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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich des Hochrangigen Treffens der Deutsch-Französischen Initiative zur Lösung des Kleinwaffenproblems auf dem Westbalkan

11.12.2018 - Rede

Wenn Politiker über Ausgleich und Verständigung reden, dann taucht sehr häufig das Bild einer Brücke auf. Vom Brückenschlag ist die Rede oder von der Notwendigkeit, Brücken zu bauen.

Dieses Bild - deshalb ist es so beliebt - funktioniert fast überall auf der Welt. Außer vielleicht auf dem Westlichen Balkan.

  • Die 1993 zerstörte Brücke von Mostar hat sich bis heute als das Bild des Bosnien-Kriegs ins Gedächtnis eingebrannt.
  • Beim Kosovo-Krieg denken viele Menschen in Serbien noch heute an die zerbombten Brücken von Novi Sad.
  • Die Brücke von Mitrovica steht schon viel zu lange für die Teilung der Stadt und die Trennung des Nordens von den anderen Teilen Kosovos.
  • Und selbst das wohl berühmteste Buch des jugoslawischen Literaturnobelpreisträgers Ivo Andrić handelt von einer alten osmanischen Brücke über die Drina, die am Ende gesprengt wird.

Brücken, die trennen, die an Krieg und Zerstörung erinnern. Dieses traurige „Brücken-Paradox“ spiegelt die Kriege und Verwundungen des Westlichen Balkans wider. Seine Vergangenheit.

Die Zukunft aber - davon bin ich fest überzeugt - gehört einem anderen, allenfalls vermeintlichen Paradox: Aus früheren Feinden können Partner werden, ja sogar engste Freunde. Und, Jean-Yves hat darauf hingewiesen, das deutsch-französische Verhältnis, die deutsch-französische Freundschaft erbringt dafür tagtäglich neue Beweise. Sie hat Jahrhunderte der Kriege und der Feindschaft überwunden.

Lieber Jean-Yves,
lass‘ mich das auch sagen: Als Eure engsten Freunde haben wir uns die terroristischen Anschläge vom November 2015 in Paris nicht nur angesehen, sondern verfolgt und sie haben auch uns mitten ins Herz getroffen. Man muss die Frage stellen, wie so etwas mit in Europa passieren kann, und da sind wir sehr schnell bei dem Thema Kleinwaffen.

Nicht nur in den Händen von Terroristen fordern Kleinwaffen Jahr für Jahr mehr Todesopfer und verursachen mehr Leid, als jede andere Waffenart. In den allermeisten Konflikten sind sie, die Kleinwaffen, die wahren Massenvernichtungswaffen.

Ein Schlüssel zur Lösung des Problems liegt vor allen Dingen in einer engeren regionalen Zusammenarbeit. Dort knüpft auch unsere deutsch-französische Initiative mit den Ländern des Westbalkans an. Gemeinsam wollen wir dafür sorgen, das Kleinwaffenproblem in der Region rechtzeitig vor den Beitritten der Länder zur EU zu lösen.

Den vereinbarten Fahrplan haben alle Staats- und Regierungschefs auf dem Londoner Westbalkan-Gipfel als einen Teil des Berlin-Prozesses ausdrücklich unterstützt. Auch die EU ist mit an Bord und hat sich dazu bereit erklärt, ab 2020 die Erfolgskontrolle zu übernehmen. Und mit UNDP verfügt die Initiative über einen hervorragenden Partner, insbesondere bei der Umsetzung vor Ort.

Damit ist klar: Unsere Initiative steht auf einem soliden Fundament. Ihre Bilanz kann sich schon heute sehen lassen:

  • In nur vier Monaten haben sich alle sechs Länder auf das Ziel einer umfassenden Kleinwaffenkontrolle bis zum Jahr 2024 verständigt.
  • Alle Regierungen haben nationale Aktionspläne verabschiedet, die nun Schritt für Schritt umgesetzt werden.
  • Qualität und Tempo haben gezeigt: Die Region steht voll und ganz hinter diesem Ansatz.

Dafür möchte ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, danken und Sie auch ermutigen, weiter so entschlossen voranzugehen! Schon heute lade ich Sie herzlich zu einer Folgekonferenz Ende 2019 in Berlin ein, bei der wir auch die ersten Ergebnisse der Umsetzung dieser Initiative überprüfen wollen.

Heute geht es aber erst einmal darum, die nötigen Finanzmittel für die Umsetzung ab 2019 zusammenzutragen. Die EU hat bereits vier Millionen Euro bereitgestellt – dafür sind wir sehr dankbar.

Die Bundesregierung wird sich ihrerseits mit mehr als sechs Millionen Euro beteiligen. Und ich möchte alle ermutigen, unsere Initiative ebenfalls zu unterstützen.

Es geht um nicht weniger als um die Sicherheit Europas. Die Risse in unserer Rüstungskontrollarchitektur werden immer offensichtlicher – denken wir nur an die russische Verletzung des INF-Vertrags.

Und auch mit dem Berlin-Prozess fördern wir ja bereits die regionale Kooperation.

  • Zusammenarbeit über Grenzen hinweg ist ein Beschleunigungsfaktor auch für die europäische Perspektive der Länder des Westlichen Balkans.
  • Sie schafft Konnektivität und sie macht die Region wirtschaftlich attraktiver.
  • Sie ermöglicht, dort wo es notwendig ist, Aussöhnung und legt die Grundlage für die Lösung bilateraler Konflikte.

In den letzten Jahren ist die Region bereits sehr weit vorangekommen. Zukunftsweisend ist zum Beispiel das Regionale Jugendwerk, das die sechs Westbalkanstaaten zusammen gegründet haben.

Aber leider erleben wir, wie zurzeit an vielen Stellen auf der Welt, auch immer Rückschläge, und zur Zeit macht das Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien auch durchaus Probleme.

Wir wollen letztlich, und das ist auch ein Teil dieser Initiative, durch Zusammenarbeit und Dialog den Weg nach vorne beschreiten. Darüber hinaus tun alle Seiten gut daran, ihr Engagement auf ein tragfähiges Abkommen zu richten, auch wenn viele Fragen noch nicht endgültig beantwortet sind. Eine umfassende Normalisierung vor Ort ist auch eine der Voraussetzungen dafür, dass wir gut, nachhaltig und effektiv zusammenarbeiten können.

Denn die positive, aber auch die negative Entwicklung in der Region betrifft uns alle direkt – und das gilt nicht allein für das Thema Kleinwaffen. Deshalb liegt es im ureigensten Interesse der gesamten Europäischen Union, dass sich der Westliche Balkan gut und friedlich entwickelt.

Rechtsstaatlichkeit, die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität sind Themen, die dabei im Fokus stehen. Denn demokratische Rechtsstaaten sind der beste Garant für Stabilität und Wirtschaftswachstum.

Meine Damen und Herren,
für die Europäische Union wird der Westliche Balkan auch in der kommenden Zeit weiter ein wichtiger Punkt auf der Tagesordnung bleiben. Eine Reihe wegweisender Entscheidungen stehen gerade im nächsten Jahr an.

Deshalb möchte ich Sie alle ermutigen, sich weiter für Reformen in Ihren Ländern und für engere regionale Kooperation einzusetzen. Dies hilft Ihren Ländern im Beitrittsprozess - und kommt damit auch den Menschen in Ihren Ländern zugute.

„Alles im Leben ist eine Brücke“ hat Ivo Andrić in seinem Roman über die Brücke an der Drina geschrieben.

Ich wünsche mir und ich wünsche Ihnen, dass sich die Länder des Westlichen Balkans für die Brücken entscheiden, die verbinden. Brücken, wie sie durch unsere Initiative zur Kleinwaffenkontrolle entstehen.

Auch die Bundesregierung wird Sie dabei unterstützen, solche Brücken zu bauen – auch zwischen Ihren Ländern und der Europäischen Union.

Herzlichen Dank!

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