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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich des Tags des Peacekeepers

06.06.2019 - Rede

Seit nun schon sieben Jahren feiern wir als Bundesregierung den „Tag des Peacekeepers“. Und bei allem, was sich in dieser Zeit so getan hat, eines ist uns bisher nicht gelungen: Nämlich einen passenden deutschen Ausdruck zu finden für das Wort „Peacekeeper“.

„Friedenssicherer“, „Friedensschützer“, „Friedensstifter“ – kein Begriff hat sich durchgesetzt. Und ich gebe zu: Zu sagen „Ich bin Friedensstifter von Beruf“ klingt zwar auf der einen Seite schön, auf der anderen Seite aber auch etwas ungewöhnlich.

Vielleicht auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil „Frieden“ für die allermeisten von uns hier in Deutschland längst zu einem abstrakten Begriff geworden ist. Zu einer Selbstverständlichkeit.

Um zu spüren, was Frieden konkret bedeutet, muss man dort hingehen, wo Sie täglich im Einsatz sind.

Deshalb will ich Ihnen von einem solchen Ort erzählen, den ich so schnell nicht vergessen werde. Er liegt eine Dreiviertelstunde per Helikopter südwestlich von Bogotá, irgendwo in den grünen Tälern der kolumbianischen Anden. Vor ein paar Wochen habe ich dort ein Lager zur Wiedereingliederung ehemaliger FARC-Rebellen besucht. Männer und Frauen, deren Alltag jahrzehntelang nur aus Kampf, Flucht, Gewalt und Gegengewalt bestand.

Auf die Frage, warum sie vor drei Jahren ihre Waffen niedergelegt haben, deutete einer dieser ehemaligen Kämpfer auf eine Hütte des Lagers. Es war der Kindergarten. Und in der Tat war das Lager voller Kinder, die meisten sind unter drei Jahre alt gewesen.

Der Frieden – bei den FARC-Kämpfern in Kolumbien hat er einen regelrechten Babyboom ausgelöst. Frauen, die dort am Kampf beteiligt waren, durften keine Kinder kriegen, weil die Lager, die man aufgeschlagen hat, alle zwei Tage verlassen und neu aufgeschlagen wurden, damit man nicht gefunden werden kann. Aber mit einem Mal gab es eine Zukunft für diese Menschen, die vor drei Jahren die Waffen abgelegt haben. Einen Sinn - auch dafür, eine Familie zu gründen.

Mir persönlich hat das noch einmal vor Augen geführt, dass Frieden eben alles andere ist als abstrakt. Frieden schafft die Grundlage für alles andere: für Entwicklung, für Wohlstand und auch für Selbstverwirklichung.
Oder um es mit Willy Brandt zu sagen: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“

Damit bin ich bei Ihnen, liebe Peacekeeperinnen und Peacekeeper. Denn auch Sie schaffen auf ganz unterschiedliche Art und Weise Frieden.

Im Namen der Vereinten Nationen, der EU, der OSZE oder auch der NATO.

Als zivile Expertin, als Polizist oder als Soldatin.

In Mali, Niger, Südsudan, Afghanistan, Haiti, im Libanon, in der Ukraine, in Albanien und im Kosovo.

Sie tun dies, und anders könnten Sie das auch gar nicht tun, aus persönlichem Antrieb. Dieser ist verbunden mit einem klaren ethischen Kompass. Und damit geht immer auch Mut einher. Denn Peacekeeping bringt persönliche Einschränkungen und Risiken mit sich, im Übrigen auch außerhalb von Kriegsgebieten.

Das hat uns auf ganz furchtbare Weise ja erst kürzlich der Flugzeugabsturz bei Addis Abeba ins Gedächtnis gerufen. Dutzende Mitarbeiter der VN-Familie kamen ums Leben, darunter auch eine junge Deutsche, die für IOM in Khartum gearbeitet und die ihr Leben verloren hat. Wenn wir heute hier zusammenkommen, dann denken wir auch an sie.

Auch Ihr Mut sollte uns Ansporn sein, Sie so gut es geht in Ihren Einsätzen vor Ort zu unterstützen. Wir schulden Ihnen nichts anderes als größtmögliche Sicherheit. Deshalb haben wir den Vereinten Nationen zum Beispiel gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung gestellt oder beschaffen Schutzwesten für Peacekeeper in Mali. Das sind vielleicht einfache Dinge, die aber vor Ort in bestimmten Situationen lebensrettend sind.

Ob im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder bei Mandatsdebatten im Bundestag, immer schwingt die Gewissheit mit, dass Sie -weit weg von Berlin oder New York - das umsetzen müssen, was wir dort beschließen. Ich komme übrigens gerade aus dem Bundestag und habe dort die Verlängerung des KFOR-Mandats für die Bundesregierung begründet.

Wir arbeiten aber auch im Sicherheitsrat daran, Mandate realistisch zu formulieren. Als die neue VN-Beobachtungsmission in Jemen entstanden ist, haben wir uns zum Beispiel dafür eingesetzt, Fragen der Unterbringung, der Sicherheit und der Logistik von Beginn an mitzudenken. Auch das sind auf den ersten Blick einfache Dinge. Aber es sind Dinge, die bei so vermeintlich großen Entscheidungen niemals unter den Tisch fallen dürfen, wenn wir unserer Verantwortung gerecht werden wollen als diejenigen, die politisch darüber entscheiden. Vielleicht klingt es für den einen oder anderen bürokratisch, solche Dinge zu erwähnen. Aber letztlich wissen Sie doch am besten: Im Feld sind das oft die Hürden, die Sie von Ihrer eigentlichen Arbeit abhalten.

Und diese Arbeit ist, wie sicher nicht nur ich hier im Auswärtigen Amt finde, das beste Markenzeichen unserer Friedenspolitik. Wenn ich mir Ihre Lebensläufe, Ihre Einsatzorte und Arbeitsschwerpunkte anschaue, dann spiegeln sie die ganze Bandbreite dessen, was „Frieden sichern“ tatsächlich ausmacht. Das beginnt bei der Prävention, es reicht über die Konfliktbewältigung und Stabilisierung bis hin zum Peacebuilding.

Diesen ja sehr umfassenden Ansatz haben wir als Bundesregierung in unseren Leitlinien für Zivile Krisenprävention festgeschrieben. Und wir wollen auch dafür sorgen, dass er international gestärkt wird.

Das bedeutet zum Beispiel, Generalsekretär Guterres dabei den Rücken zu stärken, Peacekeeping tärker noch auf Prävention auszurichten. Das ist ein wichtiges Thema, denn wir sitzen ja zur Zeit im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Mittlerweile habe ich an einigen Sitzungen dort teilgenommen und auch gelernt über die Arbeitsweise des Sicherheitsrates. Man hat dort manchmal den Eindruck, dass der Sicherheitsrat nach den traditionellen Kriterien überhaupt dann erst bereit ist, sich mit Themen zu beschäftigen, wenn es Tote gegeben hat.

Im Übrigen war das erste Thema, das wir im Januar auf die Tagesordnung des Sicherheitsrat gebracht haben, das Thema „Klima und Sicherheit“. Und damals haben schon viele etwas verständnislos geblickt. Die Toten, scheint es, müssen auch erschossen worden sein - verhungern oder verdursten zählt nicht zu dem Portfolio, das der Sicherheitsrat für sich in Angriff nehmen will. Und das müssen wir ändern.

Wir müssen auch viel stärker präventiv solche Gremien nutzen, um nicht Konflikte dann erst wieder einzudämmen, wenn sie schon entstanden sind, was uns ja bedauerlicherweise in den letzten Jahren nicht sehr erfolgreich gelungen ist im Sicherheitsrat. Sondern wir müssen uns viel mehr damit auseinandersetzen, sie zu verhindern.

Wir sorgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dafür, dass die Erfolge milliardenteurer Peacekeeping-Missionen nicht durch unterfinanzierte Pläne zur Friedenssicherung zunichte gemacht werden. Auch das ist ein Thema, das dort aufgerufen werden muss. Deshalb waren wir 2018 größter Geber des Peacebuilding Fonds. Deshalb fördern wir Mediation und flankieren unser Engagement auch durch umfassende Stabilisierungsmaßnahmen und investieren dafür viel Geld.

Und auch auf europäischer Ebene wollen wir das zivile Krisenmanagement stärken. Unser zentraler Beitrag wird die Einrichtung eines Europäischen Kompetenzzentrums für ziviles Krisenmanagement hier in Berlin sein. Es soll komplementär zum ZIF Standards und Empfehlungen für zivile Kriseneinsätze entwickeln, die dann von allen Mitgliedstaaten genutzt werden können.

Liebe Peacekeeperinnen, liebe Peacekeeper,
ich hoffe, dieses Engagement kommt dann auch vor Ort, im Feld, an. Was bei uns hier in Berlin ankommt, ist jedenfalls die wirklich außerordentlich große Wertschätzung, die Ihre Arbeit erfährt.

Ob in Afghanistan, in Mali oder auf dem Westbalkan – deutsche Expertinnen und Experten genießen einen wirklich hervorragenden Ruf - das erlebe ich ständig auf meinen Reisen.

So gut, dass die Nachfrage nach ihnen den Nachwuchs deutlich übersteigt. Aber auch daran arbeiten wir, nicht zuletzt mit Hilfe des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze. Das ZIF hat in den letzten Jahren weit über tausend zivile Experten sekundiert. Es entsendet rund 300 Wahlbeobachter pro Jahr. Auch die Einsatzvorbereitung gehört natürlich dazu. Für all das möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, liebe Frau Wieland-Karimi, heute ganz herzlich danken.

Danken möchte ich aber natürlich vor allen Dingen auch Ihnen, liebe Peacekeeperinnen und Peacekeeper! Wir mögen zwar noch keine feste deutsche Berufsbezeichnung haben, vielleicht brauchen wir das auch nicht. Aber eines sind Sie in jedem Fall: Mutmacher! Denn wer selber Mut zeigt, der macht auch anderen Mut.

In Ländern, in denen Polizisten nicht als „Freund und Helfer“ empfunden werden, prägen Sie das Bild einer rechtstaatlichen Polizei.

Sie leben vor, was es heißt, als Soldatin oder als Soldat „Bürger in Uniform“ zu sein.

Und Sie halten Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Demokratie hoch an Orten, an denen dies oft Fremdwörter sind, auch in deren eigener Sprache.

Bevor ich gleich an Sie, Herr Staatssekretär Zimmer, und Sie, Herr Staatssekretär Vitt, übergebe, möchte ich noch ein paar Worte zu den drei für das Auswärtige Amt entsandten zivilen Experten sagen, die wir heute hier ehren.

Da ist zunächst einmal Frau Bartsch. Sie ist als Beraterin im Kampf gegen Menschenhandel bei der EU-Mission EUCAP Sahel in Niger eingesetzt. Im Norden des Landes informieren Sie lokale Sicherheitskräfte und die Zivilbevölkerung über die Rechtslage zu Schleusung und Menschenhandel. Dort, am Knotenpunkt der Migrationsroute, tragen Sie zum Aufbau lokaler Kapazitäten beim Umgang mit der globalen Herausforderung Migration bei.

Ehrlich gesagt, ich könnte mir kaum eine schwierigere Aufgabe vorstellen in diesen Tagen - und auch keine wichtigere. Deshalb vielen Dank, für das, was Sie dort tun!

Lieber Herr Frowein, Sie sind sozusagen eine Premiere, auf die wir besonders stolz sind. Sie sind einer der ersten Experten, die vom ZIF direkt in eine VN-Mission entsandt wurden. In Mali arbeiten Sie in dem Bereich, der so etwas wie das Herzstück einer jeden Friedensmission sein sollte, nämlich dem Schutz von Zivilisten. Die verschlechterte Sicherheitslage vor Ort zeigt, wie sehr das nötig ist und wie sehr Sie dort auch gebraucht werden. Dass Sie trotz der schwierigen Bedingungen in Mopti diese Arbeit leisten – nicht nur die Menschen vor Ort danken es Ihnen, sondern auch wir hier in Deutschland und das wollen wir heute hier zum Ausdruck bringen.

Liebe Frau Vollmer, Sie leiten die Demokratisierungsabteilung der OSZE-Mission in Albanien und haben einen hervorragenden Ruf als Vermittlerin. Das ist mittlerweile auch bis hierher gedrungen. Denn Sie bringen lokale Akteure und Nichtregierungs-organisationen an einen Tisch - unter anderem um die Rolle von Frauen in der albanischen Politik zu stärken. Wie schwer das gerade im Moment ist, bei der innenpolitischen Situation, das glaube ich sogar einigermaßen nachvollziehen zu können. Dass inzwischen bei all den Problemen, die es gibt, aber auch ein Umdenken eingesetzt hat, ist nicht zu übersehen: Sieben von elf Ministerposten in Albanien sind mittlerweile mit Frauen besetzt. Beim Blick in unsere Parlamente, Vorstandsetagen und Kabinette müssten wir Sie eigentlich zurückholen nach Deutschland. Aber das tun wir nicht, denn Sie werden auf dem Balkan gebraucht. Und Sie wissen, dass das Land Albanien gerade in diesen Tagen mit Blick auf die Beitrittsverhandlungen in der EU eine wirklich sehr, sehr entscheidende Phase durchmacht und deshalb werden Sie vor Ort da gebraucht und deshalb bleiben Sie auch da. Alles Gute und vielen Dank für das, was Sie da tun!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wie auch immer Sie sich nennen – Peacekeeper, Friedensstifter oder Mutmacher – eines ist auf jeden Fall sicher: Das, was Sie leisten ist großartig - und das wollen wir hier alle, nicht nur das Auswärtige Amt, auch das Innenministerium und das Verteidigungsministerium mit dieser Veranstaltung zum Ausdruck bringen. Und alles, was wir dazu beitragen können, das wollen wir tun.

Herzlich Willkommen im Auswärtigen Amt! Schön, dass Sie da sind.

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