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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich der Wiedereröffnung des Gästehauses Petersberg
Ich freue mich sehr darüber, dass der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, heute hier ist. Denn Herr Röttgen, ich glaube, sowohl für den Auswärtigen Ausschuss als auch das Auswärtige Amt sagen zu können, dass der Name „Petersberg“ etwas mit Diplomatie zu tun. Dass wir zusammen hier sind, finde ich, ist eine sehr schöne Geste.
Liebe Ehrengäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
„Die Gebirge sind stumme Meister und machen schweigsame Schüler.“
Ich vermute, Goethe hatte nicht an den Petersberg gedacht, als er diesen Satz geschrieben hat.
Mit seinen 335,9 Metern gehört der Petersberg geographisch sicherlich nicht zu den ehrfurchteinflößenden Bergriesen.
Aber: Es lohnt sich, über diesen Berg zu reden. Denn: Würde seine Höhe nicht geographisch, sondern historisch vermessen – er würde sicher die Zugspitze überragen.
Beginnen möchte ich, wo dann auch alles begann, nämlich bei Ritter Walter.
Der wurde im Jahr 1134 zum ersten namentlich bekannten Bewohner des Petersbergs. Noch bevor dieser überhaupt so hieß, baute Walter hier oben eine Eremitenklause.
Und sehr geehrter Herr Krupp, sehr geehrter Herr Willms, wenn ich mich hier so umschaue, muss ich mit Respekt feststellen, was man aus einer ehemaligen Eremitenklause alles so machen kann!
Während Ritter Walter noch die Ruhe des Bergs zur inneren Einkehr nutzte, erkannte ein anderer bereits das touristische Potenzial dieses Ortes: und zwar Ferdinand Mühlens, der Eigentümer von „4711 Kölnisch Wasser“ - im Volksmund eher bekannt als „die Nase von Kölle“.
Er war es, der 780 Jahre später den richtigen Riecher hatte, im wahrsten Sinne des Wortes, und hier ein Hotel baute.
Von da an war das Schicksal des Ortes untrennbar verknüpft mit den Zufällen und Katastrophen, an denen die jüngere deutsche Geschichte bekanntlich so reich ist:
Im Kaiserreich zunächst als Tummelplatz der Reichen und Gekrönten.
1911 folgte die Pleite, dann die Schließung im Ersten Weltkrieg.
Nach der Wiedereröffnung war der Petersberg 1938 dann zum ersten Mal Schauplatz der Weltpolitik: Nämlich als der britische Premierminister Chamberlain hier den Versuch unternahm, Hitler vom Wahnsinn eines neuen Krieges abzuhalten.
Ohne Erfolg, wie wir heute wissen. Es folgte der Zweite Weltkrieg, die erneute Schließung, schließlich die Beschädigung durch Artilleriebeschuss kurz vor Kriegsende.
Es hätte wohl auch niemanden gewundert, wenn die Geschichte des Petersbergs an der Stelle geendet wäre. Was dann aber folgte war die wohl schwerwiegendste Wendung in seiner an Wendungen nicht gerade armen Geschichte: Bonn wurde Regierungssitz.
Provisorisch, zunächst, aber wie wir alle wissen: das Provisorium hielt dann vier Jahrzehnte.
Und mit einem Mal war der Petersberg nicht mehr Kollateralschaden der Weltpolitik. Er wurde zu einer ihrer Bühnen. Zum Synonym für die ersten vorsichtigen Schritte der jungen Bundesrepublik zurück in die internationale Gemeinschaft.
Mit dem Petersberger Abkommen wurde hier 1949 der Weg geebnet für die Eingliederung der Bundesrepublik in die Europäische Gemeinschaft, für die Aufnahme konsularischer Beziehungen und den Beitritt zu internationalen Organisationen. Im Gegenzug sagte die Bundesrepublik zu, ihre Politik auf Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit zu gründen.
Das gilt bis heute. Und daran lohnt es sich durchaus zu erinnern und zwar auch diejenigen, die in unseren Parlamenten, auf Straßen und an Stammtischen gegen Menschen hetzen, die vermeintlich anders aussehen, anders denken oder anders lieben als die Mehrheit in unserem Land das vielleicht tut.
Ebenso wichtig wie das Petersberger Abkommen selbst war aber auch dessen politische Symbolik.
Adenauers Schritt auf den Teppich, auf dem laut Protokoll nur die drei Hohen Kommissare der Alliierten zu stehen hatten, gab einem militärisch, wirtschaftlich und moralisch gebrochenen Land neue Zuversicht. Nicht im Sinne von „Wir sind wieder wer.“
Sondern in dem Gefühl, dass hier ein neues Deutschland die Weltbühne betritt im wahrsten Sinne des Wortes: Besonnen und respektvoll im Auftreten angesichts der fatalen Verirrungen unserer Geschichte.
Es ist diese Haltung, die der Bundesrepublik den Weg geebnet hat ins Bündnis der westlichen Staaten und zurück in die internationale Staatengemeinschaft. Heute sind wir für dieses und das nächste Jahr Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Und schließlich sind daraus auch erst die diplomatischen Freiräume entstanden, die dann zum Beispiel Willy Brandt zu nutzen wusste.
Ein wichtiges Kapitel seiner Politik der Entspannung zwischen Ost und West, des „Wandels durch Annäherung“– es wurde hier geschrieben, auf dem Petersberg.
Ganze vier Tage verbrachten Willy Brandt und der damalige Sowjet-Führer Leonid Breschnew 1973 hier oben. Und selbst der Umstand, dass Breschnew sein Gastgeschenk, einen nagelneuen Mercedes Cabrio, schon bei der ersten Fahrt auf der kurvigen Straße hier hoch zerlegte, konnte die Stimmung nicht trüben. Heute ist das etwas anders mit den Gastgeschenken. Die sind nicht mehr so üppig. Und wir müssen sowieso alles, was teurer ist als 25 Euro abgeben.
Meine Damen und Herren,
gerade wenn man auch tagsüber hier ist und den Blick über das Tal schweifen lässt - dann spürt man in der Kombination aus Abgeschiedenheit und dem weiten Blick ins Land - warum der Petersberg immer auch für politischen Weitblick gesorgt hat bei denjenigen, die sich hier oben getroffen haben.
Einer, der dieses Potenzial erkannte, war Helmut Schmidt. Er hat dafür gesorgt, dass der Petersberg Ender der 70er vom Bund erworben und zum Gästehaus der Bundesregierung umgebaut wurde. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht ganz ohne Ironie, dass die Eröffnung dann erst 1990 stattfand, wenige Wochen vor der Wiedervereinigung und nur einige Monate vor dem Beschluss, dass Berlin Hauptstadt werden sollte. Vielleicht sagt das auch etwas über unsere Verwaltungsverfahren aus und dass es durchaus noch Potential gibt, sich dort weiterzuentwickeln. Und trotzdem sieht man, wenn man sich hier umschaut, was daraus entstehen kann.
Meine Damen und Herren,
der Petersberg überstand letztlich auch das. In den letzten drei Jahrzehnten waren hunderte Staatsgäste hier zu Besuch: Bill Clinton, Nelson Mandela, der Dalai Lama oder erst vor wenigen Wochen mein russischer Kollege Sergej Lawrow, mit dem wir hier den Petersburger Dialog haben stattfinden lassen.
Meine Damen und Herren,
das hat damit zu tun, dass hier ist im wahrsten Sinne des Wortes wirklich viel Raum für Gespräche und für gute Gespräche ist. Weiljeder, der von der Terrasse ins Rheintal schaut, die Antwort auf die Frage findet, warum es am Rhein so schön ist.
Der Petersberg wurde so erneut zum Namensgeber. Nach der Terrorherrschaft der Taliban fanden hier 2001, 2002 und 2011 die „Petersberg-Konferenzen“ statt. Und der Name „Petersberg“ steht seither nicht nur in Afghanistan, aber bis heute dort ganz besonders, für einen Neuanfang.
Er steht auch für die deutsche Diplomatie, die sich eben nicht wegduckt vor internationaler Verantwortung.
Meine Damen und Herren,
es ist vielleicht auch eine Ironie des Schicksals, dass wir gerade, wo dieses Hotel wieder eröffnet wird, wieder darüber reden, wie es in Afghanistan weitergeht. Auf der einen Seite wollen die USA ihre Truppen Stück für Stück zurückziehen. Und auf der anderen Seite legen wir größten Wert darauf, dass dies nicht nur eine militärische Entscheidung ist, sondern begleitet wird von einem politischen Prozess.
Möglicherweise also wieder Friedensverhandlungen, wieder Friedenskonferenzen und wieder sind wir gebeten worden uns mit unseren norwegischen Partnern in diese Verhandlungen ganz wesentlich einzubringen.
Meine Damen und Herren,
hier ist vieles auf den Weg gebracht worden und das gilt ganz besonders für Afghanistan. Und deshalb ist dies auch gerade bei allen aktuellen politischen Diskussionen über die Zukunft Afghanistans ein ganz besonderer Abend.
Meine Damen und Herren,
Zukunft ist ein gutes Stichwort. Heute beginnt auch ein neues Kapitel dieses Ortes.
Wir verdanken das einer eher ungewöhnlichen Partnerschaft: Zwischen der BImA als Eigentümerin und Bauherrin und der Steigenberger-Gruppe als Managementpartner und Berater. Und dass das eine außerordentlich erfolgreiche Connection gewesen ist, das hat sich gerade in den letzten Monaten hier bewiesen.
Was hier in den letzten Jahren gelungen ist – der Umbau eines zuletzt doch etwas angestaubten Gästehauses in ein modernes Luxus- und Kongresshotel, und das im laufenden Betrieb und beinahe im Kostenrahmen – das kann sich wirklich sehen lassen. Und zwar nicht nur im Vergleich zu anderen Dauerbaustellen, die es in Berlin oder sonst wo in Deutschland gibt.
Meine Damen und Herren,
dafür möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Krupp, und Ihnen, sehr geehrter Herr Willms, stellvertretend auch für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein herzliches Dankeschön sagen! Das ist wirklich großartig, was hier geleistet worden ist.
Danke sagen möchte ich auch den Vertreterinnen und Vertretern der Region, die immer an die Zukunft des Petersbergs geglaubt und auch dafür gekämpft haben. Das ist ja ein altes Thema hier in dieser Region, hier in dieser Stadt, nachdem irgendwann entschieden worden ist, dass der Regierungssitz im Wesentlichen nach Berlin verlegt wird. Aber der Kampf um den Petersberg, er hat sich ganz sicherlich gelohnt.
Der Aufbruch hier oben, er spiegelt letztlich auch den Aufbruch wider, den Bonn und die Region in den letzten Jahrzehnten erlebt haben - allen Skeptikern und Pessimisten zum Trotz!
In der Börsen-Bundesliga steht die Region mit zwei DAX-Unternehmen und vielen Mittelständlern seit Jahren in den Top 3.
So eine Region kann ein Tagungshotel wie dieses i wirklich gut gebrauchen.
Und der VN-Campus, die Bundesbehörden, die vielen NGOs und der Wissenschaftsstandort Bonn tun dabei ihr Übriges. Bonn ist inzwischen die Stadt für Klima- und Nachhaltigkeitsdiplomatie weltweit geworden. Und dieses Thema wird immer wichtiger und damit auch dieser Standort.
Da ist es auch kein Wunder, dass der Petersberg inzwischen auch in diesem Bereich zum Namensgeber geworden ist. Und dass beim Petersberger Klimadialog Jahr für Jahr über das Zukunftsthema diskutiert wird, das gerade die Menschen in Deutschland, in Europa und immer mehr auch weltweit wie kaum ein anderes bewegt.
Meine Damen und Herren,
was bleibt dem Petersberg da noch zu wünschen?
Vor allen Dingen natürlich viele Gäste! Ich schließe mich dem Wunsch an, dass es nicht nur Staatsgäste sind. Sondern Menschen aus vielen Ländern, aber auch aus ganz unterschiedlichen Schichten. Dann kann dies ein lebendiger Ort werden.
Und so soll die Geschichte dieses Petersbergs weitergehen. Die unglaubliche Geschichte von der Eremitenklause zum Grandhotel.
Die Geschichte eines Berges, der historisch betrachtet eher ein ganzes Gebirge ist. Mit hohen Gipfeln und tiefen Tälern.
Eben vielleicht doch ein „stummer Meister“, um mit Goethe zu sprechen.
Ein Stück deutsche Geschichte, das sich heute aufmacht, wieder einmal – in eine neue Zukunft!
Alles Gute dafür!