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Rede von Außenminister Heiko Maas zur Übergabe des Gemäldes „Vaso di Fiori“ („Blumenvase“) von Jan van Huysum

19.07.2019 - Rede
Außenminister Maas bringt heute Jan van Huysums Gemälde „Vaso di Fiori“ in die Uffizien in Florenz
Außenminister Maas bringt heute Jan van Huysums Gemälde „Vaso di Fiori“ in die Uffizien in Florenz© Janine Schmitz/photothek.net

Ein Museum ohne Ausstellungsstücke ist wie eine Vase ohne Blumen. – Eine leere Hülle, von außen möglicherweise nett anzuschauen. Aber eben ihrer eigentlichen Funktion beraubt.

Nun wird ganz sicherlich man nicht behaupten können, dass die Uffizien ohne das Gemälde „Vaso di Fiori“ des niederländischen Malers Jan van Huysum leer gewesen wären. Aber dennoch hat etwas gefehlt. Es gab eine Lücke.

Wir sind heute hier, um diese Lücke zu füllen. Und auch, um gemeinsam eine Rückkehr zu feiern – nicht nur einer Blume für die Vase, sondern gleich eines ganzen Blumenstraußes.

Letztlich ist es das glückliche Ende einer unfreiwilligen langen Reise: Das Gemälde wurde während der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg entwendet und von einem Wehrmachtssoldaten nach Deutschland verbracht. Dort befand es sich seither in Privatbesitz, an einem uns lange Zeit unbekannten Ort.

Anfang der 90er Jahre schlug ein Versuch der Nachfahren des Soldaten fehl, das Gemälde über ein renommiertes Auktionshaus in London zu verkaufen.

Das war auch der Augenblick, in dem das Bild in das Blickfeld der Öffentlichkeit geriet.

Seitdem haben wir immer wieder versucht – gemeinsam mit den italienischen Behörden und den Uffizien – die Rückkehr des Gemäldes nach Florenz zu ermöglichen. Denn hier ist sein Platz, hier gehört es hin. Davon haben wir schließlich auch die Nachkommen des deutschen Soldaten überzeugen können. So gelangte das Gemälde ins Auswärtige Amt und von dort hierher, zurück in die Uffizien.

Wenn ich mir anschaue, wie alle hier im Sinne der Sache zusammengearbeitet haben, dann will ich heute vor allem eines sagen: nämlich Danke!

Den italienischen Behörden, allen voran Dir, lieber Enzo, und Ihnen, Herr Minister Bonisoli, der Spezialeinheit der italienischen Polizei für Kunstraub und der Staatsanwaltschaft Florenz.

Und nicht zuletzt vor allen Ihnen, lieber Herr Schmidt, möchte ich herzlich für Ihre Geduld und Ihr beständiges, manchmal spektakuläres Plädoyer für die Rückgabe des Werkes danken. Man denke nur an die Präsentation des Bildes mit dem “Wanted”-Aufdruck, mit dem Sie die Lücke für alle unübersehbar markiert haben.

Die Rückgabe dieses Gemäldes zeigt einmal mehr, dass das Thema Beutekunst auch mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht erledigt ist.

Und es zeigt noch etwas: Wie eng wir heute zusammenarbeiten in Europa. Wie statt Vergeltung über viele Jahre eine tiefe Freundschaft zwischen Deutschland und Italien gewachsen ist. Das ist alles andere als selbstverständlich. Und es gilt, diese Errungenschaft zu hüten. Auch durch Gesten wie die, die wir heute hier gemeinsam feiern.

Meine Damen und Herren,
Kunst verbindet. Kunst schafft Kultur. Kunstwerke ermöglichen Identifikation, schaffen Identität. Wo spürt man das als Europäer stärker als hier, in Florenz, der Wiege der Renaissance, der Keimzelle des Humanismus? Die Idee, dass jeder Mensch einzigartig ist, dass er frei ist und vernunftbegabt, dass dies die menschliche Würde ausmacht.

Diese revolutionäre Idee breitete sich von hier über den gesamten Kontinent aus. Es ist dieses gemeinsame europäische Erbe, das uns bis heute verbindet. Darin liegt der Ursprung unserer Werte. Der Kern unserer europäischen Identität.

Eine Europäische Union ohne Freiheit, ohne Vielfalt, ohne Solidarität ist wie ein Museum ohne Bilder. Wie eine Vase ohne Blumen. - Dem Sinn nach entkernt.

Doch gerade die europäische Solidarität wurde in den letzten Jahren einer harten Prüfung unterzogen. Hier in Italien haben die Menschen das ganz besonders gespürt. Zuerst in der Finanzkrise und in den vergangenen Jahren auch angesichts von Flüchtlingen und Migranten, die über das Mittelmeer kommen.

Wenn wir es ernst meinen mit europäischer Solidarität, mit unseren gemeinsamen Werten, dann dürfen wir die Mittelmeeranrainer nicht allein lassen mit diesem Problem.

Die Menschen, die heute vor Hunger und Elend fliehen, können nicht darauf warten, bis sich alle Mitgliedstaaten in Europa geeinigt haben.

Meine Damen und Herren,
im Italienischen gibt es ein Sprichwort: „Tra il dire e il fare c'è di mezzo il mare.“ - „Zwischen Reden und Tun liegt das Meer“.

Wenn man die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit europäischer Solidarität beschreiben will, passt dieses Sprichwort auf schmerzliche Art und Weise.

Schöne Hüllen reichen nicht!

In Vasen gehören Blumen! In Museen gehören Bilder!

Und in die Europäische Union gehört Solidarität!

Dafür setzen wir uns ein.

Grazie mille.

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