist, da haben Argumente eine Chance, wo Argumente eine Chance haben, da hat es auch die Verständigung. Und wo die Verständigung eine Chance hat, da hat es auch der Frieden.

Goethe schafft diesen Austausch.

Oder, wie die Sportfreunde Stiller sagen: „Somit ist sofort / International nicht nur mehr ein Wort.“

Alles Gute, Goethe. Für dich und dein Zuhause. In München, in Deutschland und in der Welt.

Und nicht vergessen: Nach dem Umzug, „da gibts a Brezn“.

Haben Sie einen schönen Abend!


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