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Statement von Staatsministerin Michelle Müntefering im CULT-Ausschuss des EP anlässlich des Austauschs im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
-- es gilt das gesprochene Wort --
Danke für die Gelegenheit, einiges von dem zu unterstreichen, was gerade gesagt wurde - aber auch eigene Aspekte hinzufügen zu können.
Als Staatsministerin im Auswärtigen Amt für die Internationale Kulturpolitik haben wir in diesen Zeiten einige Themen miteinander zu besprechen. Ich bin gespannt auf den Austausch mit Ihnen.
Wir haben Verantwortung in Zeiten, die vielleicht die entscheidenden sind seit Ende des Zweiten Weltkrieges, für eine Weichenstellung. Für alle unsere Länder und für Europa.
Die bisherigen globalen Gleichgewichte der Mächte verschieben sich. Die multilaterale Weltordnung ist unter Druck.
Der Konflikt zwischen den USA und China wird schärfer. Der Klimawandel verlangt eine globale Anstrengung. Nationalismus und Populismus nehmen zu.
In dieser Welt braucht es eine starke europäische Stimme für Multilateralismus, Menschenrechte und für internationale Zusammenarbeit. Das heißt: Eine Stärkung Europas ist notwendig, wenn wir unsere Werte und Interessen im 21. Jahrhundert wahren möchten. Eine Stärkung Europas braucht – und das wissen Sie im Europäischen Parlament genau – Zusammenhalt. Und damit eine starke und eine nachhaltige Kulturpolitik.
Dafür treten Sie ein - ob durch Ihr Engagement im Kulturerbejahr oder bei den Verhandlungen um das Budget für Creative Europe.
Europa braucht die gesellschaftliche Reflexion und die Vergewisserung, dass wir in aller Vielfalt, in aller Unterschiedlichkeit, zusammen gehören. Die Corona-Pandemie zeigt uns, wie verletzlich Europa ist und dass die europäische Einigung ebenso wenig selbstverständlich ist wie Demokratie.
Für eine lebendige Demokratie brauchen wir die Kultur, brauchen wir die Kulturschaffenden.
Und ich meine das ganz umfassend - von Medienmachern, die uns auch Orientierung geben und uns informieren, über Künstler, Galeristen und Festivalbetreiber. Viele von ihnen sind in großer Not Wir dürfen nicht zulassen, dass unser kulturelles Leben an Farbe und an Vielfalt verliert.
Für uns ist klar: Außenpolitik ist nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Staaten. Sondern es sind immer auch Begegnungen von Menschen, das Miteinander, das Vertrauen entstehen lassen.
Wir setzen darauf, die Zusammenarbeit zwischen den Zivilgesellschaften gezielt auszubauen. Deswegen ist auch die Stärkung der Internationalen Kulturpolitik der EU ein ganz wichtiger Bestandteil der deutschen Ratspräsidentschaft.
Zu folgenden drei Schwerpunkten einige Gedanken:
1. Internationale Vernetzung
2. Europäische Öffentlichkeit
3. kulturelles Erbe
1. Internationale Vernetzung
Die Kraft der Kultur in Europa gilt es nach Innen und nach Außen zu nutzen: Deswegen sollten wir den strategischen Ansatz der EU für die internationalen Kulturbeziehungen weiter vorantreiben. Dazu hat das Europäische Parlament in den letzten Jahren wichtige Beschlüsse gefasst und Impulse gesetzt.
In Deutschland haben wir gemeinsam mit dem Goethe-Institut als erstes Land einen Hilfsfonds für Kultureinrichtungen und -initiativen in Nicht-EU-Staaten aufgelegt. Das macht Förderung in der Krise möglich. Vielleicht könnte so etwas auch Teil einer EU-Strategie für internationale Kulturbeziehungen werden?
Auch das neu geplante Außeninstrument NDICI, in dem Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit künftig zusammenfließen sollen, könnte hier nutzbar sein.
2. European Public Sphere
Wir müssen auf dem Weg zu einem gemeinsamen Raum europäischer Öffentlichkeit und Kultur vorankommen.
Digitalisierung ist dafür auch eine Chance. Wäre nicht auch so etwas wie ein digitales europäisches Kulturinstitut denkbar? Hierzu würde ich - gerne mit Ihrer Unterstützung - weiter aktiv werden.
Ein Europa, dass nach außen als starker Akteur auftritt braucht im Innern ein gemeinsames Verständnis.
Das betrifft übrigens auch die Resilienz gegenüber Desinformation und dem gemeinsamen Kampf gegen Fake-News.
Einen Raum europäischer Öffentlichkeit und Kultur schafft beispielhaft das zentrale Kulturprojekt unserer Ratspräsidentschaft „Earth Speakr“ des dänisch-isländischen Künstlers Ólafur Elíasson.
Schauen Sie es sich gerne an, in dem Sie die App herunter laden. Auch im Europäischen Parlament wird es bald eine Installation mit einer Eröffnung geben, an der hoffentlich viele von Ihnen teilnehmen.
In dem Projekt macht der Künstler die Stimmen junger Menschen wie ein Verstärker in ganz Europa hörbar.
Für mich ist die Konzentration auf eine junge Generation, die mitgestaltet und die mit gehört wird, ganz entscheidend. Das gilt im Übrigen auch für die Bildungsthemen, die Sie im Anschluss diskutieren.
3. Kulturelles Erbe
Krieg, Naturkatastrophen und Klimafolgen sowie infrastruktureller Wandel zerstören Kulturgüter – wir brauchen zu ihrem Schutz dringend Strategien und weitere gemeinsame Lösungsansätze.
Wir planen am 16. November eine Konferenz zum Thema.
Ich persönlich denke dazu mit einigen anderen über so etwas wie ein „Technisches Hilfswerk für die Kultur“, ein „Kultur-THW“ nach.
Ein Mechanismus, eine Eingreiftruppe, die in Krisen wie in Beirut, Notre-Dame oder Rio schnell reagieren kann, um kulturelles Erbe zu sichern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik. Internationale Kulturpolitik sollte Weltgesellschaftspolitik und auch Friedenspolitik im besten Sinne sein. Sie kann helfen, Gesellschaften zusammenzuführen und Verständnis zu schaffen - in Deutschland, in Europa und in der Welt.
Vielen Dank!