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Grußwort von Staatsministerin Michelle Müntefering zur Eröffnung der Ausstellung „Bauhaus Imaginista“ im Haus der Kulturen der Welt Berlin

14.03.2019 - Rede

Kennen Sie Allan Karssen?

Er beschließt - im Bestseller von Jonas Jonasson - von der Feier seines 100. Geburtstags im Altersheim auszubüchsen.

Allan steigt aus dem Fenster, erlebt ziemlich skurrile Abenteuer, und kommt am Ende glücklich auf der Insel Bali an.

Mit der Ausstellung „Bauhaus Imaginista“ haben wir es anders herum gemacht – wir sind in die Welt gegangen und haben die Spuren unseres 100jährigen Ausreisers eingesammelt - und sind glücklich, diese nun in Berlin zeigen zu können.

Danke, deswegen auch von mir: Dem Kuratorenteam, dem Goethe-Institut, dem Haus der Kulturen der Welt, der Kulturstiftung des Bundes, allen, die geholfen haben - und natürlich auch der Bauhaus Kooperation!

Bauhaus Imaginista im Haus der Kulturen der Welt - ist dabei alles andere als ein Altersheim! Umso mehr freue ich mich, heute dabei zu sein.

Und ich meine, dass es der Kulturpolitik gut tut, wenn wir uns gemeinsam engagieren für gute Rahmenbedingungen für Künstlerinnen und Künstler, als auch für die Freiheit von Kunst und Kultur, für Vielfalt!

Und da meine ich nicht nur Regierung und Politik, sondern mit Blick in die Runde auch die vielen Freunde des HKW und unseres Geburtstagskindes.

Ich empfehle uns: Die Kraft der Kultur für den optimistischen Aufbruch in die Zukunft zu nutzen. Auch ganz bewusst als Gegenkonzept gegen all diejenigen, die in die Vergangenheit des nationalen Schneckenhauses zurück wollen.

Kunst und Kultur machen an nationalen Grenzen nicht halt, sie waren und sind immer international.

Das Bauhaus lehrt uns dazu einiges. Es ist eben nicht allein aus dem Rückspiegel zu betrachten, sei er noch so schön designt.

Das Bauhaus ist eines der besten Beispiele für die globale kulturelle Beeinflussung. Für das Miteinander von Innen und Außen, aber auch für die Veränderungen, die durch Kunst, Kultur und Ideen möglich sind.

Im Design, aber auch im Sozialen, in unserer Gesellschaft.

Das Bauhaus ist ein Kulturbotschafter für Deutschland. Denn die Geschichte des Bauhauses ist auch eine Geschichte über Deutschland in der Welt.

Deshalb freue ich mich, dass auch wir als Auswärtiges Amt zusammen mit dem Goethe-Institut, dem Haus der Kulturen der Welt und der Kulturstiftung des Bundes zu diesem Projekt beitragen.

Blicken wir 100 Jahre auf das Bauhaus in Weimar zurück, sehen wir zur gleichen Zeit UND am gleichen Ort auch die Geburt der Weimarer Republik.

Beides steht für einen immensen gesellschaftlichen Aufbruch.

Für den Drang nach Veränderung, nach einer neuen demokratischen Gesellschaft, die den Menschen und die soziale Funktion von Design in den Mittelpunkt stellt: Das Bauhaus als Utopie, die uns gerade heute und auch in Zukunft Orientierung geben kann: „die Welt muss besser werden!“

Das ist auch unser Wunsch, unsere oberste politische Verpflichtung: Beizutragen zu einer friedlichen Welt, dazu gute Nachbarn zu sein.

Im Innern und nach Aussen.

Das Bauhaus mit seinen sozialen Ideen und seiner internationalen Bewegung, seinem ihm innewohnenden Aufbruch in die Moderne hat eine friedensstiftende Kraft, die es auch heute braucht.

Deswegen, verehrte Damen und Herren, gehört der Blick in die Geschichte natürlich mit dazu.

Aber wichtiger noch: Daraus für das Heute zu lernen.

Schon der Ursprung des Bauhauses in Weimar war ja keineswegs ausschließlich deutsch. Viele Einflüsse aus anderen Kulturen, anderen Kontinenten nahm man begierig auf - es war weltoffen, es war interkulturell.

1933, die Machtergreifung Hitlers durch das Ermächtigungsgesetz leitet das Ende der Weimarer Demokratie in Deutschland und die Gräuel der Shoah ein.

Das Bauhaus, seine Architekten und Ideengeber - werden aus Deutschland vertrieben.

Auch wegen seiner Avantgarde, der freiheitlichen Moderne, für die es steht, wurde es schon früh Ziel von völkisch national-konservativen Angriffen, die es zum Feindbild der Nazis machte.

Wo die Bauhäusler nach 1933 gewirkt haben, haben sie vielfältige Eindrücke hinterlassen und die jeweilige nationale Architektur- und Gestaltungsgeschichte geprägt.

Viele der Beispiele wie die Weiße Stadt in Tel Aviv bis hin zu den Einflüssen der Bauhaus-Lehre auf die heutige Architektur-, Formen- und Gestaltungssprache - bspw. am Black Mountain College, Kalifornien - werden durch „Bauhaus Imaginista“ wieder sichtbar gemacht.

Heute müssen wir wieder besonders sensibel dafür sein, wenn Kunst und Kultur angegriffen werden.

Beispiele dafür gibt es leider genug.

Was den Auftritt von Feine Sahne Fischfilet in Dessau im letzten Jahr betrifft, gebe ich zu: Punkrock ist kein Bauhaus. Und: Über Kunst kann man streiten. Doch eines ist klar: dazu muss sie erstmal frei sein!

Mit Blick in die Welt meine ich: Wir brauchen vielmehr Diskurs über Kunst und Kultur - auch gerade international.

Dafür setzen wir mit unserer internationalen Kulturpolitik eben nicht auf Kulturexport, sondern auf Kooperation und Koproduktion.

Der Blick des Bauhauses auf die Welt „Form Follows Function“ ist dabei sicherlich eine rational-pragmatische Perspektive, weit über ein enges Produktverständnis hinaus.

Bauhaus heißt: Nicht Design allein, sondern auch Inhalt!

Mit den Möglichkeiten unserer internationalen Kultur- aber auch Wirtschaftspolitik helfen wir dabei, diesen Diskurs zu beleben und Design aus Deutschland als Teil unserer kulturellen Gegenwart sichtbar zu machen.

Wenn wir überzeugt sind, dass wir miteinander mehr erreichen als allein (und das sind wir), wenn wir für den Mulilateralismus aus Überzeugung eintreten (und das tun wir), dann bedeutet das auch: Die großen Fragen der Zeit müssen auch kulturell verhandelt werden.

Die Digitalisierung ist so eine der großen Fragen unserer Zeit.

Ich komme gerade aus Austin, Texas. Vom South-by-Southwest Festival, der größten Digital- und Musikkonferenz der Welt.

Dort sehen wir nicht nur die Design-Urenkel der Bauhaus-Schule, Apple-Handys und coole Smart-Scooter, sondern wir haben auch das Projekt „Virtual Bauhaus“ in unser Programm zum aktuellen Deutschlandjahr USA aufgenommen und dort präsentiert.

In einer digitalen und interaktiven Umgebung erleben die Besucher, wie die zentralen Ideen der Schule im Bauhausgebäude in Dessau lebendig werden.

Daran hätten die Bauhäusler ganz sicher Gefallen gefunden:

Mittels Virtual Reality-Technik – übrigens seit gestern vollständig online verfügbar – kann man eine Materialstudie konstruieren, Studentenwohnheime bewohnen oder in einer Bühnenwerkstatt arbeiten.

Weltweit haben Besucher so die Möglichkeit, das Bauhaus hautnah zu erleben.

Sehr verehrte Damen und Herren,

der gesellschaftlich-kulturelle Diskurs des Bauhauses war innovativ, gelegentlich auch radikal.

„Neu denken“ war auch gesellschaftlicher Anspruch des Bauhauses als soziale Bewegung.

Das brauchen wir auch heute wieder, wenn es darum geht, die neuen digitalen Möglichkeiten zu nutzen.

Und ja: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Nicht in allem konnte das Bauhaus seinem eigenen, bisweilen utopischen Anspruch gerecht werden, die Welt grundlegend zu verändern.

Die Frauen wurden gerade angesprochen: Ich finde es gut, dass zuletzt Beiträge im TV und Print auch die Rolle der über 460 Frauen am Bauhaus herausgearbeitet haben.

Deswegen ist das 100-jährige Jubiläum eine Chance, hieraus zu lernen: Mittlerweile gibt es mehr Frauen als Männer, die Design studieren.

Verehrte Damen und Herren!

Pünktlich zum Jubiläum kehrt die Ausstellung Bauhaus Imaginista nun nach Deutschland zurück. Auf ihrer Weltreise nach China, Japan, Russland und Brasilien, hat sie, ähnlich wie Allan Karlsson, viel erlebt - ist gewachsen und noch reifer geworden.

Echte Pioniere, verehrte Damen und Herren, denken die Dinge anders und setzen sie neu zusammen. Und manchmal: Da reißen sie einfach aus.

Welcome back, Bauhaus!

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