Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
„Wir bleiben am Ball“
Außenminister Heiko Maas im Interview mit der Rheinischen Post zur Rückholaktion der Bundesregierung.
Wie viele deutsche Staatsbürger konnten Sie in welchem Zeitraum nach Deutschland zurückholen?
Fast 200.000 Reisende wurden in zweieinhalb Wochen zum Teil aus wirklichen Notlagen nach Hause gebracht. An manchen Tagen waren 20 Flieger am Tag parallel in der Luft. Logistisch war das für alle Beteiligten ein Husarenstück. Unser Krisenreaktionszentrum ist ja einiges gewöhnt. Aber das AA ist eben auch keine Fluggesellschaft, die so etwas jeden Tag auf die Beine stellt. Da hatten wir am Anfang eine steile Lernkurve. Neben Hemdsärmeligkeit war auch viel Feinmotorik gefordert: Detailabsprachen mit Behörden, Landegenehmigungen für Fluggesellschaften, Zwischenstopps einplanen, Transport Reisender vor Ort – das ist extrem schwierig, wenn das öffentliche Leben brach liegt. Und wenn nur ein Dominostein dann einmal nicht richtig fällt, hieß das heißen: Mund abputzen und neu anfangen. Wo nötig, habe ich auch auf politischer Ebene flankiert und mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen gemeinsam nach Lösungen gesucht.
Wie viele Flüge gab es/wie viele Maschinen waren dabei im Einsatz?
Allein das Auswärtige Amt hat über 200 Sonderflüge bereitgestellt. Das sind meistens die besonders komplizierten Fälle, in denen wir aus entlegensten Winkeln Leute ausfliegen müssen – ich denke da zum Beispiel an die Fälle der Kreuzfahrtschiffe oder an Peru und Neuseeland. Da bekommen wir Hilferufe, dass nichts mehr geht und wir können auch nicht immer auf das Verständnis der Behörden setzen, die natürlich zunächst die eigenen Gesundheitsmaßnahmen im Blick haben. Es heißt ja immer, dass die Deutschen Reiseweltmeister sind, jetzt haben wir gemerkt, dass das auch stimmt. Wenn dann selbst Kleinst-Botschaften aufopferungsvoll hunderten, teils mehreren tausend Menschen helfen, dann das ist eine Ausnahmesituation. Und wir müssen immer wieder auch um Geduld bitten, wenn wir nicht allen sofort helfen können.
Wie teuer war die Aktion insgesamt? In welcher Höhe werden die zurückgeholten Staatsbürger an den Kosten beteiligt? Von wo waren die Kosten am höchsten?
Wir haben zunächst 50 Mio. EUR zur Verfügung gestellt bekommen. Im Rahmen des Nachtraghaushalts haben wir noch einmal 50 Mio. beantragt. So viel wird es wahrscheinlich am Ende nicht kosten, aber genau lässt sich inmitten in der laufenden Operation nicht sagen. Wir helfen erst, und rechnen dann. Das ist der Notlage geschuldet. Wir haben die Beiträge der Reisenden selbst noch nicht abgerechnet, und auch nicht die Zuschüsse der EU für die Mitnahme von EU-Staatsangehörigen.
Wann wird die Rückholaktion offiziell beendet?
Wir arbeiten gerade mit vielen Ländern, wo die Rückholungen schwierig sind. Wir wollen die deutschen Reisenden zurückholen – darum geht es uns. Bis wann das in jedem Land möglich sein wird, liegt nicht allein in unserer Hand. Darum haben wir hier keine fixe Deadline gesetzt. Auch wenn das Gros der Reisenden wieder daheim ist, wir bleiben am Ball.
Was können deutsche Staatsbürger im Ausland tun, die keinen Platz in einem der Flugzeuge bekommen haben?
Wenden Sie sich an unsere Botschaften und Konsulate. Wir treten jetzt in eine Phase ein, in der es keine einfachen Lösungsschablonen mehr gibt. Dort wo maßgeschneiderte Lösungen gefragt sind, sitzen die Fachleute an den Auslandsvertretungen, mit all ihrer Kenntnis und auch all dem Know-How unserer lokal Beschäftigten. Oft gibt es noch Lösungen oder wir tun neue, möglicherweise europäische Lösungen auf. Die Zusammenarbeit mit unseren Partnern läuft sehr gut. Wir konnten bereits über 3600 Reisenden aus anderen Ländern mitnehmen. Und andersherum reisen viele Deutsche bei anderen Ländern mit. Diese Solidarität zu sehen, stimmt mich zuversichtlich für die nächsten Phasen der Corona-Krise.
Schlagen Sie jemanden für das Bundesverdienstkreuz vor wegen des besonderen Engagements bei der Rückholaktion? Till Knorn vielleicht?
Viele Mitarbeiter arbeiten seit drei Wochen am Anschlag. Der Bürgerservice hat in dieser Zeit dreimal so viele Anrufe gehabt, wie sonst innerhalb eines Jahres. Das ist Teamplay unter widrigsten Bedingungen, vor allem im Ausland. Auf diese Leistung bin ich als Leiter des Ministeriums stolz. Und der Zuspruch der Reisenden ist auch überwältigend für den Einsatz. Es macht Mut zu sehen, wie wir in der Krise – natürlich nur im übertragenen Sinn – zusammenrücken. Wir sollten nicht vergessen: Hier helfen neben Profis auch viele Menschen mit, die sonst ganz andere Arbeiten machen und es gibt viele Reisende und Mitarbeiter von Durchführungsorganisationen, die sich selbstlos einbringen. Gleichzeitig betone ich: wir sind noch nicht am Ziel. Wir arbeiten weiter hart daran, den verbliebenen Deutschen zu helfen.