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Rede von Außenminister Heiko Maas anlässlich des Minsk Forum 2020
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Markus Meckel hat natürlich Recht. Das ist heute kein Treffen, wie wir es aus den Jahren zuvor kennen.
Die Krise der letzten Monate, die wir alle miterleben mussten, hat Belarus grundlegend verändert: Das alte System bröckelt – und ein neues Belarus erwächst. Dabei verbindet uns alle, dass wir uns in diesem neuen Belarus wiederfinden können und ihm deshalb auch zum Durchbruch verhelfen wollen.
Deshalb empfinden wir alle Hoffnung und Sorge, Mut und Verzweiflung, wenn wir in diesen Tagen nach Belarus blicken:
Denn Woche für Woche gehen dort mutige Frauen und Männer auf die Straße – in Minsk, in Grodno, in Brest und in vielen anderen Städten des Landes.
Sie demonstrieren für Demokratie und sie tun das gewaltfrei. Und sie fordern, dass ihre Stimmen gehört werden – und zwar in freien und fairen Wahlen, und sie haben dafür unsere Unterstützung.
Aber da ist letztlich auch das alte Belarus, mit dem wir es weiterhin zu tun haben: Sicherheitskräfte, die Demonstrantinnen und Demonstranten einschüchtern, prügeln und auch verhaften.
Ein Staatsapparat, der kritische Journalistinnen und streikende Arbeiter auf die Straße setzt und protestierende Studierende exmatrikuliert.
Und ein Mann, der den Dialog verweigert und Tausende unschuldiger Menschen in diesem Land ins Gefängnis steckt.
Seit der Wahl im August zählen wir über 30.000 Festnahmen, 1.000 Strafverfahren, weit über 100 politische Gefangene und auch Tote. Und kein einziges Strafverfahren gegen die Mitglieder der Sicherheitskräfte hat es bisher gegeben.
Liebe Swetlana,
Du bist mit Deinem Mut gegen solche Repression ein Sinnbild des Wunsches der Menschen in Deinem Land nach Demokratie, Freiheit und Menschenwürde geworden.
Deshalb will ich das auch noch einmal sagen und ich habe es auch schon an anderen Stellen gesagt: Wir wollen Euch in diesem Prozess begleiten und wir wollen Euch auch unterstützen. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern das gilt für die Europäische Union.
Wir tun das oft mit Worten, aber wir wollen bei den Worten nicht stehenbleiben.
- Weil Lukaschenko und seine Machtclique weiter auf Schlagstöcke statt ernsthaften nationalen Dialog setzen, haben wir in der Europäischen Union Sanktionen verhängt – und nicht nur verhängt, sondern wir haben sie weiterentwickelt und mittlerweile auch verschärft:
Und wenn Lukaschenko seine Unterstützer nicht unter Kontrolle bekommt und wenn sie nicht einlenken, dann werden wir diese Sanktionen auch weiter Stück für Stück ausweiten. Dazu haben uns in der EU entschlossen.
Dabei ist wichtig: Wir zielen mit den Sanktionen direkt auf die Stützen des Lukaschenko-Regimes.
Und wir beraten derzeit mit unseren Partnern, wie wir die gerichtsfesten Belege von Menschenrechtsverletzungen, die es ja gibt, täglich, erfassen können, damit die Straftäter anschließend strafrechtlich verfolgt werden können. - Zudem verstärkt Deutschland seine Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft – bilateral, aber auch über die Kanäle der EU. Wir fördern Projekte zu Inklusion und zur Ausbildung von Journalisten. Wir wollen nicht hinnehmen, dass Lukaschenko seine Zivilgesellschaft weiter beiseite knüppelt.
Deshalb gilt mein besonderer Dank unseren polnischen Freunden. Lieber Zbigniew, Polen hat als Nachbar von Belarus in den vergangenen Monaten viel geleistet. Wir haben uns darüber beide oft ausgetauscht. Ihr habt viele belarussische Oppositionsvertreter aufgenommen. Und Ihr habt ihnen in Warschau mit dem „Belarusski Dom“ – dem „belarussischen Haus“ – ein eigenes Refugium gebaut.
Deutschland, das weißt Du, Zbigniew, unterstützt die polnische Initiative für EU-Wirtschaftshilfen nach freien Wahlen in Belarus. Und wir drängen gegenüber dem belarussischen Staat auf eine schnellstmögliche Rückkehr des polnischen und des litauischen Botschafters nach Minsk.
Meine Damen und Herren,
Deutschland und Belarus verbindet Geschichte, bedauerlicherweise eine dunkle Geschichte.
Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg sich bei der belarussischen Bevölkerung in einer Art und Weise verhalten, dass wir unfassbare Schuld auf uns geladen haben. Keine Region hat im Nazi-Vernichtungskrieg in Osteuropa einen höheren Blutzoll gezahlt, als die sogenannten „bloodlands“, in denen auch die heutige Republik Belarus liegt. Das haben wir nicht vergessen in Deutschland.
Deshalb bin ich dankbar, dass wir in den vergangenen Jahren Brücken bauen konnten zwischen den Menschen unserer beiden Länder. Dafür steht die „Geschichtswerkstatt“ auf dem Gelände des früheren Minsker Ghettos. Und unsere gemeinsame Historikerkommission hat endlich dieses Jahr ihre Arbeit aufnehmen können.
Ganz wichtige Brückenbauer zwischen Deutschland und Belarus sind dabei vor allen Dingen, lieber Markus, natürlich das Minsk Forum und die Deutsch-Belarussische Gesellschaft.
Ihr habt das Forum dieses Jahr trotz doppelter Hürde aus politischer Krise und Pandemie organisiert. Dafür danke ich Euch und allen, die daran mitgewirkt haben. Wir erleben das ja alle, wie schwer das zurzeit ist, uns in Pandemiezeiten zu organisieren. Deshalb ist es umso notwendiger, dass wir uns gerade, wenn es um einen Kampf um Demokratie und Freiheit geht, uns eben nicht davon abhalten lassen durch die Widrigkeiten, mit denen wir es nun einmal zu tun haben.
Es ist wichtig, dass es einen engeren Austausch gibt zwischen den Menschen unserer Länder. Dazu tragt Ihr bei und dazu wollen wir heute beitragen. Für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte. Und für das neue Belarus.
Vielen Dank.