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Key-Note von Staatsministerin Michelle Müntefering anlässlich des Gipfeltreffen der FES Baden-Württemberg in Hohenneuffen: „Politik mit Weitblick“ Fokus Afrika: Kontinent der Chancen

13.07.2019 - Rede

Danke für die Einladung zum heutigen Gipfeltreffen in Hohenneuffen.

„Politik mit Weitblick: Fokus Afrika, Kontinent der Chancen“ ist ihr Thema.

Ich freue mich, dass Sie dabei den Fokus Afrika gewählt haben. Als Nils mir das sagte, habe ich gerne zugesagt - denn der afrikanische Kontinent beschäftigt uns beide und die SPD-Außenpolitiker, sehr.

Ich meine: In einer globalisierten Welt, die sich so stark wandelt, da wandelt sich auch die Rolle der Außenpolitik, denn sie muss noch stärker eine Antwort auf die Frage geben: WIE wollen wir leben? In was für einer Welt wollen wir leben?

Es geht eben längst nicht ausschließlich um Geostrategie - es geht auch zunehmend um die Frage unserer Werte. Deutschland hat Verantwortung. Aber wie nehmen wir diese Verantwortung wahr? An Rüstungsausgaben und Flugzeugträgern allein bemisst sich unsere Verantwortung sicher nicht.

Einige von Ihnen haben, während ich hier rede, zwischendurch auf ihr Handy geschaut.

Das ist voll ok: Wir bekommen die Nachrichten heute aus aller Welt in Echtzeit. Ihr seht die Proteste und die Einigung in Sudan, Trumps Tweets zu Iran ebenso wie das neueste Outfit von Lady Gaga und die Bilder der Freunde, die gerade in Costa Rica auf Back Packer Tour sind (übrigens ein Land, das mittlerweile nahezu 100% der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien bezieht).

In so einer Welt kann man das Außen und Innen nicht mehr voneinander trennen - das Kleine und das Große, die Kommunal- und die Außenpolitik - all das hängt zusammen.

Die SDGs, die Agenda 2030, entwickeln mehr als 2 Generationen nach dem Nord-Süd Berichts Willy Brandts, einen entscheidenden Gedanken weiter: Es braucht nicht nur Hilfe zur Entwicklung der Reichen für die Schwachen, es reicht nicht der Gedanke der Gleichheit, sondern:

Wir alle haben eine gemeinsame Verantwortung für unseren Planeten. Nur wenn wir diese wahrnehmen, werden wir Wachstum und Wohlstand auch zum Nutzen aller fortentwickeln können. Das, finde ich, ist die beste Richtlinie für all unser politisches Handeln.

Und damit bin ich natürlich bei unserem Thema: Afrika.

Im SPD-Ortsverein oder am Infostand habe ich oft erlebt, dass gefragt wurde: Was haben wir denn mit Afrika zu tun? Nun, die Tatsache ist: ziemlich viel.

Afrika ist unser Nachbarkontinent.

Ein Kontinent, den wir besser verstehen müssen. Und dazu gehört für mich als erstes seine Vielfalt.

Das Problem dabei beschreiben Sie in Ihrer Einladung: Bei uns herrsche allzu oft das Bild des Krisen-Kontinents vor, wenn wir von Afrika sprechen. Das stimmt.

Georg Brunold, der Autor des Buches „Afrika gibt es nicht“ schreibt dazu:

„In der nördlichen Hemisphäre gibt es viele Leute, die glauben, in Afrika herrsche ein unerträglich heißes Klima, die Menschen hätten dort die meiste Zeit Hunger, und die Verhältnisse seien von Grund auf kreuzverkehrt.

Einen solchen, regelrecht bestialischen Kontinent aber gibt es nicht. Was es dagegen gibt, ist ein grenzenloser Kontinent, der Wunden nicht nur schlägt sondern auch heilt, der seine Millionen von Flüchtlingen nicht nur hervorbringt, sondern auch beherbergt und der über einen in Europa ganz unbekannten Fundus an Toleranz verfügt.“

Wir müssen viel differenzierter und genauer hinschauen und mehr von unseren afrikanischen Partnern lernen. Das ist gar nicht so einfach, selbst in einer digitalisierten Welt.

Einen ganzen Kontinent medial abzudecken ist selbst für große Medienhäuser eine nahezu unmögliche Aufgabe:

Wer soll 55 Staaten, eine Fläche von 8000 mal 8000 Kilometern und 1,3 Mrd. Afrikanerinnen und Afrikaner mit schätzungsweise 2000 Sprachen und fast genauso vielen eigenständige Volksgruppen, die dort beheimatet sind, im Auge behalten und alle Themen kennen, die aktuell und wichtig sind? Da passt Europa mehrfach rein.

Und in der Tat, der Kontinent ist gewaltig, vielfältig und spannend.

Denkt nur: Wir unterscheiden ja auch zwischen Helsinki und Palermo – und da sind weit weniger Kilometer dazwischen als bei Tunis und Kapstadt.

Hinzu kommt: Wenn auf dem afrikanischen Kontinent heute 1,3 Milliarden Menschen leben, sollen es in 32 Jahren doppelt so viele sein - und wenn das das Wachstum der Wirtschaft mit dem der Bevölkerung nicht mithalten kann, steigt die Armut.

Für Europa indes gilt die alte Weisheit: Es gibt nur kleine Länder und solche, die noch nicht begriffen haben, dass sie klein sind.

Wir müssen begreifen: Alles hängt mit allem zusammen. Mit Deutschland stellen wir heute 1,2 Prozent der Weltbevölkerung - in 25 Jahren sind es noch 0,7 Prozent.

Dabei ist die Welt insgesamt nicht unbedingt schlechter geworden, auch wenn derzeit in vielen Ländern Autokraten die Schlagzeilen beherrschen: Im Vergleich zum Stand von 1954 hat die Demokratie weltweit einen beeindruckenden Siegeszug hingelegt.

Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen hat sich seit 1800 verdoppelt. Ja, das sagt noch nichts über die Lebensqualität aus.

Doch auch der Wohlstand ist dem Human Development Index der Vereinten Nationen zufolge deutlich gestiegen.

Fortschritte bei der Lebensmittelproduktion haben dazu geführt, dass weniger Menschen Hunger leiden müssen. Und das Bruttoinlandsprodukt (pro Kopf) ist seit 1950 in der Mehrzahl der Länder ebenfalls deutlich angestiegen.

Ende 2015 lag der Anteil der Menschen in extremer Armut nach Berechnungen der Weltbank das erste Mal bei weniger als zehn Prozent.

Allerdings waren die Entwicklungen in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich.

Nicht alle Menschen profitieren von der wirtschaftlichen Entwicklung in gleichem Umfang. Vor allem in afrikanischen Ländern geht es deutlich langsamer aufwärts.

Hier wiederum gibt es Länder mit anhaltendem Wirtschaftswachstum und besserer Lebensqualität (etwa Botswana und Ghana) und Länder mit armer Bevölkerung, obgleich es Reichtum an natürlichen Ressourcen im Land gibt(zum Beispiel Mosambik oder Nigeria) - und es gibt fragile Staaten, in denen kriegsähnliche Zustände herrschen (zum Beispiel die Demokratische Republik Kongo und Südsudan).

Wirtschaftlich zählt die Hälfte der afrikanischen Staaten immer noch zu den Ländern mit dem niedrigsten Einkommen weltweit (low income countries).

Jedoch ist die extreme Armut wie in anderen Erdteilen im vergangenen Vierteljahrhundert stark zurückgegangen.

Die reine Logik der Entwicklungszusammenarbeit trägt also nicht mehr. Und viel zu oft gehen wir von falschen Vorraussetzungen aus - und schauen mit deutschem, europäischen Blick auf die Situation anderer.

Von all dem handelt eine meiner Lieblingsgeschichten aus Afrika, die der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier einmal aus Mosambik mitgebracht hat:

„Ein Affe, so lautet die Fabel, ging einmal an einem Fluss entlang und sah darin einen Fisch. Der Affe sagte: 'Der Arme ist unter Wasser, er wird ertrinken, ich muss ihn retten.'

Der Affe schnappte den Fisch aus dem Wasser, und der Fisch begann zwischen seinen Fingern zu zappeln. Da sagte der Affe: 'Sieh an, wie fröhlich er jetzt ist.'

Doch natürlich starb der Fisch an der freien Luft. Da sagte der Affe: 'Oh wie traurig – wär ich nur ein wenig früher gekommen, ich hätte ihn retten können.'

In dieser Geschichte steckt eine Weisheit, die wir verstehen müssen, wenn wir gute Außenpolitik machen wollen. Das gilt auch - aber nicht nur - für unsere Partnerschaft mit Afrika.

Wir müssen aufpassen, nicht diejenigen zu sein, die immer meinen besser zu wissen, was für andere gut ist.

Liebe Genossinnen und Genossen,

Multilateralismus, Außenpolitik setzt immer voraus, dass wir die Welt auch mit den Augen des anderen sehen. Nicht allein mit deutschen Augen, nicht einmal mit europäischen Augen.

Es geht kurz gesagt um die Frage: Meinen wir, dass wenn jeder an sich selbst denkt, an jeden gedacht ist - oder meinen wir, dass wir zusammen mehr erreichen können?

Lasst mich zuerst noch einige grundsätzliche Dinge sagen und dann etwas speziell - in Verbindung zu den drei Säulen unserer Außenpolitik - mit Blick auf: Frieden und Sicherheit, Wirtschaftliche Entwicklung und Kulturelle Zusammenarbeit.

Wir haben in diesem Jahr die afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung beschlossen - damit haben wir jetzt einen konzeptionellen Schirm, der die Initiativen und Entwicklungen der letzten Jahre zusammenbringt und für die Zukunft ausrichtet.

Wichtig ist aus meiner Sicht auch, dass wir erstmals klare Interessen formulieren, dass wir sagen, was wir wollen.

Denn das macht zugleich klar, wo Konflikte auf uns zukommen, wo wir Entscheidungen treffen müssen. Die Botschaft ist klar: Deutschland wird Afrika auch in Zukunft ein verlässlicher Partner sein.

Unser Anspruch ist: Umfassende partnerschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe, die der Komplexität des Kontinents gerecht werden. Es liegt in unserem Interesse, zur politischen Stabilität und zu einem Abbau des Entwicklungs- und Wohlstandsgefälles zwischen Afrika und Europa beizutragen - so steht es auch im Koalitionsvertrag.

Um eine solche Beziehung “auf Augenhöhe„ auf- und auszubauen braucht es aber zu allererst den Respekt vor den Werten, Grundsätzen und Zielen die von den afrikanischen Ländern selbst festgelegt wurden, wie zum Beispiel in ihrer “Agenda 2063„.

Im Gegensatz zu vielen Entwicklungsplänen für Afrika, stammt dieser Ansatz vom Zusammenschluss der Afrikanischen Union und empfiehlt vor allem die Umsetzung bestehender Konzepte und die Orientierung an Best-Practice Beispielen.

Es braucht insgesamt aber eine möglichst breite gesellschaftliche Basis und gemeinsame Ziele für die Gestaltung der globalen Ordnung. Es geht um unseren Planeten insgesamt. Das zeigen uns auch die jungen Leute bei uns.

Wir wissen: Die großen Fragen der Zeit – Ernährung, Klima, Digitalisierung, Demographie, Nachhaltige Wirtschaft - und Handelsketten – können wir nur gemeinsam mit unseren afrikanischen Nachbarn lösen. Und wir müssen sie auch kulturell verhandeln.

Mittlerweile arbeiten nicht nur das Auswärtige Amt und das BMZ, sondern auch viele andere Ressorts intensiv zu afrikapolitischen Themen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist persönlich sehr engagiert und bereits mehrfach nach Afrika gereist.

Auch die Vielfalt der Akteure, die sich für Afrika engagieren, ist eine Stärke der deutschen Afrikapolitik.

Aber: Wo viele Akteure sind, bedarf es auch einer guten Abstimmung.

Das haben wir mit den im März 2019 im Kabinett angenommenen afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung geschafft: eine solide Grundlage für ein verstärktes Afrika-Engagement.

Entscheidend ist nun, dass wir unsere Afrikapolitik auch europäisch noch stärker aus einem Guss gestalten und diese auch in einen europäischen und multilateralen Kontext einbetten. Unsere Ratspräsidentschaft 2020 ist eine Chance dazu.

Nun zum ersten Punkt: Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Bevor ich das erste Mal nach Afrika, nach Nigeria, gereist bin, habe ich mir einen Rat besonders zu Herzen genommen: Alles zu vergessen, was man über Afrika zu wissen meint.

Nigeria hat mich dann auch überrascht.

In einer von Deutschland geförderten Start-Up-Werkstatt habe ich zwei junge Männer getroffen, die an einer Dünger-Drohne basteln. Sie sagten mir, sie würde die Sprinkleranlagen ersetzen wollen, weil sie mit den Drohnen Wasser und Pestizide viel zielgenauer einsetzen könnten.

Daraufhin habe ich gelernt: Diese Sprinkler, die wurden mal von zwei Juden im Kibbutz erfunden, die sind damit Milliardäre geworden. Heute sitzen da die beiden Jungs in der Millionenmetropole Lagos, in Afrika.

Diese junge Generation, die unheimlich kreativ ist, zu unterstützen, das sehe ich als einen der Hauptansatzpunkte: Die müssen in Zukunft einen Unterschied machen.

Wir brauchen den Austausch der jungen Generation mit Afrika noch viel mehr, wenn wir uns auf die Zukunft konzentrieren wollen. Investitionen, auch gerade nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung braucht es dringend.

Afrika hat großes wirtschaftliches Potential mit seinen jungen Menschen, ihrer und seinen natürlichen Ressourcen. Seine Rolle in der Weltwirtschaft wird zunehmen, doch Wertschöpfung findet meist noch andernorts statt, denn Industrialisierung und Modernisierung ist in vielen Ländern noch wenig entwickelt - das liegt auch an den ungünstigen Startbedingungen nach dem Ende des Kolonialismus.

Wir müssen nun die Chancen nutzen - es braucht Wirtschaftsinvestitionen im Interesse unserer, der deutschen Wirtschaft ebenso wie im gemeinsamen Interesse einer geteilten Verantwortung.

Und auch hier im Bereich der Wirtschaft gilt: Stabilität und nachhaltige Entwicklung, das sind zwei Seiten einer Medaille.

Gute, verlässliche Rahmenbedingungen im politischen, gesellschaftlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bereich sind entscheidend für das Engagement des privaten Sektors, der mindestens genauso gut, wenn nicht vielleicht besser noch als die Entwicklungszusammenarbeit die Voraussetzungen für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung schaffen kann.

Und nachhaltige Investitionen, -Wachstum, -Handelsketten und -Jobs in Afrika tragen wiederum zu Stabilität bei.

Die im Rahmen unserer G20-Präsidentschaft 2017 angestoßene Initiative Partnerschaft mit Afrika, zusammen mit dem “Compact with Africa„, setzt genau hier an.

Das Rahmenabkommen der Afrikanischen Union zur Umsetzung einer afrikanischen Freihandelszone begrüßen wir sehr.

Zweitens: Frieden und Sicherheit

Frieden und Sicherheit in Afrika sind für uns eine Priorität. Und hier sehen wir: eine effektive Friedenspolitik erfordert das Zusammenwirken der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Wir wissen: Nur politische Lösungen können dauerhaft und tragfähig Frieden sichern.

Deswegen setzen wir auf die internationalen, auf die multilateralen Foren. Auf Diplomatie, auch auf Kompromiss, auf Konsens.

Aber klar ist auch: Multilateralismus ist kein Selbstzweck. Wir wollen etwas bewegen.

Wir jedenfalls wollen unsere Verantwortung - auch im VN-Sicherheitsrat nutzen, dem wir nun für zwei Jahre angehören.

Die SDGs für die Nachhaltigkeit wie auch das Pariser Klimaabkommen - sind dabei herausragende Beispiele für erfolgreichen Multilateralismus.

Allerdings hinkt die Staatengemeinschaft bei der Umsetzung hinterher. Von uns allen sind daher verstärkte Anstrengungen gefordert.

Für unsere Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat haben wir es uns daher zu einer Kernaufgabe gemacht, die Krisenprävention zu stärken, indem wir auch die sicherheitsrelevanten Auswirkungen des Klimawandels thematisieren.

Wir müssen verhindern, dass die Kriege der Zukunft um Wasser und Land geführt werden. Wir sehen heute schon, etwa in Nigeria, dass immer mehr Menschen sich begrenzte Gebiete teilen müssen, was zu Konflikten führt. Diese Lage verschärft sich dramatisch, wenn die Umwelt-Bedingungen das Leben dort immer schwieriger machen.

Wo Unfrieden herrscht, wo sich Menschen nicht sicher fühlen, verlassen sie ihre Heimat. Sie machen sich nicht auf den Weg, weil sie wollen. Sie fliehen, weil sie dort nicht weiter leben können.

Darum helfen wir dabei, die Bedingungen in den Herkunftsländern so zu verändern und Chancen zu schaffen, dass weniger Menschen das Gefühl haben, ihre Zukunft in Europa suchen zu müssen.

Hierzu gehört, dass Menschen nicht verfolgt werden, dass ihre Menschenrechte gewahrt werden – aber auch, dass sie zur Schule gehen und Arbeit finden können.

Für uns ist es wichtig, die regionalen politischen Prozesse zur Konfliktprävention und Konfliktlösung zu stärken. Das heißt: Hilfe zur Selbsthilfe.

Gerade in der letzten Woche durften wir dafür auch ein gutes Beispiel erleben: Der Durchbruch bei den Verhandlungen im Sudan. Hier gilt unser großer Dank dem Einsatz und Engagement regionaler Mediatoren – nämlich der Afrikanischen Union und Äthiopiens.

Es gibt jetzt weiterhin eine große Chance für den Sudan - denn die Einigung war ein erster wichtiger Schritt.

Ich bin froh, dass auch der 'Putschversuch' gestern an den grundsätzlichen Bestrebungen hin zu einer Lösung nichts geändert hat.

Es zeigt jedoch. wie wichtig der Dialog ist und die Notwendigkeit, alle politischen Kräfte mitzunehmen. Und Deutschland ist bereit weiter zu unterstützen - im Sudan aber auch an anderen Orten.

Und dies tun wir bereits: Mit diplomatischem Engagement und ganz konkreten Maßnahmen, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat langfristig stärken sollen. Etwa beim Aufbau von Polizei, zivilen Institutionen, der Förderung guter Regierungsführung oder auch der Schaffung von wirtschaftlichen Perspektiven.

Denn nachhaltige Stabilität entsteht eben nicht nur militärisch.

Unser Engagement in Mali ist ein gutes Beispiel dafür, wie breit das Spektrum unserer Friedensarbeit sein kann.

Wir unterstützen die Umsetzung des Friedensprozesses durch lokalen Dialog und Mediation, durch einen Beitrag zur Aussöhnung zwischen den Konfliktparteien und durch den Reformprozess für eine neue Verfassung.

Mit so genannten Mikroprojekten auf lokaler Ebene tragen wir zu einem Bürgerdialog bei, die auch der Bevölkerung Lebensperspektive geben soll. Die Kommunen, Gemeinden, sind hierbei ganz wichtig - weil alles dies vor Ort passiert.

Die Dialoge in Tessalit und Ménaka beispielsweise, zwei kleinere Gemeinden im Norden Malis, erreichten mehr als 500 Personen, insbesondere Frauen, Jugendliche und Kommunalpolitiker.

In Tessalit wurden so die drei rivalisierenden Bürgermeister des Kreises zum ersten Mal seit Beginn der Krise im Jahr 2012 wieder an einen Tisch gebracht.

Zudem haben wir den Co-Vorsitz der informellen Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Sicherheitsratsresolution 1325 “Frauen, Frieden, Sicherheit„ bei den VN übernommen und tragen damit konkrete Verantwortung für die Umsetzung.

Das ist für uns aus gutem Grunde eine Priorität.

Denn: Wir wissen, dass Friedensabkommen stabiler sind und länger halten, wenn Frauen an den Lösungen beteiligt sind.

Und wir können es uns im 21. Jahrhundert schlicht nicht erlauben, über Frieden und Sicherheit zu sprechen, ohne dass Frauen gleichberechtigt am Verhandlungstisch sitzen. Es gibt keine nachhaltige Entwicklung, keinen nachhaltigen Frieden ohne Frauen.

Doch überall auf der Welt erleben wir,

  • dass Frauenrechte eingeschränkt werden,
  • Aktivistinnen und Politikerinnen verfolgt und schikaniert werden, und
  • Frauen zunehmend Anfeindungen, Gewalt und gezielte Verfolgung erfahren – weil sie Frauen sind.
  • Auch werden Frauen in Landrechtsfragen fast durchgängig benachteiligt, obwohl sie den Großteil der Landarbeit leisten.

Wir gehen auch dieses Thema gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern an:

Wir werden das African Women Leaders‘ Netzwerk weiterhin unterstützen, so wie ich es bei der offenen Debatte des VN-Sicherheitsrates zu 1325 im Oktober 2018 und beim EU-AU-Außen-Ministertreffen in Brüssel zu Beginn dieses Jahres bereits zugesagt habe.

Ich finde es auch eine tolle Initiative der African Women Ambassadors in Genf, jungen Frauen aus afrikanischen Ländern Praktika in den Genfer Vertretungen ihrer Heimatländer anzubieten. Davon brauchen wir mehr.

Drittens: Kultur und Bildung

Sehr verehrte Damen und Herren,
neben der Einbindung von Frauen liegt hier einer meiner Schwerpunkte. Denn: Bei all unseren Anstrengungen müssen wir die Zivilgesellschaft stärker einbinden. Das ist meiner Meinung nach der “Weitblick„, von dem ihr in eurem Titel sprecht.

Die Internationale Kulturpolitik ist zu recht die dritte Säule deutscher Außenpolitik, neben der klassischen Diplomatie und den Wirtschaftsbeziehungen.

Und es ist kein Zufall, dass es Willy Brandt war, der sie erst als diese dritte Säule etabliert hat. Willy sprach von der “Arbeit an der Weltvernunft„.

Denn: Sie ist die “Außenpolitik der Gesellschaften„ - und die Gesellschaften sind es, die wir hören und die wir stärken müssen.

Ob es Stipendienprogramme sind oder der Austausch von Kuratoren, die Förderung von Wissenschaft und Bildung, von gegenseitigem Kennenlernen ist der beste Weg, um gegenseitiges Verständnis zum beiderseitigen Nutzen zu fördern.

Hier, meine ich, müssen wir auch die Rolle der Städte und Gemeinden stärken - sie werden als internationale Akteure immer wichtiger. Ob Verkehr, Demografie oder Wohnungsbau:

Viele Herausforderungen sind gerade in den Metropolen ähnlich - und wir können auch hier einen stärkeren Austausch brauchen.

Im Koalitionsvertrag haben wir die Aufarbeitung unserer Kolonialgeschichte zum ersten Mal zum demokratischen Grundkonsens erklärt. Aber in der Kolonialismusfrage geht es nicht nur um die Beseitigung von historischem Unrecht - sondern auch um das Schaffen einer gemeinsamen Zukunft.

Denn auch wenn wir inzwischen nicht mehr von “Entwicklungshilfe„, sondern von “Entwicklungszusammenarbeit„ sprechen, müssen wir uns doch fragen: haben wir den kolonialen Blick auf unseren Nachbarkontinent und auf unsere Beziehungen zu ihm überwunden?

Ich habe in der Schule so gut wie nichts gelernt über den Kolonialismus. Aber da gehört die Debatte hin. Wie wollen wir verstehen, uns verstehen, wenn wir nichts voneinander wissen?

Wenn wir wirklich auf der viel zitierten Augenhöhe mit unseren afrikanischen Partnern für die Zukunft arbeiten wollen, dann müssen wir Vergangenheit und Gegenwart zusammenführen.

Dieser Teil unserer Geschichte ist ein Schlüssel zum Verständnis des Kontinents. Dazu gehört unbedingt auch der direkte Kontakte mit Menschen in und aus Afrika - denn die sind noch immer eher selten. Wir müssen bei uns beginnen, ein einseitiges Afrikabild zu korrigieren - Förderung von Afrikanistik und Lehrstühle sind viel zu gering.

Zur Rolle der Kultur will ich natürlich zum Abschluss auch noch etwas sagen.

Denn: Die Kraft der Kultur ist gewaltig. Künstlerinnen und Künstler, die sich ausdrücken und ihre Bilder zeigen, Filmemacher und Schriftsteller, die ihre Geschichten erzählen - häufig sind sie es, die uns Veränderungen in unserer Gesellschaft erst bewusst machen.

Und sie ermöglichen uns die Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Geschichte. Denn wir haben, wie der Philosoph Achille Mbembe sagt, alle dieselbe Geschichte, aber wir teilen nicht die gleichen Erinnerungen.

Lasst mich ein letztes Beispiel erzählen. In Berlin bin ich in einer Ausstellung auf ein Video-Kunstwerk gestoßen. Darin sieht man einen Baum.

Dieser Baum steht an der Stelle, am Hafen, von der die Menschen auf die Schiffe verladen wurden. Jeder von ihnen musste zweihundertmal um diesen Baum herum laufen, um seine Seele, sein Leben zurückzulassen - und von da an Sklave zu sein.

Der Künstler lässt nun im Video wieder einen Mann um den Baum Laufen

- diesmal rückwärts.

Das zeigt: Auch die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch weiter als in die Feuilletons - bis in die Schulbücher hinein reichen muss und die auch die Zivilgesellschaft braucht.

Heute schon laufen panafrikanische Museumsgespräche, die darauf zielen, zu erfahren, wie und mit wem wir und verbinden und kooperieren können, welche Vorstellungen und Wünsche unsere Partner etwa an die Museumsarbeit haben. Das Goethe-Institut ist dabei unser wichtigster Partner.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat gerade ein MOU mit dem Nationalmuseum in Tansania vereinbart. Kuratoren aus Tansania haben mitgearbeitet im “LAB„ der SPK zur Vorbereitung der Ausstellung über den Maji Maji Aufstand. Das wird dann in Tansania zu sehen sein und die Objekte sollen dann dort auch bleiben.

So etwa, stelle ich mir vor, können wir auch künftig mit Respekt und Wissen um die Vergangenheit unsere Zukunft gemeinsam gestalten.

Sehr verehrte Damen und Herren,
sozialdemokratische Außenpolitik ist immer dem Frieden verpflichtet.

Wir sind keine Pazifisten - weil wir die Welt so realistisch sehen, wie sie ist. Aber im Unterschied zu anderen: Wir wollen sie nicht so lassen!

Unsere Logik ist eben nicht, Wettrüsten und Egoismus. Sondern wir sind überzeugt, dass nur eine Welt, in der wir miteinander reden und Regeln vereinbaren, auch eine sichere Welt sein wird. Wir sind überzeugt: Uns geht es langfristig nur gut, wenn es auch anderen gut geht.

Deswegen ist es gut, wenn zukünftig auch im Auswärtigen Amt weiter sozialdemokratische Politik gemacht werden kann.

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