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„Wir haben keine Zeit zu verlieren“

03.10.2018 - Namensbeitrag

Zwischen Deutschen und Amerikanern gibt es Redebedarf. Warum in einem neuen transatlantischen Austausch jetzt eine besondere Chance liegt. Heiko Maas mit einem Namensbeitrag in “The German Times“.

Außenminister Heiko Maas eröffnet das Deutschlandjahr in den USA unter dem Motto #wunderbartogether.
Außenminister Heiko Maas eröffnet das Deutschlandjahr in den USA unter dem Motto #wunderbartogether.© Thomas Imo/photothek.net

Auf den ersten Blick hat sich nicht viel verändert: Hollywood-Filme füllen noch immer Kinosäle bis in die letzte deutsche Kleinstadt. In Heidelberg und München klicken die Kameras der amerikanischen Besucher. Die Begeisterung, die die Deutschen der amerikanischen Kultur entgegenbringen scheint noch genauso ungebrochen, wie der Stolz, mit dem jeder sechste Amerikaner angibt, deutsche Vorfahren zu haben.

Wenn wir unseren Blick aber auf die politische Bühne richten, müssen wir zugeben: Es hat sich eine ganze Menge verändert. Und das schon seit langem. Der Kalte Krieg ist seit Jahrzehnten vorbei. Dass sich damit auch die amerikanische Perspektive auf Europa verändern würde, haben viele Experten lange vorhergesagt – mittlerweile ist es nicht mehr zu übersehen. Als deutscher Außenminister muss ich mich darauf einstellen, dass sich die Prioritäten der USA in Zukunft seltener mit denen von uns Europäern decken werden als das in der Vergangenheit der Fall war. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich daran auch unter künftige US-Präsidenten wenig ändern wird.

Unverändert wird aber auch eine Überzeugung bleiben, die ich mit fast allen teile, die in Deutschland politische Verantwortung tragen: Die transatlantische Partnerschaft ist das Tafelsilber unserer Außenpolitik. Die ausgestreckte Hand nach dem zweiten Weltkrieg, der Marshallplan, die rettende Luftbrücke, schließlich die Unterstützung bei der Wiedervereinigung. Die Politiker und die Menschen in Deutschland haben nicht vergessen, was die USA für unser Land geleistet haben. Wenn wir diese besondere Verbindung bewahren wollen, können wir aber nicht so tun, als sei seitdem nichts passiert. Wir müssen unsere Partnerschaft neu vermessen.

Nostalgie allein wird uns dabei nicht weiterbringen. Stattdessen müssen wir einen realistischen Blick auf das deutsch-amerikanische Verhältnis werfen. Unsere Länder brauchen eine ehrliche, eine balancierte Partnerschaft. Für uns Europäer bedeutet das zum Beispiel auch, in Zukunft mehr in unsere eigene Handlungsfähigkeit zu investieren. Wo sich die USA zurückziehen, werden wir als Europäische Union mehr Gewicht einbringen müssen. Immer werden wir als Europäische Union bereit zur Zusammenarbeit bleiben – aber nötigenfalls bisher gemeinsam beschrittene Wege auch alleine weiter gehen.

Das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa ist allerdings nicht das einzige, was sich wandelt. Das Tempo, mit dem sich die Konflikte auf unserem Planeten mit seinen endlichen Ressourcen zuspitzen, lässt uns kaum noch Zeit, innezuhalten. Wer den Blick nicht nur über den Atlantik, sondern auch in die anderen Himmelsrichtungen schweifen lässt muss feststellen: Die Bedrohungen unserer Zeit werden wir nur als Partner bewältigen können. Das 21. Jahrhundert ist keine Zeit für Einzelkämpfer.

Um in der Außenpolitik Bündnisse zu schließen, werden Konferenzen abgehalten, Verträge unterschrieben, Hände geschüttelt. Was eine Partnerschaft zwischen zwei Ländern aber tatsächlich zum Leben erweckt, sind die Menschen in unseren Gesellschaften, die den Austausch durch Begeisterung, Interesse und Freundschaft befeuern. Um die transatlantische Bindung gestärkt in die Zukunft zu führen, setzt die deutsche Bundesregierung genau hier an.

Am 3. Oktober eröffne ich in Washington das Deutschlandjahr in den USA. Unser Ziel ist, mit den Menschen in Amerika neu ins Gespräch zu kommen. Und mit „Menschen“ sind dabei nicht nur Politiker und Experten auf dem Capitol Hill gemeint. Von Küste zu Küste werden wir mit mehr als 1000 Veranstaltungen quer durch alle 50 Bundesstaaten der Vereinigten Staaten ziehen. Studenten, Künstler, Wissenschaftler, Unternehmer, Lehrer: wir möchten Menschen zuhören, die mit ihrer täglichen Arbeit die Beziehungen zwischen unseren Ländern prägen.

Es geht dabei nicht darum, nostalgisch oder staatstragend die transatlantischen Beziehungen zu feiern. Unser Ziel ist vielmehr, dass wir neue Räume für Begegnungen schaffen. Erlebnisse, die die Menschen spüren lassen, dass es sich lohnt, miteinander zu diskutieren. Dass wir uns mit unseren unterschiedlichen Perspektiven gegenseitig bereichern können.

Unser größter Schatz sind dabei die Deutschen und Amerikaner, die den Austausch zwischen unseren Ländern schon jetzt Jahr für Jahr aufs Neue ankurbeln. Dazu gehören nicht nur die Netzwerker aus Kultur, Wirtschaft und Politik. Die zehntausenden Schüler und Studenten etwa, die zu einem Studium in die USA aufbrechen, bringen von ihrem Aufenthalt jeder ein Stück Amerika mit Deutschland. Genauso werden für unzählige Kompanien amerikanischer Soldaten Jahr für Jahr Orte wie Wiesbaden oder Kaiserslautern zu einer zweiten Heimat.

Deutschland ist viel mehr als das Heidelberger Schloss und die USA sind mehr als die Filme aus Hollywood. Wenn wir Deutschen und Amerikanern die Möglichkeit geben, sich neu voneinander faszinieren zu lassen, kann uns das als Politikern den Weg zu einer neuen Partnerschaft weisen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.

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