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„Wir blicken kritischen Tagen entgegen“

14.05.2021 - Interview

Außenminister Heiko Maas im Interview mit der Saarbrücker Zeitung

Sie haben gerade lange mit dem Papst gesprochen. Sicher ging es dabei auch um die Situation in Nahost. Hat er eine Idee, wie man die Lage entschärfen kann?

Meinem Eindruck nach lässt auch dem Papst die Situation im Nahen Osten keine Ruhe. Er versucht wie wir, alle Möglichkeiten und Gesprächskanäle zu nutzen, um dafür zu sorgen, dass dieses schreckliche Blutvergießen ein Ende nimmt. Der große Wunsch des Papstes wie auch unserer ist, dass sich die Lage entspannt – und der Nahost- Konflikt endlich dauerhaft gelöst wird.

Was kann Deutschland derzeit in der Krise tun?

Im Moment sind alle, die Einfluss nehmen können, nach Kräften bemüht, eine Entspannung der Lage zu erreichen – nicht zuletzt die USA. Ich spreche etwa mit meinen Amtskollegen aus Ägypten oder Jordanien und stehe auch mit meinem israelischen Kollegen in engem Kontakt. Wir müssen auch verhindern, dass sich nun, nach Ende des Ramadans, die Situation noch einmal verschlechtert. Wir blicken kritischen Tagen entgegen.

Halten Sie das Vorgehen der Israelis für angemessen?

Wenn über 1000 Raketen auf israelische Städte abgeschossen werden, dann ist das schon eine besondere Dimension.
Und die Hamas zeigt bisher keinerlei Bereitschaft, den Beschuss einzustellen. In einer solchen Lage muss sich Israel verteidigen können.

Wem weisen Sie die Verantwortung für die Eskalation zu. Beiden Seiten? Oder muss man da gewichten?

Die Hamas hat in einer ohnehin schon angespannten Situation die Lage mit dem Raketenterror bewusst und massiv eskaliert – mit entsetzlichen Folgen für Israelis und Palästinenser. Das grundsätzliche Problem bleibt aber natürlich der ungelöste Nahost-Konflikt. Er kann nach unserer Auffassung nur im Rahmen einer Zweistaatenlösung beendet werden. Von dieser Lösung hat man sich in den vergangenen Jahren aber eher entfernt. Dann reichen kleine Provokationen – sei es auf dem Tempelberg, sei es in Gaza –, um Gewalt auszulösen. Das wird nicht aufhören, solange es keine politische Lösung gibt. Um eine solche politische Lösung hat man sich in den letzten Jahren viel zu wenig bemüht.

Stattdessen gab es die israelische Vertragspolitik mit Hilfe der Trump-Regierung in den USA. Hat sie eine Lösung erschwert?

Nein, die Verbesserung der Beziehungen Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und anderen arabischen Staaten war absolut ein Schritt in die richtige Richtung. Dieser Prozess muss weitergehen. Aber der Kern des Nahost-Konflikts kann nur gelöst werden zwischen Israelis und Palästinensern.

Und diese beiden setzen sich seit Jahren nicht mehr an einen Tisch, um direkt miteinander zu verhandeln. Dazu muss es wieder kommen.

Aber hat Israels Annäherung an die arabischen Staaten nicht die Hilflosigkeit bei den Palästinensern, das Gefühl des Vergessenseins noch verstärkt – und das Gefühl der Unangreifbarkeit, eine gewisse Hybris auf israelischer Seite?

Nach alledem, was ich weiß, war es das Ansinnen Israels, über die Annäherung an die anderen arabischen Staaten auch die Palästinenser mit anzusprechen und in einem zweiten Schritt das Verhältnis zu ihnen zu entspannen. Bisher sieht man davon leider nichts. Es gibt leider auf der palästinensischen Seite auch viele ungelöste Probleme – die aktuelle Verschiebung der Wahlen in den palästinensischen Gebieten ist nur ein Beispiel.

Wer mal Kontrollstellen zwischen Bethlehem und Jerusalem passiert, wer die Mauer zum Westjordanland gesehen hat, der kann sich vorstellen, wie diese Enge den Groll bei jungen Palästinensern schürt. Wie stark sehen Sie Israel in der Verantwortung für die Lage?

Gerade weil die Lage so schwierig ist, war es immer eines unserer Hauptziele, dass es zu vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Israelis und Palästinensern kommt. Es gibt dafür viele Möglichkeiten im praktischen Leben diesseits und jenseits des Zaunes – etwa bei der Gesundheitsvorsorge, auch bei der Lieferung von Impfstoffen.

Schon gibt es Angriffe auf Synagogen in Deutschland. Wie können wir verhindern, dass der Konflikt auch auf deutschen Straßen weiter eskaliert?

Indem wir unsere Solidarität mit Israel klar bekunden und nicht schweigen, wenn wir sehen, dass israelische Flaggen verbrannt werden, es Drohgebärden vor Synagogen gibt. Es ist schlimm genug, dass im 21. Jahrhundert in Deutschland jüdische Einrichtungen von der Polizei beschützt werden müssen. Der Staat muss deutlich machen, dass Gewalt auf unseren Straßen wegen des Konflikts im Nahen Osten nicht akzeptabel ist und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorgehen. Wir müssen achtsam bleiben. Es könnten uns noch sehr kritische Tage bevorstehen.

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