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Grußwort von Staatsministerin Michelle Müntefering zur Eröffnung der Ausstellung “God is in the Detail”

15.05.2019 - Rede

Zugegeben: Ich bin auch einer dieser Serien-Junkies. Momentan ist für mich, wie für Millionen andere, das große Finale von Game Of Thrones ein Muss.

Menschen rund um den Erdball schauen zu: den verfeindeten Königshäusern, die die Welt-Herrschaft über den eisernen Thron erlangen wollen.

Dieser Thron ist ein Monstrum von einem Stuhl. Gefertigt aus spitzem, Eisen, aus verschmolzenen Schwertern.

Ein Synonym für Autorität und Symbol einer von Gewalt beherrschten Gesellschaft.

Zuletzt habe ich mich gefragt, ob Marcel Breuer wohl an solche archaischen Formen dachte, als er 1929 sein Gegenmodell entwarf: den berühmten Freischwinger.

Kein Dekor, keine Schnörkel. Man sitzt zwar auf etwas wackeligem Grund, aber zumindest – frei.

Das Bauhaus steht für einen immensen gesellschaftlichen Aufbruch.

Für den Drang nach Veränderung, nach einer neuen demokratischen Gesellschaft, die den Menschen und die soziale Funktion von Design in den Mittelpunkt stellt.

Das ist auch unser Wunsch, unsere politische Verpflichtung: Beizutragen zum Frieden in einer Welt, die ziemlich durcheinander geraten ist.

Das Bauhaus mit seinen sozialen Ideen und seiner internationalen Bewegung, seinem Aufbruch in die Moderne hat eine friedensstiftende Kraft, die es auch heute braucht.

Deswegen bin ich sehr froh, heute hier bei Ihnen zu sein und mich gemeinsam mit Ihnen auf vier Künstler zu freuen, die wiederum die großen Meister des Bauhauses neu gedacht, oder zumindest neu interpretiert haben.

Denn das zeigt: Das Bauhaus hat Spuren hinterlassen. Und dies nicht nur in der Kunst. Auch in Kultur und Gesellschaft – und zwar weltweit.

Die Bauhaus-Architekten gaben Anstöße für die kommunale Stadtentwicklung und entwarfen die typisch schlichte Designsprache, die uns bis heute alltäglich begegnet.

Das Bauhaus ist aber mehr als zeitloses Design. Es ist die Idee, den Menschen ganzheitlich in den Mittelpunkt zu rücken, seine Grundbedürfnisse über die der Industrie zu stellen.

In diesem Sinne war und ist das Bauhaus immer auch eine Kunst, die humanistischen Prinzipien folgt. Auch wenn das nicht immer perfekt gelang - etwa mit Blick auf die Gleichstellung der Frauen in der Bauhaus-Schule.

Das Bauhaus, verehrte Damen und Herren, in einem Satz heißt nicht Design allein, sondern immer auch Inhalt!

Auch deswegen wurden seine Künstlerinnen und Künstler, Architekten, Maler und Bildhauer von den Nazis verfolgt.

Weil jede Diktatur, jedes totalitäre System, die mächtige Kraft von Kunst und Kultur fürchtet und unterdrückt.

Heute müssen wir wieder besonders sensibel dafür sein, wenn Kunst und Kultur angegriffen werden.

Beispiele dafür gibt es leider genug.

Mit unserer Politik im Auswärtigen Amt wollen wir hier ein Gegengewicht setzen.

Wir investieren über die internationale Kultur- und Bildungspolitik in Friedensarbeit und Kooperation und mehr noch, in Koproduktion, in die Freiheit der Kunst, die Gleichwertigkeit der Menschen und in eine offene, eine moderne Gesellschaft.

Mit der Martin Roth-Initiative ist es uns gelungen, ein Programm für verfolgte Künstlerinnen und Künstler aufzusetzen. Wir stärken Freiheit, indem wir Freiräume schaffen – für Kreativität und Zivilgesellschaft.

Und wo wir für den Multilateralismus aus Überzeugung eintreten, bedeutet das auch: Die großen Fragen der Zeit müssen auch kulturell verhandelt werden. Wie gehen wir eigentlich miteinander um?

Eine besondere Rolle kommt dabei der Kreativwirtschaft zu.

Sie ist einer der dynamischsten Wirtschaftszweige weltweit.

Ich freue mich, dass dies auch hier im Wirtschaftsforum auf offene Ohren stößt und man diesen Bereich stärken möchte.

Gerade auch im Zeitalter der Digitalisierung und neuer Geschäftsmodelle können wir von der Idee des Bauhauses lernen.

Sie wissen das, das Sie in verschiedenen Wirtschaftskreisen unterwegs sind. Wir stehen weltweit massiver Konkurrenz gegenüber. China und Russland etwa investieren nicht nur in ihre Narrative, sondern setzen auf Technologieentwicklung.

Dabei geht es längst um beides.

Oder denken wir an die großen Digitalkonzerne aus den USA.

Die Art der Technologie wird unsere Art des Zusammenlebens bestimmen.

Uns muss es darum gehen, dass wir die Technik bestimmen - und nicht die Technik uns.

Steve Jobs soll durch das Bauhaus inspiriert worden sein, sein iPhone ist heute für viele zum ständigen Begleiter geworden.

Für die Zukunft brauchen wir nicht nur Bauhaus von Außen, sondern vielmehr Bauhaus von Innen.

Wir brauchen keine Schwarm-Intelligenz, sondern wir brauchen vielmehr Gemeinschaftsintelligenz.

Das Bauhaus ist eines der besten Beispiele für die globale kulturelle Beeinflussung. Für das Miteinander von Innen und Außen, aber auch für die Veränderungen, die durch Kunst, Kultur und durch Ideen möglich sind.

Im Design, aber auch im Sozialen, in unserer Gesellschaft.

Denn: Es geht eben nicht um Weltherrschaft, sondern um die Zukunft unseres Planeten.

Verehrte Damen und Herren,
als Abgeordnete sitzen wir heute im Paul-Löbe Haus zum Glück nicht auf dem eisernen Thronen, sondern auf dem „Barcelona-Chair“, von Ludwig Mies van der Rohe und Lilly Reich.

Ich frage mich allerdings, was wohl Walter Gropius zu den Preisen gesagt hätte, die die Bauhaus-Lampen, -Tische und -Stühle heute als Sammlerstücke auf Ebay erzielen?

Nicht in allem konnte das Bauhaus seinem eigenen, bisweilen utopischen Anspruch gerecht werden, nicht überall konnte eine Idee die Welt grundlegend verändern.

Aber: Ist das Bauhaus deshalb gescheitert? Ich denke nicht.

Denn es steht bis zum heutigen Tag für den notwendigen Drang nach Veränderung, für den Willen, frei zu schwingen, für den Drang nach einer neuen gerechteren Gesellschaft.

Heute sind wir alle in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass wir nicht weiter auseinanderfallen, sondern zusammenrücken.

Dafür können und müssen wir etwas tun.

Ganz Europa steht in diesen Wochen vor einer großen Entscheidung. Am 26. Mai wählen wir ein neues europäisches Parlament.

Wir alle spüren den historischen Moment.

Es geht um die Frage: Meinen wir, wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht - oder meinen wir, dass wir gemeinsam mehr erreichen können?

Ich bin sicher: Das Bauhaus kennt die Antwort.

Vielen Dank!

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