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Grußwort von Staatsministerin Michelle Müntefering zur Auftaktveranstaltung für das Forum für Wissenschaftsfreiheit der Allianz-Organisationen der deutschen Wissenschaft

18.03.2019 - Rede

-- Es gilt das gesprochene Wort! --

In der Tat, 2019 ist ein besonderes Jahr. Auch weil es das Jahr des 250. Geburtstages von Alexander von Humboldts ist. Erst vor wenigen Wochen waren wir ja mit Bundespräsident Steinmeier auf den Spuren des großen Forschers und Namensgebers dieser Stiftung in Ecuador und Kolumbien. Dort bin ich auf das für mich bislang eindrucksvollste Zitat Humboldts gestoßen: „Die Natur ist die größte Republik der Freiheit.“

Freiheit, verehrte Damen und Herren, ist heute in vielfacher Weise gefährdet: Die Natur durch den Menschen. Aber auch der Mensch durch den Menschen. Ebenso die Wissenschaftsfreiheit, über die wir heute sprechen wollen.

Im aktuellen Bericht “Free to Think 2018” spricht das Netzwerk Scholars at Risk von fast 300 Angriffen auf Einrichtungen der akademischen Bildung. Das sind (weltweit?) fast 50 mehr als im Jahr zuvor. Und auch die Zahl, in denen solche Fälle dokumentiert werden, nimmt rapide zu. Und das ist nur die Spitze des Eisberges: viele Fälle werden gar nicht dokumentiert.

Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen diesen etwas pessimistischen Auftakt für diesen Kongress nicht ersparen.

Denn wir werden hinsehen müssen, wo andere bewusst die Fakten negieren.

Wir alle sind Zeugen einer neuen Wissenschaftsfeindlichkeit - mancherorts werden Ergebnisse ignoriert, weil sie nicht ins Weltbild passen oder Forschungsgelder gekürzt, wo Nützlichkeit durch Ideologie infrage gestellt wird. Und Menschen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind in ihrer Arbeit, aber oftmals auch ganz persönlich, von Krisen und Kriegen betroffen. Obgleich wir gerade heute angesichts der Globalisierung auf Forschung und Wissenschaft setzen und viel mehr in sie investieren müssten.

Wir müssen aus all diesen Gründen von einer „globalen Krise“ für die Wissenschaftsfreiheit sprechen.

Das kann uns nicht egal sein. Wir müssen etwas tun.

Deshalb ist es wichtig, dass wir zusammen finden und gemeinsam Wege suchen, um gegen diese Krise anzukämpfen.

Es geht darum: die Freiheit der Wissenschaft zu schützen - und mit ihr auch eine wichtige Bedingung für Fortschritt, Entwicklung und Wohlstand. Nur mit Neugier und Wissen, mit Austausch und Internationalisierung können wir außerdem die richtigen Antworten finden auf die großen Fragen der Zeit.

Ich bin der Alexander von Humboldt-Stiftung dankbar, dass sie gemeinsam mit der FU Berlin und dem Scholars at Risk Network diesen Kongress nun schon zum zweiten Mal organisiert. Und es ist wichtig, dass Sie auch weitere Organisationen als Partner gewonnen haben.

Das Auswärtige Amt hat mit der Alexander von Humboldt-Stiftung die Philipp Schwartz-Initiative ins Leben gerufen, um Forscherinnen und Forscher, die ihre Heimat verlassen müssen, zu unterstützen. Bisher konnten wir 160 Forschende aus unterschiedlichen Ländern fördern. Einige von ihnen konnte ich vor einiger Zeit im Ruhrgebiet, meiner Heimatregion, treffen und ihre persönlichen Geschichten hören.

Für Künstlerinnen und Künstler haben wir letztes Jahr zudem die Martin Roth-Initiative geschaffen. Bei beiden Initiativen hatten wir vor allem Krisengebiete oder Diktaturen als Herkunftsgebiete vor Augen.

Sehr verehrte Damen und Herren!

Wir Deutsche haben hier eine besondere Verantwortung. Es ist gerade einmal 70 Jahre her, da waren es deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die während des Nazi-Regimes andernorts Zuflucht gesucht und gefunden haben, darunter Philipp Schwartz in der Türkei.

Die Menschen, die zu uns kommen, sollen Schutz erfahren. Und wir wissen gleichzeitig auch, sie bringen etwas mit: Ideen und viel Potenzial für Neues, für Innovation und Fortschritt.

Verehrte Damen und Herren!

Inzwischen ist das Thema auch innerhalb der EU aktuell. Dabei ist gerade die Wissenschaftsfreiheit ein Herzstück des europäischen Wertekanons, auf dem wir die EU gegründet haben. Doch wir sehen: Auch in Europa ist der Geist des nationalen Populismus wieder auf dem Vormarsch.

Umso mehr freut es mich, dass auch andere europäische Länder etwas tun: Unser enger Partner Frankreich hat mit PAUSE eine ähnliche Initiative geschaffen. Seit 2017 können gefährdete Forscher für ein Jahr Schutz und Förderung in Frankreich finden.

Nun kooperieren die Philipp Schwartz-Initiative und PAUSE und planen ein gemeinsames Projekt zur Stärkung der europäischen Zusammenarbeit zwischen Organisationen, die sich für wissenschaftliche Freiheit einsetzen. Das ist ein starkes Zeichen für die intensiven Bindungen und Kontakte zwischen Frankreich und Deutschland UND für die Wissenschaftsfreiheit.

Zugleich soll es nicht bei einer bilateralen Initiative bleiben. Unsere Initiative ist bewusst offen, offen für Kooperationen auch mit anderen europäischen Partnern.

Verehrte Damen und Herren!

Der Vertrag von Aachen, den beide Regierungen vor wenigen Wochen unterzeichnet haben, führt die deutsch-französische Zusammenarbeit als ein Motor für das europäische Einigungswerk fort, denn er schafft die Grundlagen für noch engere Forschungskooperationen.

Wir haben uns darin auf eine engere Zusammenarbeit bei Zukunftstechnologien und Digitalisierung, insbesondere bei Innovation und Künstlicher Intelligenz geeinigt.

Und wir unterstützen auch den Vorschlag des Präsidenten Macron für ein europäisches Hochschulnetzwerk und eine noch engere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Hochschulen in Europa.

Besonders erfolgreich gelingt uns die Zusammenarbeit übrigens bereits mit der deutsch-französischen Hochschule, einem Netzwerk von 194 Partneruniversitäten.

Und nicht zuletzt ist es großartig, dass wir im Aachener Vertrag die Kulturzusammenarbeit konkret festgehalten haben: Denn wir haben darin erstmals deutsch-französische Kulturinstitute vereinbart.

Nun setzen wir auf eben diesem Feld ein weiteres Zeichen der Partnerschaft. Ein Zeichen für die europäischen Werte der Meinungsfreiheit und des internationalen Forschungsgeists.

Ein Zeichen dafür: Gemeinsam und entschlossen nach vorn gerichtete Antworten auf die aktuellen Herausforderungen der Zeit zu finden.

Gerade auch im Jahr der Europa-Wahl.

In einer Zeit voller Ungewissheiten, in der Populisten und Nationalisten Abschottung und Schneckenhaus-Mentalität als Lösung anpreisen, zeigen Frankreich und Deutschland in eine andere Richtung. Wir nähern uns weiter an, bündeln unsere Kräfte und geben so Impulse für die kulturelle Zukunft Europas.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Botschafterin Descôtes und ich setzen mit einer gemeinsamen Erklärung dieses Zeichen und wir senden eine Botschaft.

An Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch an all jene Staaten, in denen Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt ist.

Wissenschaftsfreiheit ist für unsere beiden Länder ein zentrales, ein elementares Gut. Und auch Wissenschaftler haben Verantwortung. Der Verantwortung für diese Welt können wir nur gemeinsam gerecht werden.

Damit bin ich am Schluss bei einem der Größten: Bei Albert Einstein - den man auch bei der Humboldt-Stiftung zitieren darf.

Der mahnte eindringlich, die Wissenschaft zum Fortschritt zu nutzen. Er sagte:

Die Sorge um die Menschen, und ihr Schicksal muss stets das Hauptinteresse allen technischen Strebens bilden, (...) damit die Erzeugnisse unseres Geistes dem Menschengeschlecht zum Segen gereichen und nicht zum Fluche.

Vergesst das nicht über euren Zeichnungen und Gleichungen.

Herzlichen Dank!

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