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Grußwort von Außenminister Heiko Maas anlässlich des Konzerts in St. Ottilien im Gedenken der Befreiung durch die Alliierten 1945
Nichts ist berührender als die Geburt eines Menschen. Sie ist der Beginn einer neuen Welt, neuer Hoffnungen und vielem mehr. Wieviel mehr gilt das noch für die Geburt eines jüdischen Kindes im Deutschland der Jahre 1945 bis 1948 - unmittelbar nach Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft? Jedes der mehr als 400 Kinder, die zu dieser Zeit in St. Ottilien geboren wurden, war auch ein Symbol. Ein Symbol, dass das Leben über Leid und Tod triumphiert – fast unvorstellbar angesichts der Menschheitsverbrechen der Shoah.
Auch das Konzert, das jüdische Musikerinnen und Musiker am 27. Mai 1945 gaben, war eine Feier des Lebens. Es lässt sich kaum ermessen, woher sie die Kraft genommen haben zu diesem Akt der Selbstbehauptung. Aber es war diese Kraft, dieses Bekenntnis zum Leben „trotz allem“, die Orte wie St. Ottilien zu einer Keimzelle jüdischen Lebens in Deutschland gemacht haben. Was für ein unverdientes Geschenk an uns Deutsche!
Und trotzdem leben Intoleranz und Antisemitismus bis heute fort. Auch daran erinnert uns das heutige Konzert. Dieses Erinnern darf aber nicht passiv sein. Es muss lebendig sein, und uns aufrütteln zu handeln, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen werden mitten in unserem Land. Oder wenn blanker Antisemitismus als vermeintlich harmlose Israelkritik salonfähig gemacht werden soll.
Wir müssen bewahren und stärken, was 1945 fast unmöglich erschien: blühendes jüdisches Leben in Deutschland. Und woran doch mutige Frauen und Männer nie den Glauben verloren haben. So wie die Geburt jedes Kindes war auch jede gespielte Note des „Befreiungskonzertes“ ein Symbol für den Beginn einer neuen Welt.
Ich danke allen Beteiligten für die Gelegenheit, das heute nachfühlen zu können.