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„Diese Taten lassen uns in ihrer Grausamkeit noch heute den Atem stocken.“

Außenminister Heiko Maas reist nach Marzamotto um dort an einer Gedenkveranstaltung teilzunehmen.

Außenminister Heiko Maas reist nach Marzamotto um dort an einer Gedenkveranstaltung teilzunehmen., © Xander Heinl/photothek.net

30.09.2018 - Rede

Heiko Maas gedenkt in Marzabotto 770 italienischen Opfern des Nationalsozialismus

The cruelty and barbarity of these actions still leave us aghast“, Foreign Minister Heiko Maas said in his speech
„The cruelty and barbarity of these actions still leave us aghast“, Foreign Minister Heiko Maas said in his speech© Xander Heinl/photothek.net

Vielen Dank für die Einladung, an diesem Gedenken teilnehmen zu dürfen!

Es ist nicht selbstverständlich, dass ich als Vertreter Deutschlands hier stehen darf. Auch heute noch nicht, nicht an diesem Ort. Diesem Ort, an dem meine Landsleute so viel Leid über die Menschen gebracht haben.

770 Menschen wurden im Gebiet Monte Sole-Marzabotto innerhalb weniger Tage getötet. Es sind Taten, von Deutschen begangen, die uns in ihrer Schändlichkeit und Grausamkeit noch heute den Atem stocken lassen.

770 Tote, dahinter verbergen sich 770 Menschen mit Familien und Freunden, 770 konkrete Schicksale. 770 Leben, die wir niemals vergessen werden.

Wir denken an die Familien, die ausgelöscht wurden: die Familien Gamberini, Laffi, Tondi, Ventura, Tonelli und so viele andere.

Insgesamt wurden mehr als 200 Kinder Opfer das Leben genommen. Sie hatten das Leben noch vor sich. Doch sie sind ermordet worden.

In Trauer und Scham verneige ich mich als deutscher Außenminister vor den Opfern und ihren Angehörigen, über die durch dieses barbarische Verbrechen unermessliches Leid gebracht wurde.

Ich selber gehöre in Deutschland einer Partei an, deren Mitglieder von den Nazis verfolgt und ermordet wurden. Deshalb verehre ich alle, die Widerstand gegen die Nazis geleistet haben, in Deutschland oder außerhalb Deutschlands. Im Kampf und im Widerstand gegen Rassismus, Extremismus und Faschismus sind wir alle Brüder und Schwestern, gerade heute.

Foreign Minister Heiko Maas and Italian Foreign Minister Moavero Milanesi at the wreath-laying ceremony at the Sacrario ai Caduti memorial chapel
Foreign Minister Heiko Maas and Italian Foreign Minister Moavero Milanesi at the wreath-laying ceremony at the Sacrario ai Caduti memorial chapel© Xander Heinl/photothek.net

Auch deshalb erfüllt es mich als deutschen Außenminister mit tiefer Demut, hier teilnehmen zu dürfen. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass statt Hass und Vergeltung über viele Jahre eine tiefe Freundschaft zwischen Deutschland und Italien gewachsen ist. Diese Freundschaft ist ein großes und wertvolles Geschenk, das wir hüten müssen.

Es sind Sie, die Italienerinnen und Italiener, die dies ermöglicht haben, indem sie ihre Hand zur Versöhnung ausgestreckt haben.

Auch Ihre Einladung an mich, an diesem Tag heute hier teilzunehmen – zusammen mit Angehörigen der Opfer - ist eine solche Geste der Versöhnung, die mich persönlich tief bewegt.

Wir gedenken der Menschen, die ermordet wurden und gelitten haben. Deren Schicksal uns bis heute erschüttert und fassungslos macht.

Doch Marzabotto und das Gebiet Monte Sole ist heute nicht nur der Schauplatz eines Kriegsverbrechens, es ist auch ein Symbol der Hoffnung. Denn jeder wiederaufgebaute Stein ist auch ein Sieg des Lebens und ein Triumph der Menschlichkeit über das Grauen der Vergangenheit.

An einem Ort wie Marzabotto blicken wir gemeinsam auf das dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Zugleich mit diesem Blick erhellt sich auch unsere Sicht auf den langen Weg, den unsere beiden Länder zurückgelegt haben.

Einen Weg der Freundschaft und des Vertrauens in einem vereinten Europa. Und dieses Vertrauen stand auch am Anfang unseres Weges hin zu einer Kultur des gemeinsamen Erinnerns, die zu lange gefehlt hat.

An einem Ort wie diesem jedoch, aber auch an anderen Orten des Grauens in Europa, erscheint der Weg, den die Pioniere der europäischen Einigung gegangen sind, als ein unglaublich mutiges Vorhaben. Man könnte vom Wunder Europa sprechen. Und Italien hat dabei eine ganz prägende Rolle gespielt, spielt sie auch heute noch und muss sie auch in Zukunft spielen.

Meine Damen und Herren,
die Namen der hier ermordeten Menschen sind eine Mahnung.

So wie wir sie nicht vergessen haben, haben wir nicht vergessen, wozu Hass und Rassismus führen kann.

Sie dürfen in unseren Gesellschaften nie wieder einen Platz bekommen.

Dass wir heute zusammengekommen sind, ist ein Beleg dafür, dass Verständigung auch nach grausamsten Verbrechen möglich ist. Dafür bin ich den Italienerinnen und Italienern von Herzen dankbar. Wir möchten mit Ihnen täglich daran arbeiten, dieses Vermächtnis zu bewahren.

Wir müssen schützen und voranbringen, was wir erreicht haben: Frieden, Vertrauen, Partnerschaft und Einigkeit.

Unsere Freundschaft lebt seit 70 Jahren durch das Miteinander von Italienern und Deutschen in unseren beiden Ländern.

Und wenn überall auf der Welt Nationalisten Abschottung predigen, dann wollen wir gemeinsam eintreten für mehr internationale Zusammenarbeit, für mehr Freiheit, für mehr Respekt, für mehr deutsch-italienische Freundschaft.

Grazie.

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