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Rede von Staatsministerin Michelle Müntefering beim DAAD-Präsidentenwechsel

12.02.2020 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Es ist mir eine Ehre – eine angenehme! – heute hier zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Ich erinnere mich gut an eine Begegnung mit dem türkischen Pianisten Fazil Say. Er hat 2016 den Beethoven Preis erhalten.

Ein Preis im Zeichen für Menschenrechte, für Frieden, für Freiheit und ein weltoffenes Leben. Er vertonte wunderbar Beethoven, aber auch die wunderbaren Gedichte von Nazim Hikmet. Und es stellte sich heraus: Fazil Say war von Oktober 1987 bis Juli 1991 an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf Stipendiat des DAAD.

Eine von Millionen Erfolgsgeschichten, die der DAAD mitgeschrieben hat. Und überall treffen wir Menschen, dessen Leben der DAAD geprägt hat.

Minister Heiko Maas, von dem ich sie alle herzlich grüßen darf, hat mir seine Geschichte mit auf den Weg gegeben: von einem jungen Syrer, den er in Genf getroffen hat und der die Arbeit des DAAD so zusammenfasste, wie ich es mich übrigens kaum getraut hätte - bestünde doch die Gefahr zu unterstellen, ich übertreibe: Er hat nach seinem Stipendium gesagt: „Der DAAD hat einen krass guten Job gemacht.“

Liebe Frau Professor Wintermantel,

meine erste Begegnung mit Ihnen fand vor Jahren im Unterausschuss des Deutschen Bundestages für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik statt. Für mich war das quasi der Einstieg in das Thema und in dieses politische Feld.

Sie berichteten damals von Ihrer Grundüberzeugung: Dass Zugang zu Bildung lebensverändernde Kraft hat.

Und Sie haben den DAAD mit genau dieser Haltung in den letzten acht Jahren geprägt.

Weltweit waren Sie eine starke Stimme für die Freiheit der Wissenschaft.

Und Sie hinterlassen Spuren, weil Sie die Weichen für die Zukunft richtig gestellt haben:

  • Zum Beispiel durch die Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser,
  • durch ihr klares Bekenntnis zu Digitalisierung und Diversität,
  • und nicht zuletzt durch Ihre unzähligen Kontakte, Ihre Internationalität und Ihre „Welt-Zugewandtheit“.

Als Kind des Ruhrgebietes weiß ich, was die Chancen und die Kraft der Bildung für Menschen bedeutet. Und ich habe in den letzten Jahren immer wieder gespürt, was sie Ihnen bedeutet.

Und deshalb ahne ich auch, was uns und den Kolleginnen und Kollegen des DAAD nun weltweit bevorsteht: Wir werden Sie vermissen.

Umso mehr freut mich, was Sie selbst über Ihre Zukunft gesagt haben. Nämlich, dass Sie immer eine Botschafterin des DAAD bleiben werden.

Dafür und für alles, was Sie in den letzten Jahren für den DAAD, für den Wissenschaftsstandort Deutschland und damit auch für die Zukunft dieses Landes getan haben, sage ich und sagen wir Ihnen alle heute ganz herzlichen Dank!

Meine Damen und Herren,

für ein Land wie Deutschland ist Wissen die eine, zentrale Ressource. Weil: sie nimmt zu, je mehr man sich ihrer bedient.

Und deshalb sind internationale Vernetzung und Kooperation so entscheidend. Und deshalb bin ich froh, dass die akademische Mobilität von und nach Deutschland seit Jahren steigt.

Knapp 400.000 ausländische Studierende lernen und forschen an deutschen Unis. Und wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass Deutschland mehr junge Menschen anzieht, als alle anderen nicht-englischsprachigen Länder?

Der DAAD hat daran großen Anteil.

Ich meine, wir dürfen uns aber auf diesen Erfolgen nicht ausruhen. Denn: die digitale Welt stellt uns vor neue, auch vor ungekannte Herausforderungen.

So wie Außenpolitik heute nicht mehr nur von Außenministerien gemacht wird, so haben Schulen, Universitäten und Bibliotheken längst kein Monopol mehr auf die Vermittlung von Wissen.

Und daran gibt es nichts zu kritisieren, im Gegenteil: Das Internet hat Milliarden Menschen weltweit beispiellosen Zugang zu Informationen ermöglicht.

Problematisch wird es aber dann, wenn die Grenzen zwischen Fakten, Meinungen und Lügen immer mehr verschwimmen oder aber ganz bewusst verschoben werden.

Dann ist die Wissenschaft gefordert, deren erste Tugend laut Karl Jaspers ja die Sachlichkeit ist. Auf Englisch kennen wir auch den Begriff „Factfulness“.

Und dabei geht es nicht allein darum, „Fake News“ durch wissenschaftliche Fakten zu entkräften. Sondern zu verhindern, dass sich diejenigen durchsetzen, die neue Grenzen auch in den Köpfen ziehen wollen: Die Nationalisten und Populisten, die Ängste schüren vor einer Gesellschaft, in der Wissen und Ideen doch mobil sind.

Das Gegengift gegen diesen zersetzenden Trend heißt: Offenheit. Offenheit im Denken, im Austausch miteinander, Offenheit für Argumente der Gegenseite.

Fortschritt durch Widerspruch.

Für eine Organisation wie den DAAD, dessen Motto „Wandel durch Austausch“ lautet, liegt darin ein Kernauftrag.

Wir – und damit meine ich Politik und Wissenschaft – können nicht tatenlos am Rand stehen, wenn Abschottung und der Rückzug ins nationale Schneckenhaus gepredigt werden.

Weil wir wissen: Deutschland wäre ärmer ohne grenzüberschreitenden Austausch – ärmer an Freunden in der Welt und ärmer an Wissen.

Wenn die gegenwärtigen globalen Herausforderungen keine Grenzen kennen, dann kann unsere Antwort nur lauten: mehr Austausch, mehr geteiltes Wissen und mehr Weltoffenheit.

Ziel muss es sein, Freiräume für einen offenen Austausch zu schaffen und zu erhalten. Und deshalb sollten wir den Weg in Richtung einer Science Diplomacy konsequent weitergehen – hin also zu einer noch engeren internationalen Vernetzung von Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik.

Als Kernthemen für das nächste Jahrzehnt sehe ich vor allem die Digitalisierung und die Bekämpfung des Klimawandels.

Und unsere Science Diplomacy sollte auch noch stärker als bisher Afrika in den Blick nehmen. Wir brauchen diesen wachsenden Kontinent – auch was die Lösung drängender globaler Probleme angeht.

Und das sollte sich auch in den Programmen und Initiativen des DAAD und der Wissenschaft insgesamt widerspiegeln.

Und noch etwas muss hinzukommen, wenn wir den rückwärtsgewandten, nationalistischen Kräften etwas entgegensetzen wollen: Nämlich „Wertegebundenheit“. Oder man könnte auch „Haltung“ sagen.

Der DAAD ist das Aushängeschild eines Landes, das noch vor 80 Jahren viele seiner klügsten Köpfe, seiner besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, seiner vielversprechendsten Studentinnen und Studenten vertrieben, verfolgt oder gar umgebracht hat.

Und daran denken wir heute. Und deshalb können und dürfen wir nicht wegsehen oder schweigen, wenn die Freiheit der Wissenschaft bedroht wird, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfolgt, eingeschüchtert oder mundtot gemacht werden.

Und das ist es, wofür das Adjektiv „deutsch“ im Namen des „Deutschen Akademischen Austauschdienstes“ heute stehen muss.

Wofür auch unsere Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik insgesamt steht.

  • Mit der Philipp-Schwartz-Initiative ermöglichen wir bedrohten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Beispiel Forschungsaufenthalte in Deutschland.
  • Und mit Projekten wie dem Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstitut CAPAZ zeigt der DAAD, welches friedenspolitische, gesellschaftsverändernde Potential in der internationalen Bildungs- und Wissenschaftskooperation steckt.

Und ich finde, das sollten wir uns auch an anderen Orten zum Vorbild nehmen.

Sehr geehrter Herr Professor Mukherjee, ich weiß, dass Sie sich gerade für dieses Projekt ganz besonders eingesetzt haben.

Ich durfte den Bundespräsidenten nach Kolumbien begleiten und dort vor Ort das Projekt kennenlernen. In einem Vortrag an der FU hier in Berlin haben Sie in diesem Zusammenhang von einer „universitären Außenpolitik“ gesprochen.

Dass Sie diese beiden Handlungsfelder – Wissenschaft und Außenpolitik – so konsequent zusammendenken, welch bessere Qualifikation könnte es geben für einen DAAD-Präsidenten?

Undnoch etwas ganz Entscheidendes bringen Sie mit: Das, was ich gerade „Haltung“ genannt habe. „Wir müssen in die Arena einsteigen und kämpfen“, haben Sie kürzlich in einem Interview mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit gesagt.

Ich fürchte, das ist in der Tat nötig sein, in unruhigen Zeiten wie diesen.

Dabei und bei allem, was an der Spitze des DAAD auf Sie wartet, wünschen wir alle Ihnen Zuversicht und eine glückliche Hand!

Ich bin mir sicher: Sie werden das weitere machen, wofür der DAAD seit Jahrzehnten bekannt ist - einen krass guten Job!

Herzlichen Dank!

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