Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

„Wer in einer globalisierten Welt etwas erreichen will, der braucht verlässliche Partner.“

25.07.2018 - Interview

Interview von Außenminister Heiko Maas mit der südkoreanischen Zeitung Joong-ang Ilbo aus Anlass seiner Reise nach Seoul.

Was ist der Anlass Ihrer Asienreise?

Mit Japan und Südkorea haben wir zwei unserer wichtigsten Partner in Asien. Das meine ich nicht nur wirtschaftlich, das meine ich vor allem auch mit Blick auf unsere gemeinsamen Werte.

Gerade mit Südkorea fühlen wir uns in Deutschland eng verbunden. Wir wissen aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, in einem geteilten Land zu leben. Daher war es mir ein ganz besonderes Anliegen, Südkorea auf meiner ersten Asienreise als Außenminister zu besuchen. Ich möchte mir vor allem ein eigenes Bild davon machen, wie der Konflikt mit Nordkorea hier wahrgenommen wird. Dabei gilt es natürlich auch, der Regierung in Südkorea die Unterstützung Deutschlands zu versichern.

Die Bundesregierung unter Führung von Frau Merkel war bislang sehr engagiert bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Die öffentliche Meinung in Deutschland war jedoch eher dagegen. Die CDU und CSU konnten hinsichtlich der Abschiebungspolitik eine dramatische Einigung erzielen. Bedeutet dies einen wesentlichen Kurswechsel in der Asylpolitik der Bundesregierung?

Ich sehe hier keinen Kurswechsel. 2015 hatten wir eine Ausnahmesituation an den Grenzen Europas und in der EU, auf die die Bundesregierung reagieren musste. Das hat sie auch getan. Nun gilt es, eine nachhaltige europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage zu finden. Denn: In einer Europäischen Union mit offenen Binnengrenzen führen nationale Alleingänge nicht weiter. Sie führen nur zu mehr Chaos. Fragen der Migration lassen sich nur mit internationaler Zusammenarbeit lösen.

Nicht nur die CDU und CSU sondern auch die Bundesregierung unter Frau Merkel verlieren kontinuierlich an Unterstützung der Wähler. Was kann man dagegen tun?

Wichtig ist, dass wir uns nicht von Populisten die Themen diktieren lassen. Eine seriöse, eine faktenbasierte Politik wird auch von den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land als solche erkannt und geschätzt. Und darin liegen schließlich unsere Stärken. Wir schüren keine diffusen Ängste. Statt mit Scheinlösungen wollen wir mit konstruktiver Politik unser Land voranzubringen.

Auch Korea ist in letzter Zeit mit der Flüchtlingsfrage konfrontiert. Es handelt sich um die Flüchtlinge aus Jemen, die sich derzeit auf der Insel Jeju aufhalten. Sie versuchen jedoch, den Zugang zur südkoreanischen Gesellschaft zu finden und gingen bereits vor Gericht, um die Genehmigung für das Verlassen der Insel zu erhalten. Korea ist keine Multikulti-Nation wie europäische Länder. Das Thema Flüchtlinge entwickelt sich in letzter Zeit zu einem neuen Problem bei uns. Welche Ratschläge können Sie uns geben?

Jedes Land muss seine eigene Antwort finden, da möchte ich keine Ratschläge geben. In Deutschland leben sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund. Sie sind Teil unserer Gesellschaft – unsere Freunde, Familienangehörige, Nachbarn, Arbeitskollegen. Schauen Sie sich die deutsche Fußballnationalmannschaft über die letzten Jahren als Beispiel an: Die ist stärker geworden durch Vielfalt, bis hin zum Weltmeistertitel 2014. Stärke durch Vielfalt - das gilt auch für unser Land. Allerdings kann das alles nur dann gelingen, wenn wir es schaffen, die Menschen, die zu uns kommen, auch zu integrieren.

Die momentan heißesten Themen zwischen der EU und den USA sind die NATO-Verteidigungsausgaben und Zollerhöhung. Diesbezüglich haben Sie in jüngster Zeit die „America-First-Politik“ von Trump scharf kritisiert und betonten die Wichtigkeit der Europäischen Integration. Was ist an dieser Politik von Trump so problematisch und warum ist die Europäische Integration so wichtig? Was meinen Sie, wie lange wird dieser Konflikt im Westen dauern?

Wer in einer globalisierten Welt etwas erreichen will, der braucht verlässliche Partner, Berechenbarkeit und eine funktionierende internationale Ordnung. Gerade mittelgroße, auf internationalen Austausch ausgerichtete Länder wie Deutschland und Südkorea haben ein Interesse, dass gleiche Regeln für alle gelten, und nicht das Recht des Stärkeren.

Alleingänge auf Kosten Dritter führen in die Sackgasse. Das haben wir in der europäischen Geschichte schmerzlich gelernt, und unsere Konsequenz daraus ist das europäische Integrationsprojekt. Nur gemeinsam hat Europa das Gewicht, selbstbewusst und souverän zu handeln, gerade wenn wir uns auf die vertrauten Spielregeln unserer Partnerschaft mit den USA nicht mehr uneingeschränkt verlassen können.

Abgesehen davon ist die EU angesichts des Brexits und der Schwächung des Schengen-Abkommens als Folge der Asylfrage intern zersplittert. Haben Sie konkrete Maßnahmen bzw. Lösungen, um diese beiden Probleme zu lösen?

Europa hat immer wieder gezeigt, dass es in der Lage ist, sich auf Lösungen zu verständigen, auch wenn es viele schon abschreiben wollten. Aber natürlich ist es nicht immer einfach, unter 28 Staaten zu gemeinsamen Positionen zu kommen. Ich habe vorgeschlagen, dass wir in manchen Entscheidungen in Zukunft auch ohne Einstimmigkeit treffen können. Aber vor allem müssen wir unsere Spaltungen überwinden und Vorbehalte und Missverständnisse der letzten Jahre ausräumen. Deshalb war es mir wichtig, gleich zu Beginn meiner Amtszeit mit jedem einzelnen meiner EU-Amtskollegen zusammenzukommen.

Deutschland hat anders als Korea bereits seine Wiedervereinigung feiern können. Wie schätzen Sie die jüngste Entwicklung auf der koreanischen Halbinsel ein? Welche Ratschläge möchten Sie mit Blick auf eine koreanische Wiedervereinigung geben?

Dass die beiden Koreas wieder miteinander sprechen ist eine sehr gute Nachricht. Das gilt natürlich auch für die Gespräche zwischen Nordkorea und den USA. Nun muss Pjöngjang allerdings Taten folgen lassen. Das heißt: konkrete, verifizierbare und irreversible Schritte hin zur vollständigen Denuklearisierung Nordkoreas unter internationaler Kontrolle. Der Weg dahin dürfte langwierig und kompliziert werden. Deutschland ist bereit, zu unterstützen. Das tun wir übrigens auch mit Blick auf unsere Geschichte: Wir sind in engem Austausch mit unseren südkoreanischen Partnern und teilen unsere Erfahrungen mit der Wiedervereinigung.

In den Vorrunden der Fußball-WM in Russland haben die deutsche und koreanische Mannschaft zwar gut gespielt, aber beide haben nicht geschafft, in die nächste Runde zu kommen. Haben Sie sich das Spiel angeschaut? Gab es besonders beeindruckende Momente bzw. Szenen für Sie? Gab es koreanische (bzw. deutsche) Spieler, die Ihnen besonders auffielen?

Natürlich habe ich mir die Spiele der deutschen Mannschaft angeschaut und mitgefiebert. Ich habe ja selbst jahrelang Fußball gespielt. Die südkoreanische Mannschaft hat einen tollen Kampf geliefert und verdient gewonnen. Sie hat nicht nur den zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Weltmeister geschlagen, sie hat sich in der Gruppe auch vor unserer Mannschaft platziert. Es war ein spannendes Spiel und man hat gesehen, dass die Südkoreaner bis zum Schluss alles gegeben haben. Eine sehr starke Leistung.

Mich würde interessieren, ob Frau Merkel vielleicht Zeit finden könnte, einmal nach Korea zu kommen.

Das müssen Sie Frau Merkel fragen. Aber ich werde ihr gerne meine Eindrücke aus Südkorea mitbringen.

Unabhängig von den gestellten Fragen, möchten Sie etwas ergänzen? Haben Sie weitere Botschaften, die Sie an unsere Leser richten möchten?

Auch wenn Südkorea und Deutschland weit entfernt sind, besteht eine enge Partnerschaft zwischen unseren Ländern. Ich würde mich freuen, wenn neben den dichten politischen Beziehungen sich auch viele Menschen kennenlernen würden und Beziehungen knüpfen. Die Reise nach Deutschland lohnt sich, denn das Land hat sehr viel zu bieten, von Burgen und Schlössern, wie etwa Schloss Neuschwanstein, über reizvolle Landschaften bis hin zu einer der faszinierendsten Hauptstädte der Welt - Berlin. Deutschland ist ein sicheres und spannendes Land im Herzen Europas. Hier gibt es viel zu entdecken.

Schlagworte

nach oben