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Nahostkonflikt: „Deutschland hat durchaus Einfluss“

19.05.2021 - Interview

Außenminister Heiko Maas im Interview mit dem ZDF Morgenmagazin zur Situation in Nahost und zur Aufarbeitung der gemeinsamen Kolonialvergangenheit mit Namibia.

Frage: Stichwort Friedensvermittlung: Also kein Ergebnis bei der UNO. Auch keine gemeinsame EU-Erklärung, die hat Ungarn wohl verhindert. Unabhängig davon ist die EU ja wohl uneins. Verfolgen Deutschland und die EU überhaupt eine einheitliche Politik in der Sache?

Außenminister Heiko Maas: Ich glaube, dass die EU gestern eigentlich sehr einig gewesen ist. 26 Mitgliedstaaten von 27 sind sich einig gewesen, dass das wichtigste jetzt ist, dass die Waffen schweigen und dass es nicht noch mehr Todesopfer gibt. Lediglich Ungarn sah das anders – warum auch immer. Und deshalb ist es wichtig, dass die EU sich positioniert. Das ist die Position, die auch andere – die auch der amerikanische Präsident – eingenommen haben. Und das ist eigentlich auch das, was im Moment alle versuchen, die auf der internationalen Bühne mit Diplomatie vor und hinter der Tür versuchen beide Seiten dazu zu bringen, dass es zunächst einmal eine Waffenruhe gibt und dann auch einen Waffenstillstand, auf den sich die Menschen im Gazastreifen und in Israel auch verlassen können.

Frage: Wir fragen uns, wie stark kann die europäische Vermittlungsrolle sein? Die Sicherheit Israels gehört zur Staatsräson in Deutschland. Länder aber wie Portugal, Spanien, Schweden, Irland, Belgien, Luxemburg – die gehören eher zu den Israel-Kritikern. Ist dieser Riss in der Israel-Frage auch der Grund, warum Israel die EU als Vermittler nicht aktiv akzeptiert?

Maas: Ich glaube es gibt insgesamt – das ist ja nicht nur innerhalb der Europäischen Union so, man hat das auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York gesehen – beim Nahostkonflikt sehr sehr unterschiedliche Positionen. Ich glaube wichtig ist jetzt einfach, dass alle, die Einfluss haben – dazu gehört natürlich auch die Europäische Union, auch Deutschland – auf beide Seiten Einfluss nimmt. Dass es zunächst einmal dazu kommt, dass die Waffen schweigen. Und dann wird es letztlich darum gehen mittel- und langfristig eine Lösung für diesen Nahostkonflikt zu finden. Denn solange dieser Konflikt nicht gelöst ist, wird es immer so sein, dass einzelne Provokationen dazu führen können das die Gewalt eskaliert. Das haben wir in der Vergangenheit schon viel zu oft gesehen. Und deshalb muss, wenn die Waffen geschwiegen haben, auch ein Plan auf den Tisch gelegt werden wie irgendwann Israelis und Palästinenser auch wieder direkt miteinander reden und zu Vereinbarungen kommen, die diesen Konflikt ein und für allemal dann auch beenden.

Aber das scheint erstmal weit entfernt. Völlig klar: die Situation ist sehr sensibel. Deutschland wird aber nicht als Vermittler gerufen und ihr SPD-Parteichef hat jetzt Waffenlieferungen an Israel mit einem Mitspracherecht verknüpft, das hat viele irritiert.

Frage: Was sagen Sie dazu?

Maas: Als erstmal glaube ich, dass Deutschland durchaus Einfluss hat, weil Israel weiß, dass man sich dort auf Deutschland verlassen kann, weil die Sicherheit Israels zu unserer Staatsräson gehört. Und das ist politisches Allgemeingut in Deutschland und das wird auch so bleiben. Wir wollen genauso – und das tun wir schon seit vielen Jahren – die humanitäre Situation der Palästinenser verbessern. Dafür stellen wir viele Mittel zur Verfügung, dafür gibt es auch viele Projekte. Und jetzt geht es darum die guten Verbindungen, die wir nach beide Seiten haben, zu nutzen, dass die Waffen schweigen. Das ist das Thema, das alle umtreibt. Wir können auch nicht auf Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen warten. Sondern wir wollen zusammen mit den Amerikanern zum Beispiel – aber auch mit den Ägyptern, die natürlich Beziehungen zu der Hamas haben und damit auch auf diese einwirken können – dafür sorgen, dass in den kommenden Tagen das erreicht wird, worum es jetzt erstmal geht. Die Waffen zum Schweigen zu bringen und zu verhindern, dass es weitere Todesopfer gibt.

Frage: Herr Maas, Sie wollen dem Gazastreifen 40 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zur Verfügung stellen. Wie wollen, wie können Sie sicherstellen, dass dieses deutsche Geld nicht in die Hände der Hamas gerät – sprich einer Terrororganisation?

Maas: Es gibt schon aus der Vergangenheit über die Agenturen der Vereinten Nationen Möglichkeiten dieses Geld so zu veranlagen, dass es auch dort ankommt, wo es hin soll – nämlich bei den Menschen, die da leben und die sich teilweise humanitär in einer Situation befinden, die einfach immer wieder auch die Grundlage dafür ist, dass sie leicht mobilisierbar sind und auch leicht in einer Art und Weise gegen Israel aufgebracht werden können, die dazu führt, dass solche Konflikte dann immer weiter eskalieren. Das wird zu einer Lösung dazugehören müssen, dass die humanitäre Situation in den Palästinensischen Gebieten besser wird und damit Terrororganisationen wie die Hamas es nicht einfach haben Menschen zu mobilisieren, aufzubringen und in einen Konflikt zu führen, den wir schon viel zu lange mit uns rumschleppen. Und deshalb ist das auch ein Teil der Lösung darauf zu achten, dass die humanitäre Situation der Palästinenser besser wird auch damit auch in den Palästinensischen Gebieten eine Atmosphäre geschaffen wird, auf deren Grundlage dann auch Kompromisse mit den Israelis möglich sein werden.

Frage: Herr Außenminister, ich möchte zu Schluss mit Ihnen noch über ein anderes Thema sprechen – nämlich über den Völkermord an den Herero vor 113 Jahren. Ein ja unrühmliches Stück deutscher Kolonialgeschichte in Afrika. Da lesen wir, dass der Bundestag und die Bundesregierung kurz davor stehen Namibia dafür offiziell um Verzeihung zu bitten. Können Sie das bestätigen?

Maas: Also darüber wird schon seit 2015 verhandelt. Es hat in der letzten Woche nochmal eine Verhandlungsrunde mit unseren namibischen Partnern in Berlin gegeben. Das ist auch für Namibia und für die Opfergruppen in Namibia ein sehr sensibles Thema. Deshalb läuft das alles unter großer Vertraulichkeit. Wir wollen da ein Ergebnis erzielen und ich bin im Moment ganz zuversichtlich, dass das jetzt auch möglich ist. Und dass wir in den kommenden Wochen zu einer Vereinbarung kommen, die die Grundlage dafür ist, dass wir Verantwortung übernehmen für das, was wir da angerichtet haben zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Und damit auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia auf eine viel bessere Basis gestellt werden. D.h. dass man Verantwortung für die Vergangenheit übernimmt und damit aber auch die Voraussetzungen dafür schafft, dass man in der Zukunft viel besser und enger miteinander zusammenarbeiten kann.

ZDF-Morgenmagazin

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