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Grußwort von Staatsministerin Michelle Müntefering bei dem Befreiungskonzert im Rahmen der Ammerseerenade

23.09.2018 - Rede

--- Es gilt das gesprochene Wort --

Sehr geehrter Herr Abt Notker,
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Kiechle,
Sehr geehrte Frau Knobloch,
Sehr geehrte Künstlerinnen und Künstler,
Sehr geehrte Frau Pospischil,
Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren,

ein großer jüdischer Komponist unseres Landes, Felix Mendelssohn Bartholdy, hat Folgendes empfohlen:

„Es wird so viel über Musik gesprochen und so wenig gesagt. Ich glaube überhaupt, die Worte reichen nicht hinzu, und fände ich, daß sie hinreichten, so würde ich am Ende keine Musik mehr machen.“

Ich will mich an seine Empfehlung halten. Wie schon beim Befreiungskonzert in St. Ottilien am 27. Mai 1945 soll vor allem die Musik sprechen, die so viel mehr auszudrücken vermag als wir überhaupt in Worte fassen können.

Damals wie heute setzt das Befreiungskonzert ein doppeltes Zeichen - für Erinnerung und für Zukunft. Es macht deutlich, dass die Zukunft Erinnerung braucht. Wir erinnern an das unfassbare Leid und die Gräuel, die durch deutsches Tun entstanden sind.

In seiner Eröffnungsrede 1945 sprach Dr. Zalman Grinberg für die 420 damals im Krankenhaus von St. Ottilien untergebrachten Jüdinnen und Juden, die stellvertretend für die Millionen Opfer des Holocaust stünden und zeigten, zu was der Mensch fähig sei. Er bezweifelte schon damals, dass die Menschheit je das Ausmaß dieser Verbrechen verstehen werde.

73 Jahre später können wir diese Zweifel leider immer noch nicht ausräumen. Hitlergrüße werden auf unseren Straßen gezeigt, antisemitische Übergriffe sind an der Tagesordnung und Menschen anderer Hautfarbe und anderen Glaubens werden verachtet und bedroht.

Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen, dass wir in unserer Erinnerungsarbeit nicht nachlassen dürfen. Viele Menschen in unserem Land scheinen eine der wichtigsten Lehren aus der NS-Gewaltherrschaft vergessen zu haben, die sich ganz besonders im ersten Satz unseres Grundgesetzes niederschlägt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Das heutige Konzert setzt daher ein Zeichen, dass wir diesen Auftrag ernstnehmen.

Es bleibt unsere dauerhafte Verantwortung, die Menschenwürde zu schützen und mit aller Kraft und allen Mitteln gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft vorzugehen.

Gleichzeitig ist das heutige Konzert auch Ausdruck der Dankbarkeit, dass das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte mit der Befreiung überwunden wurde und Raum für Begegnung und Versöhnung entstanden ist. So haben in St. Ottilien von 1945 bis 1948 tausende jüdische Überlebende wieder Kraft und Hoffnung schöpfen können. Über 400 jüdische Kinder wurden hier geboren; nach dem Krieg wurde hier der erste Talmud gedruckt.

Bereits im Oktober 1945 hat David Ben Gurion St. Ottilien besucht und für seine Ideen geworben. Dieses Jahr konnten wir 70 Jahre Gründung des israelischen Staats feierlich begehen. Dieses Befreiungskonzert erinnert an das wunderbare Geschenk der Versöhnung. Heute verbindet Deutschland und Israel eine wirkliche Freundschaft. Zahllose Bande verbinden uns in Politik, Kunst, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft.

Davon zeugt auch die künstlerische Zusammenarbeit zwischen Anne Sophie Mutter und dem jungen Orchester der Buchmann-Mehta School of Music Tel Aviv unter der Leitung von Maestro Dorman, die wir heute erleben dürfen. Es ist mir eine Freude, so viele junge Menschen aus Israel hier in Deutschland auf der Bühne zu sehen. Mir ist ein wichtiges Anliegen, dass junge Menschen hier in Deutschland und junge Menschen aus Israel sich begegnen, das Heimatland des anderen erleben, sich austauschen. Wir müssen für die Zukunft dafür sorgen, dass dieser Austausch noch intensiver, das wechselseitige Verständnis noch besser wird.

Ich danke daher allen, die daran beteiligt waren, dieses zweite Befreiungskonzert mit Leben zu füllen und freue mich, dass das Auswärtige Amt dieses Projekt unterstützen konnte. Ganz besonders ermutigend finde ich, dass dieses Konzert als Benefizkonzert in die Zukunft wirkt. Ich bin gespannt auf die künstlerischen Impulse der künftigen Artists in Residence.

Jetzt soll die Musik sprechen - dem Publikum wünsche ich bewegende Momente und allen Jüdinnen und Juden gesegnete Feiertage - Gmar Chatima towa!

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