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Eine Welt ohne Regeln ist eine schlechte Welt

16.02.2019 - Interview

Außenminister Heiko Maas im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zur Münchner Sicherheitskonferenz, Multilateralismus und der Bedeutung von Rüstungskontrolle. Erschienen u.a. in der Frankfurter Rundschau.

Was muss geschehen, damit Sie am Sonntagabend sagen können: Das war eine erfolgreiche Münchener Sicherheitskonferenz?

Ich wünsche mir von Europäern und Amerikanern ein klares Bekenntnis zum transatlantischen Verhältnis. Und ich wünsche mir, dass deutlich wird: Eine Welt ohne Regeln ist eine schlechte Welt. Wenn sich alle Staaten, die vom Multilateralismus profitieren, für ihn einsetzen, wäre es eine gelungene Konferenz.

Wollen die USA Europa spalten?

Die Amerikaner wollen Europa für ihre Interessen gewinnen. Aber die Interessen der EU-Mitgliedstaaten sind nicht immer identisch mit jenen der USA. Deshalb Europa muss seine Interessen so geschlossen wie möglich vertreten.

Sind die Europäer dazu in der Lage?

Ja. Auf die von den USA verhängten Strafzölle bei Aluminium und Stahl haben die Europäer geschlossen mit Gegenmaßnahmen reagiert. Und alle treten für den Erhalt des Iran-Abkommens ein. Sicher ist es zu 28 noch oft mühsam, mit einer Stimme zu sprechen. Aber die Beispiele zeigen: Die Europäer begreifen, dass wir nur so überhaupt Gehör finden.

Untergräbt Deutschland mit seinem Alleingang beim Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 die Bemühungen um mehr Geschlossenheit?

Von Alleingang kann keine Rede sein. Auch aus anderen EU-Staaten sind Unternehmen an dem Projekt beteiligt, weil man sich auch dort Gedanken über die zukünftige Gasversorgung macht. Das Vorhaben wird zu stark politisiert. Der Vorwurf der Abhängigkeit von Russland ist jedenfalls nicht belegbar.

Wer stellt die größere Bedrohung für den Multilateralismus dar: Russland oder die USA?

Russland bricht etwa auf der Krim offen das Völkerrecht. Die USA ziehen sich aus Institutionen zurück, die sie selbst gegründet und über Jahrzehnte mit aufgebaut haben.

Aber auch China unterläuft internationale Spielregeln. All das bedroht die Grundlagen unseres europäischen Friedens- und Wohlstandsmodells. Schon deshalb müssen wir jede Mühe unternehmen, wieder zusammenzufügen, was von anderen zerschlagen wird.

Auch die Nato ist eine internationale Institution – doch dem US-Wunsch nach einem größeren Budget stehen Sie skeptisch gegenüber.

Wir erhöhen unsere Verteidigungsausgaben. Der Bundeshaushalt sieht substanzielle Ausgabensteigerungen vor. Wir müssen uns nicht nachsagen lassen, wir würden uns aus der Verantwortung stehlen. Aber Sicherheit hat nicht nur mit Verteidigungsausgaben zu tun. Unser großes Engagement in der Krisenprävention trägt auch ganz entscheidend zur Sicherheit bei.

Aber entscheidet in dieser Ära der Machtpolitik nicht die militärische Fähigkeit darüber, ob man von potenziellen Gegnern ernst genommen wird?

Ich kann mich nicht beklagen, dass man uns nicht ernst nimmt, im Gegenteil. Wir sind nach den USA größter Truppensteller in Afghanistan, wir führen die NATO-Vornepräsenz in Litauen. Aber auch für unser enormes ziviles Engagement etwa im Irak und unsere Suche nach Lösungen für Jemen und die Ukraine bekommen wir viel Anerkennung, übrigens auch in den USA.

Sie lehnen nach dem wahrscheinlichen Scheitern des INF-Vertrages die Stationierung landgestützter nuklearer Waffensysteme in Europa ab. Was ist mit konventionellen Mittelstreckenraketen?

Wir wollen diese Fragen innerhalb der Nato im Laufe des Jahres klären. Die Kündigung des Abkommens wird in sechs Monaten wirksam. So lange ist noch Zeit für Verhandlungen. Wir wollen das Thema Abrüstung und Rüstungskontrolle endlich wieder zu einem großen Thema in der internationalen Politik machen. Es gibt heute mehr Atomwaffenstaaten als in den achtziger Jahren. Und wir haben es mit neuartigen Waffen zu tun, für die es keine Regelungen gibt.

US-Präsident Trump will raus aus Afghanistan. Welche Folgen hätte ein Rückzug der USA für die Bundeswehr?

In Washington hat man mir zugesagt, dass wir in die US-Planungen frühzeitig eingeweiht werden. Dann werden wir uns ansehen, was das für unseren Auftrag bedeutet. In den USA ist die Diskussion zu dem Thema auch noch in Gang. Wir wollen jedenfalls zunächst das Mandat im März im Bundestag für ein Jahr verlängern. Sich jetzt zurück zu ziehen, wäre falsch.

Schwächt die Abzugsdebatte die Verhandlungsposition gegenüber den Taliban?

Die Spekulationen über einen US-Abzug helfen jedenfalls nicht – weder in Afghanistan noch in Syrien. Sie verringern den Druck, den der Westen ausüben kann.

Vor einem knappen Jahr traten Sie Ihr Amt mit dem Anspruch einer wertebasierten Außenpolitik an. Heute ist Assad in Syrien gefestigter als in den Kriegsjahren zuvor, und die einst vertriebenen Taliban verhandeln mit dem Westen über den Frieden in Afghanistan. Wie blicken Sie darauf?

Außenpolitik hat Frieden zum Ziel. Um Kriege zu beenden muss man in der Lage sein, mit Leuten zu reden, deren Werte man ablehnt. Aber belastbarer Frieden braucht an Ende ein Mindestmaß an Gerechtigkeit und Legitimität.

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