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Rede von Staatsministerin Michelle Müntefering bei der offenen Debatte des UN-Sicherheitsrates zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“

30.10.2020 - Rede

20 Jahre ist es her: Resolution 1325 war eine kleine Revolution.

Erstmalig stellte ein geeinter Sicherheitsrat unmissverständlich klar, dass

  • die vollständige, gleichberechtigte und bedeutungsvolle Teilhabe von Frauen für die Aufrechterhaltung von Weltfrieden und internationaler Sicherheit erforderlich ist;
  • es bei der Gleichstellung der Geschlechter nicht nur um Gerechtigkeit und Menschenrechte geht, sondern auch um Sicherheit und Konfliktverhütung;
  • und dass sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt kein unvermeidbares Nebenprodukt von Krieg ist, sondern ein Verbrechen, das bestraft werden muss und nicht mehr vorkommen darf.

Die Annahme von Resolution 1325 war das Ergebnis einer außergewöhnlichen Welle zivilgesellschaftlichen Engagements.

Es gab große Hoffnungen. Und es gab eine klare Zusage: Die Stimmen der Frauen sollten gehört, ihr Platz bei Friedensverhandlungen sollte ihnen nicht länger verwehrt werden!

Es ist eindeutig, wer diese Erwartungen erfüllen soll: Wir, die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen.

20 Jahre und neun hart erkämpfte Sicherheitsratsresolutionen später wird die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ noch immer nicht hinreichend umgesetzt.

Nach wie vor sind Frauen von Friedensprozessen ausgeschlossen.

Ihre Rechte und Interessen werden beim Aufbau von Post‑Konflikt‑Gesellschaften nach wie vor nicht beachtet.

Ich will also ehrlich sein: Wir als Weltgemeinschaft haben unsere Zusagen nicht erfüllt.

Zu oft bleibt sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ungestraft.

Schlimmer noch: In den letzten Jahren hat sich die Frauenrechtslage weltweit sogar verschlechtert.

Grundsätze und Rechte, auf die wir uns vor Jahrzehnten geeinigt haben, werden wieder infrage gestellt.

Meine Damen und Herren,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

halten wir einen Augenblick inne und führen uns Folgendes vor Augen: Vor 20 Jahren stimmten alle Mitglieder des Sicherheitsrats den in der Agenda verankerten Grundsätzen zu.

Ich bezweifle, dass wir einen solchen Meilenstein heute noch erreichen könnten.

Sehr geehrter Herr Präsident,

Deutschland ist entschlossen, die Umsetzung von Resolution 1325 voranzubringen. Während der letzten beiden Jahre haben wir „Frauen, Frieden und Sicherheit“ zu einer der obersten Prioritäten unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat gemacht.

Wir haben Resolution 2467 initiiert, um die Rechte aller Überlebenden von sexualisierter Gewalt zu stärken und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Menschenrechte der Überlebenden, auch ihre sexuellen Rechte und ihre Rechte im Bereich der reproduktiven Gesundheit, müssen garantiert sein.

Es ist unserer Überzeugung nach von zentraler Bedeutung, Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft an unseren Diskussionen zu beteiligen. Die Zivilgesellschaft spielt eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ mit Leben zu füllen.

Während unserer Vorsitze im Sicherheitsrat haben wir ihnen hier ein Podium gegeben. Allein im April 2019 und im Juli 2020 haben 26 Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft vor dem Sicherheitsrat gesprochen. Jetzt muss der Sicherheitsrat ihren Empfehlungen entsprechend handeln.

Und wir haben uns nach Kräften dafür eingesetzt, die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ in alle Produkte des Sicherheitsrats zu integrieren.

Wir wollen, dass der Ansatz, dieses Thema ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit zu rücken, die Norm wird.

Das bedeutet auch: Bei der Erneuerung von Mandaten und in Bezug auf Sanktionsregimes müssen geschlechterspezifische Aspekte berücksichtigt werden.

Lassen Sie mich dies klar und deutlich sagen: Wir tragen gemeinsam die Verantwortung, das umzusetzen, was wir beschlossen haben.

Und zwar ohne auch nur eine der Verpflichtungen zu verwässern, die wir eingegangen sind.

Wir haben alle nötigen Instrumente zur Hand. Was wir brauchen, ist die vollständige Umsetzung von Resolution 1325 und aller Folgeresolutionen zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“.

Im letzten Jahr rief Außenminister Heiko Maas dazu auf, vor dem 20. Jahrestag gezielte Zusagen für die Umsetzung der Agenda zu machen. 75 Mitgliedstaaten und VN‑Einheiten unterbreiteten konkrete Vorschläge, von denen ein Großteil umgesetzt wurde.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte betonen, wie viel Respekt ich für all die Aktivistinnen da draußen empfinde, für all die Frauen, die sich für den Frieden einsetzen. Sie leisten Großes vor Ort.

Wir können und sollten diese Frauen unterstützen. Die drei Schlagwörter in diesem Zusammenhang sind Unterstützung, Finanzierung und Schutz.

Wir werden innerhalb wie außerhalb des Sicherheitsrats die Zivilgesellschaft weiter unterstützen und Frauen, die sich für Frieden und Menschenrechte einsetzen, weiter schützen.

Als Vorstandsmitglieder des Fonds für Maßnahmen im Bereich Frauen, Frieden und humanitäre Maßnahmen (“Women’s Peace and Humanitarian Fund”) planen wir, unsere Unterstützung über die vier Mio. Euro hinaus, die wir in den letzten beiden Jahren bereits geleistet haben, zu erhöhen.

Und wir sollten stets darauf bestehen, in Friedensprozessen Frauen als Mediatorinnen und Friedensaktivistinnen einzubinden. So haben wir es bei unserer Unterstützung für die Konferenz des nationalen Dialogs in Jemen gehalten, und aktuell unterstützen wir Fraueninitiativen im libyschen Friedensprozess.

Meine Damen und Herren,

die Geschichte gibt Resolution 1325 recht. Die friedliche Revolution in Sudan wäre ohne die vielen mutigen Frauen, die Tag für Tag auf die Straße gegangen sind, nicht möglich gewesen. Und während wir hier sprechen, kämpfen die Frauen in Belarus für ihre demokratischen Rechte.

Ihr Mut ist unsere Verpflichtung.

Deutschland ist entschlossen, dieser Verpflichtung nachzukommen. Es wird an unseren Botschaften feste Ansprechpartnerinnen und -partner für „Frauen, Frieden und Sicherheit“ geben. Wir werden das Thema verpflichtend in unsere Diplomatenausbildung aufnehmen. Und wir werden ihm einen zentralen Platz in unserer gesamten Außenpolitik einräumen.

Kurzum: „Frauen, Frieden und Sicherheit“ wird Teil unseres Selbstverständnisses werden.

Seit dem Jahr 2000 ist viel erreicht worden. Noch mehr jedoch bleibt zu tun. Wir können nicht auf den nächsten Jahrestag warten. Die Welt braucht Frauen in prominenter Rolle. Jetzt.

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